Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung eines Fragerechts
Gründe
I
Der Kläger begehrt nach einem von ihm angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten noch Rente wegen Erwerbsminderung für den
Zeitraum Oktober 2012 bis März 2017. Das LSG hat einen Anspruch des Klägers für diesen Zeitraum verneint und mit Urteil vom
29.10.2020 seine Berufung gegen das Urteil des SG vom 25.1.2017 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er rügt als Verfahrensmangel eine Verletzung seines Rechts, einem Sachverständigen Fragen zu stellen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel
iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
Dieser rügt, das Urteil des LSG sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil sein Fragerecht gegenüber einem Sachverständigen
verletzt worden sei. Er habe ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29.10.2020 vor dem LSG beantragt,
den Sachverständigen S. ergänzend zu seinem Gutachten vom 10.10.2019 zu der Frage anzuhören, ab welchem Zeitpunkt von einem
unter sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen sei. Der Beweisantrag sei sachdienlich gewesen. Dadurch, dass das LSG sich
"lediglich selbst mit der Beweisfrage auseinandergesetzt" und den Sachverständigen nicht für eine Befragung zur mündlichen
Verhandlung geladen habe, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er habe Anspruch auf Beantwortung der Beweisfrage
durch den Sachverständigen und nicht lediglich durch das Gericht. Auf dieser Unterlassung könne die Entscheidung des LSG beruhen,
da nicht auszuschließen sei, dass das Gericht im Falle einer Anhörung des S. dessen Gutachten anders gewürdigt oder weitere
Sachaufklärung für erforderlich gehalten hätte.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger eine Verletzung seines Fragerechts nicht hinreichend aufgezeigt. Die Rüge einer Verletzung
des Fragerechts nach §
116 Satz 2
SGG bzw §
411 Abs
4 ZPO muss die noch erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret bezeichnen, zB auf Lücken oder Widersprüche hinweisen (vgl aus jüngerer Zeit etwa BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 5 R 298/19 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 21.12.2020 - B 13 R 253/19 B - juris RdNr 12 mwN). Solche Einwendungen sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (§
411 Abs
4 Satz 1
ZPO). Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen eine Gehörsrüge darstellt, müssen zudem deren
Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Beschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen
zu erreichen. Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen
zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören, und er schriftlich sachdienliche Fragen im oben dargelegten Sinn angekündigt
hat (vgl BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 5 R 298/19 B - aaO). Dass diese Voraussetzungen gegeben waren, ist bei einer Rüge der Verletzung des Fragerechts in der Beschwerdebegründung
nachvollziehbar darzustellen.
Hier hat der Kläger nicht dargelegt, inwiefern aus seiner Sicht die Frage, ab welchem Zeitpunkt bei ihm ein unter sechsstündiges
Leistungsvermögen vorlag, in dem Gutachten des S. noch nicht eindeutig beantwortet war. Insbesondere hat er Lücken oder Widersprüchlichkeiten
in den Aussagen dieses Gutachtens (vgl dort Seite 37) zu der vom Gericht gestellten Beweisfrage, seit wann im Zeitraum ab Oktober 2012 bis zum Zeitpunkt der Begutachtung die festgestellten
Gesundheitsstörungen und daraus resultierende Leistungsbeschränkungen bestehen, nicht aufgezeigt. Seine Ausführungen beschränken
sich darauf, dass die Frage an sich für das LSG entscheidungserheblich gewesen sei. Das genügt zur Bezeichnung weiterhin erläuterungsbedürftiger
Punkte eines Gutachtens nicht. Hinzu kommt, dass der Kläger auch nicht ausgeführt hat, inwiefern er sein Begehren auf ergänzende
Befragung des Sachverständigen S. zu dem Gutachten vom 10.10.2019 rechtzeitig gegenüber dem LSG geltend gemacht hat. Die Angabe,
er habe das in der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2020 - also etwa ein Jahr später - getan, zeigt Einwendungen "innerhalb
eines angemessenen Zeitraums" (vgl §
411 Abs
4 Satz 1
ZPO) nicht auf (vgl BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 347/16 B - juris RdNr 17 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.