Anspruch auf höheres Elterngeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin macht in der Hauptsache einen Anspruch auf höheres Elterngeld geltend, weil der Beklagte im Rahmen der vorläufigen
Elterngeldbewilligung zu Unrecht den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes (22.11.2016)
als Bemessungszeitraum und damit das im Kalenderjahr 2015 erzielte Einkommen aus der nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit
und ihrer selbstständigen Vortragstätigkeit mit einem im Steuerbescheid für 2015 ausgewiesenen Gewinn in Höhe von 0 Euro zugrunde
gelegt habe. Diesen Anspruch hat das LSG mit Urteil vom 6.9.2019 unter vollständiger Bezugnahme auf die Urteilsgründe der
angefochtenen Entscheidung des SG verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin nach deren Zustellung am 17.12.2019 am 17.1.2020
Beschwerde beim BSG eingelegt und teilt mit, dass der Beklagte mit Bescheid vom 30.1.2020 das Elterngeld endgültig festgesetzt hat. Sie macht
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Abweichung geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) noch eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog
Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 30.4.2018 - B 9 V 58/17 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Ist § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG auch dann anzuwenden, wenn Leistungsberechtigte neben Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit lediglich steuerfreie
Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit nach §
3 EStG erzielt haben?"
Die Klägerin hat jedoch bereits deren Klärungsfähigkeit nicht aufgezeigt. Nach Erlass des endgültigen Bescheids am 30.1.2020
hätte sie zunächst darlegen müssen, ob der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 9.5.2017 im laufenden Verfahren noch nach
§
96 Abs
1 SGG durch den endgültigen Bescheid vom 30.1.2020 ersetzt werden kann oder wegen der Klagefiktion des §
171 SGG das Verfahren vor dem SG weiter zu führen und insoweit noch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Revisionsverfahrens
vorhanden ist. Wird im Revisionsverfahren ein neuer Verwaltungsakt erlassen, so gilt dieser nach §
171 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Diese Regelung gilt in entsprechender Anwendung auch für einen während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens
erlassenen neuen Verwaltungsakt (BSG Beschluss vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 187/04 B - juris RdNr 11 mwN). Ausführungen hierzu fehlen, sodass die Überprüfbarkeit der Rechtsfrage im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht dargelegt
ist.
Die Klägerin hat zudem deren (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn
sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein außer Zweifel steht,
so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit in gebotener Weise darzulegen,
muss sich ein Beschwerdeführer daher mit Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des Gesetzes, wie er sich aus dessen Entstehungsgeschichte
ergibt, sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (vgl Senatsbeschluss vom 5.2.2018 - B 10 EG 21/17 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass sich der Senat bereits zum maßgeblichen Bemessungszeitraum der Elterngeldberechnung
bei Elterngeldberechtigten mit Einkünften aus nichtselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt des
Kindes (Mischeinkünfte) und damit zu dem mit ihrer Fragestellung problematisierten Anwendungsbereich des § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG geäußert hat (vgl insgesamt hierzu: Urteil vom 28.3.2019 - B 10 EG 6/18 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 5 RdNr 19; Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R - BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3 RdNr 23 - 37). So hat der Senat bereits entschieden, dass der Wortlaut der Vorschrift ("ist") der Elterngeldbehörde kein Ermessen eröffnet,
sondern diese vielmehr in gebundener Weise verpflichtet, den Bemessungszeitraum auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen
Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte Mischeinkünfte aus selbstständiger
und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit bezogen hat (Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 4/15 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 2 RdNr 19; Urteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 23). Darüber hinaus hat der Senat im Einzelnen ausgeführt, dass eine ungeschriebene Ausnahme von dieser eindeutigen gesetzlichen
Anordnung des § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG auch systematisch, gesetzeshistorisch und teleologisch ausgeschlossen ist. Selbst bei einer im Fall des § 2b Abs 3 Satz 2 BEEG beantragten Verschiebung des Bemessungszeitraums ist keine Verschiebung auf den 12-Monatszeitraum vor dem Monat der Geburt
des Kindes möglich, sondern lediglich auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum. Dies gilt selbst dann, wenn
der Elterngeldberechtigte aus einer selbstständigen Tätigkeit nur geringe oder sogar negative Einkünfte erzielt hat (vgl BSG Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 4/15 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 2 RdNr 19 ff, BSG Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R - BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3, RdNr 22 ff). Denn das gesetzliche Anspruchssystem unterscheidet zwischen der Bestimmung des Bemessungszeitraums nach § 2b BEEG und der Berechnung der Höhe des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum nach § 2c und 2d BEEG. Erst nachdem auf der ersten Stufe der Bemessungszeitraum bestimmt worden ist, kann auf der zweiten Stufe die Höhe des maßgeblichen
Bemessungseinkommens vor der Geburt des Kindes berechnet werden. Aus diesem Grund ist der Begriff des "Einkommens aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit" in § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG nicht deckungsgleich mit demjenigen in § 2d Abs 1 BEEG (vgl Senatsurteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R - BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3, RdNr 27). Außerdem hat der Senat ausführlich aufgezeigt, aus welchen Gründen die Bestimmung des § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG verfassungsgemäß ist und insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG verstößt (Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 4/15 R - SozR 4-7837 § 2b Nr 2 RdNr 22 ff; Urteil vom 27.10.2016 - B 10 EG 5/15 R - BSGE 122, 102 = SozR 4-7837 § 2b Nr 3 RdNr 34 ff; Urteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1 RdNr 27 ff).
Vor dem Hintergrund dieser Senatsrechtsprechung hat die Klägerin keinen erneuten Klärungsbedarf der aufgeworfenen Fragestellung
zu § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG im Revisionsverfahren aufgezeigt. Denn sie versäumt es in ihrer Beschwerdebegründung, sich mit vorgenannter Rechtsprechung
in substantieller Argumentation auseinanderzusetzen. Insoweit geht insbesondere auch der Hinweis auf die Senatsrechtsprechung
zu steuerfreien Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit fehl. Zum einen hat der Senat bereits mit Urteil vom 20.5.2014
unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien im Einzelnen ausgeführt, dass sich der Gesetzgeber von Anfang an darüber im Klaren
war, mit dem Verweis auf den steuerrechtlichen Einkommensbegriff steuerfreie Einkünfte und Einnahmen von der Elterngeldbemessung
auszunehmen (B 10 EG 9/13 R - BSGE 116, 54 = SozR 4-7837 § 2 Nr 28, RdNr 20 ff). Zum anderen ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung zwischen der Bestimmung des Bemessungszeitraums und der Berechnung
der Höhe des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum zu unterscheiden. Die Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher
Rechtsprechung erfordert es, darzulegen, weshalb eine bereits ins Feld geführte Argumentation nicht zutrifft und eine weitere
höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (Senatsbeschluss vom 5.2.2018 - B 10 EG 21/17 B - juris RdNr 8 mwN). Hierfür genügt es nicht, lediglich die eigene Rechtsansicht mitzuteilen. Vielmehr muss die Beschwerde auf die bereits vorliegende
Rechtsprechung näher eingehen und aufzeigen, dass dieser mit gewichtigen Argumenten substantiell widersprochen wird (vgl Senatsbeschluss vom 21.6.2016 - B 10 EG 5/16 B - juris RdNr 10 mwN) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden
Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich
ausschließen (Senatsbeschluss vom 5.2.2018, aaO; BSG Beschluss vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG in ihrem Einzelfall
für unrichtig hält, weil es sich vorliegend bei ihrem Einkommen aus Vortragstätigkeit nicht um Einkommen aus selbstständiger
Tätigkeit nach § 2d BEEG handele, vermag eine Grundsatzrüge nicht zu begründen. Damit kritisiert die Klägerin die Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) des LSG, die nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG mit der Beschwerde nicht angegriffen werden kann.
2. Eine Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen
darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in
der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein
sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft
das Recht angewendet hat (vgl Senatsbeschluss vom 9.5.2019 - B 10 EG 18/18 B - juris RdNr 4 mwN).
Hierzu fehlen gleichfalls Ausführungen im Rahmen der Beschwerdebegründung. Diese behauptet lediglich das Vorliegen einer Divergenz
gegenüber verschiedenen bezeichneten Entscheidungen des BSG, weil das LSG in seiner Entscheidung außer Acht lasse, dass die Klägerin in 2015 ausschließlich steuerfreie Einnahmen aus
selbstständiger Tätigkeit erzielt habe und das steuerfreie Einnahmen nach §
3 Einkommensteuergesetz weder als steuerpflichtige Einnahmen noch als steuerpflichtige Einkünfte noch als steuerpflichtiges Einkommen behandelt würden.
Dies habe zur Folge, dass derartige Einnahmen bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit
unberücksichtigt bleiben müssten. Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde aber bereits keine entscheidungstragenden, sich
widersprechenden Rechtssätze der von ihr zitierten Entscheidungen des BSG und des angegriffenen LSG-Urteils herausgearbeitet. Tatsächlich hat sich das LSG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des
SG gerade auf die Rechtsprechung des BSG gestützt, ohne einen abweichenden abstrakten Rechtssatz aufzustellen. Einen solchen Rechtssatz des LSG zeigt die Beschwerde
auch nicht auf. Eine lediglich unrichtige Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall ist nicht geeignet, Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde
zu sein (Senatsbeschluss vom 9.5.2019 - B 10 EG 18/18 B - juris RdNr 5 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.