Versicherungspflicht von Arbeitslosengeld II-Beziehern bei vorherigem privaten Krankenversicherungsschutz
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) pflichtversichert und Mitglied der beklagten Krankenkasse ist.
Der 1965 geborene Kläger war von 1996 bis zur Abmeldung seines Gewerbes zum 30.6.2009 hauptberuflich selbstständig tätig.
Bis 2004 war er bei der beklagten AOK krankenversichert. Sodann bestand eine private Krankenversicherung (PKV), die durch
Kündigung durch das Versicherungsunternehmen wegen Beitragsrückständen des Klägers zum 20.1.2008 endete. In der Folge war
der Kläger weder in der PKV noch in der GKV krankenversichert. Seit 29.9.2009 bezieht er Alg II. Mit Bescheid vom 26.11.2009,
bestätigt durch Bescheid vom 13.1.2010, und Widerspruchsbescheid vom 9.3.2010 stellte die Beklagte fest, dass Versicherungspflicht
des Klägers in der GKV nicht bestehe, weil er unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert gewesen sei.
Die Beigeladene zu 2. - ein Unternehmen der PKV - lehnte einen im Dezember 2009 gestellten Antrag des Klägers auf Abschluss
eines Versicherungsvertrags im selben Monat ab.
Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit 29.9.2009 pflichtversichertes Mitglied
der Beklagten sei (Urteil vom 13.9.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil das SG seine Feststellung zu Recht getroffen habe. Der Kläger sei nicht nach §
5 Abs
5a SGB V von der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V ausgeschlossen, da er nicht "unmittelbar" vor dem Alg II-Bezug privat krankenversichert gewesen sei. Es fehle an dem nach
dem Wortlaut des Abs 5a erforderlichen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, weil das Ende der privaten Absicherung des Klägers
gegen Krankheit mehr als 1½ Jahre zurückliege. Der Kläger sei auch nicht wegen hauptberuflich selbstständiger Tätigkeit oder
Versicherungsfreiheit von der Versicherungspflicht in der GKV ausgeschlossen, denn die Voraussetzung der Unmittelbarkeit beziehe
sich auch auf diese Fallgruppen des §
5 Abs
5a SGB V. Die Zuordnung des zuletzt nicht krankenversicherten und nicht mehr selbstständig erwerbstätigten Klägers zur GKV entspreche
zudem der Gesetzesbegründung (Urteil vom 11.3.2011).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des §
5 Abs
5a SGB V. Der Gesetzeswortlaut sei sprachlich nicht eindeutig und zwinge nicht zu einem rein zeitlichen Verständnis des Begriffs "unmittelbar",
von dem das LSG ausgegangen sei. Der Wortlaut lasse es auch zu darauf abzustellen, ob in der Zeit zwischen dem SGB II-Leistungsbezug und einer privaten Versicherung bzw einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit die Zuordnung zur
PKV unterbrochen worden sei. Nur dann sei die "Unmittelbarkeit" zu verneinen. Vor seinem Bezug von Alg II-Leistungen sei der
Kläger hier nach § 193 Abs 3 S 1 VVG verpflichtet gewesen, sich privat gegen Krankheit zu versichern. Dass er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, lasse
seine Zuordnung zur PKV nicht entfallen. Für diese Sichtweise sprächen entgegen der Ansicht des LSG auch die Gesetzesmaterialien,
nach denen die Lasten zwischen GKV und PKV gleichmäßiger verteilt werden sollten. Dies Ziel würde konterkariert, wenn für
eine Zuordnung Betroffener zur PKV die private Absicherung dem Alg II-Bezug nahtlos vorangehen müsste. Etwas anderes folge
auch nicht aus der Verwendung der Begriffe "unmittelbar" in §
5 Abs
5a SGB V einerseits und "zuletzt" in §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V andererseits, da diese Regelungen unterschiedlichen Zwecken dienten. Zudem komme in beiden Normen die Wertentscheidung des
Gesetzgebers zum Ausdruck, Personen aufgrund einer früheren privaten Absicherung bzw einer hauptberuflichen selbstständigen
Erwerbstätigkeit der GKV oder PKV zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. März 2011 und des Sozialgerichts Berlin vom 13. September
2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Beide verteidigen das angegriffene Urteil.
Die Beigeladene zu 1. hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
II
Die zulässige Revision der beklagten AOK ist nicht begründet.
Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, mit dem dieses den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2010
aufgehoben und festgestellt hat, dass der Kläger seit 29.9.2009 nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V pflichtversichertes Mitglied der Beklagten in der GKV ist. Insbesondere haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden, dass
der Ausschlussgrund des §
5 Abs
5a SGB V im Falle des Klägers nicht eingreift.
1. Der Kläger ist ab 29.9.2009 nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V pflichtversichertes Mitglied der Beklagten in der GKV geworden.
a) Nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V (mWv 1.1.2005 eingeführt durch Art 5 Nr 1 Buchst b Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) sind in der GKV versicherungspflichtig
Personen in der Zeit, für die sie Alg II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder
nur Leistungen nach § 24 Abs 3 S 1 SGB II bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder
die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen, da er nach den Feststellungen des LSG ab 29.9.2009 vom Jobcenter Neukölln (Beigeladene
zu 1.) Alg II bezog und einer der in der Regelung genannten Ausschlussgründe nicht vorliegt. Er ist damit in der GKV pflichtversichert
und für die Versicherung ist die von ihm gewählte Beklagte zuständig.
b) Dem Begehren des Klägers, in der GKV bei der Beklagten versichert sein zu wollen, kann - anders als die Beklagte meint
- nicht der Ausschlusstatbestand des §
5 Abs
5a SGB V entgegengehalten werden.
aa) Diese Regelung bestimmt in Satz 1, dass nach §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich
noch privat krankenversichert war und zu den in Abs 5 oder den in § 6 Abs 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung
seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte; dies gilt nach Satz 2 der Regelung nicht für Personen, die am 31.12.2008
nach § 5 Abs 1 Nr 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit.
Da der Kläger erst ab 29.9.2009 (und nicht schon am 31.12.2008) Alg II-Leistungen bezog, ist in seinem Fall §
5 Abs
5a S 2
SGB V, der zur Nichtanwendung des Abs 5a S 1 führen würde, tatbestandlich nicht einschlägig.
Der Kläger erfüllt auch nicht die in Satz 1 der Regelung aufgestellte, eine Einbeziehung in die GKV ausschließende Voraussetzung,
"unmittelbar" vor dem Alg II-Bezug entweder privat krankenversichert gewesen zu sein (dazu näher im Folgenden bb) oder weder
gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen zu sein und zu den - was hier allein in Betracht kommt - in §
5 Abs
5 SGB V genannten Personen gehört zu haben (dazu unten cc). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann das Merkmal der Unmittelbarkeit
nicht in der von ihr befürworteten Weise gelockert werden, etwa dahin, dass es (nur) auf die "zuletzt" vor dem Alg II-Bezug
maßgebend gewesene Zuordnung zur PKV oder zur GKV ankäme bzw darauf, ob "zuletzt" eine selbstständige Tätigkeit ohne jeglichen
Krankenversicherungsschutz ausgeübt wurde (dazu dd). Auch sonstige Gesichtspunkte kommen nicht zum Tragen (dazu ee).
bb) Der Kläger war nicht iS von §
5 Abs
5a S 1
SGB V "unmittelbar" vor dem 29.9.2009 beginnenden Alg II-Bezug privat krankenversichert. Da sein letzter Versicherungsschutz gegen
Krankheit in der PKV zum 20.1.2008 endete (durch Kündigung des Versicherungsvertrags durch das Versicherungsunternehmen wegen
aufgelaufener Beitragsrückstände), waren bei Beginn des Alg II-Bezugs insoweit bereits mehr als 1½ Jahre verstrichen. Bei
einer derartig langen Zeitdauer kann von einer "unmittelbar" vor dem Leistungsbezug bestehenden Versicherung in der PKV nicht
mehr die Rede sein, ohne die Grenze des Wortlauts bzw des Wortsinns zu überdehnen.
cc) Nichts anderes gilt - entgegen der Ansicht der Beklagten - im Ergebnis hinsichtlich des Unmittelbarkeitserfordernisses,
wenn man in Rechnung stellt, dass der Kläger vom 21.1.2008 an (bis jedenfalls 29.9.2009) weder gesetzlich noch privat krankenversichert
war und längstens bis zur Gewerbeabmeldung zum 30.6.2009 zu den - was hier allein in Betracht kommt - in §
5 Abs
5 SGB V genannten Personen gehörte (weil er bis zu diesem Zeitpunkt hauptberuflich selbstständig tätig war). Zum einen kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass sich die Alternative, dass der Betroffene weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und
zu den in § 5 Abs 5 oder den in § 6 Abs 1 oder 2 genannten Personen gehört, nach der Systematik des §
5 Abs
5a S 1
SGB V auch darauf bezieht, dass diese Voraussetzungen "unmittelbar" vor dem Bezug von Alg II gegeben sein mussten. Darüber hinaus
ist aber auch die immerhin fast genau drei Monate dauernde Zeit vom 1.7.2009 bis 28.9.2009 zu lang, als dass angenommen werden
könnte, "unmittelbar" vor dem Alg II-Bezug habe noch eine rechtlich relevante Selbstständigkeit des Klägers iS des Rechts
der GKV bestanden bzw der Kläger habe auch nach der Gewerbeabmeldung noch zum Personenkreis der Selbstständigen gehört.
dd) Das Merkmal "unmittelbar" in §
5 Abs
5a SGB V kann nicht im Anschluss an die Auffassung der Beklagten erweiternd und ohne zeitliche Betrachtung ausgelegt werden. Dem stehen
die Auslegung nach dem Wortlaut und nach dem systematischen Zusammenhang entgegen, ohne dass der in den Gesetzesmaterialien
zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck geeignet ist, die Auffassung der Beklagten zu stützen (für eine enge Auslegung auch zB:
Felix in juris-PK
SGB V, 2. Aufl 2012, §
5 RdNr 40; Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
5 RdNr 11a, Stand Einzelkommentierung IV/09; Wiegand in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
5 RdNr 34 [beide iS von "an dem Tag, der dem Tag des Alg II-Bezugs vorausgeht"]; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 21.5.2010
- L 9 KR 33/10 B ER - Juris RdNr 15 f mit zustimmender Anm Bieback jurisPR-SozR 17/2010 Anm 5; aA LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom
23.8.2010 - L 16 KR 329/10 B ER - Juris RdNr 14 sowie Beschluss vom 30.4.2012 - L 16 KR 134/12 B ER).
Mit der Verwendung des Tatbestandsmerkmals "unmittelbar" im Zusammenhang mit der Verknüpfung zweier Sachverhalte bringt der
Gesetzgeber regelmäßig das Erfordernis eines besonderen Näheverhältnisses der Sachverhalte zum Ausdruck, das nicht mehr gegeben
ist, wenn eine nur mittelbare bzw gelockerte Verbindung zwischen den Tatbestandselementen besteht, selbst wenn sie einmal
bestanden hat - mag dies auch "zuletzt" der Fall gewesen sein. In diesem Sinne wird das Merkmal "unmittelbar" nicht nur bei
§
5 Abs
5a SGB V verwandt, sondern auch in anderen Bereichen des SGB, insbesondere auch im Versicherungsrecht der Sozialversicherung. Entsprechende
Regelungen finden sich etwa in §
5 Abs
3 SGB V und §
3 S 1 Nr
4 SGB VI (Versicherungspflicht "unmittelbar" vor dem Bezug von Vorruhestandsgeld), in §
9 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB V (Versicherungsberechtigung bei "unmittelbar" vor dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht bestehender qualifizierter
Versicherung) und in § 26 Abs 2, Abs 2a und Abs 2b sowie insbesondere in §
28a Abs
2 S 1 Nr
2 und Nr
3 SGB III (Versicherungspflicht bei Weiterversicherungsberechtigung "unmittelbar" vor Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw dem Bezug
einer Entgeltersatzleistung; vgl ferner zur Verwendung des Merkmals "unmittelbar" im Leistungsrecht zB § 11 Abs 2a Nr 2, §
20 Nr 3, § 21 Abs 4, § 32 Abs 1 S 2, §
56 Abs
3 und Abs
4 Nr
1, §
102 Abs
2 S 6
SGB VI).
Regelmäßig wird mit diesem Merkmal eine Eingrenzung von Risiken und von an sich gewollten Rechtsfolgen vorgenommen. Dann aber
darf eine Auslegung nicht dazu führen, dass dem Merkmal "unmittelbar" lediglich der Charakter eines bloßen Füllworts beigemessen
und dadurch seine Eingrenzungsfunktion faktisch aufgehoben wird. Entsprechend hat der Senat auch in seiner Rechtsprechung
zu Bereichen mit ähnlicher Regelungstechnik des Gesetzgebers eine einengende Sichtweise für zutreffend erachtet (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 9 RdNr 14 [zu § 5 Abs 3 SGB V]) und für die Ausfüllung des Merkmals "unmittelbar" zwar bisweilen keine "Nahtlosigkeit" gefordert, sich aber
jedenfalls an einer Ein-Monats-Frist orientiert (so BSG SozR 4-4300 § 28a Nr 4 RdNr 22 [im Anschluss an die Gesetzesmaterialien]; für diese Zeitdauer ähnlich in Bezug auf den für einen Existenzgründerzuschuss
erforderlichen "engen zeitlichen Zusammenhang" zwischen der Existenzgründung und einem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch:
BSG [11a-Senat] SozR 4-4300 § 57 Nr 2 RdNr 11, 15 sowie Nr 6 RdNr 24; vgl ferner BSG [7/7a-Senat] BSGE 99, 42 = SozR 4-4300 § 123 Nr 4, RdNr 16; BSG Urteil vom 27.6.2012 - B 12 KR 6/10 R - Juris RdNr 17 [richterrechtlich geforderte Unmittelbarkeit bei der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V]; zum Unmittelbarkeitserfordernis
im Zusammenhang mit der Krankenkassenwahl nach §
175 Abs
4 S 4
SGB V: BSG Urteil vom 9.11.2011 - B 12 KR 3/10 R - Juris RdNr 17 mwN; demgegenüber zur notwendigen Unterscheidung von "zuletzt" und "unmittelbar" bei der Auslegung des §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V: BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, LS 1 und RdNr 15 ff und BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 15, LS 1 und RdNr 17). Die vor diesem Hintergrund allenfalls in Betracht kommende Zeitgrenze von einem Monat ist im Falle
des Klägers - in dem es um einen Zeitraum von ca drei Monaten geht - deutlich überschritten.
Der von der Beklagten befürworteten gegenteiligen Auslegung kann demgegenüber nicht gefolgt werden, weil sie letztlich darauf
hinausliefe, dass es lediglich darauf ankäme, ob "zuletzt" vor dem Alg II-Leistungsbezug Versicherungsschutz in der PKV bestand
(so schon SG Kiel Beschluss vom 30.8.2010 - S 37 AS 437/10 ER - Juris RdNr 32). Da der Gesetzgeber in derselben Norm des §
5 SGB V aber an anderer Stelle - nämlich in §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V - ausdrücklich das Merkmal "zuletzt" verwendet, in Abs 1 Nr 2a iVm Abs 5a der Regelung dagegen nicht, scheidet die Auslegung
der Beklagten schon unter systematischem Blickwinkel aus. Anhaltspunkte für ein bloßes Versehen des Gesetzgebers bestehen
nicht.
Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich für eine "erweiternde" Auslegung nichts herleiten. So heißt es im Gesetzentwurf der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum späteren GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zu §
5 Abs
5a SGB V nur, dass es sich dabei um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von GKV und PKV handele; da die privaten Krankenversicherungen
künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der GKV für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert
seien oder sein könnten, erscheine es nicht länger erforderlich, Alg II-Bezieher auch dann in die Versicherungspflicht in
der GKV einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert gewesen seien; Gleiches gelte
für die Personen, die unmittelbar vor dem Leistungsbezug weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen seien und
als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige oder als versicherungsfreie Personen zu dem Personenkreis gehörten, der grundsätzlich
der PKV zuzuordnen seien; die Regelung diene damit auch einer gleichmäßigeren Lastenverteilung zwischen GKV und PKV (so Gesetzentwurf,
aaO, BT-Drucks 16/3100 S 94 f zu Nr 2 Buchst b).
Dass in dieser Begründung auf eine gleichmäßige Lastenverteilung zwischen GKV und PKV abgehoben wird, ist zu unbestimmt, um
mit Blick darauf dem Merkmal "unmittelbar" einen konkreten, vom naheliegenden Wortsinn abweichenden Bedeutungsinhalt beimessen
zu können. Aus der Wendung, dass die betroffenen Personen "zu dem Personenkreis gehören (müssen), der grundsätzlich der PKV
zuzuordnen ist" lässt sich ebenso nichts herleiten, weil es in der gesetzlichen Regelung ja gerade darum geht, die Voraussetzungen
dafür aufzustellen, unter denen Betroffene entweder der GKV oder der PKV zuzuordnen sind; dazu bedarf es erst einer Auslegung
des streitigen Tatbestandsmerkmals. Ergibt eine Auslegung aber - wie vorstehend dargelegt -, dass in Fällen der vorliegenden
Art eine "Unmittelbarkeit" nicht gegeben ist, steht damit auch fest, dass der Gesetzgeber den Personenkreis, zu dem der Kläger
gehört, der GKV überantwortet hat.
ee) Auch sonstige Gesichtspunkte rechtfertigen kein vom Urteil des LSG abweichendes Ergebnis. So kann das von der Beklagten
gewünschte Ergebnis insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, dass es ein Betroffener dadurch, dass er seine Pflicht zum
Abschluss eines privaten Versicherungsvertrags gemäß § 193 Abs 3 S 1 VVG nicht erfüllt, letztlich selbst in der Hand haben könnte, Versicherungspflicht gemäß §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V herbeizuführen. Die bloße Möglichkeit eines "Taktierens" des Betroffenen hat den Gesetzgeber für den Bereich der GKV nicht
dazu bewogen, eine andere Rechtsfolge anzuordnen als in §
5 Abs
1 Nr
2a und Abs
5a SGB V geregelt. Dass (auch) das VVG Rechtsfolgen bei Verletzung der sich aus § 193 Abs 3 VVG ergebenden Pflichten zum zeitnahen Abschluss eines Versicherungsvertrages in der PKV vorsieht (= Prämienzuschlag nach § 193 Abs 4 VVG), schließt nicht die alleinige Anwendung des §
5 Abs
5a SGB V auf Personen aus, die versicherungspflichtig in der GKV sind (vgl § 193 Abs 3 S 2 Nr 1 VVG); Letzteres ist nach den obenstehenden Ausführungen beim Kläger zu bejahen. Wenn demgegenüber - auch in der Rechtsprechung
(LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 23.8.2010 - L 16 KR 329/10 B ER - Juris RdNr 15) - darauf abgestellt wird, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 193 Abs 3 VVG die sich hier ergebende Rechtsfolge des §
5 Abs
5a SGB V nicht auslösen könne, weil sonst Betroffenen aus einer Pflichtverletzung zu Lasten der Versichertengemeinschaft in der GKV
Vorteile in Form kostengünstigen solidarischen Versicherungsschutzes zuteilwürde, nimmt dies nicht hinreichend in den Blick,
dass richterlicher Rechtsfortbildung insoweit Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen sind auch dann zu beachten, wenn ein bestimmtes
Ergebnis unbillig oder sozialpolitisch unbefriedigend erscheint. Insoweit Änderungen vorzunehmen ist dagegen dem Gesetzgeber
vorbehalten. Dass im Übrigen seitens des Klägers und/oder der Beigeladenen zu 2. in Bezug auf die Gewährung von Versicherungsschutz
in der PKV tatsächlich eine missbräuchliche, von der Rechtsordnung nicht gebilligte Gestaltung angestrebt und vorgenommen
worden wäre, hat weder das LSG festgestellt noch rügt die Beklagte Entsprechendes mit Revisionsgründen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.