Rentenversicherung
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Genügen der Darlegungspflicht
Behaupteter Verfassungsverstoß
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist; der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt.
2. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen.
3. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich z.B. unmittelbar
aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist.
4. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage sogar dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw. das BVerfG diese
zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind,
die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.
5. Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des
GG ableitet, darf sie sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss
unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw. -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
Gründe:
Mit Urteil vom 23.5.2017 hat das Sächsische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren "Altersrente für Frauen"
unter Berücksichtigung von weiteren Entgeltpunkten für Zeiten der Kindererziehung, die mit Beitragszeiten aus versicherungspflichtiger
Beschäftigung zusammentreffen, abgelehnt und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 18.2.2016
zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert als Rechtsfragen, der sie grundsätzliche Bedeutung beimisst:
"Ist die Vorschrift des §
70 Abs.
2 SGB VI in Verbindung mit Anlage 2 b zum
SGB VI insoweit verfassungswidrig, als die vorgenommene Begrenzung gegen Art.
3 Abs.
1 GG verstößt, da ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Personengruppe, die während der Kindererziehungszeit
ein beitragspflichtiges Entgelt erzielt, und der Personengruppe, die kein beitragspflichtiges Entgelt erzielt, vorhanden ist?"
"Wird diese Ungleichbehandlung durch die Vorschrift des §
307 d Abs.
1 SGB VI verschärft, indem für sogenannte Bestandsrentner am 30.06.2014 eine Ausnahme von der Anwendung der Vorschrift des §
70 Abs.
2 S. 2
SGB VI in Verbindung mit Anlage 2 b gemacht wird?"
Die Klägerin hat schon die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend begründet. Eine Rechtsfrage
ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage sogar dann anzusehen,
wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere
höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als
grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des
GG ableitet, darf sie sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss
unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen
Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB
bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 f = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen
aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des
GG im Einzelnen dargelegt werden (stRspr, zB BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - Juris RdNr 6).
Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin zitiert in ihren Ausführungen verschiedene Entscheidungen des BVerfG und des BSG. Nicht hinreichend auseinandergesetzt hat sich die Klägerin insbesondere mit dem Inhalt des Beschlusses des BVerfG vom 29.8.2007
(1 BvR 858/03 - BVerfGK 12, 81). Darin wurde eine mittelbar gegen §
70 Abs
2 S 2
SGB VI gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG hat eine Verletzung des Gleichheitssatzes
verneint, weil die durch diese Vorschrift hinsichtlich der Bewertung der Kindererziehungsleistung bedingte Ungleichbehandlung
von Versicherten, bei denen die Summe aus Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten und aus sonstigen Beitragszeiten den Höchstwert
an Entgeltpunkten nach Anlage 2b zum
SGB VI überschritten, im Vergleich zu neben der Kindererziehung nicht versicherungspflichtig erwerbstätigen Versicherten durch die
Begrenzung der Beitragspflicht als Grundprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt ist. Entscheidend war die
Beitragsbemessungsgrenze als gleichheitsrechtlich tragender Sachgrund (vgl auch BVerfG Beschluss vom 16.12.2016 - 1 BvR 287/14 - RdNr 8). Die Klägerin trägt dazu lediglich vor, das BVerfG verkenne die Systematik und Funktion der Beitragsbemessungsgrenze
und berücksichtige nicht die Notwendigkeit einer Äquivalenz aus erbrachter Vorleistung und zu beanspruchender Gegenleistung.
Eine erneute Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage legt die Klägerin damit nicht dar.
Hinsichtlich der zweiten von der Klägerin aufgeworfenen Frage bestehen bereits Zweifel, ob die Klägerin mit dieser Formulierung
eine abstrakte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) aufzeigt. Auch ist nicht ersichtlich, was die Klägerin unter einer "Verschärfung" der Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich
versteht. Jedenfalls fehlen zur Entscheidungserheblichkeit der von ihr aufgeworfenen Frage weitere Ausführungen der Klägerin.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Vorschrift des §
307d Abs
1 SGB VI die Ungleichbehandlung gegenüber einer weiteren Personengruppe (Rentenbezieher, die einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten
für Kindererziehung für jedes vor dem 1.1.1992 geborenes Kind erhalten) geltend macht, wird schon nicht deutlich, woraus sich
eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit Rentenbeziehern aus dieser Personengruppe ergeben soll.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.