Reduzierter Freibetrag für das Beitrittsgebiet beim Zusammentreffen von Verletztenrente mit Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
Gründe:
Die Anfrage betrifft die Rechtsprechung zu der Schlechterbehandlung, welche die vollziehende Gewalt seit 1992 gegenüber den
unfallverletzten "Alt-Rentern-Ost" im Unterschied zu den "Westrentnern" bei gleich hoher unfallbedingter Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) praktiziert.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) nimmt nicht dazu Stellung, ob die Anfrage des 13. Senats zulässig ist (§
41 Abs
2 und
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Bedenken ergeben sich daraus, dass § 84a Bundesversorgungsgesetz (BVG), auf den §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) seit seiner Fassung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
(RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) Bezug nimmt, durch Art 01 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts
und des Gesetzes über einen Ausgleich von Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (nachfolgend: SER/DbAG-ÄndG) vom 19.6.2006
(BGBl I 1305) neu gefasst und dadurch eine neue Gesetzes- und Rechtslage geschaffen worden ist. Ungeachtet dessen beantwortet
der 4. Senat die Anfrage, allerdings begrenzt auf den Zeitraum bis zur Verkündung des SER/DbAG-ÄndG. Denn nur zu der in diesem
Zeitraum bestehenden Rechtslage hat er sich in den Entscheidungen, von denen der 13. Senat abweichen will, geäußert. Hierbei
ist zwischen zwei Zeiträumen zu unterscheiden, nämlich dem Zeitraum ab dem 1989 erfolgten Gesetzesbeschluss des 11. Deutschen
Bundestages zu §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261), in Kraft getreten am 1.1.1992, bis zur Verkündung des RVNG (26.7.2004) - dazu Teil A
- und dem anschließenden Zeitraum bis zur Verkündung des SER/DbAG-ÄndG (22.6.2006) - dazu Teil B.
A. Von 1989 bis 2004 gab es keinen Parlamentsbeschluss, nach dem bei gleicher unfallbedingter MdE die Verletztenrente aus
der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) den unfallverletzten Rentnern aus der DDR auf ihre Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
(RV) in höherem Maße anzurechnen war als bei "West-Rentnern".
Der 13. Senat vertritt im Anfragebeschluss - unter Aufgabe der bisherigen gemeinsamen Rechtsprechung des 13. und 4. Senats
- die Auffassung, die seit 1992 von der Verwaltung praktizierte Schlechterbehandlung von unfallverletzten RV-Rentnern, die
am 18.5.1990 im Beitrittsgebiet wohnten, gegenüber solchen im alten Bundesgebiet mit gleichhoher unfallbedingter MdE bei der
Anrechnung von Verletztenrenten aus der gesetzlichen UV auf Renten aus der RV habe der seit dem 1.1.1992 bestehenden Rechtslage
entsprochen. Dieser Rechtsauffassung folgt der 4. Senat nicht, weil sie dem Gesetzestext unzulässig die von der Verwaltung
praktizierte Deutung unterlegt.
I. Zur Rechtsnatur der Anrechnung eines Teils der UV-Verletztenrente auf die RV-Rente
Seit dem 1.1.1992 bestimmt §
93 Abs
1 Nr
1 SGB VI in der durch das RRG 1992 geschaffenen Fassung, dass die Rente aus der RV insoweit nicht geleistet wird, als bei einem Zusammentreffen mit der
Verletztenrente aus der UV die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag
übersteigt. Der 4. Senat hat dazu in seinem Urteil vom 31.3.1998 (B 4 RA 49/96 R, BSGE 82, 83 f = SozR 3-2600 § 93 Nr 7) dargelegt, dass die Norm die Voraussetzungen regelt, unter denen der RV-Träger als Schuldner dem
Versicherten als Gläubiger anspruchsvernichtend durch den Verwaltungsakt der Festsetzung des monatlichen Anrechnungsbetrages
und des daraus resultierenden verringerten Zahlbetrages eine "Teilerfüllung" entgegenhalten darf. Denn der Nachteil (Verlust
an Erwerbseinkommen), den abzugelten die RV versprochen habe, werde bereits in Höhe des Anrechnungsbetrages, der dem Entschädigungsanteil
für Verdienstausfall in der UV-Rente entspreche, ausgeglichen. Ihrer materiellen Rechtsnatur nach gestaltet die Anrechnungsnorm
somit einen (einzel-)anspruchsvernichtenden Einwand; hierbei hat die UV-Rente in Höhe des Anrechnungsbetrages die Bedeutung
eines Erfüllungssurrogats. Ferner ermächtigt die Vorschrift den RV-Träger, den Einwand einseitig verbindlich durchzusetzen.
II. Die Anrechnung der Verletztenrente aus der UV auf die RV-Rente ist ein Grundrechtseingriff in das RV-Renteneigentum, der
verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt ist, soweit die Unfallrente "Lohnersatzfunktion" hat, also dem Ausgleich eines "Verdienstausfalls"
dient.
Im genannten Urteil vom 31.3.1998 (BSGE 82, 83, 90 ff) hat der 4. Senat entschieden, dass §
93 SGB VI zwar den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (Art
14 Abs
1 Grundgesetz [GG]) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art
3 Abs
1 GG) berührt, jedoch in der von ihm vorgenommenen - verfassungskonformen - Auslegung den verfassungsrechtlichen Anforderungen
für die Vornahme des Eingriffs genügt. Die Anrechnungsregel ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Sie verfolgt den verfassungsmäßigen
Zweck, Nachteilsüberkompensationen (sog Überversorgung) aus der Summierung teilweise zweckähnlicher Versicherungsleistungen
aus zwei Zweigen der Sozialversicherung des SGB zu begrenzen. Die Anrechnung ist gerechtfertigt, soweit zwischen Versicherungsgegenstand
und Sicherungsziel der Renten aus der UV und der RV Übereinstimmung iS einer sachlichen Kongruenz besteht, soweit also beide
den Ausgleich eines Verlustes an Erwerbseinkommen (Verdienstausfall) bezwecken.
Die Renten der RV haben in einem weiteren Sinn Einkommens- und damit auch Lohnersatzfunktion (dazu Urteil des 4. Senats vom
31.3.1998, aaO S 94 f). Eine vergleichbare Funktion als Ersatz von "Verdienstausfall" erfüllt zum Teil auch die Verletztenrente
(stellvertr Bundesarbeitsgericht [BAG] Urteil vom 13.9.1983, 3 AZR 537/82, BB 1983, 2261 ff = VersR 1984, 144 ff mwN). Seit Inkrafttreten der UV im Jahre 1884 hat sich bei der Verletztenrente eine "Funktionsverschiebung" ergeben. Während
man ursprünglich davon ausgegangen war, dass der abstrakt berechneten MdE ein entsprechender Verdienstausfall gegenüberstand,
hat die weitere Entwicklung in der Arbeitswelt dazu geführt, dass eine MdE bei leichten und mittelschweren Unfällen keine
oder fast keine "Lohneinbußen" (dazu BVerfG, Beschluss des 1. Senats vom 7.11.1972, BVerfGE 34, 118, 132 f), aber auch bei schweren Unfällen in der Regel nur teilweise Einbußen am Erwerbseinkommen verursacht (zum Letzteren:
BVerfG, Kammerbeschluss vom 8.2.1995, SozR 3-2200 § 636 Nr 1). Mit der Verletztenrente werden daher im Rahmen der abstrakten
Schadensberechnung nicht nur unfallbedingte Einbußen am Erwerbseinkommen, also "Verdienstausfälle", sondern auch immaterielle
Schäden (Verlust an gesundheitlicher Integrität mit den damit verbundenen Mehraufwendungen) kompensiert, sodass der Ausschluss
eines Schmerzensgeldanspruchs gegen den Arbeitgeber mit dem
GG vereinbar ist (BVerfG, aaO). Soweit in neuerer Zeit dieser Ausschluss wieder in Frage gestellt wird (vgl dazu ua: Fuhlrott,
Der Schmerzensgeldausschluss durch die Unfallversicherung - Verfassungswidriger Zustand oder gerechtfertigte Ungleichbehandlung?,
NZS 2007, 237, mwN), führt dies noch weiter von der Ansicht des 13. Senats weg. Hierauf ist nicht weiter einzugehen; der 4. Senat ist an
die tragenden Entscheidungsgründe im Beschluss des BVerfG vom 7.11.1972 gebunden (§ 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG). Eine Vergleichbarkeit mit den Entschädigungsregelungen der UV hat das BVerfG für den Bereich der beamtenrechtlichen Fürsorge
festgestellt und auch dort den Ausschluss eines Schmerzensgeldanspruchs für verfassungsgemäß angesehen (Bundesverfassungsgericht
[BVerfG], Beschluss des 2. Senats vom 8.1.1992, BVerfGE 85, 176, 187).
Die Rente der RV gleicht ausschließlich Einkommens- bzw Lohneinbußen aus. Eine sachliche Kongruenz der Verletztenrente mit
der RV-Rente besteht daher nur insoweit, als die Verletztenrente der UV ebenfalls Verdienstausfälle, nicht aber andere Schäden
ausgleicht, soweit sie also Lohnersatzfunktion hat. Bei der Anrechnung nach §
93 SGB VI dürfen nur diese kongruenten Anteile einbezogen werden, nicht dagegen diejenigen, die dem Ausgleich der dauerhaften Einbußen
an körperlicher, geistiger und seelischer Integrität (immaterielle Schäden im engeren Sinn) und der dadurch bedingten Mehraufwendungen
und wirtschaftlichen Nachteile (immaterielle Schäden im weiteren Sinn) dienen, die keine Lohnersatzfunktion haben. Jede Regelung,
die diese Anteile nicht anrechnungsfrei stellt, ist nach der Überzeugung (Art
100 Abs
1 GG) des 4. Senats verfassungswidrig und verletzt das Eigentumsgrundrecht der unfallverletzten RV-Rentner, deren RV-Versicherungsansprüche
ohne einen dies rechtfertigenden Sachgrund absolut und im Vergleich mit den nicht unfallverletzten RV-Rentnern willkürlich
gekürzt würden.
Die UV-Verletztenrente dient hingegen, wie das BVerfG (aaO) geklärt hat, nur zum Teil der Entschädigung des unfallbedingten
Verdienstausfalls. Außerdem entschädigt sie auch unfallbedingte Nichterwerbsschäden, nämlich den durch den Unfall verursachten
Verlust an körperlicher, seelischer und geistiger Integrität mit seinen mittelbaren Folgen (immaterieller Schaden im oben
genannten weiteren Sinne). Insoweit besteht offenkundig keine sachliche Kongruenz der UV-Rente mit der RV-Rente, sodass dieser
Anteil anrechnungsfrei bleiben muss (dazu unten A. VI. 3.).
Das Ausmaß des Gesamtschadens aus Verdienstausfall und sonstigem Schaden wird in der UV abstrakt, aber nicht gesondert mittels
der MdE-Grade geschätzt. Identische MdE-Grade bedeuten dabei einen im Wesentlichen identischen Unfallschaden. Welcher Geldbetrag
als Ausgleich jeweils des Verdienstausfalls oder des sonstigen Schadens angemessen ist, lässt sich jedoch nach den Bewertungsvorschriften
der UV nicht ermitteln. Denn diese legen nur den Ausgleich für den (materiellen und immateriellen) Gesamtschaden und diesen
allein aus dem individuellen Arbeitsverdienst (dazu schon BAG aaO) fest.
Die Anrechnung eines Teils der UV-Rente auf die RV-Rente ist ein Eingriff in das durch Art
14 Abs
1 GG geschützte, auf Eigenleistungen beruhende Renteneigentum (dazu zuletzt BVerfGE 116, 96, 121 ff). Daher unterliegt er ua dem grundrechtlichen Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt. Das bedeutet: Es ist allein dem
Deutschen Bundestag vorbehalten, selbst zu beraten und zu entscheiden und in einem Gesetz klar und eindeutig festzulegen,
welcher Anteil der Verletztenrente in welcher Höhe dem Ausgleich des Verdienstausfalls und welcher dem des sonstigen Schadens
dient. Demzufolge darf die Verwaltung nur den Teil der Verletztenrente anrechnen, den der Deutsche Bundestag selbst und vorher
in einem Gesetz als Anrechnungsbetrag festgesetzt hat. Ihm allein ist es auch vorbehalten, in einem Gesetz anzuordnen, dass
die Verwaltung einen Teil der RV-Rentner trotz gleicher MdE schlechter (Art
3 Abs
1 GG) behandeln soll als die anderen Rentner, falls dies verfassungsrechtlich erlaubt sein sollte. Das BVerfG hat in ständiger
und den 4. Senat des BSG bindender Rechtsprechung geklärt (s BVerfGE 40, 237, 248 ff), dass alle für den Bürger grundsätzlichen, insbesondere die für die Wahrung seiner Grundrechte (hier: auf Eigenleistungen
beruhendes Renteneigentum) wesentlichen Fragen die Beratung und Beschlussfassung durch das Parlament selbst erfordern. Der
Parlamentsvorbehalt gebietet es, im Bereich der Grundrechte alle wesentlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber zu überlassen.
Dieser Vorbehalt erfasst nicht nur die Frage, ob etwas überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese
Regelungen im Einzelnen zu gehen haben; das gilt auch bei Art
14 Abs
1 GG (zusammenfassend BVerfGE 101, 1, 30, 34 mwN; Beschluss des Ersten Senats des BVerfG vom 13.6.2007 [1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05]; ebenso schon Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats [1 BvR 2368/06] vom 23.2.2007, RdNr 45 ff; in: NVwZ
2007, 688 ff).
III. Der Deutsche Bundestag war bis zum Jahr 2004 niemals mit der Frage befasst worden, ob unfallverletzte RV-Rentner aus
dem Beitrittsgebiet bei gleicher MdE einen niedrigeren Freibetrag wegen des immateriellen Schadens erhalten sollten als "West-Rentner",
ob also bei ihnen die Verletztenrente zu einem höheren Teil einen Verdienstausfall ausgleichen sollte.
1. Der 11. Deutsche Bundestag hat 1989 zu §
93 SGB VI als Teil des RRG 1992 beraten und beschlossen, allen unfallverletzten RV-Rentnern nur noch den Teil der UV-Verletztenrente auf die RV-Rente
anzurechnen, der dem Ausgleich eines Verdienstausfalls dient.
Er hat angeordnet, der Teil der Verletztenrente, der nicht den Verdienstausfall, sondern den sonstigen unfallbedingten Schaden
ausgleicht, solle nicht mehr angerechnet werden dürfen, und den nicht anrechenbaren Teil der UV-Verletztenrente, als Freibetrag
bezeichnet. Dessen Geldwert hat er 1989 in §
93 SGB VI abhängig von dem jeweiligen MdE-Grad des Verletzten in Höhe des Betrages festgesetzt, den das BVG den nur in § 31 Abs 1 aaO genannten gleichhohen MdE-Graden (als jährlich durch Gesetz dynamisierbaren Betrag der Kriegsopfer-Grundrente) zuordnet.
Er hat den Freibetrag als "den Betrag" definiert, der bei gleichem Grad der MdE als Grundrente nach dem BVG geleistet würde. Dadurch sollte, wie damals ausdrücklich erklärt wurde, erreicht werden, dass - entsprechend dem Grad der
MdE der Teil der Unfallrente sich nicht rentenmindernd auswirkt, von dem angenommen werde, dass er keine "Lohnersatzfunktion"
hat. Das Gesetz sollte erklärtermaßen dem Unfallverletzten jeweils den Betrag als Freibetrag zuweisen, der ihm, wäre er ein
Kriegsopfer, bei gleicher MdE als (Beschädigten-) Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG geleistet würde (stellvertr BT-Drucks 11/4124, S 174; BT-Drucks 11/5530, S 26; Prot über die 89. Sitzung des Ausschusses
für Arbeit und Sozialordnung vom 14.6.1989, S 89/11, 12).
§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG regelte 1989 als einzige Gesetzesvorschrift im BVG für die Kriegsopfer-Grundrente, welcher Geldbetrag bei welcher MdE als Grundrente zu leisten war. Nur diese Vorschrift ordnete
den allein in ihr benannten MdE-Graden bestimmte (jährlich durch Gesetz dynamisierbare) Geldbeträge zu. Eine andere Bestimmung
über die Beträge der Grundrente für Kriegsopfer gab es damals im BVG nicht. Das Parlament hat 1989 also auch nach dem damaligen Gesetzeskontext eindeutig beschlossen, nur für die Höhe des Freibetrages
auf die jeweiligen Beträge bei gleicher MdE aus § 31 Abs 1 Satz 1 BVG zu verweisen.
2. Der 11. Bundestag hat naturgemäß 1989 nicht beraten und nicht beschlossen, dass der Freibetrag bei unfallverletzten Alt-Rentnern
der damals bestehenden DDR im Falle einer damals nicht absehbaren Wiedervereinigung niedriger sein sollte als der sich aus
§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG jeweils ergebende Betrag.
Es gibt in den gesamten Materialien keinen Hinweis darauf, der Bundestag habe dieses Thema 1989 auch nur im Blickfeld gehabt.
Der 11. und jeder folgende Deutschen Bundestag hätte jedoch im Zusammenhang mit der Rentengesetzgebung bei und nach der Wiedervereinigung
mehrfach Gelegenheit gehabt, dieses Thema zu beraten, einen Willen zur Ungleichbehandlung der "Ostrentner" zu bilden und diesen
in einem Gesetz kundzutun, wenn er solches überhaupt in Erwägung gezogen hätte. Er hat aber nie diskutiert oder beabsichtigt,
von dem Gesetzesbeschluss vom 9.11.1989 und seinem darin eindeutig manifestierten Willen abzuweichen und im Rentenversicherungsrecht
des
SGB VI für die unfallverletzten RV-Rentner des Beitrittsgebiets einen geringeren Freibetrag einzuführen. Der Deutsche Bundestag
hat sich (vor 2004) nie mit dieser Frage befasst und die Verwaltung nie zu einer Schlechterbehandlung der unfallverletzten
RV-Rentner "Ost" ermächtigt. Wie er damals entschieden hätte, wenn er von der vollziehenden Gewalt um eine besondere Kürzungsermächtigung
"Ost" gebeten worden wäre, kann nur Gegenstand von historischen Spekulationen sein. Denn die zugänglichen Quellen enthalten
keinen Hinweis darauf, es könne dem Deutschen Bundestag aus seiner Mitte oder von Seiten der vollziehenden Gewalt oder des
Bundesrates auch nur die Anregung vorgetragen worden sein, unfallverletzte Rentner der DDR bzw des Beitrittsgebiets bezüglich
des Freibetrages schlechter zu stellen. Seit dem Gesetzesbeschluss von 1989 hat das Parlament also eine Änderung seiner Entscheidung
bis zum Gesetzesbeschluss vom 16.6.2004 (Plenarprotokoll 15/113) über das RVNG offenkundig nicht in Erwägung gezogen und nicht
beschlossen. Eine dem grundrechtlichen Parlamentsvorbehalt genügende Willensbildung und -bekundung des Deutschen Bundestages
lag jedenfalls bis 2004 nicht vor.
a) So ordnete der Einigungsvertrag (EinigVtr) in der Anl I Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 1 das Inkrafttreten des
SGB VI (= Art 1 RRG 1992) zum 1.1.1992 im Beitrittsgebiet an. In den besonderen Maßgaben zum Rentenversicherungsrecht findet sich kein Hinweis
darauf, dass für das Beitrittsgebiet in Abweichung von §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI ein niedrigerer Freibetrag eingestellt werden sollte. Diese Norm wird überhaupt nicht erwähnt. Es gibt auch bei den Regelungen
und Maßgaben des Einigvtr zur Überleitung des BVG zum 1.1.1991 keine Hinweise darauf, dass der Freibetrag im Rentenversicherungsrecht geändert werden sollte. Der EinigVtr
bestimmte in Anl I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III (nachfolgend: EinigVtr Abschn III) Nr 1 Buchst m, dass das BVG zum 1.1.1991 im Beitrittsgebiet in Kraft trete und gemäß Buchst a iVm Buchst l aaO verschiedene seiner Leistungen, darunter
(als Regelung 4) die Beschädigten-Grundrente, ua für Personen, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
in der DDR hatten und diesen später nicht verlegt haben ("Grundregel"), nur in abgesenkter Höhe zu gewähren seien. Das gleiche
galt nach der "Sonderregelung" der Anl I Kap VIII Sachgebiet K Abschn II, welche die Einfügung des § 84a in das BVG anordnete, für die Kriegsopfer, die später in eines der alten Bundesländer umgezogen oder dorthin aus Mittel- oder Osteuropa
zugezogen waren. Diese Bestimmungen und die Materialien hierzu deuten an keiner Stelle auch nur an, dass die nur für eine
Übergangszeit vorgesehene Absenkung der Grundrentenbeträge über den Anwendungsbereich des BVG hinaus auch auf das Rentenversicherungsrecht und auf den Freibetrag der unfallverletzten RV-Rentner "Ost" in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI übertragen werden sollte. Dazu gab es keine Beratungen und keine Beschlussfassung des Parlaments.
b) Auch die Quellen zum Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606) deuten nicht einmal an, der Deutsche Bundestag
habe Derartiges geprüft. Demzufolge lag beim Inkrafttreten des
SGB VI am 1.1.1992 der Regelung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI unverändert der am 9.11.1989 tatsächlich gebildete und klar und eindeutig verlautbarte Wille des Deutschen Bundestages zu
Grunde, einen einheitlichen Freibetrag für das gesamte Bundesgebiet einzuführen.
c) In der Folgezeit hätten zB die Gesetzesberatungen zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜ-ErgG) vom 24.6.1993 (BGBl
I 1038) Anlass bieten können, einen abweichenden Willen zu bilden und kundzutun und eine Kürzungsregelung für das Beitrittsgebiet
einzuführen. Dies ist nicht geschehen und die zugänglichen Quellen verlautbaren nicht einmal andeutungsweise, Derartiges sei
vom Gesetzgeber erwogen worden. Dies gilt auch für die nachfolgenden weiteren Änderungen des
SGB VI. Bis zum Gesetzesbeschluss vom 16.7.2004 ist für kein Gesetzgebungsverfahren auch nur ein Versuch zu erkennen, den Deutschen
Bundestag dazu zu bewegen, die in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 angeordnete Gleichbehandlung von unfallverletzten RV-Rentenberechtigten zum Nachteil der Versicherten im Beitrittsgebiet
zu ändern.
d) Somit ist festzustellen, dass nicht nur der 11. Deutsche Bundestag im Jahre 1989, sondern in der Folgezeit auch nicht der
12. (erste gesamtdeutsche), der 13. und der 14. Deutsche Bundestag jemals mit der Frage eines niedrigeren Ausgleichs des immateriellen
Schadens bei Unfallrentnern aus dem Beitrittsgebiet befasst worden waren und dazu keine Beschlüsse gefasst haben. Schon deshalb
lag auch keine "Negativ-Entscheidung" in dem Sinne vor, dass einer dieser Bundestage die Kürzungseingriffe der Verwaltung
zur Kenntnis genommen, sie beraten und dazu den Beschluss gefasst hätte, sie zu billigen, jedoch eine Änderung des Gesetzestextes
(in §
93 SGB VI oder -systematisch korrekt im Überleitungsrecht des 5. Kapitels
SGB VI) für nicht notwendig zu halten.
e) Erstmals der 15. Deutsche Bundestag hat sich, wenn auch nur indirekt, mit diesem Thema befasst, nachdem der 4. und der
13. Senat des BSG auf das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für die praktizierte Ungleichbehandlung hingewiesen hatten. Er
änderte 2004 die Freibetragsregelung des §
93 SGB VI sowie § 84a BVG und wollte hierdurch eine "rückwirkende Klarstellung zur Berücksichtigung der Grundrente 'Ost' als Freibetrag" schaffen.
Dieser Freibetrag wurde jetzt in §
93 SGB VI als der Betrag bestimmt, der nach "§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des BVG geleistet würde". An § 84a BVG wurde ein Satz 3 angefügt, in dem es ua hieß: "Die Sätze 1 und 2 gelten ab dem 1. Januar 1999 nicht für die Beschädigtengrundrente
nach § 31 Abs 1 Satz 1" BVG.
Jedoch wurde weder dem Plenum des 15. Deutschen Bundestages noch sonst jemandem mitgeteilt, wann ein Deutscher Bundestag sich
jemals zuvor mit dieser Frage ("Freibetrag-Unfallrente-Ost") befasst hätte. Dies war, wie gesagt, zuvor auch nie geschehen.
Der 15. Deutsche Bundestag wurde also objektiv falsch unterrichtet: Auch ihm wurde nicht die Frage vorgelegt, ob "ostdeutsche"
unfallverletzte RV-Rentner bei gleicher MdE einen geringeren Freibetrag erhalten sollten als "westdeutsche"; vielmehr wurde
ihm fälschlich gesagt, ein früherer Bundestag habe dies bereits einmal so entschieden (dazu unten Teil B).
f) Der 16. Deutsche Bundestag hat im am 22.6.2006 verkündeten SER/DbAG-ÄndG ua § 84a BVG, auf den §
93 SGB VI seit 2004 verweist, erneut rückwirkend (bis 1992) neu gefasst. Zu dieser neuen Gesetzeslage liegt bislang keine instanzbeendende
Entscheidung des 4. Senats des BSG vor (dazu unter Teil C). Die Vorlagebeschlüsse des 4. Senats an das BVerfG vom 5.6.2007
betreffen den Dienstbeschädigungsausgleich und nur die Teilproblematik, ob die Weiterverweisung des 2007 neu gefassten § 84a BVG Inhalt und Ausmaß der Kürzung hinreichend bestimmt hat.
3. Die Verwaltung hat seit 1992 von Anfang an dem Gesetzestext eigenmächtig eine vom Parlamentsbeschluss 1989 abweichende
Bedeutung unterlegt.
Sie hat, ohne den Deutschen Bundestag vorher um eine Ermächtigung hierfür zu bitten, bei unfallverletzten RV-Rentnern "Ost"
trotz gleichhoher MdE einen niedrigeren Freibetrag als bei unfallverletzten "Westrentnern" angesetzt. Sie hat also ohne gesetzliche
Ermächtigung einen unterschiedlichen Freibetrag eingeführt und in das Renteneigentum der "Ostrentner" stärker eingegriffen.
Sie meinte, sie dürfe dem Gesetzesbeschluss des 11. Deutschen Bundestages von 1989 aus eigener Macht nachträglich die Bedeutung
unterlegen, dieser habe damals schon die Verwaltung ermächtigt, die spätere Einführung einer niedrigeren Beschädigten-Grundrente
für Kriegsopfer im Beitrittsgebiet zum 1.1.1991 durch den EinigVtr bei "ostdeutschen" RV-Rentner ab 1992 auf deren UV-Verletztenrente
zu übertragen, also deren Anteil an Verdienstausfallentschädigung höher und deren Anteil an sonstigem Schadensausgleich ("Freibetrag")
niedriger anzusetzen.
IV. Der 4. Senat hält allein schon wegen des Fehlens eines die Verwaltungspraxis bis Juli 2004 tragenden Parlamentsbeschlusses
für Rentenbezugszeiten bis Juli 2004 an seiner Rechtsprechung zu §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 fest.
Zum Verstoß der vollziehenden Gewalt gegen den Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt hat der 13. Senat in seiner Anfrage nicht
Stellung genommen.
Aber auch dessen Ausführungen im Übrigen kann sich der 4. Senat nicht anschließen.
1. §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI beinhaltet schon vom Wortlaut her lediglich eine punktuelle Verweisung des Gesetzgebers (1989) nur auf den Betrag, der in
§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG dem jeweiligen MdE-Grad zugeordnet ist.
Er hat 1989 mit den Worten "... der Betrag, der bei gleicher MdE als Grundrente nach dem BVG geleistet würde" nicht allgemein auf das BVG oder auf dessen Anspruchsgrundlagen, Rechtsgründe oder Rechtsfolgen verwiesen und auch keine entsprechende Anwendung anderer
Regelungen angeordnet. Er hat nur die Zuordnung bestimmter Beträge zu bestimmten MdE-Graden durch § 31 Abs 1 Satz 1 BVG in die Freibetragsregelung des §
93 Abs
1 SGB VI inkorporiert.
Insbesondere hat er damals keine "Blankoermächtigung" erteilt oder auf damals noch nicht einmal denkbares künftiges gesamtdeutsches
Recht, nämlich auf die erst mit der Wiedervereinigung 1990 erlassenen und zum 1.1.1991 in Kraft getretenen Absenkungsvorschriften
bei der Kriegsopfer-Grundrente für das Beitrittsgebiet, verwiesen. Der Gesetzestext bestand bis zur Verkündung der Neufassung
durch das RVNG (26.7.2004) unverändert fort.
Er war, als er vom 11. Deutschen Bundestag beschlossen wurde, inhaltlich eindeutig. Es gab nur einen jeweils anzusetzenden
Freibetrag. Wie sich ua aus den Gesetzesmaterialien des Jahres 1989 ergibt, war der ursprüngliche und einzige Wille des Gesetzgebers,
den dieser wirklich gefasst hatte, darauf gerichtet, eine bundeseinheitliche Freibetragsregelung zu schaffen. Verständlicherweise
hatte das Parlament damals, beim Fall der Mauer, noch nicht die Wiedervereinigung oder "Ost-Rentner" im Blick.
2. Auch unabhängig von der Verletzung des Parlamentsvorbehalts kann der 4. Senat dem 13. Senat nicht folgen, wenn er - unter
Aufgabe der bisherigen gemeinsamen Rechtsprechung des 13. und 4. Senats - meint, §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI sei (ohne eine neue Parlamentsentscheidung) bereits in seiner ursprünglichen, bis 2004 gültigen Fassung durch das RRG 1992 nach Maßgabe der Verwaltungspraxis "auszulegen", dh mit einem neuen, vom ursprünglichen Parlamentswillen abweichenden
Inhalt zu versehen.
Zusammengefasst (näher unter V und VI) sind es folgende Gründe, die es dem 4. Senat nicht erlauben, der geänderten Ansicht
des 13. Senats zu folgen: Seine Ausführungen zur wörtlichen Auslegung des Gesetzestextes sind schwer verständlich und gehen
auf die entscheidende Frage nicht ein. Mit den Aspekten der historischen und systematischen Auslegung hat er sich nicht auseinandergesetzt.
Seine Darlegungen zu den Funktionen des immateriellen Schadens bzw Schmerzensgeldes gehen auf die vom Parlament 1989 ausdrücklich
als maßgeblich erachtete Frage nicht ein, wie hoch der Anteil der Verletztenrente aus der UV ist, der keinen anrechenbaren
Verdienstausfall ausgleicht, sondern andere Nachteile. Unabhängig hiervon stehen sie auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung
des BVerfG zur immateriellen Schadenskomponente der Verletztenrente und zur Bedeutung der Grundrente nach dem BVG. Die "Vergleichsberechnungen" des 13. Senats beachten nicht die Rechtsnatur der Anrechnung und stehen in keinem Sachzusammenhang
mit der Frage, ob die Verwaltung die Freibeträge für unfallverletzte "Ostrentner" eigenmächtig gekürzt hat.
V. Die vom 13. Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 20.11.2003, B 13 RJ 5/03 R) sowie in Abweichung von der Rechtsprechung des 4. Senats (Urteil vom 31.3.1998, BSGE 82, 83 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7 und Urteil vom 10.4.2003, SozR 4-2600 §
93 Nr
2) beabsichtigte Deutung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 ist nach Ansicht des 4. Senats mit dem Wortlaut der Norm, ihrer Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik nicht
vereinbar.
Die Freibetragsregelung des §
93 Abs
2 SGB VI gewährleistet, dass der Abbau der Übersicherung auf den Ausgleich des Verlustes an Erwerbseinkommen (Verdienstausfall) begrenzt
bleibt. Der Teil der Verletztenrente, der anderen Zwecken dient (Ausgleich eines immateriellen Schadens im weiteren Sinn),
darf deshalb das Renteneigentum nicht verringern. Sonst läge ein ungerechtfertigter und gleichheitswidriger Substanzeingriff
in das Eigentum vor. Deshalb berücksichtigt auch die Grenzbetragsregelung des Abs 3 aaO, dass - soweit die UV-Renten Lohnersatzfunktion
(in einem weiteren Sinn) haben - das (Gesamt-) Renteneinkommen nicht höher als das Nettoeinkommen bei voller Arbeitsleistung
sein soll (dazu: Urteil des 4. Senats vom 31.3.1998, aaO, S 94; Urteil des 4. Senats vom 10.4.2003, aaO, RdNr 26). Die Höhe
des Anteils der UV-Verletztenrente, der keinen Verdienstausfall ausgleicht, kann dem UV-Versicherungsrecht nicht entnommen
werden. Er muss vom Parlament selbst bestimmt werden.
Die Anfrage des 13. Senats betrifft den Freibetrag der UV-Verletztenrente iS des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI. Diese 1989 beschlossene Norm hatte idF des RRG 1992 folgenden Wortlaut:
"Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt
1.
...
2.
bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
a) der Betrag der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, ...
b) ..."
Zu dieser Gesetzesfassung hat der 4. Senat im Urteil vom 10.4.2003 (aaO, RdNr 30 ff) ausgeführt, die Norm gebiete, einen einheitlichen
Freibetrag für alle unfallverletzten Rentenberechtigten mit gleichem MdE-Grad einzustellen; einen besonderen - reduzierten
- Freibetrag für das Beitrittsgebiet sehe das Gesetz nicht vor. Der 13. Senat hatte sich dem angeschlossen.
1. Der 11. Deutsche Bundestag hat 1989 nur "punktuell" auf "den Betrag" verwiesen, der als "Grundrente nach dem BVG" geleistet würde.
a) Das Gesetz hat 1989 keine bestimmte Norm des BVG benannt. Das war damals auch nicht nötig. Denn der von ihm angesprochene "Betrag" der "Grundrente nach dem BVG" war nur in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG geregelt. Die Freibetragsregelung enthält nicht einmal eine Andeutung, sie solle allgemein auf das BVG oder auf bestimmte andere Normen dieses Gesetzes verweisen. Damals gab es keine anderen als die in § 31 BVG festgelegten (gesetzlich dynamisierbaren) Beträge. Es handelt sich daher um eine "punktuelle", allein "den Betrag" regelnde
Verweisung, also eine Inkorporation nur des (jeweils) in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG bei gleicher MdE genannten Betrages. Beim Gesetzesbeschluss 1989 war die Bedeutung des Gesetzestextes eindeutig (schon mangels
einer Alternative).
b) Demgegenüber meint der 13. Senat des BSG jetzt, aus den Worten "... geleistet würde" folge, dass der Gesetzeswortlaut schon
1989 auf den jeweiligen Betrag abgestellt habe, der dem Versicherten als Grundrente nach irgendeiner, auch erst später in
das BVG zusätzlich einzuführenden Regelung des BVG gezahlt würde, wäre er Berechtigter nach dem BVG; demzufolge gelte für Berechtigte, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten,
gemäß EinigVtr Abschn III Nr 1 Buchst l iVm Buchst a nur der Betrag der (abgesenkten) Grundrente "Ost"; nur die - vom Gesetzgeber
nicht gewählte Formulierung "wird" könne - so der 13. Senat - es nahe legen, diese Vorschrift abstrakt auf den gesetzlich
geregelten Betrag (§ 31 BVG in der jeweiligen Fassung) zu beziehen.
c) Diese neue Inhaltsdeutung ist anachronistisch. Es gab 1989 keine anderen als die in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG benannten Beträge. Schon deshalb hat der 11. Deutsche Bundestag seinen eindeutigen Willen unmissverständlich klar und bestimmt
sowie sprachlich korrekt geäußert. Der Hinweis, der Auslegung des 4. Senats könne nur gefolgt werden, wenn der Text 1989 im
Indikativ ("wird") formuliert worden wäre, ist unverständlich. Der Gesetzgeber des Jahres 1989 hat seinen Willen zu Recht
so formuliert, weil die vom 13. Senat genannte Umformulierung damals zu einem widersinnigen Ergebnis geführt hätte. Denn dann
wären nur RV-Rentner, die Kriegsopfer sind und denen deshalb eine Grundrente nach dem BVG gezahlt "wird", und die ferner Unfallopfer sind, von der Freibetragsregelung erfasst worden. Die Wortwahl ("wird") hätte
damals der Bezugnahme bloß auf den Betrag der Grundrente nach dem BVG die Bedeutung einer Rechtsgrundverweisung verliehen. Sie hätte damit sinnwidrig nur den kleinen Kreis der unfallverletzten
RV-Rentner "Ost" erfasst, denen zugleich "Grundrente nach dem BVG geleistet wird".
Demzufolge hat der 4. Senat (Urteil vom 10.4.2003 aaO, RdNr 31), damals in Übereinstimmung mit dem 13. Senat, die Formulierung
im Irrealis nicht als (auch nicht als fiktive) Rechtsgrund-, sondern als bloße Rechtsfolgenverweisung auf die jeweiligen "Beträge"
verstanden. Aber auch bei der Rechtsfolgenverweisung wäre 1989 des Wort "wird" mit dem Parlamentswillen kaum vereinbar gewesen,
für den Freibetrag eine dynamische, keine statische, Verweisung auf den "jeweiligen" (dynamisierten) Betrag der Grundrente
nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG zu schaffen. Jedenfalls bis 2004 hat kein Deutscher Bundestag beschlossen, das Gesetz solle eine andere rechtliche Bedeutung
haben und eine andere Ermächtigung erteilen, als diejenige, die vom 11. Deutschen Bundestag 1989 mit dem Gesetzestext verbunden
worden war und die keine "Sonderregelung Ost" vorsah.
2. Hierfür spricht auch die historische Auslegung.
Der 13. Senat hat in seinem Anfragebeschluss die Entstehungsgeschichte des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 nicht angesprochen.
Er hat mitgeteilt, er halte den Wortlaut der Vorschrift aus 1989 für nicht eindeutig, weil er nicht zwischen einer anrechnungsfreien
Grundrente nach dem BVG in den alten und neuen Bundesländern unterscheide (S 14 Abs 1 des Anfragebeschlusses). Allerdings spricht das Nichtvorhandensein
einer Unterscheidung im Gesetzestext zwischen "West- und Ostdeutschen" ebenfalls gerade gegen die Ungleichbehandlung und für
einen einheitlichen Freibetrag. Die neue Ansicht des 13. Senats muss also gegen den Gesetzeswortlaut in den Gesetzestext "hineingelesen"
werden.
Das Gegenteil, der einheitliche Freibetrag, ergibt sich aber auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der 4. Senat hat
in den Entscheidungen (Urteil vom 10.4.2003, aaO; ferner auch Urteil vom 20.10.2005, BSGE 95, 159, 167 f = SozR 4-2600 § 93 Nr 7), von denen der 13. Senat abweichen möchte, zur Ermittlung des ursprünglichen und im Gesetz
eindeutig verlautbarten Willen des 11. Deutschen Bundestages (wie oben dargelegt) auf die im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses
gültige Bundesrechtslage, den Kontext der 1989 gewählten Formulierung und auf die damaligen Gesetzmaterialien abgestellt.
Hierauf wird Bezug genommen.
3. Der systematische Auslegungsaspekt bestätigt, dass das Parlament 1989 einen einheitlichen Freibetrag beschlossen und festgesetzt
und diesen jedenfalls bis 2004 nicht geändert hat.
Auch hierzu hat der 13. Senat im Anfragebeschluss nicht Stellung genommen.
Der 4. Senat (Urteil vom 10.4.2003, aaO, RdNr 34) hat ausgeführt, dass der 11. Deutsche Bundestag §
93 SGB VI ausschließlich in das 2. Kapitel des
SGB VI eingeordnet hat, dessen Regelungen einheitliche Geltung im gesamten Bundesgebiet beanspruchen. Soweit hiervon abweichende
Sonderregelungen insbesondere übergangsrechtlicher Art getroffen werden sollen, sind diese im 5. Kapitel des
SGB VI oder in Spezialgesetzen verankert. Dies gilt vor allem auch für das Rentenüberleitungsrecht, dessen Sonderbestimmungen für
Rentner des Beitrittsgebiets sämtlich im 5. Kapitel des
SGB VI eingeordnet wurden. Dort finden sich keine Regelungen, die einen anderen, niedrigeren Freibetrag für das Beitrittsgebiet
anordnen. Jedenfalls vor 2004 gab es im Gesetzestext keinen Hinwies, irgendein Bundestag habe nach 1989 im 2. Kapitel des
SGB VI an dieser Stelle unausgesprochen eine "Sonderregelung Ost" eingeführt.
VI. Auch der Zweck der Freibetragsregelung, die Anrechnung der UV-Verletztenrente auf deren Anteil an Verdienstausfallentschädigung
zu begrenzen, spricht gegen die Ansicht des 13. Senats.
Der 13. Senat meint, die Verletztenrente gleiche neben dem Verdienstausfall nicht nur einen immateriellen Schaden im eigentlichen
Sinne aus, sondern auch die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile; deshalb sei eine Herabsetzung des Freibetrages für
Rentenberechtigte im Beitrittsgebiet gerechtfertigt. Dabei lässt er außer Acht, dass nach dem Parlamentsbeschluss von 1989
nur der in der UV-Verletztenrente enthaltene Anteil an Verdienstausfallentschädigung angerechnet werden darf. Dessen Höhe
darf als Eingriffsgrenze allein vom Deutschen Bundestag, nicht von Verwaltung und Rechtsprechung festgesetzt werden. Die Ansicht
des 13. Senats steht ferner nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG zum immateriellen Schadensanteil in der Verletztenrente
und beachtet nicht die besondere Geeignetheit der Beschädigten-Grundrente, und zwar in der Interpretation des BVerfG, diesen
Schadensanteil zu bestimmen. Sie entspricht schließlich nicht dem Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum
Schmerzensgeldanspruch.
Nur scheinbar geht der 13. Senat - wie schon der 4. Senat in den Urteilen vom 31.3.1998 (aaO), 10.4.2003 (aaO) und 20.10.2005
(aaO) - davon aus, dass gemäß §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI der Teil der Verletztenrente anrechnungsfrei bleiben muss, der keine Lohn- bzw Einkommensersatzfunktion hat (RdNr 71 des
Anfragebeschlusses). Er meint jedoch, der anrechnungsfreie Betrag (der Verletztenrente) habe nicht ausschließlich den Charakter
eines immateriellen Schadensersatzes, sodass die unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten in den alten und neuen Bundesländern
berücksichtigt werden müssten (RdNr 71 und 77 des Anfragebeschlusses). Er stellt damit, entgegen dem Parlamentswillen von
1989, den Ausgleich von Mehraufwendungen und wirtschaftlichen Nachteilen, die sich aus der unfallbedingten Minderung der gesundheitlichen
Integrität ergeben, dem Ausgleich des Verdienstausfalls unzulässig gleich.
1. Der Deutsche Bundestag hat 1989 in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RRG 1992 angeordnet, dass der als Ausgleich von Verdienstausfall anzurechnende Teil der Verletztenrente einen Betrag in Höhe
des Betrages, der bei gleicher MdE als Grundrente nach dem BVG geleistet würde, nicht umfasst (Freibetrag).
Der 4. Senat hat in seinen Urteilen vom 31.3.1998 (aaO), 10.4.2003 (aaO) und 20.10.2005 (aaO) jeweils darauf hingewiesen,
dass es zur Vermeidung eines ungerechtfertigten und gleichheitswidrigen Eingriffs in das Renteneigentum verfassungsrechtlich
geboten ist, den immateriellen Schadensanteil (im weiteren Sinn) der Verletztenrente anrechnungsfrei zu stellen. Ferner hat
er die Ansicht des Parlaments (1989) für (richtig und) maßgeblich erachtet, dass die Regeln des Unfallversicherungsrechts
im Siebten Buch Sozialgesetzbuch über den Geldwert dieses UV-Rentenrechts nicht zwischen materiellen und immateriellen Schadensanteilen
unterscheiden, sie es also nicht ermöglichen, den Ausgleich des Verdienstausfalls von dem des immateriellen Schadensanteils
zu trennen. Weil sich diese beiden Anteile rechnerisch nicht exakt ermitteln lassen, müssen sie (einer von ihnen) geschätzt
werden. Denn die Anrechnung von Ausgleichen für anderes als Verdienstausfall ist grundrechtswidrig. Da jede Anrechnung ein
Eingriff der Verwaltung in das Eigentum des Rentners ist, steht die Entscheidung über Inhalt, Zweck und Ausmaß des Eingriffs
und damit der Erlass der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage allein in der Kompetenz des Gesetzgebers, also des Deutschen
Bundestages. Diese Entscheidung kann und darf weder von der Regierung/Verwaltung noch von der Rechtsprechung getroffen werden.
Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit hätte der Deutsche Bundestag möglicherweise den anrechnungsfreien Betrag auch nach anderen
Maßstäben festsetzen können, zB entsprechend dem jeweiligen MdE-Grad feste Beträge zuordnen oder ua den Freibetrag nach unterschiedlichen
Prozentsätzen je nach MdE-Grad aus dem Geldbetrag der UV-Rente bestimmen können. Mit seiner Anordnung von 1989, den Freibetrag
einheitlich nach Maßgabe allein der MdE und des ihr jeweilig in § 31 Abs 1 Satz 1 BVG zugeordneten Betrages festzusetzen, hat er die beiden Anteile der Verletztenrente für die Verwaltung und Gerichte bindend
festgelegt. Davon ist er jedenfalls bis zum Gesetzesbeschluss vom 16.7.2004 über das RVNG nicht abgerückt.
2. Die Erwägungen des 13. Senats, eine unterschiedliche Behandlung der unfallverletzten Rentner in den alten und neuen Bundesländern
sei gerechtfertigt, weil der Ausgleich des Nichterwerbsschadens in der Verletztenrente auch verletzungsbedingte Mehraufwendungen
sowie andere wirtschaftliche Nachteile des Unfallopfers und damit materielle Schäden mit umfasse, ist mit der vom 11. Deutschen
Bundestag 1989 getroffenen Entscheidung nicht vereinbar. Denn der Deutsche Bundestag ging ausdrücklich davon aus, dass insoweit
kein Ausgleich eines anrechenbaren Verdienstausfalls vorlag.
Die Ausführungen des 13. Senats zur Ausgleichsfunktion des immateriellen Schadensersatzes in der Verletztenrente und zur Funktion
der Beschädigten-Grundrente lassen einen Sachbezug zur Freibetragsregelung des §
93 SGB VI, der die Anrechnung nur des Ausgleichs von Verdienstausfällen sichern soll, nicht deutlich werden.
a) Die Bezugnahme auf den Betrag der "Grundrente nach dem BVG" in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI dient allein der betragsmäßigen Konkretisierung des freizustellenden Schadensanteils in der Verletztenrente. Welche Funktionen
der Verletztenrente, soweit sie keinen Verdienstausfall entschädigt, und welche der Grundrente zukommen, ist für den allein
anrechenbaren Ausgleich von Verdienstausfall unerheblich, dies zudem auch deshalb, weil sie den Grundrechtseingriff der Anrechnung
nicht rechtfertigen können, da insoweit keine Überkompensation eines Verlustes an Erwerbseinkommen vorliegen kann.
Der 13. Senat stützt seine Auffassung, für die neuen und alten Bundesländer sei ein unterschiedlicher Freibetrag einzustellen,
im Wesentlichen darauf, dass der Nichterwerbsschaden auch verletzungsbedingte Mehraufwendungen umfasse, also materielle Schäden,
sodass ein Bezug zu den unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten in den neuen und alten Bundesländern gegeben sei.
Der 13. Senat legt nicht dar, warum derartige Erwägungen im Rahmen des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI rechtlich überhaupt beachtlich sein könnten. Mit der Bezugnahme auf den Betrag der "Grundrente nach dem BVG" hat der 11. Deutsche Bundestag entschieden, dass der dem jeweiligen MdE-Grad entsprechende jeweilige Betrag der Grundrente
der freizustellende Betrag ist, also den Schadensanteil der Verletztenrente widerspiegelt, dem keine Verdienstausfallersatz-/Lohnersatzfunktion
zukommt. Damit hat er durch die allein ihm obliegende Schätzung die notwendige Konkretisierung vorgenommen. Welche Funktionen
dem nicht anrechenbaren Teil der Verletztenrente und erst recht welche Funktionen der Beschädigten-Grundrente im Rahmen des
BVG zukommen, ist dafür ohne Belang.
Dies gilt auch für die Ausführungen des 13. Senats, aus dem Umstand, dass die Grundrente nach dem BVG inzwischen (praktisch) allein den immateriellen Schaden abdecke, könne nicht gefolgert werden, der Nichterwerbsschaden in
der Verletztenrente solle ausschließlich immaterielle Schäden abgelten. Er meint, eine Gleichsetzung der Funktionen der Verletzten-
und der Grundrente sei allenfalls dann berechtigt, wenn auch in der UV verletzungsbedingte Mehraufwendungen ähnlich kompensiert
würden. Darüber hinaus erfülle die Grundrente - stelle man auf den immateriellen Schaden ab - eine Genugtuungsfunktion, die
vom "ideellen Ausgleich eines vom Einzelnen im Militärdienst für die staatliche Gemeinschaft erbrachten Sonderopfers" geprägt
sei; diese Überlegungen könnten "denknotwendigerweise" nicht für die Verletztenrente der gesetzlichen UV (oder eines Teils
dieser Leistung) gelten.
Den vorgenannten Ausführungen stimmt der 4. Senat, der nie etwas anderes behauptet hat, zu. Sie haben aber keine erkennbare
rechtliche Bedeutung für die Freibetragsregelung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI, die das Parlament 1989 im Sinne der Anrechnung nur der Verdienstausfallentschädigung in der UV-Rente inhaltlich eindeutig
bestimmt hat. Hierfür kommt es nicht darauf an, welche Funktionen der Ersatz des "immateriellen" Schadens, dh die Nichtentschädigung
von Verdienstausfall, in der Verletztenrente sowie die Grundrente nach dem BVG "im Allgemeinen oder Besonderen" erfüllt. Denn in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI hat sich der Gesetzgeber 1989 im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unter den verschiedenen sich ihm anbietenden Lösungen,
den Freibetrag und damit die Anrechnungsgrenze zu beziffern, für die Bezugnahme auf die jeweiligen Beträge der Grundrente
nach dem BVG (§ 31 BVG) entschieden. Abgestellt wird allein auf diese Beträge, nicht aber auf die sonstigen Funktionen der Renten in der UV oder
im BVG.
b) Die vom 11. Deutschen Bundestag 1989 getroffene Entscheidung war - daran hält der 4. Senat entgegen der Anfrage des 13.
Senats fest - mit der RV-Rentenüberleitung 1992 nicht nachträglich iS von Art
100 Abs
1 GG wegen einer "willkürlichen Begünstigung" (Art
3 Abs
1 GG) der unfallverletzten "Ostrentner" durch den einheitlichen gesetzlichen Freibetrag verfassungswidrig geworden. Entgegen den
Erwägungen des 13. Senats war die vom 11. Deutschen Bundestag 1989 in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI getroffene Regelung stets sachgerecht.
Der jeweilige Betrag der Grundrente für den jeweiligen MdE-Grad spiegelt einen Schadensanteil wider, der für die Schätzung
des anrechnungsfrei zu stellenden Anteils der UV-Rente im Rahmen des §
93 SGB VI nutzbar gemacht werden kann. Das BVerfG (Urteil vom 14.3.2000, 1 BvR 284/96, BVerfGE 102, 41, 53 ff, 59 f) hat ausgeführt, die Grundrente habe ursprünglich neben einer immateriellen auch eine materielle Komponente
gehabt; eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität dargestellt und "Mehraufwendungen" ausgeglichen.
Zugleich sei durch die Neufassung des § 31 Abs 1 Satz 1 BVG im Jahre 1956 die immaterielle Komponente deutlich geworden. Die weitere Ausgestaltung des Leistungsrechts habe dazu geführt,
dass durch die kontinuierliche Erweiterung des Leistungskatalogs in den Verordnungen über die Versorgung mit Hilfsmitteln
und über Ersatzleistungen nach dem BVG in zunehmenden Maße fast jeder schädigungsbedingte Mehraufwand abgedeckt worden sei. Er sei nicht mehr aus der Grundrente
zu begleichen. Diese decke praktisch nur noch immaterielle Schäden ab. Die Rechtsentwicklung in der KOV habe also dazu geführt,
dass die Beschädigten-Grundrente wesentlich von der Vorstellung des ideellen Ausgleichs geprägt werde; die Rente werde unabhängig
von den persönlichen Lebensverhältnissen des Beschädigten, seinen Einkünften und seinem Vermögen gewährt; sie bleibe deshalb
bei der Bemessung anderer staatlicher Leistungen grundsätzlich unberücksichtigt (Arbeitslosenhilfe [weggefallen seit dem 1.1.2005],
Sozialhilfe sowie im Unterhaltsrecht); sie sei gegenüber Aufrechnung und Pfändung geschützt. Nach diesem Verständnis, welches
das BVerfG in seiner Entscheidung (aaO) tragend zu Grunde gelegt hat, hat die Grundrente keinen Bezug zum Lohnersatz/Verdienstausfall.
An diese Entscheidung sieht sich der 4. Senat gebunden (§ 31 Abs 1 BVerfGG).
Es ist gleichgültig, ob die UV-Verletztenrente neben dem Verdienstausfall und dem immateriellen Schaden im engeren Sinne auch
einen durch diesen bedingten materiellen Schaden im Sinne von (allerdings nicht bezifferbaren) verletzungsbedingten Mehraufwendungen
als auch andere mit der MdE zusammenhängende Nachteile ausgleichen soll (dazu sogleich); es kommt auch nicht darauf an, ob
diese Mehraufwendungen ein materieller oder immaterieller Schaden sind. Denn nach dem BVerfG (aaO) gleicht der Betrag der
Grundrente ausschließlich einen immateriellen Schaden aus. Es ist daher besonders sachgerecht, dass ein Teil der Verletztenrente
in dieser Höhe als nicht dem Lohnersatz dienend ausgewiesen wird und in der RV nach der Entscheidung des Parlaments von 1989
anrechnungsfrei bleiben muss. Der 4. Senat ist deshalb davon ausgegangen, dass der Grundrentenbetrag seit 1989 durchgehend
einen geeigneten und sachgerechten Maßstab bietet, bei gleichem MdE-Grad den Anteil der Verletztenrente aus der UV zu bemessen,
der keine Entschädigung von Verdienstausfall und deshalb nicht anrechenbar ist.
c) Die Ausführungen des 13. Senats lassen nicht erkennen, ob er den Ausgleich der von ihm angesprochenen "Mehraufwendungen"
entgegen dem Parlamentsbeschluss von 1989 und der Rechtsprechung des BGH als eine Entschädigung ansieht, die dem Ausgleich
eines Verdienstausfalls dient. Ist dies nicht der Fall, wird nicht deutlich, weshalb dieser Teil der UV-Verletztenrente Bedeutung
für die Anrechnung von Verdienstausfallentschädigungen haben könnte.
Zu Unrecht bezieht er sich für seine Ansicht auf Rechtsprechung des 4. und 2. Senats des BSG.
Die Behauptung des 13. Senats (RdNr 71 des Anfragebeschlusses), der 4. Senat habe im Urteil vom 10.4.2003 (aaO, RdNr 28) entschieden,
der Nichterwerbsschaden umfasse auch materielle Schäden, trifft nicht zu. Weder an der vom 13. Senat zitierten Stelle noch
an anderer Stelle findet sich im genannten Urteil eine derartige Aussage. Der 4. Senat hat sich stets auf die Abgrenzung der
anzurechnenden Verdienstausfallentschädigung von nicht anzurechnenden sonstigen Teilen der Verletztenrente konzentriert. Immaterielle
Schäden im eigentlichen engeren Sinn und im Einzelfall mögliche mittelbare Schäden hieraus (Mehraufwendungen; wirtschaftliche
Nachteile) sind eben kein unfallbedingter Verdienstausfall.
Auch das Urteil des 2. Senats des BSG vom 22.6.2004 (SozR 4-2700 § 31 Nr 1 RdNr 9) stützt die Ansicht des 13. Senats nicht.
Der 2. Senat hat lediglich angesprochen, dass ein Teil der Verletztenrente zum "Ausgleich von Mehraufwendungen" seitens des
Verletzten verwandt werde. Dieser zutreffenden Aussage lässt sich nicht entnehmen, der 2. Senat habe diese Mehraufwendungen
als Teil des Verdienstausfalls angesehen. An anderer Stelle tut dies auch der 13. Senat nicht, wenn er unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des BGH zum zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruch anmerkt, dass die "schädigungsbedingten Mehraufwendungen"
zum Vermögensschaden gehörten (RdNr 81 des Anfragebeschlusses). Er ordnet diesen Schaden also auch nicht dem anrechenbaren
unfallbedingten Verdienstausfall zu. Nur dessen Entschädigung kann aber zu der Übersicherung des Verlustes an Erwerbseinkommen
führen, die die Anrechnung verhindern soll.
Darüber hinaus geht der 13. Senat nicht darauf ein, dass der 2. Senat ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass nicht alle
Verletzten zwingend solche Mehrausgaben haben und die Festlegung des anzurechnenden Teils mangels gesetzlicher Vorgaben mehr
oder weniger zufällig ist. Wenn sich ein solcher materieller Anteil aber nur "zufällig" ergibt, ist sogar nach dem Ansatz
des 13. Senats nicht nachvollziehbar, weshalb er einen reduzierten Freibetrag für das Beitrittsgebiet rechtfertigen könnte.
Darüber hinaus geht der 13. Senat nicht darauf ein, dass der 11. Deutsche Bundestag in seinen Beratungen über den anrechnungsfreien
Betrag der Verletztenrente ausdrücklich und ausschließlich auf den Betrag der Grundrente nach dem BVG abgestellt hat, der - zu Recht - als nicht dem Ausgleich des Verlustes an Erwerbseinkommen dienend erachtet wurde.
3. Ferner lassen die Ausführungen des 13. Senates zu den beiden Funktionen des Schmerzensgeldes, nämlich zur Genugtuungs-
und Ausgleichsfunktion, nicht erkennbar werden, welche rechtliche Relevanz dies für die Freibetragsregelung haben könnte,
und zwar wiederum unabhängig davon, dass der Gesetzgeber 1989 ohnehin eine andersartige verbindliche Anordnung getroffen hat.
Sie geben im Übrigen die Rechtsprechung des BGH zum Schmerzensgeldanspruch nur teilweise und ungenau wieder.
a) Der 13. Senat verkennt, dass die Verwertungsmöglichkeiten einer Entschädigung in Geld nichts über die Rechtsnatur des damit
ausgeglichenen Schadens besagen.
Er meint (RdNr 80 bis 82 des Anfragebeschlusses), eine Genugtuungsfunktion komme mangels Verschuldens des Schädigers dem durch
die Verletztenrente kompensierten immateriellen Schaden von vornherein nicht zu. Demzufolge bleibe für die in der Verletztenrente
enthaltene Kompensation immaterieller Schäden die auch im Zivilrecht im Vordergrund stehende Ausgleichsfunktion. Diese bezwecke
nach der Rechtsprechung des BGH, dem Verletzten, dem der Schädiger das "Leben schwer gemacht habe", das Leben "wieder leichter
zu machen", es ihm also zu ermöglichen, für seine immateriellen Einbußen anderweitig Annehmlichkeiten einzukaufen; auch die
Möglichkeit, Menschen durch Freigiebigkeit gewogen zu halten, oder die Freude daran, Geldgeschenke zu machen, könne als Kompensation
gelten. All dies habe einen unmittelbaren Bezug zur wirtschaftlichen Lage; deshalb sei wegen der unterschiedlichen Lebensverhältnisse
und Kosten in den alten und neuen Bundesländern jeweils ein entsprechend unterschiedlicher Freibetrag einzustellen.
Die abstrakten Ausführungen des 13. Senats lösen sich schon vom konkreten Bezug zur Verletztenrente. Der Haftungsausschluss
der §§
104 ff
SGB VII betrifft typischerweise auch deliktische Schadensersatzansprüche aus schuldhaftem Verhalten (ohne Vorsatz). Ferner wird der
Zusammenhang mit der notwendigen Schätzung des Verdienstausfalls in Abgrenzung vom sonstigen Schadensanteil bei der UV-Rente
nicht deutlich, die das Gesetz am Maßstab der Grundrente nach dem BVG vornimmt, weil diese gerade keinen Verdienstausfall und keine materiellen Schäden ausgleicht (BVerfGE 102, 41, 53 ff). Dass eine Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden es dem Empfänger ermöglicht, sie wirtschaftlich
zu nutzen, sich zB "Annehmlichkeiten einzukaufen" oder einen entsprechenden Geldbetrag ganz oder teilweise zu verschenken,
überrascht (angesichts der Natur von Geld) nicht. Die Verwendungsmöglichkeiten des Entschädigungsbetrages machen jedoch aus
dem immateriellen Schaden keinen materiellen Schaden. Denn sie erlauben keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur des Schadens.
Welche der Verwendungsmöglichkeiten der einzelne Verletzte jeweils nutzt, bleibt allein ihm überlassen. Auch aus dem immateriellen
Schadensanteil der Verletztenrente wird wegen dessen Entschädigung kein - teilweiser - Vermögensschaden und erst recht, worauf
es hier allein ankäme, kein Erwerbsschaden/Verdienstausfall. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber selbst die notwendige
Schätzung des Anteils der Verdienstausfallentschädigung und desjenigen der sonstigen Schadensanteile in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI vorgenommen und die Beträge der Beschädigten-Grundrente (aus § 31 Abs 1 Satz 1 BVG) als Ausgleich des gesamten Nichterwerbsschadens durch die Verletztenrente bestimmt hat.
b) Ferner hat der 13. Senat die Rechtsprechung des BGH zur Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs nur unvollkommen
wiedergegeben.
So hat der BGH schon in der auch vom 13. Senat zitierten Entscheidung (Beschluss des Großen Senats des BGH vom 6.7.1955, GSZ 1/55, BGHZ 18, 149) zu diesem Anspruch ausgeführt, dass er nicht ein solcher der üblichen, dh auf Ersatz von Vermögensschäden zugeschnittenen
Art sei. Die Wiederherstellung lasse sich nicht wie bei der Naturalherstellung von Vermögensschäden durchführen. Es gebe keine
wirkliche Wiedergutmachung. Es solle gewiss ein Ausgleich vorgenommen werden, dieser sei aber rechnerisch nicht streng festlegbar.
Das alleinige Abstellen auf die Ausgleichsfunktion sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten
nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Immaterielle Güter beträfen "entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht" nicht
"in Geld messbare Güter". Auch dort, wo die Möglichkeit bestehe, körperliche und seelische Leiden durch Annehmlichkeiten und
Bequemlichkeiten auszugleichen, blieben fast immer sehr verschiedene Möglichkeiten, wie ein Ausgleich gewährt werden könne,
ohne dass aus dem Ausgleichszweck der Entschädigung allein ein ausreichender Anhalt für die Bemessung gefunden werden könne.
Je größer der immaterielle Schaden sei, desto weniger gebe der Ausgleichszweck einen Anhalt für die Entschädigung. Zum Teil
sei ein Ausgleich überhaupt nicht möglich. Dies gelte nicht nur bei besonders schweren körperlichen Verletzungen, sondern
insbesondere auch bei psychischen Störungen. Demzufolge hat der BGH im Urteil vom 15.1.1991 (NJW 1991, 1544) nochmals darauf hingewiesen, dass es dem Wesen des Schmerzensgeldanspruchs entspreche, dass er für Einbußen gewährt wird,
die weder in Geld messbar seien, noch durch geldwerte Leistungen oder Güter aufgefangen werden könnten.
Es ist unklar, ob der 13. Senat meint, trotz dieser Rechtsprechung des BGH einen ökonomischen Bezug des immateriellen Schadensanteils
der Verletztenrente im Sinne eines anrechenbaren Verdienstausfalls herstellen und deshalb auf unterschiedliche wirtschaftliche
Gegebenheiten in den alten und neuen Bundesländern abstellen zu dürfen, obwohl die Entschädigung von anderen Schäden als einem
Verdienstausfall zu keiner Übersicherung beim Ausgleich von Erwerbseinkommenseinbußen führen kann. Wegen der fehlenden Ausgleichsmöglichkeit
durch geldwerte Leistungen und Güter und der nicht möglichen exakten "Messung in Geld" kann die Festlegung des immateriellen
Schadens nur im Wege der Schätzung erfolgen. Diese hat der Gesetzgeber selbst 1989 in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI verbindlich für die Gerichte (und die Verwaltung) durch Bezugnahme auf eine Betragsregelung vorgenommen, die selbst keine
Verdienstausfallentschädigung enthält.
VII. Die vom 13. Senat angeführten "Vergleichsberechnungen" (S 19 des Anfragebeschlusses), mit denen er eine angeblich ungerechtfertigte
Begünstigung der unfallverletzten "Ost-Rentner" in Konsequenz der Rechtsprechung des 4. Senats belegen will, stehen mit der
vom Parlament 1989 beschlossenen Anrechnung nur der Verdienstausfallentschädigung in der Verletztenrente in keinem sachlichen
Bezug.
1. Schon im Urteil vom 31.3.1998 (aaO, S 88) hat der 4. Senat aufgezeigt, dass die Anrechnung nach §
93 SGB VI nur die monatlichen Zahlungsansprüche des RV-Rentners betrifft, solange eine Anrechnungslage überhaupt besteht. Hingegen
wird das Stammrecht des Versicherten auf Altersrente (gleiches gilt für Erwerbsminderungsrenten) mit seinem vom RV-Träger
festgestellten Wert nicht berührt. Das Stammrecht selbst (und dessen Wert) wird durch die Anrechnung nicht verringert, weil
die Vorschrift auf die wertbestimmenden Faktoren der Rente keinen Einfluss nimmt. Vielmehr setzt sie in Gestalt des Mindestgrenzbetrages,
der dem Monatsbetrag der Rente iS des §
64 SGB VI entspricht, voraus, dass der Wert des Rechts auf Rente aus der RV als solcher unverändert bleibt. Insoweit kann §
93 SGB VI von vornherein keine Begünstigung der "Ost-Rentner" bewirken. "Ost-Entgeltpunkte" (EP) und der niedrigere "aktuelle Rentenwert
Ost" bleiben unverändert maßgeblich. Die Wirkung der Anrechnung beschränkt sich darauf, dass - bei gleich bleibendem Wert
des Rentenrechts - derjenige Betrag reduziert wird, dessen monatliche Auszahlung der Versicherte vom RV-Träger verlangen kann.
In Höhe des Anrechnungsbetrages gilt der Anspruch des Rentenberechtigten als erfüllt (UV-Rente als Erfüllungssurrogat).
Nun überrascht es mathematisch nicht, dass der Gesamtbetrag der Renten eines Rentners und von gleichartigen Gruppen von Rentnern
aus UV und RV unterschiedlich sinkt, je nach dem, ob und ggf in welcher Höhe man die UV-Verletztenrente auf die Rente aus
der RV anrechnet. Um dies zu erkennen bedarf es keiner "Vergleichsberechnungen". Solche - von Rechtsnormen losgelöste - rechnerische
Operationen (man kann jeden beliebigen Geldbetrag [Preise etc] in EP umrechnen) verschleiern lediglich das Rechtsproblem des
Grundrechtseingriffs.
a) Der unfallverletzte "Ost-Rentner" wird in Konsequenz der Rechtsprechung des 4. Senats gegenüber anderen "Ost-Rentnern",
die kein Recht auf eine Verletztenrente haben, nicht begünstigt.
Für beide wird der Wert des RV-Rentenrechts nach denselben Rechtsvorschriften und den gleichen wertbestimmenden Faktoren festgesetzt.
Dass derjenige, der über zwei Renteneinkünfte verfügt, wirtschaftlich über ein höheres Gesamt-Einkommen verfügt, überrascht
ebenso wenig wie der Umstand, dass sich der Einkommensunterschied je nach Anrechnungsbetrag gemäß der unterschiedlichen Höhe
der MdE verändert. Dies führt jedoch nicht zu einer Erhöhung der RV-Rente. Im welchem Umfang die "zweite" Rente (Verletztenrente)
auf die "erste" Rente (RV-Rente) angerechnet wird, berührt daher rechtlich nicht die Situation der beiden Vergleichsgruppen,
die sich willkürfrei immer nur nach dem Wert des Rechts auf Rente aus der RV ohne Kürzung durch die Anrechnung der UV-Rente
bewerten lässt.
b) Auch gegenüber unfallverletzten "West-Rentnern" wird der unfallverletzte "Ost-Rentner" in Konsequenz der Rechtsprechung
des 4. Senats nicht begünstigt.
Für beide Vergleichsgruppen wird der Wert des Rechts auf Rente aus der RV jeweils nach den maßgeblichen Bewertungsvorschriften
("West" oder "Ost") des
SGB VI festgestellt. Dadurch hat das Gesetz schon die tatsächlichen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern,
ausgedrückt in den unterschiedlichen EP und aktuellen Rentenwerten, berücksichtigt. Eine Begünstigung der "Ost-Rentner" liegt
nicht vor, wenn ihnen bei gleicher MdE derselbe Freibetrag zugebilligt wird wie den "West-Rentnern". Würde ein niedrigerer
Wert festgesetzt, bedeutete dies, dass der Anteil der Verdienstausfallentschädigung in der Verletztenrente des "Ost-Rentners"
bei gleicher MdE höher wäre als der in der des "West-Rentners". Ein Sachgrund, der diese Annahme rechtfertigen könnte, ist
nicht ersichtlich und auch vom 13. Senat nicht aufgezeigt worden.
Der Deutsche Bundestag hat 1989 in seinem Gesetzesbeschluss verbindlich die Einstellung eines einheitlichen Freibetrags in
Höhe des Betrags der Grundrente nach dem BVG bei gleicher MdE angeordnet und die darüber hinaus gehenden Beträge der Unfallrente als anzurechnende Verdienstausfallentschädigung
qualifiziert. Diese Anordnung entspricht dem Gleichheitssatz, weil der einheitliche Freibetrag für beide Gruppen bei gleicher
MdE einen gleichen unfallbedingten Schaden an Erwerbsfähigkeit und gesundheitlicher Integrität widerspiegelt. Nur der Schaden
aus der Verringerung der Fähigkeit, durch Arbeit Einkünfte zu erzielen, führt zu einem Erwerbsschaden, dessen Ausgleich durch
die UV-Rente gerade angerechnet wird. Hingegen hat die Einbuße an gesundheitlicher Integrität selbst keinen direkten ökonomischen
Bezug. Sie ist ein in der gleichen MdE bemessener ideeller Schaden, dessen Ausgleich in Geld durch die UV-Rente im gesamten
Bundesgebiet keine Verdienstausfallentschädigung ist.
Die vom Parlament 1989 nicht beschlossene und bis Juni 2004 nicht angeordnete ermächtigungslose Ungleichbehandlung beim Anrechnungseingriff
kann mit der Absicht, bei einem Teil der Betroffenen Kosten zu sparen, nicht gerechtfertigt werden. Denn das Einsparungsinteresse
der vollziehenden Gewalt ersetzt die fehlende Ermächtigung durch das Parlament nicht und ist allein auch kein Rechtfertigungsgrund
für Ungleichbehandlung. Im Übrigen liegt auch ohne "Vergleichsberechnungen" auf der Hand, dass sich die Relationen der Gesamt-Renteneinkünfte
zwischen beiden Gruppen verschieben, je nach dem, ob für die Angehörigen beider ein gleicher oder unterschiedlicher Freibetrag
eingestellt wird.
B. Zur Rechtslage ab der Neufassung der Verweisung durch §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG (bis Juni 2006)
Art 1 Nr 19 des RVNG ersetzte 2004 - rückwirkend ab 1.1.1992 - in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI die Wörter "nach dem Bundesversorgungsgesetz" durch die Wörter "§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes". Ferner wurde durch Art 11 Nr 3 dem § 84a BVG der oben genannte Satz 3 angefügt, nach dem die Sätze 1 und 2 aaO ab 1.1.1999 ua nicht für die Beschädigtengrundrente nach
§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG gelten.
Nach den Gesetzesmaterialien war es Zweck der Neufassung "klarzustellen", dass eine in der Freibetragsregelung des §
93 SGB VI schon seit 1992 enthaltene Verweisung auf die "Grundrente nach dem BVG" sowohl die Vorschrift des § 31 BVG als auch des § 84a BVG umfasst habe und damit auch die sich daraus ergebenden Besonderheiten für Berechtigte im Beitrittsgebiet. Demzufolge sei
- entsprechend der Verwaltungspraxis der RV-Träger - bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der UV auf eine Rente aus
der RV in den neuen Ländern weiterhin ein niedrigerer Freibetrag als in den alten Ländern anzusetzen (vgl Ausschussdrucksache
15 [9]1053 vom 3.3.2004 des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit des 15. Deutschen Bundestages, S 3 bis 4, 8).
Trotz dieser Neufassung war der 4. Senat rechtlich verpflichtet, an seiner Rechtsprechung zur bisherigen Gesetzeslage festzuhalten,
weil das RVNG keine Verweisungskette auf eine gültige Kürzungsnorm und keine Ermächtigungsgrundlage für den ungleichen Grundrechtseingriff
im Gesetz selbst ausgestaltet hatte.
Der 4. Senat hat in seinem Urteil vom 20.10.2005 (BSGE 95, 159, 165 f [RdNr 34-37]) ausgeführt, dass die Neufassung den RV-Träger für Rentenbezugszeiten ab 1.1.1999, über die er nur entscheiden
musste und nur entschieden hat, nicht dazu ermächtige, bei der Einstellung des Freibetrages zwischen den unfallverletzten
RV-Rentnern in den alten und neuen Bundesländern zu differenzieren (dazu unten). Ferner hat er ua darauf hingewiesen, dass
der zuständige 13. Ausschuss des 15. Bundestages in mehrfacher Hinsicht fehlinformiert worden war.
Der Gesetzestext des §
93 SGB VI nF nimmt nunmehr ausdrücklich auf § 31 BVG in vollem Umfang (auch Abs 2 bis 5 aaO) uneingeschränkt Bezug. Zuvor hatte der 4. Senat des BSG demgegenüber einschränkend entschieden, dass die unbenannte
Verweisung aF sich nur auf § 31 Abs 1 BVG beziehe. Hiervon war der 13. Ausschuss nicht unterrichtet worden. Ferner hat die Verweisung auf § 84a Satz 1 und 2 BVG (nachfolgend alte Fassung - aF) die Mehrheit der unfallverletzten RV-Rentner, die am 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in der DDR hatte, gerade nicht erfasst. Denn für diese galt § 84a BVG aF nicht. Diese 1990 durch den EinigVtr in das BVG eingefügte Vorschrift betraf den kleinen Kreis der "Umzügler" und "Zuzügler", die aus dem Beitrittsgebiet oder aus Mittel-
und Osteuropa in den Westen gezogen waren. § 84a Satz 1 und 2 BVG aF enthielt ferner selbst keine Kürzungsregelung, sondern nur eine Weiterverweisung auf die des EinigVtr. Nach dem neuen
§ 84a Satz 3 BVG galt diese Weiterverweisung aber ab 1.1.1999 nicht für die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG. Zwar verwies §
93 SGB VI nicht ausdrücklich auf Satz 3 aaO, bestimmte aber weiterhin, dass bei der Anrechnung der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
"der Betrag" unberücksichtigt bleibe, der bei gleichem Grad der MdE "als Grundrente" nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des BVG geleistet würde. Ab dem 1.1.1999 konnte aber ein solcher Betrag überhaupt nicht mehr als Grundrente nach dem BVG geleistet werden. Vor allem aber hatte die neue Verweisung in §
93 SGB VI auf § 84a BVG aF keine anwendbare Ermächtigungsgrundlage geschaffen, weil für die näheren Voraussetzungen und für die Rechtsfolge der Kürzung
auf eine Norm verwiesen wurde, die das BVerfG zuvor ab 1.1.1999 mit Gesetzeskraft für nichtig erklärt hat (dazu unten).
Die Ausführungen des 13. Senats im Anfragebeschluss vom 12.12.2006 erlauben es dem 4. Senat nicht, seine Rechtsprechung aufzugeben
(dazu sogleich). Soweit sich der 13. Senat mit den beiläufigen und erklärtermaßen skizzenhaft gefassten Erwägungen des 4.
Senats im Urteil vom 20.10.2005 (aaO, S 173 ff [RdNr 62 ff]) zu einer möglichen verfassungskonformen Ausgestaltung einer solchen
Kürzungsvorschrift auseinandersetzt, wird zwar an der Richtigkeit dieser Darlegungen festgehalten, jedoch von einer Stellungnahme
abgesehen. Der 4. Senat hatte diese für seine Entscheidung nicht tragenden Überlegungen ausdrücklich als obiter dictum bezeichnet
und sie nur auf dringende Anregung des Sitzungsvertreters des beklagten RV-Trägers, der darum am Ende der mündlichen Verhandlung
gebeten hatte, in das Urteil aufgenommen.
I. Die Neufassung der Verweisung in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG enthält keine "Klarstellung" im Sinne einer "authentischen Interpretation" einer früher vom Parlament getroffenen,
hinreichend klar und bestimmt im Gesetzestext verlautbarten, aber von der Rechtsprechung des 4. und 13. Senats "missverstandenen"
(Kürzungs-)Entscheidung.
Dies scheidet schon deshalb aus, weil kein Deutscher Bundestag vor dem 15. Bundestag jemals mit der Frage eines niedrigeren
Freibetrags für unfallverletzte "Altrentner" befasst war und keiner die Ungleichbehandlung angeordnet hatte. Es gab vor 2004
keine Parlamentsentscheidung hierzu. Also konnte auch keine missverstanden oder klargestellt werden.
Die neue Verweisung auf § 84a BVG aF konnte ferner auch deshalb keine Klarstellung bewirken, weil es in der 1989 beschlossenen und bis 2004 unveränderten Gesetzesfassung
eine derartige Verweisung nicht gab. Denn es gab 1989 noch keinen § 84a BVG, auf den der damals beschlossene Gesetzestext hätte verweisen können. Da es vor 2004 keinen Parlamentsbeschluss gab, unfallverletzte
"Ost-Rentner" bei gleicher MdE schlechter zu behandeln als "West-Rentner", ist die 1989 beschlossene Verweisung vom Gesetzgeber
vor 2004 niemals auf § 84a BVG aF erstreckt worden.
In diesem Zusammenhang hat der 4. Senat (Urteil vom 20.10.2005 aaO, S 164 f [RdNr 29, 30]) darauf hingewiesen, dass die neue
Verweisung, soweit sie auf § 31 Abs 1 BVG Bezug nahm, eine die Rechtsprechung bestätigende Klarstellung beinhalte. Sie enthalte ihrem Wortlaut nach aber auch bezüglich
§ 31 BVG neues Recht, weil sie sich uneingeschränkt auf § 31 BVG, also auch auf dessen Absätze 2 bis 5, beziehe. Da es sich insoweit für alle Rentner in "West und Ost" um eine ausschließlich
begünstigende Rechtsänderung handele, sei eine echte Rückwirkung insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich.
II. Die neue Verweisung auf § 84a BVG aF hätte, wenn sie denn anwendbares Recht geschaffen hätte, von vorneherein nicht die Mehrheit der unfallverletzten Rentner
aus der DDR, die dort am 18.5.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten, erfasst, sondern nur die kleine Gruppe
der "Umzügler" und "Zuzügler". Sie geht jedoch schon deshalb ins Leere, weil sie auf eine nichtige Vorschrift verweist.
Entgegen dem neuen Gesetzestext im 2. Kapitel des
SGB VI, der sich auf alle Rentner im Bundesgebiet bezieht, soll wohl nur für die "Ostrentner" außerhalb des 5. Kapitels
SGB VI "klargestellt" werden, dass für sie nach RV-Rentenüberleitungsrecht ein reduzierter Freibetrag gelte bzw seit 1992 immer
schon gegolten habe.
Die neue Freibetragsregelung des §
93 SGB VI verweist für alle Rentner im Bundesgebiet auch auf § 84a BVG aF. Nach dem Gesetzeswortlaut ("als Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 BVG") wird rückwirkend für alle unfallverletzten Rentner im gesamten Bundesgebiet eine Freibetragskürzung eingeführt, also auch
für diejenigen in den alten Bundesländern. Trotz des Wortlauts war eine Rechtsänderung 2004 vom Parlament nicht gewollt und
von ihm nur beschlossen worden, um eine vermeintlich schon bestehende Rechtslage klarzustellen. Die Gesetzesgeschichte und
die Materialien (dazu oben unter A und einleitend unter B) belegen, dass das Parlament 2004 unzutreffend unterrichtet war
und keinen Rechtsänderungswillen hatte. Wenn man dennoch den neuen Gesetzestext im Sinne einer von keinem Parlamentsbeschluss
getragenen erstmaligen Anordnung einer Schlechterbehandlung der "ostdeutschen" RV-Rentner verstehen dürfte, was nicht erlaubt
ist, müsste man die neue Verweisung auf § 84a Satz 1 und 2 BVG aF als eine Abgrenzung der "Ostdeutschen" von den "Westdeutschen" und damit insoweit als Rechtsgrundverweisung verstehen.
Denn nur "Ostdeutsche" können nach § 84a BVG aF schlechter behandelt werden.
1. Der Tatbestand des § 84a BVG aF erfasst - in direkter Anwendung im BVG - als "Sonderregelung" zur Grundregelung des EinigVtr (dazu gleich) aber nur einen Teil der Kriegsopfer des Beitrittsgebiets.
Dies waren zum einen die so genannten "Umzügler", also Kriegsopfer, die am 18.5.1990 im Beitrittsgebiet gewohnt oder sich
dort gewöhnlich aufgehalten haben, aber danach in eines der alten Bundesländer umgezogen sind, zum anderen die so genannten
"Zuzügler", also Kriegsopfer, die nach dem 18.5.1990 aus einem von der Auslandsversorgung erfassten mittel- und osteuropäischen
Staat in das Beitrittsgebiet zugezogen und in das "alte Bundesgebiet" umgezogen waren. Für die große Mehrheit der Kriegsopfer,
die über den 18.5.1990 im Beitrittsgebiet geblieben waren, galt die Sonderregelung des § 84 Abs 1 und 2 BVG aF, auf welche die neue Verweisung abstellt, aber nicht. Für sie war allein die in der Verweisung des §
93 SGB VI nicht erwähnte "Grundregel" des EinigVtr Kap VIII, Sachgebiet K Abschn III Nr 1 Buchst l iVm Buchst a (Regelung 4) maßgeblich.
Der 4. Senat, der am 20.10.2005 (aaO) § 84a BVG aF nur im Rahmen der Verweisungsnorm in §
93 SGB VI hypothetisch angewandt hatte, war in diesem Zusammenhang von Entscheidungen des für Angelegenheiten des BVG und des sonstigen sozialen Entschädigungsrechts zuständigen 9. Senats des BSG nicht abgewichen. Dieser Senat hatte § 84a BVG idF des EinigVtr in Zusammenhängen des sozialen Entschädigungsrechts angewandt. Er hatte keinen Rechtssatz aufgestellt, der
durch den EinigVtr (aaO) im Abschn II speziell und ergänzend zu der in Abschn III (aaO) enthaltenen Grundregel geschaffene
und in das BVG eingefügte § 84a BVG erfasse, entgegen der anders lautenden Grundregel im EinigVtr, alle Kriegsopfer, die am 18.5.1990 im Beitrittsgebiet ihren
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sodass die Grundregel hinsichtlich ihrer Festlegung ihres persönlichen Anwendungsbereichs
(Buchst l aaO) gegenstandslos sei.
Die Entscheidung des 4. Senats vom 20.10.2005 (aaO) betraf nicht die Gruppe der Zuzügler. Ob der dortige Kläger der Gruppe
der Umzügler zuzurechnen war, konnte der 4. Senat mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen. Wäre
dies nicht der Fall gewesen, hätte die Verweisung in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI den damaligen Kläger bereits tatbestandlich nicht erfasst. Der 4. Senat hat "belastend" für den Kläger unterstellt, er falle
unter § 84a BVG aF.
Auch wenn der Tatbestand des § 84a BVG aF erfüllt gewesen wäre, hätte es für den Eingriff der Beklagten im Jahr 2004 keine Ermächtigungsgrundlage gegeben. § 84a BVG aF enthält selbst keine Rechtsfolge, die zu Kürzungen ermächtigt. Er verweist lediglich weiter auf die Voraussetzungen und
Rechtsfolgen der genannten nichtigen Grundregel im EinigVtr.
2. Soweit (2004) die neue Verweisung in §
93 SGB VI auf § 84a Satz 1 und 2 BVG aF tatbestandlich ggf nur eine Minderheit der unfallverletzten RV-Rentner aus dem Beitrittsgebiet erfasst, geht sie wegen
der Weiterverweisung auf eine gesetzeskräftig für nichtig erklärte Gesetzesvorschrift ins Leere.
§ 84a Satz 1 BVG in seiner ursprünglichen Fassung durch den EinigVtr iVm mit EinigVtr Abschn III Nr 1 Buchst a (Regelung 4 - Grundrente) ist
durch das Urteil des BVerfG vom 14.3.2000 (BVerfGE 102, 41) ab 1.1.1999 mit Gesetzeskraft für nichtig erklärt worden, soweit die Beschädigten-Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG im Beitrittsgebiet anders berechnet wird als im übrigen Bundesgebiet. Daher steht mit Gesetzeskraft fest, dass diese nichtige
Gesetzesvorschrift kein wirksamer Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist. An diese gesetzeskräftige
und im Bundesgesetzblatt verkündete Feststellung des BVerfG ist der 4. Senat gebunden. Aus einem unwirksamen, gesetzeskräftig
für nichtig erklärten Gesetz können weder eine Ermächtigungsgrundlage noch Rechtsfolgen entstehen. Die gesetzliche Verweisungskette
führte also (2004) ins Leere.
Der am Anfang der Verweisungskette stehende §
93 SGB VI prägt selbst keine Eingriffsermächtigung aus. Denn er legt zwar fest, dass der Betrag der UV-Rente abzüglich des Freibetrags
auf die RV-Rente angerechnet werden soll, bestimmt aber nicht selbst, nicht einmal ansatzweise, die Höhe des Freibetrags.
Um diese festzulegen, verweist er von 1989 bis Juli 2004 nur auf § 31 Abs 1 BVG (siehe oben), sodann auf § 31 iVm § 84a BVG aF. § 84a BVG aF legte die Höhe des Freibetrags aber ebenfalls selbst nicht fest. Denn in dieser Vorschrift selbst steht nichts zur Höhe
des "Freibetrags Ost" oder der Kriegsopfer-Grundrente.
Dies erschließt sich erst aus der Weiterverweisung auf die "Grundregel" für die Absenkung der Beschädigten-Grundrente im EinigVtr
(aaO). Erst sie lässt erstmals erkennbar werden, wer unter welchen Voraussetzungen als Kriegsopfer im Beitrittsgebiet eine
geringere Grundrente erhalten soll. Allerdings ist sie seit dem RVNG 2004 ab dem 1.1.1999 auf die Beschädigtengrundrente nach
dem BVG nicht mehr anwendbar (§ 84a Satz 3 BVG aF). Erst diese Grundregel umschreibt auch das Ausmaß der Absenkung, wenn auch - worauf es hier aber nicht ankommt - unter
einer (2004 vermeidbaren) Verletzung der rechtsstaatlichen Gebote der Normenklarheit und Justiziabilität (dazu die oben genannten
Vorlagebeschlüsse des 4. Senats vom 5.6.2007 zum Dienstbeschädigungsausgleich). Die Grundregel sieht eine dynamische Absenkung
vor, sodass eine dynamische Weiterverweisung (wie bei § 31 BVG) vorliegt, die überhaupt erst den besonderen Freibetrag Ost gestaltet.
Diese Weiterverweisung bezieht sich für RV-Rentenbezugszeiten ab 1.1.1999 auf eine nicht mehr in Kraft befindliche nichtige,
dh unwirksame Norm. Insoweit können aber aus ihr keine Rechtsfolgen hergeleitet werden, weil sie kein Bestandteil der gültigen
Rechtsordnung ist. Eine Zulässigkeitsvoraussetzung einer solchen Verweisung ist, dass sie sich auf "in Kraft gesetztes Recht"
(stellvertr BVerfGE 47, 285, 311 f) bezieht. Die dynamische Verweisung hängt vom rechtlichen Schicksal des Verweisungsobjekts ab. Tritt dieses - wie
hier - außer Kraft, geht sie ab diesem Zeitpunkt materiell ins Leere (stellvertr BVerfGE 47, 285, 315 f). Das bedeutet nicht, dass die verweisende Norm selbst notwendig nichtig wäre. Das ist - wie hier - nicht der Fall,
soweit sie selbst (§
93 SGB VI iVm § 31 Abs 1Satz 1 BVG) eine Regelung enthält, die nicht nichtig ist (wie in BVerfGE 28, 163, 170 ff) oder verfassungskonform auszulegen ist (BVerfGE 47, 285, 315 ff).
Ebenso wesentlich für die Zulässigkeit einer Verweisung ist, dass sich der Bürger über den Inhalt des Verweisungsobjekts,
also das für ihn maßgebliche Recht, in einer zugänglichen ordnungsgemäßen Veröffentlichung zuverlässig informieren kann (stellvertr
BVerfGE 47, 285, 311, 315; vgl auch BVerfGE 101, 34, 41 ff). Der Bürger, der das Bundesgesetzblatt im Juli 2004 aufschlug, um das für ihn bezüglich seines Freibetrages maßgebliche
Recht der "Grundregel" zu erkennen, musste auf BGBl I 2000, 445 stoßen. Dort konnte er lesen, dass die "Grundregel" für die Kürzung der Beschädigten-Grundrente für Kriegsopfer - mit Gesetzeskraft
- ab 1.1.1999 für nichtig erklärt worden war. Klares, bestimmtes und auf ihn anwendbares Recht konnte er insoweit nicht erkennen;
es lag auch nicht vor. Denn außer der für nichtig erklärten Grundregel hatte §
93 SGB VI nichts inkorporiert; eine andere Kürzungsnorm gab es auch nicht.
Der 4. Senat hat deshalb an die dem 15. Deutschen Bundestag fälschlicherweise nahegelegte Ansicht (s oben) angeknüpft, er
stelle nur eine bestehende Rechtslage klar und ändere das Recht nicht. Deswegen, also weil ein Änderungswille des 15. Deutschen
Bundestages nicht vorlag, hat der 4. Senat §
93 SGB VI inhaltlich wie bisher nur in Verbindung mit § 31 Abs 1 Satz 1 BVG angewandt und auf diesen - verfassungsgemäßen - Inhalt begrenzt.
Diese Vorschrift galt jedenfalls ab 1.1.1999 ausschließlich für die Grundrentenbeträge der in § 84a BVG aF genannten Personen (Satz 3 aaO).
Eine wirksame Verweisung, die eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichende Eingriffsermächtigung begründet hätte, lag auch
seit 2004 nicht vor (dazu im Einzelnen: Urteil des 4. Senats vom 20.10.2005, aaO, S 165 ff [RdNr 33, 46 ff]). In demselben
Sinn hat auch der 7. Senat des BSG entschieden, dass bei der Freibetragsregelung der früheren Arbeitslosenhilfe, die der des
§
93 SGB VI bis zum RVNG entsprach (§ 11 Satz 1 Nr 2 AlhiV), die Verletztenrente aus der UV in Höhe eines einheitlich für alle Bundesländer einzustellenden Betrags der Grundrente nach
dem BVG aus § 31 Abs 1 BVG anrechnungsfrei zu bleiben hatte (Urteil vom 10.2.2004, SozR 4-4220 § 11 Nr 2).
3. Der 13. Senat will anscheinend der Rechtsprechung des 4. Senats zur Systematik der KOV-Übergangsregelung für das Beitrittsgebiet
(Unterscheidung in "Grund- und Sonderregelung" bezüglich der betroffenen Personenkreise) nicht widersprechen, meint jedoch
zu Unrecht, die Entscheidung des BVerfG vom 14.3.2000 (aaO) berühre die Verweisung in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI nicht.
Er folgert dies aus dem Tenor der Entscheidung des BVerfG, der sich auf die "Beschädigten-Grundrente", nicht aber auf die
"Grundrente" beziehe. Der Ausdruck "Beschädigten-Grundrente" bezeichne nur die "Grundrente für Kriegsbeschädigte". Soweit
§ 31 durch Verweisungen entweder im sozialen Entschädigungsrecht oder aber im Rentenrecht auch für andere Personenkreise Bedeutung
habe, sei die Vorschrift durch das Urteil des BVerfG nicht betroffen.
Das Wortspiel des 13. Senats ist in der Sache nicht begründet. "Beschädigten-Grundrente" lautet die - nicht amtliche - Überschrift
des § 31 BVG. In seinem Text spricht er aber nur von "Grundrente" und regelt deren Höhe in seinen Absätzen 1 bis 4. Die Grundrente gibt
es im direkten Anwendungsbereich des BVG ohnehin nur für Kriegsopfer, so dass umgangssprachlich auch von "Kriegsopfer-Grundrente" oder "Beschädigten-Grundrente" gesprochen
wird. Das BVerfG äußert sich nur zur unterschiedlichen Höhe der Kriegsopfer-Grundrente in West und Ost. Seine Entscheidung
betraf natürlich nur und ausschließlich die Grundrente eines Kriegsbeschädigten im Beitrittsgebiet; deshalb hatte es weder
Anlass noch Gelegenheit, eine Aussage spezifisch zur Bedeutung der Nichtigerklärung dieses Gesetzes für Verweisungen in anderen
Gesetzen zu machen.
Diese können vor einer Nichtigkeitsfeststellung durch das BVerfG jeweils in sehr unterschiedlicher Weise auf das nichtige
Gesetz Bezug genommen haben. Die Verweisung ist - anders als die Anordnung der entsprechenden, sinngemäßen Anwendung einer
Vorschrift - eine verkürzte Inkorporation des in Bezug genommenen Gesetzestextes in das verweisende Gesetz. Daher ergibt sich
die durch die Verweisung gebildete Gesamtnorm aus mehreren selbstständigen Gesetzesvorschriften. Von dem Zeitpunkt, ab dem
eine von ihnen nicht (mehr) gültig, also nichtig ist, hat die Gesamtnorm insoweit keinen Bestand mehr. Bei Dauerrechtsverhältnissen
kommt eine wirksame Gesamtnorm aufgrund einer Verweisung insoweit nur für Zeiten vor dem Eintritt der Nichtigkeit (hier 1.1.1999)
in Betracht. Ferner verweist §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI idF des RVNG seit 2004 auch für Zeiten ab 1999 ausschließlich punktuell für die Höhe des Freibetrages auf den jeweiligen
Betrag, der den Kriegsopfern im Beitrittsgebiet als Grundrente nach § 31 BVG (iVm § 84a BVG aF) geleistet würde. Er bezieht sich somit rein dynamisch nur auf die jeweiligen Beträge der Grundrente für Kriegsbeschädigte
bzw auf die "Beschädigten-Grundrente".
Jedenfalls für Zeiten ab dem Eintritt der Nichtigkeit der Absenkungsvorschrift für das Beitrittsgebiet hat die neue Verweisung
hierauf keinen Bestand. Jeweiliger Betrag der Grundrente ist (auch für den von § 84a BVG aF erfassten Personenkreis) nur der Betrag aus § 31 Abs 1 Satz 1 BVG. Da der 15. Deutsche Bundestag keinen Änderungswillen hatte, kann und darf aus der beschriebenen Verweisungstechnik nicht
hergeleitet werden, er habe nach dem Eintritt der Nichtigkeit der Kürzungsregelung des Einigvtr für die Grundrente selbst
einen zweiten fiktiven Grundrentenbetrag geschaffen, den allerdings kein Grundrentenberechtigter jemals erhalten sollte.
C. Der 4. Senat sieht davon ab, zur Rechtslage Stellung zu nehmen, die im Jahre 2006 durch das SER/DbAG-ÄndG geschaffen worden
ist.
Zu dieser Rechtslage hat sich der 4. Senat noch in keiner Entscheidung tragend geäußert. Bislang hat er lediglich in den Vorlagebeschlüssen
vom 5.6.2007 (B 4 RS 1/07 R, B 4 RS 5/07 R, B 4 RS 21/07 R und B 4 RS 22/07 R) die Auffassung vertreten, das SER/DbAG-ÄndG habe durch die Neufassung des § 84a BVG eine neue Rechtslage geschaffen. Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass die in Bezug genommenen Maßgaben im EinigVtr aaO
Abschn III Nr 1 Buchst a (Regelung 4) zur Festsetzung eines reduzierten Grundrentenbetrages für das Beitrittsgebiet die verfassungsrechtlichen
Gebote der Bestimmtheit und Justiziabilität verletzen. Der 13. Senat hält diese Maßgaben, wie er mitteilt, für klar und bestimmt.
Er teilt allerdings nicht mit, aus welchen Gesetzestexten er diese Klarheit auf welchem Weg gewonnen hat. Jedoch hat sich
der 4. Senat auch zu dieser Frage vor dem Anfragebeschluss des 13. Senats nur in dem oben genannten obiter dictum kurz geäußert.
Die Vorlagebeschlüsse vom 5.6.2007 haben allein die Auswirkungen der Rechtsänderungen auf die Festsetzung des Werts des Rechts
auf einen Dienstbeschädigungsausgleich im Beitrittsgebiet zum Gegenstand. Der Senat sieht davon ab, sich dazu zu äußern, welche
Auswirkungen die erneute Änderung des § 84a BVG auf die Anrechnungsregelung des §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI haben könnte, die über die Problematik der 2006 nicht hinreichend bestimmten Kürzungsmaßgaben im EinigVtr (aaO) Abschn III
Nr 1 Buchst a (Regelung 4) hinaus andere (verfassungsrechtliche) Fragestellungen als beim Dienstbeschädigungsausgleich aufwerfen
dürften.