Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide nach dem SGB II, Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Höhe des Abschlags für die Warmwasserbereitung
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2006.
Bei der 1954 geborenen, allein stehenden Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Sie bewohnt nach
den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) eine Mietwohnung (46,17 qm) gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsgebühr
in Höhe von 157,32 Euro nebst eines Wertverbesserungszuschlags von 10,99 Euro. Nach mehrfach wechselnden Nebenkostenvorauszahlungen
im Jahr 2005 zahlte sie ab dem 1. Januar 2006 monatliche Abschläge für Betriebskosten in Höhe von 55 Euro sowie Wasser und
Heizung in Höhe von 60 Euro.
Bis April 2003 bezog sie Arbeitslosengeld (Alg), zuletzt in Höhe von 42,42 Euro wöchentlich, anschließend Arbeitslosenhilfe
(Alhi) bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von 36,05 Euro wöchentlich. Daneben erhielt sie bis zum 30. Juni 2003 ein monatliches
Wohngeld in Höhe von 163 Euro.
In der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin
zunächst Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 585,56 Euro (Regelleistung und Kosten der Unterkunft [KdU]; Bescheide
vom 8. November und 10. Dezember 2004; Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2005; Bescheid vom 23. Mai 2005). Die Leistungen änderte
sie später wegen einer Neuberechnung der KdU mehrfach ab (Bescheide vom 16. Januar, 16. und 21. März 2006).
Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 bewilligte die Beklagte zunächst ebenfalls Leistungen in Höhe von 585,56
Euro monatlich (Bescheid vom 2. Januar 2006). Auf den Widerspruch der Klägerin hob sie die Leistungen auf 604,11 Euro an (Regelleistung
und KdU abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung [Wwb]) und führte zur Begründung aus, den Angaben des Vermieters (Schreiben
vom 6. Dezember 2005) sei zu entnehmen, dass sich für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 der Anteil der Kosten für die Wwb auf
insgesamt 17 % der gesamten Kosten für Heizung und Wasser belaufe. Von der monatlichen Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser
in Höhe von 60 Euro sei daher ein Abzug in Höhe von 10,20 Euro veranlasst (Bescheid vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2006).
Die auf höhere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 gerichtete Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil
des Sozialgerichts [SG] vom 25. Oktober 2005). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihren Antrag auf die Änderung des Bescheids
vom 1. Februar 2006 und auf höhere Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 beschränkt. Insoweit hat
das LSG die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. März 2006).
In den Entscheidungsgründen ist ua ausgeführt: Streitgegenständlich sei allein der Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2006.
Gegenstand des Verfahrens seien zwar zunächst nur die Bescheide betreffend den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 gewesen.
Die Bescheide hinsichtlich der Folgezeiträume ab dem 1. Juli 2005 seien aber analog §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in das Verfahren einbezogen worden, sodass die Klägerin den Leistungszeitraum wirksam habe beschränken können. Sie habe
in zulässiger Art und Weise von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht, nachdem die Beklage sich im Termin verpflichtet
habe, entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des Verfahrens die Leistungen auch für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember
2005 neu zu berechnen. Zu entscheiden sei daher nur noch über den Bescheid vom 1. Februar 2006, der den Bescheid vom 2. Januar
2006 in vollem Umfang ersetzt habe. Für diesen Zeitraum bestehe kein Anspruch auf höhere Leistungen. Die Beklagte habe die
Regelleistung für die allein stehende Klägerin zutreffend mit 331 Euro in Ansatz gebracht und die KdU entsprechend den tatsächlichen
Aufwendungen korrekt mit 283,31 Euro berechnet. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte hiervon die Kosten der Wwb mit
10,20 Euro in Abzug gebracht habe. Die Kosten der Wwb seien von der Regelleistung abgedeckt, der in der Betriebskostenabrechnung
ausgewiesene Realbetrag der Wwb daher abzugsfähig.
Da im Zeitpunkt der Bewilligung lediglich die Betriebskostenrechnung für das Jahr 2004 vorgelegen habe, sei es nicht zu beanstanden,
wenn die Beklagte anstelle des Realbetrags für 2004 den relativen Kostenanteil der Wwb an den gesamten Heizkosten (17 %) als
Maßstab für die Berechnung der Kosten der Wwb für die Folgezeit übernommen habe. Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe
der Regelleistung und deren Absenkung in den neuen Bundesländern im hier streitigen Zeitraum bestünden nicht.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des
Verfassungsrechts. Entgegen der Ansicht des LSG sei der Abzug eines Kostenanteils für die Wwb in Höhe von 10,20 Euro nicht
gerechtfertigt. Die Wwb erfolge in den weit überwiegenden Haushalten über eine zentrale Heizungsanlage, sodass die Abzugsbeträge
völlig willkürlich seien. Die Regelsatzhöhe sei weder mit der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde (Art
1 Abs
1 Grundgesetz [GG]) noch mit dem Sozialstaatsprinzip (Art
20 Abs
1 GG) zu vereinbaren. Die zusätzliche Absenkung der Regelsatzhöhe in den neuen Bundesländern im streitigen Zeitraum verstoße zudem
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art
3 Abs
1 GG). Der Gesetzgeber habe zwischenzeitlich selbst festgestellt, dass die Unterscheidung nicht mehr gerechtfertigt sei. Die Lebensverhältnisse
in West und Ost seien aber bereits im streitigen Zeitraum nicht signifikant unterschiedlich gewesen. Da die Regelleistung
lediglich das Existenzminimum decke, habe trotz der geringfügigen Betragsunterschiede eine Verpflichtung zur rückwirkenden
Angleichung bestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. März 2006 aufzuheben sowie die Bescheide vom 2. Januar
2006 bzw 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Abzug
eines Kostenanteils für die Warmwasserbereitung und unter Zugrundelegung einer höheren Regelleistung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.
Die Beklagte hat inzwischen die Bewilligung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 in Höhe von 13,30 Euro monatlich
zurückgenommen und die Erstattung überzahlter Leistungen gefordert (Bescheid vom 12. Dezember 2006). Zur Begründung hat sie
darauf verwiesen, dass die von der Klägerin zum 1. Januar 2006 angezeigte Mieterhöhung auf 283,31 Euro gar nicht eingetreten
sei, weil diese nach Auskunft des Vermieters im November 2005 der Erhöhung widersprochen habe. Tatsächlich hätten die KdU
weiterhin 268,31 Euro betragen.
II. Die Revision ist nur zum Teil begründet, im Wesentlichen unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1, Abs
2 Satz 1
SGG).
Die Klägerin hat Anspruch auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum (hierzu unter 1) nur insoweit, als der von der Beklagten
vorgenommene Abzug für Kosten der Wwb den Betrag von 5,97 Euro monatlich überschreitet. Im Übrigen kommen höhere Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in Betracht. Insbesondere kann die Klägerin keine höhere Regelleistung verlangen
(hierzu unter 2). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung bestehen nicht (hierzu unter 3).
1. a) Die geltend gemachten höheren Leistungen sind entsprechend der Bewilligung (Bescheide vom 2. Januar bzw 1. Februar 2006)
auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 begrenzt (§ 41 Abs 1 Satz 1 SGB II). Entgegen der Vorinstanz folgt dies
zwar nicht daraus, dass die zugrunde liegenden Bescheide analog §
96 SGG (in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. März 2008, BGBl I 444, geltenden Fassung) in das ursprünglich nur den
Leistungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 betreffende Verfahren (Bescheide vom 8. November und 10. Dezember 2004,
20. Mai 2005) einbezogen worden sind.
Die in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate vertreten hierzu die Auffassung, dass die
von der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Arbeitsförderungsrecht auf Folgebescheide für
weitere Leistungszeiträume im SGB II nicht übertragbar ist (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 mwN, stRspr). Die danach fehlerhafte Einbeziehung durch das LSG, welche im Revisionsverfahren
von Amts wegen zu beachten ist (vgl insoweit ua die vom LSG genannte Entscheidung des 11a. Senats vom 17. November 2005 -
B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4), führt aber nicht dazu, dass die Klage gegen den Bescheid vom 1. Februar 2006
unzulässig und die Revision schon deshalb unbegründet ist (vgl hierzu BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1). Denn stattdessen können die Voraussetzungen einer ersetzenden Klageänderung im Berufungsverfahren
(§§
99 Abs
1,
153 Abs
1 SGG) als gegeben angesehen werden (hierzu BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12).
Entsprechend der Rechtsauffassung des LSG hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung den Streitgegenstand unter Ausschluss
der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 auf den Leistungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 "begrenzt" und die
bis dahin - angesichts der geltend gemachten Höhe der begehrten Regelleistung - zulässige Berufung (zu diesem Erfordernis
im Rahmen der Klageänderung vgl BSG, Urteil vom 8. November 2001 - B 11 AL 19/01 R) zurückgenommen. Die ersatzweise erhobene Klage, auf die sich die Beklagte ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 27. März
2006 eingelassen hat (§
99 Abs
2 SGG), ist auch zulässig. Die Zulässigkeit scheitert nicht am fehlenden Vorverfahren (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 30, zu Ausnahmen BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 §
87 Nr 12; hierzu auch Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
96 RdNr 11e, §
99 RdNr 13a, §
78 RdNr 8a). Denn obwohl das LSG von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass eines Widerspruchsbescheids
nicht als gegeben angesehen hat, ist das Widerspruchsverfahren durchgeführt und mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2006
abgeschlossen worden. Nicht ausgeschlossen werden kann nach dem aktenkundigen Verfahrensgang allerdings, dass im Zeitpunkt
der Klageänderung am 27. März 2006 die einmonatige Klagefrist (§
87 Abs
2 SGG) gegen den am 14. Februar 2006 abgesandten Widerspruchsbescheid verstrichen war (zum Erfordernis der Einhaltung der Klagefrist
vgl Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
99 RdNr 13a mwN). Für diesen Fall (bei fraglicher Versäumung BSGE 71, 17 = SozR 3-4100 §
103 Nr 8) ist der Klägerin jedoch Wiedereinsetzung zu gewähren (§
67 SGG). Denn trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung kann es ihr - in der hier noch maßgeblichen Übergangszeit - nicht zum
Nachteil gereichen, dass die Rechtsprechung des BSG zur fehlenden Übertragbarkeit der analogen Anwendung des §
96 SGG im Arbeitsförderungsrecht im Zeitpunkt der Klageänderung noch nicht ergangen war (zum Aspekt des Vertrauens auf die Spruchpraxis
eines obersten Gerichtshofes vgl BVerfGE 79, 372). Für die geänderte Klage war deshalb abweichend von §
29 SGG das LSG nach §§
99,
153 Abs
1 SGG erstinstanzlich zuständig. Die restriktive Handhabung des §
99 SGG durch den 4. Senat (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 20/01 R = SozR 3-1500 § 29 Nr 1 im Anschluss ua an BGH NJW 1994, 3358 für den Fall eines Beteiligtenwechsels), wonach die Klageänderung voraussetzt, dass die Beseitigung der erstinstanzlich hervorgerufenen
Beschwer in der Berufungsinstanz (zumindest teilweise) weiterverfolgt wird, ist jedenfalls in Fallkonstellationen der vorliegenden
Art bei fortwirkender Beschwer - Berufungsrücknahme nach vorheriger verbindlicher Erklärung der Beklagten zur Neuberechnung
der ursprünglich streitigen Leistungen nach Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der ersatzweise erhobenen Klage - nicht
gerechtfertigt (vgl auch Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
29).
b) Streitgegenständlich sind danach die Bescheide vom 2. Januar bzw 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13. Februar 2006, mit der es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin Leistungen von mehr als 604,11 Euro monatlich zu
gewähren. Nicht in das Verfahren einbezogen ist der während des laufenden Revisionsverfahrens ergangene und die Bewilligung
teilweise zurücknehmende Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. Dezember 2006. Dieser gilt nach Maßgabe des §
171 Abs
2 SGG als beim SG angefochten. Eine weitergehende Beschränkung des prozessualen Anspruchs kommt dagegen nicht in Betracht. Bei einem Streit
um höhere Leistungen sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG, Urteil
vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3; BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R; zu Ausnahmen bei KdU BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 - SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 5/07 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 1; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 62/06 R, ausdrücklich offengelassen in BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3).
2. Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 3,89 Euro monatlich. Weitergehende Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts hat die Vorinstanz dagegen zu Recht verneint. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz
1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) Personen,
die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig
(Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nach den verbindlichen Feststellungen
des LSG (§
163 SGG) war die Klägerin im streitigen Zeitraum jedenfalls in keinem über den jetzt zuerkannten Umfang hinausgehenden Ausmaß hilfebedürftig.
Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt
der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln,
hierin einbezogen das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen
erhält. Der Grundsicherungsbedarf einschließlich des Unterkunftsbedarfs ist den einschlägigen Regelungen (§§ 19 ff SGB II)
zu entnehmen. Nach § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) erhalten
erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II (Alg II) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich
der KdU. Der Anspruch der Klägerin auf Alg II setzt sich aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) und den nach § 22 SGB II zu berücksichtigenden
Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen.
a) Die Regelleistung in den hier interessierenden neuen Bundesländern für allein stehende Hilfebedürftige ist - gegenüber
der in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) maßgeblichen Regelleistung von 345 Euro um 14 Euro niedriger -
auf monatlich 331 Euro festgelegt (§ 20 Abs 2 SGB II idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558,
am 1. Juli 2006). Hiervon ist die Beklagte bei ihrer Berechnung ausgegangen. Behinderungsbedingter Mehrbedarf kann schon mangels
der in § 21 Abs 4 SGB II vorausgesetzten Leistungen (vgl hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2008 - B 11b
AS 19/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) bzw des in § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) vorausgesetzten Merkzeichens
"G" nicht geltend gemacht werden.
b) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind
(§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Wohnt der Arbeitsuchende zur Miete, sind hiervon regelmäßig die Grundmiete und die Neben- und
Heizkosten umfasst.
Neben der Nutzungsgebühr hat die Beklagte deshalb auch die geltend gemachten Neben- und Heizkosten übernommen. Nach den Feststellungen
des LSG sind dies insgesamt und rechnerisch korrekt monatlich 283,31 Euro.
aa) Die anderweitigen Feststellungen zur Miete (268,31 Euro statt 283,31 Euro) im Aufhebungsbescheid vom 12. Dezember 2006,
der insoweit Gegenstand eines gesonderten Verfahrens ist (§
171 Abs
2 SGG, s oben unter 1b), sind nicht zugleich mit Hilfe einer zulässigen Gegenrüge der Beklagten (hierzu Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
170, RdNr
4a) in das Revisionsverfahren eingeführt worden. Das Verhältnis von §
171 Abs
2 SGG und Gegenrüge ist - soweit ersichtlich - bisher in der Rechtsprechung und Literatur nicht näher beleuchtet worden. Unbeschadet
dessen setzt die nach ständiger Rechtsprechung zulässige Gegenrüge (BSG SozR 3-4100 § 64 Nr 3, BSGE 88, 96 = SozR 3-3800 § 2 Nr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, IX, RdNr 342 sowie
Rudisile DVBl 1988, 1135 ff) eine Rüge von Verfahrensmängeln voraus. Den Vorwurf verfahrensfehlerhafter getroffener tatsächlicher Feststellungen infolge
mangelhafter Sachverhaltsaufklärung (vgl §
103 SGG) erhebt die Beklagte indessen im Revisionsverfahren nicht. Sie verweist lediglich zur Begründung ihres Aufhebungsbescheids
darauf, dass sie den Widerspruch der Klägerin gegen die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen selbst erst nach Abschluss
des Berufungsverfahrens bei Gelegenheit eines Telefonats im Dezember 2006 in Erfahrung gebracht habe. Die Feststellungen des
LSG zur Miete (283,31 Euro) sind daher verbindlich (§
163 SGG).
bb) Von den Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Kosten durfte die Beklagte einen Pauschalabzug
für Wwb vornehmen, indessen nicht in Höhe von 17 % der tatsächlichen Kosten der Wwb für das Jahr 2004 oder beziffert 10,20
Euro. Der Gesetzgeber führt zwar mit der Neufassung des § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) nunmehr die Haushaltsenergie (Kochfeuerung, Wwb und Beleuchtung)
klarstellend als Bestandteil der Regelleistung auf (BT-Drucks 16/1410 S 32), welche sich aus der auf den Stand 1. Juli 2003
hochgerechneten Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ergibt (BT-Drucks 15/1516 S 56). Daraus ergibt
sich die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Kosten für Wwb im Rahmen der KdU. Der pauschale und nicht näher bezifferbare Anteil
für Kosten der Wwb (vgl BR-Drucks 206/04 S 7) beträgt danach jedoch schätzungsweise lediglich 30 % des auf die Haushaltsenergie
entfallenden Anteils (vgl hierzu auch BT-Drucks 16 [11] 286 S 10) der Regelleistung. Das sind im streitigen Zeitraum 6,22
Euro ausgehend von der Regelleistung West in Höhe von 345 Euro und einem aus der EVS 1998 (19,34 Euro) fortgeschriebenen und
hochgerechneten Anteil für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 Euro. Der Anteil an der Regelleistung Ost (in Höhe von 331 Euro)
beträgt dementsprechend 5,97 Euro (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R; BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 23/06 R, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen). Der von der Beklagten in Abzug gebrachte Betrag in Höhe von 10,20 Euro überschreitet
den maßgeblichen Pauschbetrag somit um 4,23 Euro monatlich. Ein vom Pauschbetrag abweichender konkreter Verbrauch (hierzu
die Entscheidungen vom 27. Februar 2008 und 19. März 2008, aaO) ist nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat im Bewilligungszeitraum
allein pauschalierte Vorauszahlungen für Heizkosten ohne nähere Aufschlüsselung nach Heizung und Warmwasser entrichtet. Die
gegenteiligen Berechnungen der Beklagten, zuletzt im Schriftsatz vom 9. Juni 2008, sind - wie nicht zuletzt die aktenkundige
Neuberechnung der KdU für das Jahr 2005 exemplarisch zeigt - Wahrscheinlichkeitsberechnungen.
Unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II (hierzu näher Urteil des erkennenden Senats vom 19. März
2008, aaO) hat die Klägerin danach zusammenfassend Anspruch auf monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in
Höhe von 608 Euro (331 Euro + 277,34 Euro [283,31 - 5,97] = 608,34 Euro). Zuerkannt sind bisher 604,11 Euro.
Die Differenz zugunsten der Klägerin beträgt somit 3,89 Euro monatlich.
c) Ein zusätzlicher Zuschlag nach § 24 SGB II kommt entgegen der von der Klägerin im Berufungsverfahren geäußerten Meinung
nicht in Betracht, da sich - abgesehen vom zwischenzeitlichen Ablauf der kalendarischen Zwei-Jahres-Frist ab dem Tag nach
dem Ende des Alg-Bezugs - kein zuschlagsfähiger Differenzbetrag zugunsten der Klägerin zwischen dem zuletzt 2003 bezogenen
Alg (183,82 Euro) zuzüglich Wohngeld (163 Euro) einerseits und dem im ersten Halbjahr 2006 zu zahlenden Alg II (608 Euro)
andererseits ergibt.
3. Die von den Revisionsklägern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe der Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Januar 2005 teilt der Senat nicht.
a) Der Senat konnte sich auch hinsichtlich des hier streitigen Zeitraums nicht davon überzeugen, dass die Abschaffung der
Alhi durch Art 3 und 61 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) sowie die stattdessen erfolgte
Einführung des Alg II durch das SGB II ab 1. Januar 2005 gegen höherrangiges Recht verstößt und die in § 20 Abs 2 SGB II gesetzlich
festgelegte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts verfassungswidrig zu niedrig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen
des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 3 verwiesen, der sich der 14. Senat angeschlossen hat (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b
AS 59/06 R; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 62/06 R; BSG, Beschluss vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 160/07 B; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 BvR 1840/07; offen gelassen in BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 4/06 R).
b) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom Gesetzgeber zunächst vorgenommene und später zum 1. Juli 2006
durch das Gesetz vom 24. März 2006 (aaO) aufgehobene Absenkung der Regelleistung in den neuen Bundesländern hat der Senat
ebenfalls nicht (so bereits BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/7b AS 42/06 R; BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 23/06 R [zur Veröffentlichung vorgesehen]; ferner Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R). Weder die gesetzliche Anordnung eines Leistungsgefälles noch die in Anlehnung an § 28 Abs 2 Satz 3 SGB XII festgelegte
Betragsdifferenz von 14 Euro lassen einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art
3 Abs
1 GG) erkennen (so aber insbes Rothkegel in Gagel, SGB II, § 20 RdNr 60 ff).
Dieses Grundrecht ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass
sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 mwN). Der Gesetzgeber hat aber gerade bei der Gewährung von Sozialleistungen, die - wie hier
bei den Leistungen zur Grundsicherung - an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum
(BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4).
Die Regelleistung ergibt sich - wie der Senat in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 (aaO) ausgeführt hat - aus der
vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erhobenen Auswertung
der EVS 1998.
Hieran durfte sich der Gesetzgeber des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) im Gesetzgebungsverfahren
im Jahre 2003 orientieren und die Regelleistung in den neuen Bundesländern in Anlehnung an die Absenkungsvorschrift des §
28 Abs 2 Satz 3 SGB XII (vgl BT-Drucks 15/1516 S 56; BT-Drucks 15/1514 S 59) um 14 Euro reduzieren.
Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ging in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 (BVerfGE 107, 218) zur niedrigeren Besoldung für Beamte, Richter und Soldaten in den neuen Ländern noch 13 Jahre nach der Vereinigung von unterschiedlichen
wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen in den alten und neuen Ländern sowie von erheblichen Unterschieden des diese
Verhältnisse und den allgemeinen Lebensstandard prägenden Preis- und Lohnniveaus und der sonstigen Rahmenbedingungen aus.
Die anschließend im Zwischenbericht des Ombudsrats vom 29. Juni 2005 enthaltene Empfehlung einer Angleichung der Regelleistung
hat der Gesetzgeber aufgegriffen und nach - unvermeidlichen Verzögerungen im Zuge des Wechsels von der 15. zur 16. Legislaturperiode
- zum 1. Juli 2006 eine einheitliche Regelleistung eingefügt. Eine durchgreifende Fehleinschätzung des Gesetzgebers bzw Missachtung
der Grenzen seines Gestaltungsspielraums lassen sich vor diesem Hintergrund trotz des - beanstandeten - ggf lückenhaften Datenmaterials
weder in der Sache noch im zeitlichen Ablauf feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG; die Kostenverteilung orientiert sich am Prozessergebnis sowie der Sach- und Rechtslage.