Minderung der aus Zeiten nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte; Verfassungsmäßigkeit der stufenweisen Ausgleichsregelung des Art. 6 § 4c FANG
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP) zusteht.
Der 1943 geborene Kläger siedelte im August 1984 als Spätaussiedler aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland über. Er
ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. Aufgrund von Vormerkungsbescheiden ist geklärt, dass der Kläger anrechenbare Versicherungszeiten
nach dem FRG zurückgelegt hat. In Deutschland war der Kläger ebenfalls versicherungspflichtig beschäftigt, erkrankte jedoch im Jahr 1999.
Auf seinen Rentenantrag vom September 2000 bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 21.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19.12.2001 Rente wegen EU ab dem 26.7.2000 mit einem monatlichen Zahlbetrag iHv 2.193,29 DM. Bei der Rentenberechnung
kürzte sie in Anwendung des durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996 (WFG) eingefügten § 22 Abs 4 FRG die nach dem FRG zu berücksichtigenden EP um 40 vH durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6. Eine im Laufe des Verfahrens angefertigte Probeberechnung
der Beklagten hat ergeben, dass sich die Kürzung auf 470,86 DM belief und somit knapp 18 vH des vor der Gesetzesänderung zu
erwartenden Rentenbetrags erreichte. Die in der Folgezeit ergangenen Neuberechnungsbescheide betrafen nicht die hier streitige
Kürzung.
Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 21.11.2000 sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 19.12.2001; Urteil
des Sozialgerichts vom 7.3.2003).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 25.3.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe § 22 Abs 4 FRG zutreffend angewandt. Es liege auch kein Ausnahmetatbestand, insbesondere des Art 6 § 4c des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG), vor. Die Regelung, die auch eine Übergangsregelung zur Vermeidung
von unbilligen Härten enthalte, halte sich im Rahmen gesetzgeberischen Ermessens und sei gemessen an den Zielen sowie unter
Berücksichtigung dessen, dass es hier um Zeiten gehe, für die der Kläger keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
in der Bundesrepublik Deutschland entrichtet habe, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Revisionsverfahren hat der damals zuständige 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Hinblick auf seine Aussetzungs-
und Vorlagebeschlüsse an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4c FANG idF des WFG mit Beschluss vom 16.3.2006 ausgesetzt.
Nach Vorliegen der Entscheidung des BVerfG über die Vorlagebeschlüsse (Leitentscheidung vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 - BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) haben die Beteiligten das Verfahren fortgeführt. Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger
aus, dass der Gesetzgeber vom BVerfG aufgefordert worden sei, für rentennahe Jahrgänge eine angemessene Übergangsregelung
zu schaffen. Bei der daraufhin getroffenen Übergangsregelung habe der Gesetzgeber sein Ermessen jedoch weitaus zu eng ausgeübt
und den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz nicht wiederhergestellt. Der Kläger sei ebenfalls als rentennaher
Jahrgang zu behandeln, weil er seine Rente wegen EU ab Juli 2000, also innerhalb kurzer Zeit nach Inkrafttreten des WFG, zugesprochen
erhalten habe. Der Kläger habe aufgrund der monatlichen Kürzungen iHv 470 DM (18 vH) in den Jahren 2000 bis 2009 bereits etwa
50.000 DM weniger Rente ohne Ausgleich erhalten. Er könne seinen Lebensstandard nicht aufrechterhalten, weil ihm der Gesetzgeber
eine Reduzierung auferlegt habe, auf die er sich innerhalb von vier Jahren habe um- und einstellen müssen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 2004 und des Sozialgerichts Ulm vom 7. März 2003 aufzuheben
und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 21. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember
2001 zu verurteilen, ihm höhere Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, eine Neufeststellung der Rente des Klägers komme auch nach der Neufassung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (vom
20.4.2007 - BGBl I 554) nicht in Betracht, weil seine Rente erst nach dem 30.6.2000 beginne. Aufgrund der neuen Übergangsvorschrift
sei ein Zuschlag in vier Stufen in einer geschätzten Höhe von durchschnittlich 205 Euro, 154 Euro, 103 Euro bzw 51 Euro im
Monat an insgesamt 5.200 Rentner gezahlt worden. Die Zuschlagsleistung insgesamt habe sich auf ebenfalls geschätzte 10,8 Mio
Euro belaufen.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 21.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2001 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Rente sachlich und rechnerisch richtig berechnet. Die Abweisung der
Klage und die Zurückweisung der Berufung des Klägers sind nicht zu beanstanden. Soweit das LSG die Klage gegen die Rentenauskunft
vom 22.1.2001 als unzulässig beurteilt hat, greift die Revision das Berufungsurteil nicht an, sodass die Erwähnung im schriftsätzlich
angekündigten Revisionsantrag vom 27.5.2004 auf einem Versehen beruhen muss.
Die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Absenkung der EP für nach dem FRG anerkannte Zeiten um 40 vH nach § 22 Abs 4 FRG ohne Ausgleich nach Art 6 § 4c Abs 2 FANG ist gesetzeskonform.
Gemäß § 22 Abs 4 FRG sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen EP mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen, also um 40 vH abzusenken. Diese Vorschrift hat die Beklagte rechtsfehlerfrei
angewandt. Die als Übergangsregelung hierzu durch Art 6 § 4c FANG in der Fassung des WFG vom 25.9.1996 geschaffene Ausnahme
beließ es für "Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt", bei dem bis dahin geltenden Recht. In Verbindung mit der
früheren Übergangsregelung des Art 6 § 4 Abs 5 FANG galt der Rentenabschlag in Höhe von 40 vH für alle nach dem FRG Berechtigten unabhängig vom Datum ihres Zuzugs mit einem Rentenbeginn ab dem 1.10.1996, wenn sie nicht unter das Abkommen
vom 9.10.1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung fielen
(zum Ganzen vgl BVerfGE 116, 96, 101 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 22). Zu diesem Personenkreis zählt auch der Kläger, sodass die Beklagte diese Vorschriften
rechtsfehlerfrei angewandt hat, was vom Kläger nicht in Frage gestellt wird.
Daran hat sich durch Art 6 § 4c Abs 2 FANG nichts geändert. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz
vom 20.4.2007 (BGBl I 554) mit Wirkung zum 1.10.1996 neu angefügt, nachdem das BVerfG im bereits erwähnten Beschluss die bisherige
Regelung für verfassungswidrig erklärt hatte. Sie lautet: "(2) Für Berechtigte, 1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, 2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und
3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30.
Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an
persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen
der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser
Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll, vom 1. Juli 1997 bis 30.
Juni 1998 zu drei Vierteln, vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem
Viertel gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung."
Art 6 § 4c Abs 2 FANG lässt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rentenbescheids der Beklagten unberührt, sodass dem Kläger
weder die ungekürzte Rente mit voller Anrechnung der EP für die nach dem FRG anerkannten Zeiten noch ein Zuschlag zusteht. Er hat zwar vor dem 1.1.1991 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland genommen und seine Rente hat nach dem 30.9.1996 begonnen. Wegen des ausgesetzten Revisionsverfahrens war über
seinen Rentenantrag auch am 30.6.2006, dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG, noch nicht rechtskräftig entschieden.
Die vorgesehene Zuschlagsregelung umfasst jedoch nur die Zeit eines Rentenbezugs vom 1.10.1996 bis zum 30.6.2000. Die Rente
des Klägers hat hingegen erst am 26.7.2000 begonnen.
Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass die Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG Verfassungsrecht verletzt.
Sie genügt insbesondere den Anforderungen, die das BVerfG unter Berücksichtigung des Art
2 Abs
1 Grundgesetz (
GG) und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips aufgestellt hat, damit das durch § 22 Abs 4 FRG iVm Art 6 § 4 Abs 5 und § 4c FANG 1996 (idF des WFG) abgesenkte Rentenniveau für die davon kurzfristig Betroffenen vorübergehend abgemildert wird.
Dass die Rentenkürzung selbst weder den (vom BVerfG hilfsweise geprüften) Art
14 Abs
1 GG noch Art
3 GG verletzt, ist bereits im Beschluss vom 13.6.2006 näher ausgeführt (BVerfGE 116, 96, 125-130 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 86 bis 98), sodass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug nimmt.
Durch diese Entscheidung ist auch geklärt, dass sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Übergangsregelung aus
Art
2 Abs
1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip ergeben (BVerfGE 116, 96, 130 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 99). Nach den Grundsätzen über die verfassungsrechtliche Beurteilung der unechten Rückwirkung
von Gesetzen, die vorliegt, wenn eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für
die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl BVerfGE 43, 291, 391), sind rückwirkende Regelungen verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip,
es sei denn, das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen überwiegt das vom Gesetzgeber verfolgte Veränderungsinteresse
(BVerfGE 101, 239, 263; BVerfGE 116, 96, 132 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 103).
Hiernach ist keine Übergangsregelung erforderlich, die es den Berechtigten ermöglicht hätte, die durch § 22 Abs 4 FRG bewirkte Verringerung ihrer Rente durch eine Maßnahme der zusätzlichen und insbesondere privaten Altersvorsorge auszugleichen.
Die Übergangszeit muss die Berechtigten lediglich in die Lage versetzen, ihre Lebensführung darauf einzustellen, dass ihnen
auf Dauer deutlich niedrigere Renten zustehen werden als aufgrund der erteilten Rentenauskünfte in Aussicht gestellt worden
waren. Bei einer schrittweisen Anwendung des Abschlags auf die EP wäre es ihnen beispielsweise möglich gewesen, von mittel-
und langfristig wirkenden finanziellen Dispositionen abzusehen oder diese der verringerten Rente anzupassen (BVerfGE 116,
96, 133 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 108). Konkretere Vorgaben hat das BVerfG in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung
dem Gesetzgeber nicht auferlegt. Diesem steht bereits bei der Ausgestaltung rentenversicherungsrechtlicher Positionen ein
erheblicher Spielraum zur Verfügung, der umso weiter ist, je weniger die Rechtsposition auf der Eigenleistung des Versicherten
beruht (vgl BVerfGE 100, 1, 37 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51; BVerfGE 58, 81, 112 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12; BVerfGE 117, 272, 294 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 54 mwN) und der demnach beim übergangsweise zu gewährleistenden rentenversicherungsrechtlichen
Vertrauensschutz nicht enger sein kann. Da die nach dem FRG anerkannten Zeiten nicht auf Eigenleistungen des Klägers beruhen, sondern Ausfluss staatlicher Gewährung an Vertriebene sind,
die ihre im Vertreibungsgebiet erarbeiteten Rentenanwartschaften aufgeben mussten, wenn sie nach Deutschland übersiedelten,
hat das BVerfG dem Gesetzgeber ausdrücklich die nähere Gestaltung der erforderlichen Übergangsregelung überlassen - ob er
sich zu einer gestuften Übergangsregelung entschließt, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen
soll, und wie er den Kreis der Berechtigten (die "rentennahen Jahrgänge") bestimmt, um dem dargestellten legitimen Interesse
der Betroffenen zu genügen (BVerfGE 116, 96, 134 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 109).
Diesen sich aus dem Vertrauensschutzprinzip ergebenden Anforderungen wird der neu eingeführte Abs 2 des Art 6 § 4c FANG gerecht.
Er erhöht die Rente vorübergehend um einen monatlichen Ausgleichsbetrag, dessen Ausgangswert der Kürzung der EP um 40 vH entspricht
und in vier abgestuft sinkenden Beträgen für Rentenbezugszeiträume von jeweils neun bzw zwölf Monaten ab dem 1.10.1996 gezahlt
wird. Nach den von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten Schätzungen wurden im Durchschnitt Zuschläge in Höhe von
monatlich 205 Euro während der Rentenbezugszeit bis zum 30.6.1997, sowie von monatlich jeweils 154, 103 bzw 51 Euro bis zum
jeweiligen 30.6. der drei Folgejahre gezahlt. Der Gesamtbetrag der Zahlungen von knapp 11 Mio Euro im Verhältnis zu den im
selben Zeitraum eingesparten 220 Mio Euro und die Zahl der Begünstigten von über 5.000 zeigen trotz des Vorbehalts wegen der
unsicheren Schätzungsgrundlage, dass der Gesetzgeber sich ernsthaft bemüht hat, den Übergang zu den neuen Bedingungen für
die von der Rentenkürzung kurzfristig Betroffenen finanziell abzumildern; er hat die Ausgleichszahlung nicht etwa so ausgestaltet,
dass sie nur einer verschwindenden Anzahl von Begünstigten zugute gekommen und ihr finanzieller Effekt nahe Null wäre.
Die Abstufung von einem vollständigen bis hin zu einem 25-prozentigen Ausgleich innerhalb eines zeitlichen Rahmens von knapp
vier Jahren lässt erkennen, dass das Schutzbedürfnis des Einzelnen vor plötzlichen Veränderungen der Lebensgrundlage gegenüber
dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen gesetzlichen Rentenversicherung abgewogen wurde. Mit Rücksicht auf
den von der Beklagten mitgeteilten starken Zugang an Rentnern mit FRG-Zeiten in den Jahren ab 1996 von durchweg über 60.000 im Jahr hätte jede Verlängerung des Nachzahlungszeitraums bei entsprechender
Ergänzung um eine weitere Endstufe und Anhebung der Zwischenstufen ganz beträchtliche Mehrkosten verursacht, die den mit der
Rentenkürzung beabsichtigten Einspareffekt weiter gemindert hätten. Unter diesen Umständen sieht die Regelung einen hinreichenden
Zeitraum vor, in dem eine sukzessive Umstellung auf das neue, verringerte Renteneinkommen möglich gewesen wäre, etwa durch
Verringerung der Unterkunftskosten oder sonstiger Verpflichtungen und Belastungen. Dabei ist nochmals zu betonen, dass Ziel
der Übergangsregelung auch nach den Vorgaben des BVerfG nicht die Möglichkeit zur Schaffung eines privaten adäquaten Ausgleichs
im Sinne einer Sicherung des bisher erwarteten Lebensstandards als Rentner, sondern lediglich die Einstellung der Lebensführung
auf die sich ändernden finanziellen Verhältnisse sein sollte, und dass das BVerfG auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum
gerade für die nähere Ausgestaltung einer Ausgleichsregelung besonderes Gewicht gelegt hat (nochmals BVerfGE 116, 96, 134 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 109).
Die Übergangsregelung unterliegt auch aus gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten keinen durchgreifenden Bedenken.
Verletzt ist das Grundrecht des Art
3 Abs
1 GG nur, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70, stRspr). Der durch die Übergangsregelung nicht begünstigte Kläger wird anders behandelt
als die Vergleichsgruppe derjenigen, die nach der Regelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG zuschlagsberechtigt sind. Das ist auf
die Begrenzung des Ausgleichszahlungszeitraums durch den 30.6.2000 zurückzuführen, der sich als derjenige Stichtag für den
Rentenbeginn darstellt, nach dem das neue Recht uneingeschränkt anzuwenden ist.
Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse
Härten mit sich bringt (vgl BVerfGE 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73). Dies gilt auch bei der Einführung neuer Vorschriften, die einzelne Personengruppen
begünstigen und andere durch den Stichtag von der Vergünstigung ausnehmen. Der Gesetzgeber muss lediglich den ihm bei der
Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt und die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht
kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt haben, sodass sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt
und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt und nicht als willkürlich erscheint (BVerfG vom
11.11.2008 - 1 BvL 3/05 -, Juris RdNr 73 unter Hinweis auf BVerfGE 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8 S 27).
Im Fall des Art 6 § 4c Abs 2 FANG soll der Stichtag des 30.6.2000 die "rentennahen Jahrgänge" von Rentnern, deren Vertrauen
in die zumindest kurzfristige Aufrechterhaltung des bisherigen Rentenniveaus der Gesetzgeber ursprünglich mangels Übergangsregelung
in verfassungswidriger Weise verletzt hatte, von denjenigen abgrenzen, deren Vertrauen verfassungsrechtlich nicht (mehr) schutzwürdig
ist. Dabei hat der Gesetzgeber dem vom BVerfG und in den Vorlagebeschlüssen des BSG gebrauchten Begriff des rentennahen Jahrgangs
anlässlich der neuen Übergangsvorschrift einen anderen als den eigentlichen Wortsinn beigelegt. Dieser erfasst Versicherte,
die mit Rücksicht auf das Jahr ihrer Geburt in einem kürzeren bestimmbaren Zeitraum eine Altersrente beanspruchen können;
da demgegenüber die vom Versicherten noch bis zu einer Rente wegen Erwerbsminderung zurückzulegende Zeit allenfalls statistisch,
aber nicht im Einzelfall bestimmbar ist, lässt sich die "Rentennähe" eines Versicherten in Bezug auf eine Rente wegen Erwerbsminderung
nicht aufgrund seines (Geburts-)Jahrgangs, sondern nur im Nachhinein aufgrund der Rentenbewilligung feststellen. In Übereinstimmung
mit dem Konzept des rentennahen Jahrgangs betrafen sämtliche Vorlagebeschlüsse des BSG Rechtsstreitigkeiten um eine höhere
Altersrente (vgl BVerfGE 116, 96, 103 ff = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 28 ff). Abgesehen davon, dass sie den Kläger nicht benachteiligt, ist die Einbeziehung
von Rentnern, die Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, in die Übergangsvorschrift im Lichte des Gleichheitssatzes nicht
zu beanstanden. Das BVerfG hält eine Übergangsregelung zu § 22 Abs 4 FRG für verfassungsrechtlich geboten, weil sich Rentenberechtigte ohne eine solche auf die Absenkung ihres Versorgungsniveaus
nicht in angemessener Zeit hatten einstellen können (BVerfGE 116, 96, 133 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 107). Dieser Gesichtspunkt trifft aber bei Altersrenten und Renten wegen Erwerbsminderung
in gleicher Weise zu, sodass es sogar verfassungsrechtlich problematisch gewesen wäre, zwischen beiden Rentnergruppen zu differenzieren
und nur bestimmte Geburtsjahrgänge in die Ausgleichsregelung einzubeziehen. Die in Art 6 § 4c Abs 2 FANG vorgenommene Abgrenzung
nach der zeitlichen Nähe des Rentenbeginns zur Gesetzesänderung des § 22 Abs 4 FRG entspricht daher in vollem Umfang dem Sinn der verfassungsgerichtlichen Entscheidung.
Außerdem begrenzt der Stichtag die Zeitspanne, in der es der Gesetzgeber für zumutbar hält, sich auf die abgesenkte Rente
einzustellen. Nach der getroffenen Regelung hatten die von ihr nicht begünstigten Rentenempfänger ab Inkrafttreten der Rentenkürzung
mindestens - nämlich im Falle eines Rentenbeginns im Juli 2000 wie auch beim Kläger - 45 Monate zur Verfügung, um sich auf
die neue Lage einzustellen. Der Senat kommt zum Ergebnis, dass diese Zeitspanne nicht willkürlich gewählt ist. Bei einer monatlichen
Einbuße von 470 DM (etwa 240 Euro), die der Kläger auffangen musste und die nach den Schätzungen der Beklagten eher über dem
Durchschnitt liegt, kann erwartet werden, dass knapp vier Jahre ausreichen, um mittels längerfristigen finanziellen Dispositionen
zu vermeiden, dass durch die Rentenminderung eine finanziell untragbare Situation entsteht - etwa mit unaufhaltsam steigenden
Verbindlichkeiten. Obwohl dem Kläger die Erwägungen des BVerfG zur geforderten Übergangsregelung bekannt sind, hat er keine
Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine Begrenzung des Nachzahlungszeitraums auf knapp vier Jahre als willkürlich erscheinen lassen
könnten. Soweit die Revision auf den wesentlich längeren Übergangszeitraum bei der Regelaltersgrenze hinweist, verkennt sie,
dass hierfür andere verfassungsrechtliche Maßstäbe gelten, weil der fragliche Eingriff rentenversicherungsrechtliche Positionen
mit einem hohen Eigenleistungsanteil betrifft. Im Übrigen verweist der Kläger lediglich auf den Umfang der ihn insgesamt treffenden
Rentenkürzung, die eine Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards in Frage stellten. Eine Absicherung in dieser Richtung
war jedoch nach der Entscheidung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl nochmals BVerfGE 116, 96, 133 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 108).