Arbeitslosengeld
Ziel der Sperrzeitregelung
Vorliegen eines wichtigen Grundes
Altersteilzeitvereinbarung
Keine grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen eine zwölfwöchige Sperrzeit und eine entsprechende Minderung des Anspruchs auf Alg nach Abschluss
eines Altersteilzeitvertrags.
Der am 22.7.1952 geborene Kläger war von 1989 bis Ende Juli 2014 bei dem Therapieverbund L (im Folgenden: Arbeitgeber) als
Verwaltungsleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28.12.2006 schloss er mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag,
der das bis dahin unbefristete Arbeitsverhältnis ab 1.8.2008 in ein bis zum 31.7.2014 befristetes Arbeitsverhältnis umwandelte.
Dabei wurde vereinbart, dass die Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase bis zum 31.7.2011 (59. Lebensjahr)
sowie einer anschließenden Freistellungsphase geleistet wird. Ab 1.8.2014 war der Kläger bei einer Kirchengemeinde in Ludwigshafen
als Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 3,5 Stunden tätig. Nach eigenen Angaben führte er eine auf zwei Stunden
wöchentlich begrenzte selbstständige Tätigkeit als Reiseleiter fort.
Nachdem sich der Kläger zum 1.8.2014 arbeitslos gemeldet hatte, stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf
Wochen sowie das Ruhen des Alg-Anspruchs vom 1.8.2014 bis 23.10.2014 fest und minderte die Dauer des Leistungsanspruchs um
180 Tage. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst (Bescheid vom 21.7.2014; Widerspruchsbescheid
vom 13.8.2014). Mit gesondertem Bescheid bewilligte sie Alg ab 24.10.2014 (Bescheid vom 21.7.2014; Änderungsbescheid vom 20.8.2014).
Altersrente für besonders langjährig Versicherte bezog der Kläger ab 1.8.2015.
Das SG hat die Bescheide der Beklagten vom 21.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2014 "aufgehoben bzw abgeändert"
und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 1.8.2014 bis zum 23.10.2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren
(Urteil vom 13.5.2015).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.6.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, mit Abschluss
des Altersteilzeitvertrags habe der Kläger die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebliche Beschäftigungslosigkeit bewusst
in Kauf genommen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe vorgetragen, erst aufgrund
des Renten-Verbesserungsgesetzes zum 1.7.2014 sei eine Änderung der Rechtslage eingetreten, die es ihm ermöglicht habe, mit
63 Jahren als langjährig Versicherter abschlagsfrei eine Altersrente zu beziehen. Dies habe ihn bewogen, seine ursprüngliche
Absicht, nach der Freistellungsphase mit 62 Jahren eine Altersrente mit Abschlägen zu beziehen, aufzugeben und veranlasst,
sein Rentenbegehren um ein Jahr zu verschieben. Die rein subjektive Vorstellung des Klägers sei damit zwar ersichtlich, objektive
Anhaltspunkte für ein prognostisches Ausscheiden nach Beendigung der Altersteilzeit seien dem jedoch nicht zu entnehmen. Selbst
wenn den Angaben des Klägers prognostisch ein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nach Beendigung der Altersteilzeit beizumessen
wäre, könne sich der Kläger nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Ein wichtiger Grund im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
müsse "im Sinne einer Perpetuierung" weiter gegeben sein, wenn sich allein die Motivationslage des Versicherten geändert habe,
ihm aber ein Handeln entsprechend des wichtigen Grundes weiterhin rechtlich möglich und zumutbar sei. Da er die ihm weiterhin
offen stehende Option eines Rentenantrags mit 62 Jahren unter Hinnahme von Abschlägen nicht wahrgenommen, sondern den Weg
in die Arbeitslosigkeit gewählt habe, könne sich der Kläger nicht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §
159 SGB III. Er könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, weil er nach der im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 28.12.2006
geltenden Rechtslage nahtlos von der Freistellungsphase in den Rentenbezug mit einer vorzeitigen Altersrente mit Abschlägen
habe wechseln können. Nur weil der Gesetzgeber überraschend mit Wirkung zum 1.7.2014 die Möglichkeit geschaffen habe, nach
Vollendung des 63. Lebensjahres abschlagsfrei mit weitreichenden finanziellen Auswirkungen eine Altersrente für besonders
langjährige Versicherte zu beziehen, habe er von seinen ursprünglichen Rentenplänen Abstand genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Speyer vom 13. Mai 2015 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das
LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21.7.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2014. Mit diesem
hat die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit sowie das Ruhen des Anspruchs auf Alg für die
Zeit vom 1.8.2014 bis 23.10.2014 abgelehnt und eine Minderung des Alg-Anspruchs um 180 Tage verfügt. Weiter einbezogen ist
auch der Bescheid vom 21.7.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 20.8.2014, mit dem die Beklagte Alg erst für den
Zeitraum ab 24.10.2014 bewilligt hat. Die Bescheide bilden eine einheitliche rechtliche Regelung (vgl nur BSG vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270, 271 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 93). Gegen die Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG).
Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger mit seiner Arbeitslosmeldung ein Stammrecht auf Alg erworben und
der Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat.
Nach §
137 Abs
1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind (Nr 1), sich bei der Agentur für Arbeit
arbeitslos gemeldet (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3). Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts
hat sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit am 2.6.2014 mit Wirkung zum 1.8.2014 persönlich arbeitslos gemeldet (§
137 Abs
1 Nr
2, §
141 SGB III) und die Anwartschaftszeit erfüllt (§
137 Abs
1 Nr
3, §
142 SGB III). Ob der Kläger in dem streitigen Zeitraum auch arbeitslos war, ist noch nicht abschließend festgestellt. Nach §
138 Abs
1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich
bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für
Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Die Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit schließt eine
Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich
umfasst, wobei die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten zusammengerechnet werden (vgl §
138 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2
SGB III). Der Kläger ist im streitbefangenen Zeitraum neben der Tätigkeit als Hausmeister mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von
3,5 Stunden weiterhin einer selbstständigen Tätigkeit als Reiseleiter nachgegangen. Zu deren Umfang hat das LSG noch keine
Feststellungen getroffen. Maßgebend ist insofern der gesamte, mit der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit verbundene Zeitaufwand
(incl der Vor- und Nachbereitungszeiten), wobei - hiervon ausgehend - bei vorausschauender Betrachtung (Prognose) die durchschnittliche
Arbeitszeit ermittelt werden muss (vgl dazu Söhngen in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
138 RdNr 69 ff, Stand November 2013; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, §
138 SGB III RdNr 27).
Ferner kann der Senat auch nicht abschließend beurteilen, ob der Zahlungsanspruch auf Alg aus einem erworbenen Stammrecht
wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Nach §
159 Abs
1 Satz 1
SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür
einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach §
159 Abs
1 Satz 2 Nr
1 Halbsatz 1 Alt 1
SGB III vor - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht -, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch
vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt
nach §
159 Abs
2 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, also in Anwendung des Abs 1 Satz 2 Nr 1 mit dem ersten Tag der
Beschäftigungslosigkeit.
Das LSG hat zu Recht angenommen, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass er mit seinem Arbeitgeber
im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Dadurch
ist er nach dem Ende der Freistellungsphase zum 1.8.2014 beschäftigungslos geworden (vgl BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18, RdNr 16 ff). Er hat seine Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst
ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach ständiger Rechtsprechung des BSG seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz
hat (vgl BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 10 RdNr 14; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 23, RdNr 15). Solche konkreten Aussichten bestanden nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht.
Ob sich der Kläger für sein Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen konnte, ist nach der ständigen Rechtsprechung des
BSG unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen
schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft
ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen,
ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss vielmehr objektiv gegeben sein (BSG vom 14.9.2010 - B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 21 RdNr 12; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 23, RdNr 17; Voelzke, NZS 2005, 281, 285; Eicher, SGb 2005, 553, 555). Dabei hat der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten
Zeitpunkt der Beendigung zu umfassen (BSG vom 17.10.2002 - B 7 AL 136/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 12, RdNr 19; BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 10, RdNr 17).
Für die Fallgestaltung der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag hat der 7. Senat des BSG diese Rechtsprechung mit Urteil vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18) konkretisiert. Ein Arbeitnehmer könne sich auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er bei Abschluss
der Vereinbarung beabsichtige, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine
entsprechende Annahme bei prognostischer Betrachtung objektiv gerechtfertigt sei. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens
des Arbeitnehmers sei dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation sowie davon, ob bzw wie er diese unter Berücksichtigung
seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt habe. Dieser Rechtsauffassung, die in der Literatur
einhellige Zustimmung erfahren hat (vgl zB Gagel, jurisPR-SozR 26/2009 Anm 2; Rolfs/Heikel, SGb 2010, 307, 307 f; Schlegel in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl 2017, Stichwort "Altersteilzeit" RdNr 42; Vogelsang in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,
16. Aufl 2015, § 84 RdNr 2), ist der erkennende Senat mit Urteil vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) beigetreten.
Für sie spricht - wie der 7. Senat in dem vorbezeichneten Urteil eingehend dargetan hat - der Sinn und Zweck des
Altersteilzeitgesetzes (hier in der bis zum 28.12.2007 gültigen Fassung vom 23.12.2003, BGBl I 2848). Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der
Altersteilzeit das Ziel verfolgt, die Praxis der Frühverrentung durch eine neue, sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden
Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen. Insoweit war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers,
der Frühverrentungspraxis unter Nutzung des damals rechtlich möglichen vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit
entgegenzuwirken und die Sozialversicherung - insbesondere die Bundesagentur für Arbeit (BA) - durch die Einführung der Altersteilzeit
zu entlasten (vgl BR-Drucks 208/96, S 1, 22 f). Vor diesem Hintergrund kann einem Arbeitnehmer, der sich - wie hier der Kläger
- dieser Gesetzesintention entsprechend verhält und nach der Altersteilzeit nahtlos in den Rentenbezug wechseln will, der
Abschluss eines Altersteilzeitvertrags nicht vorgeworfen werden, wenn prognostisch, gestützt auch auf objektive Umstände,
von einem solchen Willen zum direkten Übergang auszugehen war (vgl bereits BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Zu diesen Voraussetzungen fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts. Zwar nimmt das LSG in gleicher
Weise wie das SG eine subjektive Absicht des Klägers zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente an; es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen
zu den objektiven Begleitumständen. Das Berufungsgericht bezieht sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes
im Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung allein auf den Klägervortrag, indem es darauf hinweist, dass dem
Vortrag zwar seine rein subjektive Vorstellung, nicht jedoch objektive Anhaltspunkte für ein prognostisches Ausscheiden nach
Beendigung der Altersteilzeit zu entnehmen seien. Das LSG hat jedoch keine eigenen Feststellungen zum Vorhandensein bzw Nichtvorliegen
von (möglichen) objektiven Begleitumständen (zB Abklärung der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit der Inanspruchnahme einer
vorgezogenen Rente mit Bezug zu etwaigen damit verbundenen Abschlägen, vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung von dem
Kläger eingeholte Informationen, insbesondere sachkundiger Stellen) getroffen (vgl auch Urteil des Senats vom 12.9.2017 -
B 11 AL 25/16 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Nicht ausreichend ist, dass einem ohne gerichtliche Sachaufklärungsanfragen erfolgten
Vortrag des Klägers keine objektiven Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes entnommen werden können. §
159 Abs
1 Satz 3
SGB III, wonach eine Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden
Tatsachen darzulegen und nachzuweisen hat, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen,
entbindet weder die BA noch die Gerichte von den sie treffenden Amtsermittlungspflichten (§ 20 SGB X, §
103 SGG). Auf nähere Ermittlungen zu nicht dargelegten, aber erkennbaren Umständen darf - auch unter Berücksichtigung des §
159 Abs
1 Satz 3
SGB III - nicht verzichtet werden (vgl Coseriu in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
159 RdNr 500, Stand August 2016). Erst wenn feststeht, dass weitere Ermittlungen nicht mehr möglich bzw unzumutbar sind und auch
im Rahmen der Beweiswürdigung keine Entscheidung (positiv wie negativ) getroffen werden kann, kommt eine solche nach Beweislastgrundsätzen
in Betracht (BSG vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 102/04 R - SozR 4-1500 § 103 Nr 5, RdNr 15). Allerdings hat das LSG hier keine Beweislastentscheidung
getroffen, sondern hat - unter Berücksichtigung eines nach seiner Rechtsauffassung vorhandenen weiteren Gesichtspunkts für
das Fehlen eines wichtigen Grundes (dazu sogleich) - es im Ergebnis dahingestellt sein lassen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen
für die Bejahung eines wichtigen Grundes vorliegen.
Die weiteren Feststellungen sind auch nicht deshalb aus Rechtsgründen entbehrlich, weil der Kläger - wie das LSG meint - entgegen
seiner ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat, obwohl ihm dies nach den Feststellungen des
LSG möglich gewesen wäre. Für die Annahme, die Änderung der Absicht des Klägers bedürfe ihrerseits eines wichtigen Grundes,
um den für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wichtigen Grund aufrechtzuerhalten, fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.
Ein Nachverhalten wäre nur dann von Bedeutung, wenn sich mit ihm ein - hier nicht vorliegendes - versicherungswidriges Verhalten
verbinden würde (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Coseriu in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
159 RdNr 186c, Stand August 2016; Karmanski in Brand,
SGB III, 7. Aufl 2015, §
159 RdNr 8 und
139 Stichwort "Altersteilzeit").
Ggf wird das LSG - nach weiteren Feststellungen zu möglichen objektiven Begleitumständen bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung
- auch über das Vorliegen einer besonderen Härte und die weiter mit den angefochtenen Bescheiden verbundenen Regelungen zu
entscheiden haben.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.