Gründe:
I
Die Beteiligten streiten wegen einer zwölfwöchigen Sperrzeit und des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs (Alg-Anspruch) vom
23. Dezember 2000 bis 16. März 2001.
Der am 19. Oktober 1978 geborene Kläger war vom 1. August 1995 bis zum 17. Dezember 1998 und erneut ab dem 7. Januar 1999
als Tief- und Straßenbauer bei der Fa. S., Öko- und Tiefbau GmbH/S. (im Folgenden Fa. SÖT) beschäftigt,
zunächst als Auszubildender, anschließend als Arbeitnehmer. Am 4. September 2000 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis
zum 15. September 2000, um am Montag, dem 18. September 2000 eine bis zum 22. Dezember 2000 befristete Beschäftigung als Tiefbauarbeiter
bei der Fa. Sch. Tiefbaugesellschaft mbH/W. (im Folgenden Fa. Sch. ) aufzunehmen. Seit
dem 5. März 2001 ist der Kläger dort unbefristet in Arbeit.
Am 22. Dezember 2000 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger hatte bei der Fa.
SÖT zuletzt ein durchschnittliches Monatsentgelt von 2.899,34 DM brutto. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt bei der Fa.
Sch. betrug im Oktober 2000 3.330,00 DM und im November 2000 3.142,00 DM.
Durch Bescheid vom 25. Januar 2001 teilte die Beklagte eine Sperrzeit vom 23. Dezember 2000 bis 16. März 2001 und das entsprechende
Ruhen des Alg-Anspruchs mit. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15. März 2001 zurück. Auf die
Klage, mit welcher der Kläger geltend machte, der Arbeitslohn bei der Fa. Sch. sei höher und das Arbeitsverhältnis
allein wegen des Wintereinbruchs nicht nahtlos verlängert worden, hat das Sozialgericht (SG) Stendal die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 26. Mai 2003). Die Berufung der Beklagten vom 1. August 2003
war nach Erweiterung der Klage auf Leistung ohne Erfolg (Landessozialgericht >LSG< Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. August 2005).
Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, der Kläger habe in der streitigen Zeit sämtliche Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch
erfüllt. Dieser habe auch nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht. Zwar habe der Kläger durch seine Kündigung vom
4. September 2000 im Verbund mit der anschließenden Aufnahme eines nur befristeten Arbeitsverhältnisses seine Arbeitslosigkeit
zum 23. Dezember 2000 verursacht. Auch sei dies grob fahrlässig geschehen, weil er wissen musste, dass eine unmittelbare Weiterbeschäftigung
im Hinblick auf die branchenübliche Winterpause und die Verhältnisse auf dem Bauarbeitsmarkt ohne konkrete Aussicht gewesen
sei. Der Kläger habe jedoch einen wichtigen Grund gehabt, das alte unbefristete Arbeitsverhältnis zu Gunsten eines neuen befristeten
Arbeitsverhältnisses aufzugeben. Denn er sei dort besser bezahlt worden. Nach seinen Angaben werde zudem die Arbeitsausführung
bei der Fa. Sch. mit modernerer Technik bewerkstelligt. Bei der Fa. SÖT habe es auch keine Montagearbeiten
gegeben. Zudem sei er dort mit den Kollegen nicht mehr klar gekommen. Mit dem Wechsel habe der Kläger deshalb erlaubterweise
von seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art
12 Abs
1 Grundgesetz >GG<) Gebrauch gemacht. Die Befristung des neuen Arbeitsverhältnisses gebe keinen Anlass zu anderer Beurteilung. Denn das
Bundessozialgericht (BSG) schließe einen wichtigen Grund bei einem Wechsel in ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht generell
aus. Zweifel habe das BSG insoweit angemeldet, wenn von vornherein keinerlei konkrete Aussicht auf eine Verlängerung bestehe.
Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Wechsel in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis durch die Probezeit und den geringeren
Kündigungsschutz ebenfalls mit einem erhöhten Risiko verbunden sei, ohne dass ein solcher Wechsel sperrzeitrechtlich relevant
sei. Diesbezüglich müsse deshalb grundsätzlich ausschlaggebend sein, ob sich die Befristung aus der Natur der Sache ergebe
(zB zur Vertretung oder für begrenzte Projekte) oder ob sie lediglich als Probezeit diene bzw der Auftragslage oder saisonalen
Einflüssen geschuldet sei. Angesichts des statistischen Datenmaterials der Beklagten zur Winterarbeitslosigkeit in der Baubranche
habe es sich hier um eine saisonal bedingte Befristung gehandelt, sodass der Kläger bei Abschluss des Vertrages mit der Fa.
Sch. unabhängig von der Vertragsgestaltung mit einer Arbeitsunterbrechung im Winter habe rechnen müssen. Auch
wenn der Anteil der befristet eingestellten Arbeitnehmer im Baubereich für das Jahr 2000 nicht bekannt sei, müsse anhand branchenbezogener
und -übergreifender Daten für die Bundesländer Baden-Württemberg und Bremen in den Jahren 2001 bzw 2003 davon ausgegangen
werden, dass Einstellungen vielfach zunächst nur befristet erfolgten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verfahrensmängel und die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe
nicht ermittelt, welchen Stundenlohn der Kläger bei der Fa. Sch. erzielt und welche Änderung des erzielten
Stundenlohnes sich aus der Aufgabe der bisherigen Beschäftigung ergeben habe. Hierzu habe sich das LSG gedrängt fühlen müssen.
Denn der 7. Senat des BSG habe in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R - zusammenfassend ausgeführt, die Annahme eines wichtigen Grundes könne bei fehlender konkreter Aussicht auf eine Verlängerung
des befristeten Arbeitsverhältnisses oder eine Anschlussbeschäftigung möglicherweise nur dann zulässig sein, wenn der aus
der befristeten Beschäftigung erzielte Arbeitslohn deutlich höher sei als das zuvor erzielte Arbeitsentgelt, nach Maßgabe
des dortigen Falles also mindestens 20 %. Die damit verbundenen Tatsachenfeststellungen seien nicht entbehrlich, weil der
Kläger weitere berufsbezogene Gründe für seinen Arbeitsplatzwechsel angegeben habe. Denn diese seien für sich allein nicht
zur Annahme eines wichtigen Grundes ausreichend, da dann grundsätzlich jeder Arbeitsplatzwechsel anzuerkennen sei, die Sperrzeitregelung
mithin ins Leere liefe. Die danach anzustellenden Ermittlungen hätten, ausgehend von den bisherigen Tatsachenfeststellungen
des LSG und den Angaben in den Arbeitsbescheinigungen ergeben, dass eine Stundenlohnsteigerung von mindestens 20 % nicht (je
nach Berechnung nämlich nur zwischen 5,66 % und 19,45 %) erzielt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. August 2005 sowie das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 26.
Mai 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Revision nicht geäußert.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet.
Das LSG hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 23. Dezember
2000 bis zum 4. März 2001 verurteilt.
Eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist nicht eingetreten. Gemäß §
144 Abs
1 Nr
1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (
SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) tritt eine zwölfwöchige
Sperrzeit ua ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die
Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.
Allerdings hat der Kläger das Beschäftigungsverhältnis gelöst, indem er sein bisheriges unbefristetes Arbeitsverhältnis mit
der Fa. SÖT zum 15. September 2000 durch Kündigung beendet hat. Diese Kündigung war für die im Anschluss an die von vornherein
befristete Beschäftigung bei der Fa. Sch. am 23. Dezember 2000 eingetretene Arbeitslosigkeit ursächlich im
Sinne einer wesentlichen Bedingung (zur Kausalität vgl Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05 R
- zur Veröffentlichung vorgesehen).
Nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen und deshalb für den Senat bindend (§
163 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) hat das LSG darüber hinaus festgestellt, dass der Kläger angesichts der bevorstehenden Winterpause und der Verhältnisse
auf dem Bauarbeitsmarkt keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbare Weiterbeschäftigung (hierzu ebenfalls Urteil des erkennenden
Senats vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05 R -) hatte und deshalb grob fahrlässig die am 23. Dezember 2000 beginnende Arbeitslosigkeit
herbeigeführt hat.
Mit den Vorinstanzen ist dem Kläger aber ein wichtiger Grund zuzubilligen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE
66, 94 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; SozR 3-4100 § 119 Nr 14 und 15; BSG SozR 4-4100 § 119 Nr 1) ist über
das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Die
Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an
deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Eine Sperrzeit tritt daher nur dann ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes
Verhalten nicht zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen. Der
wichtige Grund muss vielmehr objektiv gegeben sein (stRspr, Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05
R - mwN).
Der 7. Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R - (= SozR 4-4300 § 144 Nr 9; zustimmend Pilz SGb 2005, 309 ff) erste Hinweise zu der erforderlichen Gewichtung der abzuwägenden Interessen gegeben, wenn ein Arbeitnehmer ein unbefristetes
Beschäftigungsverhältnis zu Gunsten einer befristeten Beschäftigung löst. Danach ist die in der Rechtswirklichkeit der Arbeitswelt
bestehende - auch politisch gewollte - Tendenz zum Abschluss von befristeten bzw kurzfristigen Arbeitsverhältnissen zu berücksichtigen.
Dies schließt es aus, einen derartigen Wechsel generell nicht als wichtigen Grund anzusehen. Der 7. Senat hat ferner den Standpunkt
eingenommen, es sei aus Art
12 Abs
1 GG abzuleiten, dass Arbeitnehmern grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen müsse, befristete - ihnen attraktiv erscheinende
- Arbeitsverhältnisse aufzunehmen. Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. Juli 2006
- B 11a AL 55/05 R - angeschlossen und diese in der Weise fortgeführt, dass sich Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund iS
des §
144 Abs
1 SGB III jedenfalls dann berufen können, wenn die (nahtlose) Aufnahme der befristeten Beschäftigung mit einem Wechsel in ein anderes
Berufsfeld und der damit verbundenen Erlangung zusätzlicher beruflicher Fertigkeiten verbunden ist. Der erkennende Senat hat
in diesem Zusammenhang insbesondere auf die besondere Bedeutung der freien Wahl des Berufs gemäß Art
12 Abs
1 GG hingewiesen. Unter Zugrundelegung der vorstehend beschriebenen Grundsätze hat er in einer weiteren Entscheidung vom 12. Juli
2006 - B 11a AL 73/05 R - als berechtigtes Interesse im Rahmen der Prüfung des wichtigen Grundes den Wechsel in eine befristete
höherwertige Tätigkeit ausreichen lassen und zusätzlich hervorgehoben, dass es einem Arbeitnehmer nicht verwehrt sein kann,
eine niedrig entlohnte Tätigkeit zu Gunsten einer erheblich höher dotierten Tätigkeit aufzugeben.
Hiernach ist dem Kläger jenseits der geltend gemachten branchen- und tätigkeitsbezogenen Besonderheiten des Falles ebenfalls
ein wichtiger Grund für seinen Wechsel in das Beschäftigungsverhältnis mit der Fa. Sch. zuzubilligen. Denn nach
den Feststellungen des LSG ging der Wechsel ebenfalls mit einer Lohnerhöhung einher. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht
bindend (§
163 SGG), weil die Beklagte Verfahrensrügen nicht in der gebotenen Form (§
164 Abs
2 Satz 3
SGG) erhoben hat. Entgegen ihrer Auffassung ist es nämlich - wovon auch die Vorinstanz ausgegangen ist - unerheblich, mit welcher
Steigerung des Stundenlohnes der Arbeitsplatzwechsel einhergeht, solange Anhaltspunkte für bloße Lohnabweichungen im Bagatellbereich
nicht vorhanden sind.
Ist die mit der Aufnahme einer befristeten Beschäftigung verbundene Lohnerhöhung daher ausreichend, ein der Sperrzeit entgegenstehendes
berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers zu begründen, kann es der Senat dahinstehen lassen, ob auch die weiteren Arbeitsbedingungen
(Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Bereich der Arbeitstechnik, Montage, Betriebsklima), deren Verbesserung der Kläger
durch den Arbeitsplatzwechsel anführt, das Interesse der Versichertengemeinschaft an einem Fortbestand der bisherigen unbefristeten
Beschäftigung in den Hintergrund treten lassen können. Zumindest im Bereich der Arbeitstechnik ist damit die Erlangung zusätzlicher
beruflicher Fertigkeiten verbunden, deren Bedeutung als wichtiger Grund der Senat im Urteil vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05
R - herausgestellt hat, wenngleich dort im Zusammenhang mit einem Wechsel in ein anderes Berufsfeld.
Schließlich sind trotz der Befristung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Fa. Sch. auf nur geringfügig
mehr als drei Monate keine Umstände festgestellt oder ersichtlich, die Hinweise auf ein missbräuchliches Verhalten (hierzu
ebenfalls Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05 R -) des Klägers geben könnten. Letztlich kann
deshalb auf sich beruhen, ob die Befristung witterungsbedingt oder - wie die Beklagte meint - aus Gründen einer (vorübergehenden)
Produktionssteigerung erfolgte.
Liegen somit die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nicht vor, können die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben. Da
das LSG ferner bindend festgestellt hat, dass der Kläger in der Zeit vom 23. Dezember 2000 bis 4. März 2001 arbeitslos war,
sich arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte, sind auch die Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch (§§
117,
118 SGB III) gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.