Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung von Mitgliedern des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach
schweizerischem Recht
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates einer schweizerischen
Aktiengesellschaft (AG) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) unterliegt.
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und seit dem 26.9.1996 Leiter der Zweigniederlassung Hamburg der beigeladenen B.
B. G. AG (im Folgenden: G. AG; Beigeladene zu 3.). Ihm ist hierfür gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter Prokura erteilt.
Die G. AG ist eine AG nach schweizerischem Recht (AGsR) mit Sitz in Zug/Schweiz. Seit dem 29.12.2003 ist der Kläger als Mitglied
des Verwaltungsrates der G. AG mit der Befugnis zur Kollektivunterschrift im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen.
Im Juni 2003 beantragte der Kläger bei der beklagten Krankenkasse die versicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit
bei der Zweigniederlassung Hamburg. Er wies auf seinen Anstellungsvertrag als Prokurist und Leiter der Zweigniederlassung
hin sowie darauf, dass er ein Grundgehalt erhalte, welches im Falle der Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen
weitergezahlt werde. Ferner erhalte er eine von der Ertragslage des Unternehmens abhängige Gewinnbeteiligung.
Mit Bescheid vom 7.8.2003 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 26.9.1996 hinsichtlich seiner Tätigkeit für
die Zweigniederlassung Hamburg der G. AG in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und deshalb jedenfalls der Versicherungspflicht
in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Den Widerspruch, den der Kläger auch damit begründet hatte,
als Mitglied des Verwaltungsrates einer AGsR wie das Vorstandsmitglied einer AG deutschen Rechts (AGdR) behandelt werden zu
müssen und deshalb in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig zu sein, wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004 zurück. Die seit dem 29.12.2003 bestehende Verwaltungsratsmitgliedschaft bei
der G. AG führe nicht dazu, dass der Kläger wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
und der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht unterliege.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 7.8.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 8.9.2004 dahingehend abzuändern, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Prokurist und Leiter der Zweigniederlassung Hamburg
der beigeladenen G. AG seit dem 29.12.2003 nicht der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege.
Mit Urteil vom 1.11.2005 hat das SG der Klage antragsgemäß stattgegeben. Das LSG hat die Berufung des beigeladenen Rentenversicherungsträgers (Beigeladene zu
1.) mit Urteil vom 11.10.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: In gleicher Weise wie Vorstandsmitglieder
einer AGdR unterlägen auch Verwaltungsratsmitglieder einer AGsR wie der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der GRV.
Bereits zu der Vorgängervorschrift des §
1 Satz 4
SGB VI habe das BSG entschieden, dass diese trotz ihres Ausnahmecharakters einer analogen Anwendung nicht schlechthin entzogen sei.
Dabei habe das BSG die Erstreckung auf andere Sachverhalte nicht von der Größe des jeweiligen Unternehmens, sondern von der
Vergleichbarkeit der Rechtsformen abhängig gemacht mit der Folge, dass es für die versicherungsrechtliche Beurteilung ausschließlich
auf den Status als Vorstandsmitglied oder einen gleich zu behandelnden Status ankomme. Hieran gemessen sei die Gleichbehandlung
des Klägers mit Vorstandsmitgliedern einer AGdR geboten. Denn ein Vergleich der Regelungen des deutschen und des schweizerischen
Aktienrechts zeige, dass die wirtschaftliche Bedeutung der AGsR nicht hinter derjenigen einer AGdR zurückstehe. Das ergebe
sich aus den Vorschriften über das Mindestkapital. Im Übrigen entspreche die organschaftliche Stellung des Verwaltungsrates
weitgehend derjenigen eines Vorstandes nach deutschem Aktienrecht.
Die Beigeladene zu 1. hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt sinngemäß eine Verletzung von §
1 Satz 4
SGB VI. Die Ausführungen des LSG zur analogen Anwendung der genannten Vorschrift seien nicht zutreffend. Möglichkeiten und Grenzen
einer Analogie habe das BSG stets mit der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gerechtfertigt. Es habe den mit der Typisierung
verfolgten Zweck darin gesehen, die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift für den Rechtsanwender einfacher, sicherer und gleichmäßiger
zu gestalten. Aus diesem Grunde habe es eine Anwendung über den Wortlaut hinaus bisher allein in einem Fall rechtlicher Gleichstellung
mit Vorstandsmitgliedern einer AGdR, nämlich bei den Vorstandsmitgliedern "großer" Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit
(VVaG), für zulässig gehalten. Der mit der Typisierung verfolgte Zweck, dem Rechtsanwender einfach festzustellende, ohne Weiteres
überprüfbare Abgrenzungsmerkmale für die Beurteilung der Versicherungspflicht zu verschaffen, würde mit einer analogen Anwendung
der Ausnahmevorschrift auf ausländische AGen gefährdet. Das sich stetig wandelnde ausländische Gesellschaftsrecht könne von
dem Rechtsanwender bei typisierender Betrachtung nicht nachvollzogen werden.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11.10.2006 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1.11.2005 aufzuheben
und die Klage gegen den Bescheid vom 7.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2004 abzuweisen, soweit mit
diesen Entscheidungen über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden worden
ist.
Der Kläger und die Beigeladene zu 3. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Den Kläger versicherungsrechtlich wie das Vorstandsmitglied einer AGdR
zu behandeln, sei mit dem Typisierungszweck vereinbar. Soweit es auf die Rechtsform der Gesellschaft als AG ankomme, sei diese
ohne Weiteres aus dem Handelsregister ersichtlich. Gleiches gelte für die Mitgliedschaft im Vorstand bzw Verwaltungsrat.
Die Beklagte und die beigeladene Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2.) haben keinen Antrag gestellt, teilen jedoch
die Auffassung der Beigeladenen zu 1.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27.2.2008 (B 12 KR 5/07 R) den Rechtsstreit ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gemäß Art 234 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (idF des Vertrags von Nizza vom 26.2.2001, BGBl II 2001, 1667) über die Auslegung von Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002 L 114/6; im Folgenden: Freizügigkeitsabkommen)
eingeholt. Er hat die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften des Freizügigkeitsabkommens, insbesondere dessen Art 1, 5, 7 und
16 sowie Anhang I Art 12, 17, 18 und 19 dahin auszulegen sind, dass sie es nicht zulassen, dass das in Deutschland beschäftigte
Verwaltungsratsmitglied einer AGsR in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, obwohl in Deutschland beschäftigte
Vorstandsmitglieder einer AGdR in der deutschen Rentenversicherung versicherungsfrei sind.
Der EuGH (Vierte Kammer) hat mit Urteil vom 12.11.2009 (C-351/08 [Grimme], in juris veröffentlicht) die vorgelegte Frage wie folgt beantwortet: "Die Bestimmungen des am 21. Juni 1999 in
Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, insbesondere dessen Art 1, 5, 7 und 16 sowie die Art 12 und 17 bis
19 seines Anhangs I, stehen der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der eine Person, die die Staatsangehörigkeit
dieses Mitgliedstaats besitzt und in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt ist, in der gesetzlichen Rentenversicherung dieses Mitgliedstaats
versicherungspflichtig ist, obwohl sie Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts ist und
Mitglieder der Vorstände von Aktiengesellschaften nach dem Recht des genannten Mitgliedstaats insoweit versicherungsfrei sind."
II
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden
erklärt haben (§
124 Abs
2 SGG).
Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG deren Berufung zurückgewiesen und das SG der Klage durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben, soweit diese die Feststellung der Versicherungspflicht
des Klägers in der GRV ab 29.12.2003 betreffen. Der Bescheid der Beklagten vom 7.8.2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids
vom 8.9.2004 ist im angefochtenen Umfang rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte darin festgestellt, dass der Kläger in seiner
Tätigkeit für die beigeladene G. AG, auch nachdem er Mitglied ihres Verwaltungsrates geworden ist, (weiterhin) der Versicherungspflicht
in der GRV unterliegt. Er ist nicht wie das Mitglied des Vorstandes einer AGdR versicherungsfrei. Das Urteil des LSG, das
nur noch über die Rentenversicherungspflicht entschieden hat, war deshalb insgesamt, das Urteil des SG insoweit aufzuheben. In diesem Umfang war die Klage abzuweisen.
1. Nachdem die Beigeladene zu 1. ihr Revisionsbegehren in der mündlichen Verhandlung am 27.2.2008 beschränkt hat, ist Gegenstand
der Überprüfung der gegenüber dem Kläger ergangene Bescheid vom 7.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2004
nur noch insoweit, als darin Feststellungen zur Rentenversicherungspflicht des Klägers ab 29.12.2003 getroffen werden. Nicht
(mehr) zu entscheiden ist über die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.
2. Maßgebend für die Beurteilung, ob der Kläger der Versicherungspflicht in der GRV unterliegt, ist das deutsche Sozialversicherungsrecht.
Es kommt zur Anwendung, weil der Beschäftigungsort des Klägers in Deutschland liegt und seine Beschäftigung dort nicht im
Voraus zeitlich begrenzt ist (vgl §
3 Nr
1, §
5 Abs
1 SGB IV). - Der Kläger ist in seiner Tätigkeit für die beigeladene G. AG abhängig beschäftigt, auch soweit er - seit dem 29.12.2003
- Mitglied ihres Verwaltungsrates ist (dazu a). Von der daran anknüpfenden Rentenversicherungspflicht ist er nicht wie ein
Mitglied des Vorstandes einer AGdR ausnahmsweise ausgenommen (dazu b). Eine Gleichstellung mit diesem kann der Kläger auch
nicht in Anwendung internationalen Rechts (dazu c), insbesondere nicht der Bestimmungen des zwischen der Europäischen Gemeinschaft
(EG), ihren Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen Freizügigkeitsabkommens beanspruchen (dazu
d).
a) In der GRV unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, nach §
1 Satz 1 Nr 1 Halbs 1
SGB VI der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Im vorliegenden Verfahren ist das Berufungsgericht in seinem Urteil rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger
in seiner Tätigkeit für die beigeladene G. AG, auch nachdem er Mitglied ihres Verwaltungsrates geworden ist, in einer Beschäftigung
steht. Zwar hat das LSG in den Gründen seiner Entscheidung zu Beginn ausgeführt, der Kläger zähle im Hinblick auf seine Stellung
als Mitglied einer AGsR zu den nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Personen "ungeachtet der Frage", ob dieser im
Übrigen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur beigeladenen G. AG iS des §
7 SGB IV stehe. Indessen ist das LSG an anderen Stellen seines Urteils vom Vorliegen einer Beschäftigung des Klägers ausgegangen und
hat hierzu unter Bezugnahme auf dessen Anstellungsvertrag als Prokurist und Zweigniederlassungsleiter, Vorschriften des schweizerischen
Obligationenrechts zum Status von Verwaltungsratsmitgliedern, das Urteil des SG und den Inhalt der Beklagtenakte die nötigen Feststellungen getroffen. Soweit das LSG in deren Würdigung daher zunächst allgemein
dargelegt hat, der Kläger sei im Sozialversicherungsrecht wie das Vorstandsmitglied einer AGdR zu behandeln, und später im
Besonderen festgestellt hat, die Stellung des Verwaltungsrates bzw dessen Status entspreche "im Übrigen" (weitgehend) derjenigen
bzw demjenigen des Vorstandes einer AGdR, hat es sinngemäß an die Rechtsprechung des BSG angeknüpft, wonach Vorstandsmitglieder
einer AGdR grundsätzlich abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben
und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 22/88 - BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; ferner Urteil vom 19.6.2001 - B 12 KR 44/00 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f). Diese Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis hat es auf Mitglieder des Verwaltungsrates
einer AGsR übertragen. Das ist nicht zu beanstanden, weil für Mitglieder von Organen ausländischer Kapitalgesellschaften insoweit
nichts anderes gelten kann als für Organmitglieder deutscher Kapitalgesellschaften, und wird auch vom Kläger und der Beigeladenen
zu 3. nicht (mehr) für unzutreffend gehalten.
b) Der Kläger ist in seiner Beschäftigung für die beigeladene G. AG ab 29.12.2003 nicht wegen der Berufung zum Verwaltungsratsmitglied
wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen. Die für dieses geltende Ausnahmebestimmung
des §
1 Satz 4
SGB VI ist auf ihn weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Nach §
1 Satz 4
SGB VI in den bis zum 31.12.2003 und ab 1.1.2004 geltenden Fassungen, die hier beide anzuwenden sind, sind Mitglieder des Vorstandes
einer AG nicht versicherungspflichtig bzw in dem Unternehmen, dem sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt
(vgl zur Entstehungsgeschichte ausführlich Urteile des Senats vom 27.2.2008 - B 12 KR 23/06 R - BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 19, und vom 9.8.2006 - B 12 KR 3/06 R - BSGE 97, 32 = SozR 4-2600 § 229 Nr 1, RdNr 16 ff). Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung
eine entsprechende Anwendung dieses Ausnahmetatbestandes auf Vorstandsmitglieder anderer juristischer Personen abgelehnt.
Er hat dabei auf die für die Ordnung von Massenerscheinungen anerkannte Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers verwiesen und
dargelegt, dass §
1 Satz 4
SGB VI allein an das formale Merkmal der Zugehörigkeit zum Vorstand einer AG anknüpfe bzw die Ausnahme von der Rentenversicherungspflicht
allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig mache, der die Vorstandsmitglieder vorständen. Bei der Anknüpfung an die
Rechtsform der AG sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass diese bei typisierender Betrachtung zu den "großen" Gesellschaften
gehöre und ihre Vorstandsmitglieder unter den für sie gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage seien, sich außerhalb
der Sozialversicherung gegen die Risiken des Arbeitslebens selbst zu schützen. Eine Möglichkeit zur entsprechenden Anwendung
der typisierenden Regelung hat der Senat in der Vergangenheit allein bei Vorstandsmitgliedern "großer" VVaG gesehen. Er hat den Ausnahmetatbestand über seinen Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe analog angewandt, weil Vorschriften
des deutschen Aktiengesetzes über eine Verweisung im deutschen Versicherungsaufsichtsgesetz für den Vorstand eines VVaG entsprechend gelten und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer AG deshalb rechtlich gleichgestellt (vgl zur bisherigen
Rechtsprechung des BSG im Einzelnen Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 12 KR 23/06 R - aaO, jeweils RdNr 20). Das BSG hat den für Vorstandsmitglieder von AGen als abhängig Beschäftigte geltenden Ausnahmetatbestand
in der GRV auch im Hinblick auf das dem Gesetzesrecht übergeordnete Verfassungsrecht geprüft. Es hat die darin zum Ausdruck
kommende verallgemeinernde Betrachtungsweise am Maßstab der für Typisierungen entwickelten Rechtsprechung des BVerfG bisher
für unbedenklich gehalten.
In Anwendung des §
1 Satz 4
SGB VI und der hierzu von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze gehört der Kläger nicht zu dem von dieser Vorschrift
erfassten Personenkreis. Zu den "Mitgliedern des Vorstandes einer AG" gehören nur solche einer bestehenden (vgl BSGE 97, 32 = SozR 4-2600 § 229 Nr 1, RdNr 21 ff) AGdR. Hierzu gehört der Kläger in unmittelbarer Anwendung der genannten Ausnahmevorschrift
als Mitglied des Verwaltungsrates einer AGsR nicht. Diese ist auf ihn auch nicht entsprechend anzuwenden, weil er nicht wie
Vorstandsmitglieder eines "großen" VVaG Vorstandsmitgliedern einer AGdR rechtlich, dh durch eine Verweisung auf Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes, gleichgestellt
ist. Nur aus diesem Grund ist eine entsprechende Anwendung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen. Demgegenüber
vermag die von der Revision vertretene Auffassung nicht zu überzeugen, wonach es den "Normzweck" des §
1 Satz 4
SGB VI gefährden würde, wenn deutsche Sozialversicherungsträger und deutsche Gerichte bei einer Prüfung dieser Ausnahmebestimmung
das "weltweite und sich in stetigem Wandel befindliche" ausländische Gesellschaftsrecht beachten müssten. Eine solche Konsequenz
lässt sich der Rechtsprechung des BSG zur Rechtfertigung der Typisierung nicht entnehmen.
Soweit die Vorinstanzen unter Hinweis auf die Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts über das Mindestkapital
und die Stellung des Verwaltungsrates eine tatsächliche Vergleichbarkeit der AGsR mit der AGdR annehmen und die ausländische
(Gesellschafts)Rechtsform der AGsR auf die inländische (Gesellschafts)Rechtsform der AGdR übertragen, ist eine solche "Substitution"
der Tatbestandserfüllung nicht zulässig. Eine einschlägige gesetzliche Äquivalenzregel, deren es für eine solche Tatbestandsgleichstellung
bedürfte, enthält das deutsche Sozialrecht nicht. Eine solche lässt sich auch nicht dem übrigen innerstaatlichen Recht entnehmen.
So folgt ein Gebot zur tatbestandlichen Gleichstellung der beigeladenen G. AG mit einer AGdR im Sozialrecht nicht etwa daraus,
dass deren Zweigniederlassung wie diejenige einer AGdR in das deutsche Handelsregister einzutragen und eingetragen ist. Soweit
über §§ 13d bis f des Handelsgesetzbuchs inländische Zweigniederlassungen von AGen mit Sitz im Ausland und damit auch eine
AGsR in das deutsche Registerrecht einbezogen werden, enthält dieses keine gesetzliche Äquivalenzregel, die im hier vorliegenden
sozialrechtlichen Kontext anwendbar wäre. Wenn im Einzelfall Zweigniederlassungen von AGen aus Drittstaaten wie der Schweiz
mangels entsprechender Vorgaben aus dem Gemeinschafts- bzw Unionsrecht (vgl insoweit Art 7 Abs 1 der Elften Richtlinie 89/666/EWG
des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter
Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen [ABl 1989 L 395/36]) registerrechtlich wie
diejenigen einer AGdR behandelt werden, so beruht das (allein) auf einer Rechtsfortbildung im deutschen internationalen Privatrecht
und ist deshalb nicht übertragbar. Auch eine Tatbestandsgleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ist nicht zulässig,
weil §
1 Satz 4
SGB VI nach seinem Regelungszweck und im Hinblick auf die dort gewählte Regelungsmethode der Typisierung eine Erstreckung auf Sachverhalte
wie den Vorliegenden zur Schließung einer Regelungslücke nicht erfordert. Nach deutschem Sozialrecht maßgebend ist und bleibt
danach einzig, dass der Kläger kein Mitglied des Vorstandes einer AGdR ist und damit den formalen gesetzlichen Tatbestand
des §
1 Satz 4
SGB VI nicht erfüllt.
c) Der Kläger kann sich für eine tatbestandliche Gleichstellung nicht mit Erfolg auf einschlägiges, unmittelbar zu beachtendes
internationales Recht (ohne das Freizügigkeitsabkommen) berufen. Eine für den vorliegenden Rechtsstreit relevante Äquivalenzregel
aus bilateralen oder multilateralen Verträgen mit der Schweiz besteht nicht. Sie ergibt sich ungeachtet der Frage, ob und
inwieweit es sich hierbei (noch) um geltende Bestimmungen handelt (vgl Art 20 des Freizügigkeitsabkommens iVm dessen Anhang
II Art 1 Abschnitt A Nr 1 Buchst i), insbesondere nicht aus solchen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25.2.1964 (BGBl II 1965, 1294; im Folgenden: Sozialversicherungsabkommen). So ordnen Art 4 und Art 4a des Sozialversicherungsabkommens als allgemeine Gleichstellungsbestimmungen
lediglich eine Gleichstellung der Staatsangehörigen bzw der Staatsgebiete bei Anwendung der Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten
an, nicht aber anderer Rechtserscheinungen, an welche Rechtsfolgen geknüpft werden können. Eine entsprechende Äquivalenzregel
ergibt sich auch nicht aus dem Abschnitt II des Sozialversicherungsabkommens über Rentenversicherungen.
d) Auch auf der Grundlage des zwischen der EG, ihren Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossenen
Freizügigkeitsabkommens hat der Kläger keinen Anspruch darauf, wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR behandelt zu werden.
Mit Urteil vom 12.11.2009 (C-351/08 [Grimme], aaO) hat der EuGH entschieden, dass die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens, insbesondere dessen Art 1, 5,
7 und 16 sowie die Art 12 und 17 bis 19 seines Anhangs I, der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der
eine Person, die die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt ist, in der
gesetzlichen Rentenversicherung dieses Mitgliedstaats versicherungspflichtig ist, obwohl sie Mitglied des Verwaltungsrates
einer AGsR ist und Mitglieder der Vorstände von AGen nach dem Recht des genannten Mitgliedstaats insoweit versicherungsfrei
sind. Diese vom EuGH vorgenommene Auslegung der Abkommensbestimmungen ist der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen. Die
Bindung folgt dabei aus der Vorlagepflicht selbst und aus dem Sinn und Zweck der Vorabentscheidung (vgl zuletzt Urteil des
BSG vom 24.5.2007 - B 1 KR 3/07 R - SozR 4-2500 § 47 Nr 8 RdNr 16, mwN). Im Einzelnen:
Das Freizügigkeitsabkommen stellt eines von insgesamt sieben am 21.6.1999 unterzeichneten sektorspezifischen Abkommen dar,
die geschlossen wurden, nachdem die Schweiz am 6.12.1992 einen Beitritt zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
vom 2.5.1992 (vgl ABl 1994 L 1/1) abgelehnt hatte. Es handelt sich um ein Liberalisierungsabkommen auf bestimmten Gebieten
mit der Besonderheit, dass ihm angesichts der begrenzten Zuständigkeiten der EG in diesem Bereich auch die Mitgliedstaaten
selbst beitreten mussten ("gemischtes Abkommen"). Nach Abschluss einer zweiten Verhandlungsrunde wurde das Freizügigkeitsabkommen
aufgrund eines Zusatzprotokolls vom 27.2.2006 (ABl 2006 L 89/28) mit Wirkung vom 1.4.2006 auf die Staaten erstreckt, die der Europäischen Union am 1.5.2004 beigetreten sind. Im Hinblick
darauf, dass sich die Schweiz den Vereinbarungen über ein integriertes wirtschaftliches Ganzes mit einem einheitlichen Markt
nicht angeschlossen hat, kann die den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Binnenmarkt gegebene Auslegung nicht
automatisch auf die Auslegung des Abkommens übertragen werden, sofern dies nicht im Abkommen selbst ausdrücklich vorgesehen
ist (EuGH Urteil vom 12.11.2009 [Grimme], aaO, RdNr 29, unter Hinweis auf EuGH Urteil vom 9.2.1982, Rs 270/80 [Polydor und RSO Records], Slg 1982, 329 RdNr 15 ff).
aa) Dass der Kläger in seiner Beschäftigung für die beigeladene G. AG auch nach seiner Berufung zum Verwaltungsratsmitglied
nicht wie Vorstandsmitglieder einer AGdR in der GRV versicherungsfrei ist, stellt keine unzulässige Beschränkung eines zugunsten
der beigeladenen G. AG wirkenden, durch das Freizügigkeitsabkommen garantierten Rechts auf freie Niederlassung dar. Denn das
Freizügigkeitsabkommen gewährt juristischen Personen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft oder nach schweizerischem
Recht gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Gebiet einer Vertragspartei
haben, nicht das gleiche Niederlassungsrecht wie natürlichen Personen (EuGH Urteil vom 12.11.2009 [Grimme], aaO, RdNr 33 bis
39).
Der EuGH hat sich zur Begründung des von ihm gefundenen Ergebnisses darauf gestützt, dass das Freizügigkeitsabkommen und seine
Anhänge mit Ausnahme von Art 5 Abs 1 und Art 18 des Anhangs I, mit denen Gesellschaften ein bestimmtes Recht auf die Erbringung
von Dienstleistungen eingeräumt wird, keine Bestimmung enthalten, die juristischen Personen ein Recht, insbesondere das Recht
auf Niederlassung im Hoheitsgebiet der einen oder der anderen Vertragspartei gewährt. Das Recht auf Niederlassung im Hoheitsgebiet
einer Vertragspartei sei selbstständigen natürlichen Personen vorbehalten, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats
der Gemeinschaft oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft besäßen.
Soweit der Kläger Art 16 Abs 1 des Freizügigkeitsabkommens für eine Erstreckung des Niederlassungsrechts auf juristische Personen
herangezogen hat, hat der EuGH diesen Einwand nicht durchgreifen lassen. Zum einen sehe Art 16 Abs 1, der auf die Geltung
des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien Bezug nehme, dessen Geltung nur im Rahmen
der Abkommensziele vor, die ein Niederlassungsrecht ausschließlich natürlichen Personen (vgl im Einzelnen auch EuGH Urteil
vom 22.12.2008, C-13/08 [Stamm und Hauser], Slg 2008, I-11087, RdNr 44), nicht aber juristischen Personen zuerkennten. Zum anderen knüpfe diese Bestimmung
an eine Bezugnahme auf gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Gemeinschaft an, die aber nicht vorliege
mit der Folge, dass für den Rechtsstandpunkt des Klägers aus Art 16 Abs 1 (und Abs 2) des Freizügigkeitsabkommens nichts zu
entnehmen sei.
bb) Dass der vom Kläger repräsentierte Personenkreis der Rentenversicherungspflicht unterliegt, während Mitglieder des Vorstandes
einer AGdR in der GRV versicherungsfrei sind, verstößt ferner nicht gegen die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens im
Bereich der Erbringung von Dienstleistungen. Aus den die Dienstleistungserbringung betreffenden Bestimmungen des Abkommens
kann der Kläger keine Rechte ableiten (EuGH Urteil vom 12.11.2009 [Grimme], aaO, RdNr 40 ff).
Zwar ist das Recht zur Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nach Art 5 Abs 1 iVm Art
18 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens neben natürlichen Personen auch Gesellschaften eröffnet, die nach dem Recht eines
Mitgliedstaats der EG oder nach schweizerischem Recht gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung
oder ihre Hauptniederlassung im Gebiet einer Vertragspartei haben. Jedoch betrifft das vom Abkommen erfasste Recht zur Dienstleistungserbringung
zum einen - nach Art 17 Buchst a des Anhangs I - nur grenzüberschreitende Dienstleistungen und zum anderen - nach Art 5 Abs
1 und Art 17 Buchst a des Anhangs I - nur solche, die auf 90 tatsächliche Arbeitstage pro Kalenderjahr beschränkt sind. Nach
Art 19 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens kann der Dienstleistungserbringer seine Tätigkeit während dieser Zeit nach
Maßgabe der Anhänge I bis III des Abkommens unter den gleichen Bedingungen ausüben, wie sie der Aufnahmestaat für seine eigenen
Staatsangehörigen vorschreibt.
Hiervon ausgehend hat der EuGH dahinstehen lassen, ob die Tätigkeit des Angehörigen eines Mitgliedstaats, die dieser - wie
der Kläger - in diesem Staat ausübt, überhaupt als grenzüberschreitend angesehen werden kann. Er hat entschieden, dass eine
Person in der Situation des Klägers aus den Bestimmungen des Abkommens jedenfalls deshalb kein Recht im Bereich der Erbringung
von Dienstleistungen ableiten kann, weil sie - bei Unterstellung eines grenzüberschreitenden Bezugs - einer dauerhaften Beschäftigung
nachgeht, die zwangsläufig 90 tatsächliche Arbeitstage pro Kalenderjahr überschreitet.
cc) Die Anordnung der Rentenversicherungspflicht für den Kläger als bei der beigeladenen G. AG Beschäftigten stellt schließlich
keine Verletzung eines diesem selbst - in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer - zustehenden Rechts auf Gleichbehandlung nach
Art 9 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens dar. Der EuGH hat die Anwendbarkeit des darin garantierten Grundsatzes der
Nichtdiskriminierung hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen verneint, weil diese Bestimmungen nur den Fall
einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gegenüber einem Angehörigen einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet
einer anderen Vertragspartei erfasse. Der Kläger sei jedoch deutscher Staatsangehöriger und in Deutschland angestellt, seine
Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrates einer AGsR insoweit irrelevant (EuGH Urteil vom 12.11.2009 [Grimme], aaO, RdNr
45 ff). Auch die speziellen Gleichstellungsbestimmungen für den Bereich der sozialen Sicherheit (vgl Art 8 Buchst a iVm Art
1 des Anhangs II des Freizügigkeitsabkommens), die mit der Vorlagefrage implizit als Prüfungsmaßstäbe eingeführt worden sind,
schützen den Kläger vor den Auswirkungen der in §
1 Satz 4
SGB VI enthaltenen Differenzierung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass das der Klage stattgebende Urteil des SG hinsichtlich der Versicherungspflicht des Klägers nach dem Recht der Arbeitsförderung rechtskräftig geworden ist. Soweit
eine Kostenerstattung nicht stattfindet, betrifft das auch die durch die Vorlage an den EuGH entstandenen außergerichtlichen
Kosten.