Sperrzeit beim Anspruch auf Arbeitslosengeld, wichtiger Grund
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 12 Wochen wegen des
Eintritts einer Sperrzeit.
Die 1978 geborene Klägerin war ab 1. September 1995 unbefristet bei der P GmbH in H beschäftigt,
zuletzt als Angestellte im Vertriebsinnendienst zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.516,00 DM zuzüglich bestimmter Einmalzahlungen.
Die Klägerin kündigte das unbefristete Arbeitsverhältnis am 2. Januar 2001 zum 31. März 2001.
Bereits unter dem 28. November 2000 hatte sie mit der N Touristik Service AG/T (Sitz
jeweils P /Schweiz) einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Kinderanimateurin geschlossen. Das Arbeitsverhältnis
sollte am 1. April 2001 beginnen und am 31. Oktober 2001 enden. Sie erhielt während dieser Beschäftigung nach einer Schulung
vom 1. bis 14. April 2001 einen monatlichen Grundlohn von durchschnittlich 1.790,00 CHF (= 2.244,45 DM). Das Beschäftigungsverhältnis
endete mit Auslaufen des Zeitvertrags am 31. Oktober 2001. Den am 28. September 2001 mit der T Service
GmbH für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 2002 geschlossenen befristeten Arbeitsvertrag über eine erneute Beschäftigung
als Kinderanimateurin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Januar 2002.
Sie meldete sich am 1. November 2001 arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 10. Januar 2002 lehnte die Beklagte den
Antrag für die Zeit vom 1. November 2001 bis zum 23. Januar 2002 ab, weil der Anspruch wegen des Eintritts einer Sperrzeit
mit einer Dauer von 12 Wochen ruhe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Alg um 90 Tage. Mit einem weiteren Bescheid vom
10. Januar 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 24. Januar 2002 in Höhe von wöchentlich 165,90 Euro. Ab 18. März
2002 wurde die Alg-Bewilligung wegen der Aufnahme einer Tätigkeit bei der Firma G in P aufgehoben.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte
aus, die Klägerin habe ihre Arbeitslosigkeit durch die Lösung des unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses grob fahrlässig
herbeigeführt. Ihr sei die Fortsetzung dieses Beschäftigungsverhältnisses solange zumutbar gewesen, bis sie einen unbefristeten
Anschlussarbeitsplatz gefunden hätte.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20. April 2004 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat eine
schriftliche Auskunft beim ehemaligen Arbeitgeber zu den Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz ab 1. November 2001 eingeholt.
Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juli 2005): Es sei nach §
144 Abs
1 Nr
1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (
SGB III) eine Sperrzeit eingetreten. Die Arbeitslosigkeit der Klägerin ab 1. November 2001 sei durch die Kündigung vom 2. Januar
2001 verursacht worden. Zwar habe die Klägerin nach dem Wirksamwerden dieser Kündigung ab 1. April 2001 zunächst in einem
Anschlussbeschäftigungsverhältnis gestanden, jedoch sei dieses von vornherein befristet gewesen, was die Klägerin auch gewusst
habe. Damit habe sie zumindest grob fahrlässig den Eintritt von Arbeitslosigkeit nach Auslaufen des befristeten Beschäftigungsverhältnisses
in Kauf genommen. In diesem Zusammenhang könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass ihr eine Anschlussbeschäftigung
für die Wintersaison in Aussicht gestellt worden sei. Bei Würdigung aller Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, dass
objektiv eine Weiterbeschäftigung zugesagt worden sei. Die Klägerin habe für ihr Verhalten auch keinen wichtigen Grund gehabt.
Liege keine konkrete Aussicht auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses vor, so sei der Wechsel von einem
unbefristeten Arbeitsverhältnis in ein befristetes Beschäftigungsverhältnis nicht von einem wichtigen Grund gedeckt. Dies
gelte umso mehr, wenn das Beschäftigungsverhältnis auf wenige Monate befristet sei. Zwar möge das Beschäftigungsverhältnis
für die Klägerin wegen der damit verbundenen Auslandserfahrungen und der Möglichkeit, Fremdsprachenkenntnisse zu erweitern,
attraktiv gewesen sein, obwohl die Bezahlung deutlich hinter dem zuvor bezogenen Entgelt zurückgeblieben sei. Bei Abwägung
aller Umstände sei es ihr zuzumuten gewesen, in ihrem - ohnehin besser vergüteten - Dauerarbeitsverhältnis jedenfalls solange
zu verbleiben, bis ein dauerhaftes Anschlussarbeitsverhältnis begründet hätte werden können oder zumindest ein befristetes
Beschäftigungsverhältnis mit konkreter Aussicht auf eine Verlängerung.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Das LSG habe seiner Entscheidung fehlerhaft zu Grunde gelegt,
dass keinerlei Aussicht auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages bestanden habe. Das LSG sei ferner dem Merkmal
der groben Fahrlässigkeit nicht nachgegangen. Sie habe bewusst in Kauf genommen, dass die Bezahlung deutlich hinter dem zuvor
gezahlten Entgelt zurückgeblieben sei. Zudem habe sie freie Kost und Logis erhalten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen,
dass die Beschäftigung mit einer beruflichen Fortbildung und Verbesserung der Qualifikation einhergegangen sei. Sie habe umfangreiche
englische Sprachkenntnisse erworben, die Voraussetzung für ihre jetzige Anstellung gewesen seien. Den Vertrag für die Sommersaison
2002 habe sie nicht mehr wahrgenommen, weil sich ihre persönlichen Verhältnisse geändert hätten und sie eine anderweitige
Beschäftigung habe aufnehmen können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Juli 2005 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Itzehoe vom 20. April 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Beklagten vom 17. Juni 2002 aufzuheben bzw zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1.
November 2001 bis zum 23. Januar 2002 Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden. Zwar habe
der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 28. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R - angedeutet, außer einem höheren Arbeitsentgelt könnten auch sonstige Umstände als wichtiger Grund für den Wechsel von einem
unbefristeten zu einem befristeten Arbeitsverhältnis gewertet werden. Diese Rechtsauffassung sei jedoch schon vom Ansatz her
problematisch. Denn ein Arbeitsplatzwechsel komme für den Arbeitnehmer nur in Betracht, wenn er für ihn in irgendeiner Weise
attraktiv sei. Zwar sei nicht zu verkennen, dass Auslandserfahrungen auch im Interesse der erleichterten Vermittelbarkeit
von Arbeitnehmern lägen. Solche Erfahrungen habe die Klägerin aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt sammeln können, zu
dem sie konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt habe.
Die Beteiligten haben sich in einem Teilvergleich, der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Juli 2006 und von dem Prozessbevollmächtigten
der Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Juli 2006 angenommen worden ist, über die Höhe des der Alg-Bewilligung zu Grunde zu legenden
Bemessungsentgelts geeinigt.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht nur der "Sperrzeitbescheid" vom 10. Januar 2002, sondern auch der weitere Bescheid
vom 10. Januar 2002, mit dem der Klägerin abweichend von der Arbeitslosmeldung zum 1. November 2001 Alg erst ab 24. Januar
2002 gewährt worden ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15).
Richtige und zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 und 4
Sozialgerichtsgesetz >SGG<), denn in der Sache verfolgt die Klägerin ihren Leistungsanspruch für die Zeit vom 1. November 2001 bis zum 23. Januar
2002. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg (§§
117 ff
SGB III) haben für den vorgenannten Zeitraum vorgelegen; dies wird auch von der Beklagten ausweislich ihrer Erklärung im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2006 nicht in Zweifel gezogen. Dabei ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich, dass
die Klägerin vor ihrer Arbeitslosigkeit ab 1. November 2001 ein befristetes Arbeitsverhältnis im Ausland zurückgelegt hat.
Denn nach dem hier maßgeblichen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft
über Arbeitslosenversicherung vom 20. Oktober 1982 (BGBl I 1983, 579) werden Zeiten der schweizerischen beitragspflichtigen unselbständigen Beschäftigung für den Anspruch auf deutsches Alg so
berücksichtigt, als wären sie nach deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden (vgl Art 7 Abs 1). Über die Höhe des Anspruchs
hat der Senat auf Grund des zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren geschlossenen Teilvergleichs (§
101 Abs
1 SGG) nicht zu befinden.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und der Beklagten hat der Anspruch der Klägerin auch nicht wegen des Eintritts einer
Sperrzeit geruht. Nach §
144 Abs
1 Nr
1 SGB III (idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der
Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des
Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat
(Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diese Voraussetzungen sind nicht
erfüllt. Die Klägerin hat zwar das Beschäftigungsverhältnis zum 31. März 2001 gelöst und dadurch ihre spätere Arbeitslosigkeit
grob fahrlässig herbeigeführt (dazu unter 1). Sie kann sich jedoch auf einen wichtigen Grund iS des §
144 Abs
1 SGB III stützen (dazu unter 2).
1. Die Klägerin hat ihr Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst, dass sie das (unbefristete) Arbeitsverhältnis bei der P
GmbH durch die Kündigungserklärung vom 2. Januar 2001 zum 31. März 2001 beendet hat. Diese Kündigung war
nach den Feststellungen des LSG für den Eintritt der Arbeitslosigkeit ab 1. November 2001 ursächlich, da das Anschluss-Beschäftigungsverhältnis
ab 1. April 2001 von vornherein befristet war und auch tatsächlich mit dem Auslaufen der Befristung endete. Zwischen dem Ende
des unbefristeten und der Aufnahme des befristeten Arbeitsverhältnisses lag kein Zeitraum der Beschäftigungslosigkeit, sodass
allein auf die am 1. November 2001 nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eingetretene Arbeitslosigkeit abzustellen
ist (vgl insoweit die abweichende tatsächliche Situation in BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 9). Die Arbeitslosigkeit muss - wie der
Vergleich mit der 2. Alt der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe zeigt - nicht unmittelbar durch die Lösung herbeigeführt werden
(vgl auch Winkler in Gagel,
SGB III, §
144 RdNr 82; Schweiger NZS 2002, 79, 80 ff). Der in der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung, nach der die Beendigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
nicht als kausal für die nach Auslaufen der Befristung eines Anschlussarbeitsverhältnisses eintretende Arbeitslosigkeit anzusehen
sei (Niesel in Niesel,
SGB III, 3. Aufl 2005, §
144 RdNr 19; Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, §
144 RdNr 59; Rolfs in Erfurter Komm, 4. Aufl, § 144 RdNr 14; Weber, AuB 2004, 97, 102), folgt der Senat nicht (vgl auch BSGE
3, 298, 302 - zum Arbeitsplatzwechsel). Der angebliche Wertungswiderspruch zu §
121 Abs
5 SGB III, wonach eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar ist, weil sie befristet ist, besteht nicht. Denn die Regelung über
die Zumutbarkeit von Beschäftigungen befasst sich nur mit der Frage, welche Beschäftigungen aus der Arbeitslosigkeit heraus
aufgenommen werden sollen und betrifft damit eine andere Ausgangslage. Ob der Wechsel von einem unbefristeten in ein befristetes
Arbeitsverhältnis für die später eingetretene Arbeitslosigkeit ursächlich ist, beurteilt sich nach der Ursachenlehre von der
wesentlichen Bedingung (vgl BSGE 69, 108, 110 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6; SozR 4-4300 § 144 Nr 12). Tritt die Arbeitslosigkeit - wie hier - auf Grund der (ersten) Befristung
ein, so ist der Zurechnungszusammenhang mit der Eigenkündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses jedenfalls zu bejahen.
Ferner hat die Klägerin nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ihre Arbeitslosigkeit auch grob fahrlässig
herbeigeführt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG führt der Arbeitnehmer mit einer freiwilligen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses
die Arbeitslosigkeit in der Regel mindestens grob fahrlässig herbei, wenn er nicht konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz
hat (BSGE 43, 269, 270 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 281 = SozR 4100 § 119 Nr 17; BSG SozR 4100 § 119 Nr 28). Nach dieser Rechtsprechung ist für den Ausschluss der groben Fahrlässigkeit
nicht unbedingt die feste Zusicherung eines Anschlussarbeitsplatzes zu verlangen; vielmehr genügt es, dass der Kündigende
konkrete Anhaltspunkte für die Annahme hat, er werde nach Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig einen neuen
Arbeitsplatz erhalten. Diese Grundsätze sind sinngemäß auf die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Zweck
der Aufnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses zu übertragen. Der Arbeitnehmer führt in Fällen der vorliegenden Art seine
Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig herbei, wenn er bereits bei Aufgabe des unbefristeten Arbeitsverhältnisses konkrete
Anhaltspunkte für die Übernahme in ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis oder er zu diesem Zeitpunkt die Aussicht hat,
nach Auslaufen der Befristung eine anderweitige unbefristete Beschäftigung - zB beim früheren Arbeitgeber - aufnehmen zu können.
Den für den Senat bindenden Feststellungen (§
163 SGG) des LSG kann (noch) mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass diese Voraussetzungen im Falle der Klägerin nicht
erfüllt waren. Insbesondere war ihr keine Weiterbeschäftigung für die Wintersaison nach Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses
in Aussicht gestellt worden. Soweit die Revision diese Feststellung des LSG bestreitet und eine fehlerhafte Würdigung des
Sachverhalts geltend macht, liegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vor.
2. Der Klägerin steht jedoch für ihr Verhalten ein wichtiger Grund zur Seite. Ob ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses
angenommen werden kann, ist unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Sperrzeitregelung zu beurteilen, dass sich die Versichertengemeinschaft
gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet
nicht mithilft. Im Ergebnis soll eine Sperrzeit nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten
zugemutet werden kann (vgl BSGE 66, 94, 97 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; SozR 3-4100 § 119 Nr 14 und 15; SozR 4-4100 § 119 Nr 1). Dies ist
nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund iS des Sperrzeitrechts
muss objektiv gegeben sein (stRspr, vgl BSGE 92, 74, 82 = SozR 4-4300 § 144 Nr 6; SozR 4-4300 § 144 Nr 9 mwN).
Der 7. Senat des BSG hat bereits mit Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R - (= SozR 4-4300 § 144 Nr 9; zustimmend Pilz, SGb 2005, 309 ff) erste Hinweise zu der erforderlichen Gewichtung der abzuwägenden Interessen gegeben, wenn ein Arbeitnehmer ein unbefristetes
Beschäftigungsverhältnis zu Gunsten einer befristeten Beschäftigung löst. Danach ist zunächst die in der Rechtswirklichkeit
der Arbeitswelt bestehende - auch politisch gewollte - Tendenz zum Abschluss von befristeten bzw kurzfristigen Arbeitsverhältnissen
zu berücksichtigen. Dies schließt es aus, einen derartigen Wechsel generell nicht als wichtigen Grund anzusehen. Der 7. Senat
hat ferner den Standpunkt eingenommen, es sei aus Art
12 Abs
1 Grundgesetz (
GG) abzuleiten, dass Arbeitnehmern grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen müsse, befristete - ihnen attraktiv erscheinende
- Arbeitsverhältnisse aufzunehmen. Der 7. Senat brauchte jedoch - wie er in dem oben genannten Urteil klargestellt hat - bei
der von ihm zu beurteilenden Fallgestaltung nicht abschließend zu entscheiden, ob ein wichtiger Grund bei einer aus Sicht
des Arbeitnehmers attraktiven Beschäftigung auch angenommen werden könne, wenn der Arbeitnehmer infolge der Aufnahme der befristeten
Beschäftigung "sehenden Auges" in die Arbeitslosigkeit gehe.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 7. Senats an und führt sie in der Weise fort, dass sich Arbeitnehmer
auf einen wichtigen Grund iS des §
144 Abs
1 SGB III jedenfalls dann berufen können, wenn die (nahtlose) Aufnahme der befristeten Beschäftigung mit einem Wechsel in ein anderes
Berufsfeld und der damit verbundenen Erlangung zusätzlicher beruflicher Fertigkeiten verbunden ist. Bei der Aufnahme eines
anderen Berufs wird die durch Art
12 GG geschützte Berufswahlfreiheit in ihrem Kernbereich betroffen. Der Senat hat bereits in seiner Rechtsprechung zur Aufgabe
eines Ausbildungsverhältnisses aus beruflichen Gründen auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Berufswahlfreiheit
bei der Konkretisierung des Merkmals "wichtiger Grund" hingewiesen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 2). Er hat in diesem Zusammenhang
ausgeführt, dass der Auszubildende sich mit Rücksicht auf die freie Wahl des Berufs nach Art
12 Abs
1 GG auf einen wichtigen Grund berufen könne, wenn er aus beruflichen Gründen beschließe, die Ausbildung zu wechseln oder zu beenden.
Dieser Schutz beschränkt sich indes nicht nur auf Auszubildende.
Auch eine vom Versicherten beabsichtigte berufliche Umorientierung unter Aufgabe einer unbefristeten Beschäftigung darf durch
die Arbeitslosenversicherung nicht in einer Weise erschwert werden, dass die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung durch
das drohende Eingreifen der Sanktion der Sperrzeit praktisch unmöglich gemacht wird. Die berufliche Umorientierung, die mit
einem - auch im Interesse der Versichertengemeinschaft liegenden - Zuwachs an beruflichen Fertigkeiten verbunden ist, führt
deshalb dazu, in der Regel einen wichtigen Grund anzuerkennen. Wäre dem Arbeitnehmer auf Grund der drohenden wirtschaftlichen
Folgen einer Sperrzeit nur der Wechsel in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis eröffnet, so wäre ihm ein Wechsel in
Berufsfelder praktisch verwehrt, in denen befristete Arbeitsverhältnisse die Regel bilden. Hierbei ist im Übrigen anzumerken,
dass auch der Wechsel in ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer mit erheblichen Risiken verbunden
ist, weil zB der allgemeine Kündigungsschutz gemäß § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten greift (vgl zu den arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu Beginn eines
Arbeitsverhältnisses Kania/Küttner, Personalbuch, 13. Aufl. 2006, Probearbeitsverhältnis RdNr 1 ff; ebenso Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III §
144 RdNr 59).
Die Klägerin kann sich danach auf das objektive Vorliegen eines wichtigen Grundes iS des §
144 Abs
1 SGB III berufen, weil sie durch die Aufnahme der Beschäftigung als Kinderanimateurin in ein anderes Berufsfeld wechselte und dieser
Wechsel mit der Erlangung weiterer beruflicher Fertigkeiten verbunden war. Nach den Feststellungen des LSG durchlief die Klägerin
zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses eine entsprechende kurzfristige Schulungsmaßnahme. Sie verpflichtete sich arbeitsvertraglich
sogar dazu, die Schulungskosten in Höhe von 800,00 CHF bei einer vorzeitigen Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses
anteilig zu erstatten. Auch die Beklagte räumt in der Revisionserwiderung im Übrigen ein, dass die in der neuen Tätigkeit
erworbenen Qualifikationen (Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse) im Interesse der Versichertengemeinschaft gelegen
hätten, da die Klägerin hierdurch leichter vermittelbar geworden ist. Auf dieser Grundlage ist es auch unerheblich, ob im
befristeten Arbeitsverhältnis eine höhere Bezahlung erzielt wird. Im Rahmen der geschützten Berufswahlfreiheit ist es ferner
ohne Belang, ob und inwieweit die Klägerin die mit dem Berufswechsel verbundenen Qualifikationen nicht auch im Rahmen des
fortbestehenden (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses oder - wie die Beklagte meint - jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt
ohne vorübergehende Beschäftigungslosigkeit hätte erwerben können.
Schließlich hat das LSG keine Umstände festgestellt, die auf ein missbräuchliches - auf die Erlangung der Versicherungsleistung
gerichtetes - Handeln der Klägerin schließen ließen. Ein Missbrauch lässt sich nicht etwa den Ausführungen des LSG entnehmen,
die Intensität des Interesses der Klägerin an der Auslandsbeschäftigung erscheine zweifelhaft, wenn man berücksichtige, dass
sie den Arbeitsvertrag für eine weitere befristete Beschäftigung im Sommer 2002 bereits im Januar 2002 gekündigt habe. Dieses
spätere Verhalten kann der Klägerin insbesondere deswegen nicht entgegen gehalten werden, weil sich das 2001 aufgenommene
befristete Arbeitsverhältnis auf einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr erstreckte und damit seinem Umfang nach deutlich
über ein Arbeitsverhältnis von kurzer Dauer hinausging. Problematisch könnte aus Sicht des Senats allenfalls ein Zeitraum
unterhalb von zwei bzw drei Monaten sein. Letzteres folgert der Senat aus der Regelung zur geringfügigen Beschäftigung (§
27 Abs
2 Satz 1
SGB III iVm §
8 Abs
1 Nr
2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) und der Drei-Monats-Grenze, die der Gesetzgeber - allerdings erst mit Wirkung ab 1. Juli 2003
- für die Meldepflicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen in § 37b Satz 2
SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4607), ab 31. Dezember 2005 in § 37b Satz 1
SGB III in der geänderten Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 3676) angesprochen hat (vgl BT-Drucks 15/25, S 27 und
BT-Drucks 16/109, S 6 sowie zu dieser Vorschrift BSGE 91, 90, 93 = SozR 4-4300 § 144 Nr 3; SozR 4-4300 § 37b Nr 2 mwN).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.