Versicherungspflicht eines sozialhilfebedürftigen Nicht-EU-Ausländers in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin seit dem 6.6.2007 nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.
Die 1936 geborene Klägerin ist weißrussische Staatsangehörige und jüdische Zuwanderin. Im Rahmen von Maßnahmen zur "Aufnahme
jüdischer Zuwanderer und ihrer Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion - mit Ausnahme der baltischen Staaten" wurde
der Klägerin zunächst - vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - eine Aufnahmezusage erteilt und am 30.4.2007 - von der
Deutschen Botschaft in Minsk - ein für die Zeit vom 25.5. bis zum 22.8.2007 gültiges, auf 90 Tage befristetes und mit der
Bemerkung "Aufnahme nach § 23 AufenthG" versehenes Visum ausgestellt. Mit diesem Visum reiste die Klägerin am 30.5.2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein und
wurde in der Folgezeit in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald verteilt. Am 6.6.2007 erhielt
die Klägerin im Hinblick auf § 23 Abs 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Auf ihren unter dem 4.6.2007 gestellten und am 5.6.2007 eingegangenen Antrag
gewährte ihr das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald mit Bescheid vom 18.6.2007 rückwirkend ab 1.6.2007 Leistungen der Grundsicherung
im Alter (und bei Erwerbsminderung) nach dem SGB XII und kehrte diese entsprechend aus.
Mitte Juni 2007 gab die Klägerin bei der beklagten Krankenkasse eine Anzeige zur Pflichtversicherung ua nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V ab. Mit Bescheid vom 26.6.2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sei, weil die Versicherungspflicht des von der Klägerin repräsentierten
Personenkreises nach §
186 Abs
11 Satz 2
SGB V frühestens mit dem ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis beginnen könne, die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits
Grundsicherungsleistungen empfangen habe und der Empfang solcher Leistungen nach §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V die Versicherungspflicht gemäß §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V ausschließe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2007 zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben und neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide der Beklagten die Feststellung ihrer Krankenversicherungspflicht
ab dem 31.5.2007 begehrt. Mit Urteil vom 29.8.2008 hat das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass für die Klägerin ab dem 6.6.2007 Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das
LSG mit Urteil vom 18.11.2009 das vorinstanzliche Urteil im Umfang der Klagestattgabe aufgehoben und die Klage in vollem Umfang
abgewiesen. Die Klägerin sei auch ab 6.6.2007 nicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V krankenversicherungspflichtig. Ausgangspunkt sei zunächst, dass §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V nicht nur eine Übergangsregelung für "Altfälle" darstelle. Ausgangspunkt sei ferner, dass auch für den von §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V erfassten Personenkreis wie für Deutsche Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V nur dann eintrete, wenn nicht laufende Leistungen nach dem SGB XII empfangen würden. Ausgangspunkt sei schließlich, dass
§
186 Abs
11 Satz 2
SGB V für den Beginn der Mitgliedschaft formal auf den Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis abstelle. Hiervon ausgehend
sei die Klägerin ab 6.6.2007 nicht ohne jeden Krankenversicherungsschutz gewesen, weil für sie jedenfalls ab 1.6.2007 durch
Verwaltungsentscheidung ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zuerkannt worden sei und ab diesem Zeitpunkt auch rückwirkend
Krankenbehandlungskosten vom Sozialhilfeträger zu übernehmen gewesen wären. Hierauf und nicht auf den tatsächlichen Empfang
der Leistungen oder den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung hierüber sei abzustellen.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von §
5 Abs
1 Nr
13, Abs
8a und Abs
11 SGB V. Bei der Anwendung des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V sei auf den Beginn des tatsächlichen Leistungsbezugs und nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder denjenigen der Anspruchsentstehung
abzustellen. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die von "Empfängern" spreche, und der Gesetzessystematik. Soweit
in der Gesetzesbegründung an einen Anspruch auf Leistungen angeknüpft werde, folge hieraus keine abweichende Beurteilung.
Auch die Rechtsprechungstradition zu existenziellen und existenzsichernden Leistungen sowie die Notwendigkeit objektiv feststellbarer
Anknüpfungskriterien sprächen dafür, den tatsächlichen Leistungsbezug für maßgeblich zu erachten. Dieses zugrunde gelegt,
seien Grundsicherungsleistungen erst nach dem 6.6.2007 tatsächlich empfangen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Die Klägerin sei iS des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V seit dem 1.6.2007 Leistungsempfängerin. Würde auf den tatsächlichen Bezug abgestellt, könne die Begründung der Zuständigkeit
der gesetzlichen Krankenversicherung manipuliert werden.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten
vom 26.6.2007 und ihr Widerspruchsbescheid vom 16.8.2007 sind, soweit sie im Berufungs- und Revisionsverfahren (noch) zur
Überprüfung standen, rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte darin (auch) für die Zeit ab 6.6.2007 festgestellt, dass die
Klägerin nicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt.
Nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung (wie die im Folgenden genannten Bestimmungen eingefügt mit Wirkung vom
1.4.2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind seit dem 1.4.2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig Personen,
die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert (Buchst
a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, sie gehören zu den in §
5 Abs
5 SGB V genannten hauptberuflich Selbstständigen oder zu den nach §
6 Abs
1 oder 2
SGB V versicherungsfreien Personen oder hätten bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland zu ihnen gehört (Buchst b). §
5 Abs
11 SGB V enthält Sonderregelungen für Ausländer. Nach Satz 1 des Absatzes 11 werden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates
der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige
der Schweiz sind, von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine
Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem AufenthG besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG besteht. Gemäß §
5 Abs
8a SGB V ist nach Absatz
1 Nr
13 nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10
versichert ist (Satz 1). Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und
Siebten Kapitel des Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (Satz
2). Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird (Satz 3). §
186 Abs
11 SGB V regelt den Beginn der Mitgliedschaft bei Personen, die nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V versicherungspflichtig sind. Nach Satz 1 beginnt deren Mitgliedschaft mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf
Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Nach Satz 2 beginnt die Mitgliedschaft von Ausländern, die nicht Angehörige eines
Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige
der Schweiz sind, mit dem ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis oder der Aufenthaltserlaubnis. §
190 Abs
13 SGB V enthält Bestimmungen über das Ende der Mitgliedschaft nach §5 Abs 1 Nr 13
SGB V Versicherungspflichtiger. Die Mitgliedschaft dieser Personen endet danach ua mit Ablauf des Vortages, an dem ein anderweitiger
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet wird (Satz 1 Nr 1). Das gilt indessen nicht für Mitglieder, die Empfänger
von Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches sind (Satz 2).
1. Das Berufungsgericht ist zunächst ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu dem Personenkreis des
§
5 Abs
11 Satz 1
SGB V gehört. Im Hinblick auf die Feststellungen des LSG zu ihrer Staatsangehörigkeit, dem Charakter und der Gültigkeitsdauer ihres
Aufenthaltstitels sowie den diesem beigefügten Nebenbestimmungen unterfällt sie als Ausländerin iS dieser Bestimmung dem persönlichen
Anwendungsbereich des Versicherungspflichttatbestandes des §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V und wäre bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen nach §
186 Abs
11 Satz 2
SGB V am ersten Tag der Geltung ihrer Niederlassungserlaubnis (6.6.2007) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung geworden.
Der Senat kann offenlassen, ob der Tatbestand der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt ist, weil die Klägerin, die nach den Feststellungen des LSG in Deutschland
bisher weder gesetzlich noch privat krankenversichert war (vgl §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V), in Anwendung des §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst b (letzter Satzteil)
SGB V bei hypothetischer Betrachtung der privaten Krankenversicherung zuzuordnen wäre und woran sich eine derartige Prüfung bei
Personen, die im Rentenalter einreisen, ggf zu orientieren hätte. Hiermit hat sich das Berufungsgericht nicht befasst und
musste das auch nicht, weil es für die Annahme von Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V jedenfalls an deren weiterer Voraussetzung "kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" fehlt.
2. Wie die weite Fassung des §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V ("Absicherung im Krankheitsfall") erkennen lässt, kann dem Eintritt der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift nicht
nur ein anderweitiger Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung oder ein solcher in der privaten Krankenversicherung
entgegenstehen, sondern können auch Absicherungen außerhalb einer Versicherung diesen Versicherungspflichttatbestand "verdrängen".
Soweit dabei eine solche Absicherung über Leistungen nach dem SGB XII in Betracht kommt, wird das (negative) Tatbestandsmerkmal
"kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" durch §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V konkretisiert. Darin werden als nicht versicherungspflichtig "Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten
und Siebten Kapitel des Zwölften Buches" benannt. Liegt diese Voraussetzung vor, so ist eine Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V bereits tatbestandlich ausgeschlossen, auch wenn Satz 2 des §
5 Abs
8a SGB V mit seiner Anordnung einer entsprechenden Geltung des Satzes 1 den Eindruck vermittelt, es liege zwischen diesen Sicherungsformen
ein Verhältnis der Konkurrenz vor (so auch Peters in KassKomm, Stand April 2008, §
5 SGB V RdNr 164; Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 2009, §
5 SGB V RdNr 39; Felix in juris PK-
SGB V, §
5 RdNr 103; Klose in Jahn/Freudenberg,
SGB V, Stand August 2010, §
5 RdNr 236c,
283).
a) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V auf Fälle wie den vorliegenden zur Anwendung gelangt und nicht etwa nur eine Übergangsregelung für Altfälle darstellt. Die
Vorschrift betrifft also nicht nur Personen, die am 1.4.2007 (Tag des Inkrafttretens des GKV-WSG) bereits Leistungen nach dem SGB XII empfingen. Diese von der Klägerin bis ins Berufungsverfahren vertretene Auffassung würde
dazu führen, dass der erst später einsetzende (erstmalige) Empfang von Leistungen nach dem SGB XII in der Folgezeit den Eintritt
von Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V (generell) nicht hindert. Dem steht entgegen, dass die Leistungsverantwortung zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung
und den Trägern der Sozialhilfe, wie sie bisher bestand, durch die Einführung der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V nicht verschoben werden sollte (siehe dazu unten 3. c).
b) Eine Heranziehung des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin zu dem Personenkreis des §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V gehört, dem eine Verpflichtung zur Sicherung seines Lebensunterhalts iS von § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG als (allgemeine Erteilungs)Voraussetzung seines Aufenthalts nicht auferlegt ist. Soweit die Klägerin bis ins Berufungsverfahren
den Standpunkt vertreten hat, §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V sei im Verhältnis zu §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V spezieller, trifft dies nicht zu. Die Klägerin hat ihre Auffassung damit begründet, dass die Sozialhilfebedürftigkeit dieses
Personenkreises von vornherein feststehe, der Gesetzgeber diese Personen (gleichwohl) aus politischen Gründen habe privilegieren
wollen und eine gegenteilige Bewertung §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V keinen Anwendungsbereich (mehr) beließe. Zutreffend hat das Berufungsgericht dieser Ansicht entgegengehalten, dass sie im
Gesetz keine Stütze finde und im Ergebnis sogar zu einer Besserstellung gegenüber Deutschen führe, für die §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V in jedem Fall gelte. Soweit die Klägerin sinngemäß einwenden will, die Regelungen schlössen sich faktisch aus mit der Folge,
dass immer dann, wenn §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V zur Anwendung gelangt, gleichzeitig §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V nicht anwendbar oder jedenfalls der Tatbestand des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V nicht erfüllt wäre, greift dieser Einwand nicht durch. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist es möglich,
dass Personen iS des §
5 Abs
11 Satz 1
SGB V, die, ohne dass sich dieses aufenthaltsrechtlich auswirkt, staatliche Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beziehen
dürfen, Leistungen der in §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V genannten Art aber gleichwohl - etwa weil eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit aufgenommen wird (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 AufenthG) oder unterhaltssichernde Leistungen von Verwandten bezogen werden - nicht empfangen, sodass für diesen Personenkreis eine
Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V in Betracht kommt.
3. Ist §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V damit auch auf den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis anzuwenden, so war die dort genannte, den Tatbestand des
§
5 Abs
1 Nr
13 SGB V ausschließende Voraussetzung des "Empfangs" laufender Leistungen nach dem SGB XII, hier nach dem 4. Kapitel, in ihrem Fall
erfüllt. Das hat zur Folge, dass eine Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V am 6.6.2007, dem ersten Tag der Geltung ihrer Niederlassungserlaubnis als dem frühest möglichen Beginn der Versicherungspflicht
(§
186 Abs
11 Satz 2
SGB V), nicht eintrat. Dieser Zeitpunkt des ersten Geltungstags der Niederlassungserlaubnis ist für die Beurteilung der Voraussetzungen
der Versicherungspflicht bei dem von der Klägerin repräsentierten Personenkreis maßgebend. Das folgt aus dem anzuwendenden
materiellen Recht. Aus dem Regelungszusammenhang des §
186 Abs
11 Satz 2
SGB V mit §
190 Abs
13 Satz 2
SGB V, der die Leistungsverantwortung im Krankheitsfall letztlich nach dem Zeitkriterium zuweist, ergibt sich nämlich, dass §
186 Abs
11 Satz 2
SGB V nicht nur eine Regelung über den Beginn der Mitgliedschaft (und den - in §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V nicht genannten - Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht), sondern auch eine Antwort auf die Frage zu entnehmen
ist, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V erfüllt sein müssen.
Im Sinn des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V "empfangen" werden laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter (und bei Erwerbsminderung), wie sie die Klägerin erhält,
in dem Zeitraum, für den sie durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers zuerkannt werden. Entgegen der von der Revision vertretenen
Auffassung entscheidet über den Eintritt bzw Ausschluss der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V infolgedessen nicht, ob solche Leistungen - im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - tatsächlich erbracht, also ausgekehrt
bzw erhalten (im Folgenden: tatsächlich bezogen) werden, sondern ob sie - in diesem Zeitpunkt - beansprucht werden können.
Mit der vom Sozialhilfeträger getroffenen Bestimmung über den Beginn des Leistungsanspruchs steht gleichzeitig fest, ob Versicherungspflicht
nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V eintritt oder ausgeschlossen ist. Diese vom Senat vorgenommene Auslegung des Begriffs "Empfänger" in §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V, die sich im Hinblick auf §
44 Abs
1 Satz 2 SGB XII vor allem bei "Empfängern" von Grundsicherung im Alter (und bei Erwerbsminderung) auswirkt, folgt aus dem
Bedeutungszusammenhang der Norm (dazu b) und vor allem aus dem Zweck, der der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V als sog Auffang-Versicherungspflicht bei ihrer Einführung beigelegt wurde (dazu c). Einer solchen Auslegung steht der Wortlaut
des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V nicht entgegen (dazu a).
a) Entgegen der von der Revision und dem SG (vgl auch SG Wiesbaden Beschluss vom 25.10.2007 - S 17 KR 248/07 ER - und SG Hamburg, Beschluss vom 21.8.2007 - S 8 KR 490/07 ER; jeweils in juris veröffentlicht) vertretenen Auffassung ist der Wortsinn des Begriffs "Empfang" laufender Leistungen
nach dem 4. Kapitel des SGB XII in §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V (und §
190 Abs
13 Satz 2
SGB V) nicht in dem Sinne eindeutig, dass darunter ausschließlich der tatsächliche Bezug der Leistungen zu verstehen ist. Zwar
trifft es zu, dass der Gesetzgeber die Norm hätte präziser fassen und den Ausschluss der Versicherungspflicht explizit an
die "Inhaberschaft eines Anspruchs" knüpfen können. Hieraus ergibt sich indessen nicht, dass der Wortlaut, wie das SG meint, für das vom Senat gefundene Auslegungsergebnis verschlossen ist. Richtigerweise deutet im Übrigen die Revision selbst
darauf hin, dass der Gesetzgeber Formulierungen, wie sie in den in §
5 Abs
1 Nr
2 und
2a SGB V (und - andererseits - in den in §
5 Abs
1 Nr
11 und
12 SGB V) geregelten Versicherungspflichttatbeständen enthalten sind, nicht verwendet hat. In §
5 Abs
1 Nr
2 und
2a SGB V wird die Versicherungspflicht, unabhängig vom materiell-rechtlichen Behaltensgrund, an den tatsächlichen Bezug der Leistung
gekoppelt. Auch aus der Begründung, die den Bestimmungen des §
5 Abs
1 Nr
13 und Abs
8a Satz 2
SGB V von den Entwurfsverfassern beigegeben ist, lassen sich Anhaltspunkte für eine Definition des Begriffs "Empfang" - in der
einen oder anderen Richtung - nicht entnehmen. So ist in der Begründung zum Gesetzentwurf zu §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V ausgeführt, dass ohne Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall insbesondere die nicht gesetzlich oder privat
krankenversicherten Personen seien, die keinen "Anspruch" auf Hilfe bei Krankheit nach ... §
48 SGB XII, §
264 SGB V ... hätten ... (BT-Drucks 16/3100 S 94), während zu §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V dargelegt ist, dass der Sozialhilfeträger weiterhin für die Krankenbehandlung der "Empfänger" von Leistungen ... zuständig
bleibe ... (BT-Drucks 16/3100 S 95). Keinen Aufschluss über die Wortbedeutung gibt auch die Begründung der Beschlussempfehlungen
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu §
5 Abs
8a (Satz 3)
SGB V (BT-Drucks 16/4200 S 9; BT-Drucks 16/4247 S 29: "... Leistungsbezug ..."; "... Anspruch auf laufende Leistungen ...").
b) Eine Auslegung des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V, nach der für den Begriff "Empfang" laufender Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf den - vom Sozialhilfeträger
durch Verwaltungsakt (bestimmten) zuerkannten - (Beginn des) Leistungsanspruch(s) abzustellen ist, ist jedoch aus Gründen
der (Gesetzes)Systematik geboten.
Wie bereits erörtert (siehe dazu oben 2.), steht §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V im thematischen Zusammenhang mit §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V, den er, soweit eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall über Leistungen nach dem SGB XII in Betracht kommt, tatbestandlich
konkretisiert. Soweit es um das gegenwärtige "Fehlen" (vgl BT-Drucks 16/3100 S 94) einer anderweitigen Absicherung geht, wird
dieses dort als Abwesenheit eines "Anspruchs" definiert. An das Nichtbestehen eines anderweitigen "Anspruchs" auf Absicherung
im Krankheitsfall knüpfen auch die Bestimmungen über den Beginn der Mitgliedschaft der nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V Versicherungspflichtigen in §
186 Abs
11 Sätze 1 und 3
SGB V an, ebenso die Vorschrift über das Ende der Mitgliedschaft in §
190 Abs
13 Satz 1 Nr
1 SGB V, wenn eine Absicherung aufgrund anderer Leistungen als der Sozialhilfe in Betracht kommt. Nicht auf den tatsächlichen Leistungsbezug,
sondern auf die Beurteilung des "Anspruchs" - für den Fall seiner Unterbrechung, bei nachgehendem Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen
nach §
19 Abs
2 SGB V - heben außerdem die übrigen Bestimmungen des §
5 Abs
8a SGB V ab, nämlich jene in den Sätzen 3 und 4. Dieser Maßstab muss konsequenterweise auch bei der Auslegung des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V zugrunde gelegt werden, soll nicht der Regelungszusammenhang mit den genannten Vorschriften durchbrochen werden.
Die vom Senat vertretene Auffassung fügt sich in seine bisherige Rechtsprechung ein. So hat der Senat, auch wenn hier andere
Fragen zu beantworten waren, mit Urteil vom 27.1.2010 (B 12 KR 2/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, in juris veröffentlicht) auch für Personen, die Leistungen der Jugendhilfe erhalten,
deutlich gemacht, dass es für den Eintritt bzw Ausschluss der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V darauf ankommt, ob Leistungen der Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII beansprucht werden können. Wie die Revision zutreffend ausführt, ist indes aus dem Urteil des Senats vom 22.5.2003 (B 12 KR 20/02 R - USK 2003-9, in juris veröffentlicht) für die Beantwortung der vorliegenden Frage nichts herzuleiten. Das Urteil betrifft
den - umgekehrten - Fall, in dem der Erhalt von Leistungen (Arbeitslosengeld) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
begründet (vgl §
5 Abs
1 Nr
2 SGB V).
c) Die vom Senat vorgenommene Auslegung ist vor allem unter teleologischen Gesichtspunkten im Hinblick auf den mit der Einführung
der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V verfolgten Zweck als sog Auffang-Versicherungspflicht geboten.
Mit dem GKV-WSG hat der Gesetzgeber die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für bisher nicht versicherte Personen
eingeführt. Nachdem zunächst ab dem 1.1.2005 ein befristetes Beitrittsrecht gemäß §
9 Abs
1 Satz 1 Nr
8 SGB V für Personen bestand, die in der Vergangenheit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bezogen hatten und davor zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert waren, dieses jedoch bei einem weiteren
Bezug von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII oder bei Bezug laufender Leistungen
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII ausgeschlossen war (vgl hierzu Urteil
des Senats vom 13.6.2007 - B 12 KR 29/06 R - SozR 4-2500 §
9 Nr
1), regelt §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V nunmehr eine Einbeziehung von Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt
gesetzlich krankenversichert waren (vgl §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V) oder nach der Abgrenzung des §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst b
SGB V der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind. Die Versicherungspflicht besteht dabei unabhängig von einem Beitritt
kraft Gesetzes (vgl im Einzelnen Urteil des Senats vom 27.1.2010, aaO, juris RdNr 13).
Zutreffend legen Berufungsgericht und Beklagte dar, dass sich mit der Einführung der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V die Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung "verschieben" sollte.
Grundsätzlich stehen Krankenversicherung und der Empfang von Sozialhilfeleistungen - wie bisher - unabhängig nebeneinander
(zum Folgenden Peters, aaO, §
5 SGB V RdNr
179). Anders als der Bezug anderer Sozialleistungen (vgl §
5 Abs
1 Nr
2 und
2a SGB V) begründet der Empfang von Sozialhilfeleistungen als solcher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Er vermittelt auch kein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung (mehr). Andererseits bleibt eine einmal begründete Versicherungspflicht
(auf Grund des §
5 Abs
1 SGB V) oder eine freiwillige Versicherung trotz (späteren) Empfangs von Sozialhilfeleistungen bestehen. Dem SGB XII liegt die Vorstellung
zugrunde, dass eine solche Versicherung möglichst aufrechterhalten wird (vgl §
32 SGB XII). Wer allerdings (ohne Anwendung des §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V) nicht versichert ist und laufende Sozialhilfeleistungen empfängt, ist iS von §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V (iVm §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V) im Krankheitsfall anderweitig abgesichert (vgl §
48 SGB XII iVm §
264 Abs
2 SGB V) und nicht nach dieser Vorschrift versicherungspflichtig. Krankenversicherungspflicht tritt dann nach §
5 Abs
8a Satz 3
SGB V auch nicht während einer kurzen Unterbrechung des Leistungsanspruchs ein. Werden Sozialhilfeleistungen demgegenüber nicht
empfangen und besteht auch sonst keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, so wird - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen
- die Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V (iVm §
186 Abs
11 Satz 1
SGB V) als sog Auffang-Versicherungspflicht begründet. In Fortführung des bisherigen Grundsatzes, wonach eine einmal begründete
Krankenversicherungspflicht bestehen bleibt, führt ein (späterer) Empfang von Sozialhilfeleistungen nach §
190 Abs
13 Satz 2
SGB V auch bei dieser nicht zum Ende der Mitgliedschaft. Aus dem Zusammenspiel der genannten Regelungen ergibt sich, dass die Versicherung
nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V subsidiär ist und die ebenfalls nachrangigen (vgl §
2 SGB XII) laufenden Leistungen nach dem SGB XII diese Subsidiarität nicht einschränken (vgl - zu den nachrangigen Leistungen
der Jugendhilfe nach dem SGB VIII - BSG Urteil vom 27.1.2010, aaO, juris RdNr 17). Dieser Zweck einer sog Auffang-Versicherungspflicht wird auch nach der von
den Entwurfsverfassern dem §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V (in seinen verschiedenen Fassungen) beigegebenen Begründung verfolgt. So soll mit Satz 2 des §
5 Abs
8a SGB V erreicht werden, dass der Sozialhilfeträger "weiterhin" für die Krankenbehandlung der Empfänger von Leistungen nach ... dem
SGB XII zuständig bleibt (BT-Drucks 16/3100 S 95). Mit Satz 3 des §
5 Abs
8a SGB V ist beabsichtigt sicherzustellen, dass die "Vorrangregelung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nach §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V nicht soll ... unterlaufen werden können" (BT-Drucks 16/4247 S 29). Hiermit wurde ein Anliegen des Bundesrates übernommen,
der gefordert hatte, bei der angedachten Versicherungspflichtlösung eine "Kostenverschiebung durch die Sozialhilfeträger"
zu verhindern bzw auszuschließen, dass eine (unter Umständen "gesteuerte") Unterbrechung des Sozialhilfeleistungsbezugs eine
Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V eintreten lässt, mit der die "Vorrangregelung des §
5 Abs
8a Satz 2
SGB V" ausgehebelt werden könnte (BR-Drucks 755/06 [Beschluss] S 2). Ist danach nicht ersichtlich, dass durch die Einführung der
Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V Kosten einer bestehenden Absicherung im Krankheitsfall auf die Solidargemeinschaft der in der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherten verlagert und die Träger der Sozialhilfe von den Kosten der Hilfe bei Krankheit nach §
48 SGB XII bzw den Erstattungskosten bei Übernahme der Krankenbehandlung nach §
264 Abs
2 SGB V entlastet werden sollten, so tragen die Sozialhilfeträger diese Kosten weiter (in diesem Sinne bereits Urteil des Senats
vom 13.6.2007, aaO, RdNr 20). Eine Änderung dieser bestehenden Kostentragungspflicht und die finanzielle Belastung durch die
mit Einführung einer Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V verbundene Beitragspflicht hätte einer eigenständigen Regelung bedurft (vgl Urteil des Senats vom 27.1.2010, aaO, juris RdNr
17).
Zu einer solchen "Verschiebung" der Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall würde es kommen, wenn über den Eintritt
bzw Ausschluss der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V entschiede, ob Leistungen der Grundsicherung im Alter (und bei Erwerbsminderung) - im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt
- tatsächlich bezogen werden. Dem Zweck der Versicherungspflicht als sog Auffang-Versicherungspflicht entspricht es demnach
nur, wenn für den Begriff "Empfang" laufender Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf den - vom Sozialhilfeträger (bestimmten)
zuerkannten - (Beginn des) Leistungsanspruch(s) abgestellt wird. Nur dadurch wird eine Abhängigkeit des Eintritts von Versicherungspflicht
nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V von Zufälligkeiten bei der Bescheiderteilung durch den Sozialhilfeträger oder bei der Auszahlung der Leistungen vermieden.
Es kommt infolgedessen weder darauf an, wann der Sozialhilfeträger solche Leistungen durch Verwaltungsakt zuerkennt, noch
darauf, wann er sie erbringt, also auskehrt und sie vom Leistungsempfänger erhalten werden, insbesondere nicht darauf, ob
beides ohne Verzögerung erfolgt.
Soweit diesem Ergebnis in Schrifttum und Rechtsprechung (etwa Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand April 2009, K §
5 RdNr 474g; ihm folgend SG Hamburg Beschluss vom 21.8.2007, aaO, juris RdNr 10) entgegengehalten wird, im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt
komme es deshalb auf den "tatsächlichen Status des Empfängers" an, weil innerhalb des gegliederten Sozialleistungssystems
die Regelungsbefugnis des jeweils zuständigen Trägers maßgebend und, sofern dem nicht gesetzliche Sonderregelungen entgegenstünden,
bindend sei, greift dieser Einwand nicht durch. Zutreffend führt die Beklagte insoweit aus, dass es die Regelungsbefugnis
des Sozialhilfeträgers (gerade) missachten würde, wenn die Krankenkassen eine ggf rückwirkende Bewilligung von Grundsicherungsleistungen
durch den Sozialhilfeträger nicht berücksichtigten.
Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ist eine andere Beurteilung auch nicht im Hinblick auf die "gesetzgeberisch-technische
Ausgestaltung der Pflichtversicherung als selbstvollziehende Versicherung" gefordert. Soweit hiermit die Vorstellung verknüpft
wird, wegen des "Selbstvollzugs" sei es systemwidrig, später eintretende Änderungen zu berücksichtigen mit der Folge, dass
die Tatbestandswirkung eines später erlassenen Verwaltungsakts die zum Beurteilungszeitpunkt ermittelten Tatsachen nicht mehr
entfallen lassen könne (so etwa SG Wiesbaden, Beschluss vom 25.10.2007, aaO, juris RdNr 35), ist darauf hinzuweisen, dass
eine rückwirkende Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Krankenversicherungspflicht (mit den sich daraus ergebenden
Folgen) grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Soweit aus dem Umstand des "Selbstvollzugs" weiter der Schluss gezogen wird,
es bedürfe objektiv feststellbarer Kriterien, die den Krankenkassen eine leichte Handhabung ermöglichten und Missbrauch weitestgehend
ausschlössen, ist nicht erkennbar, warum nicht auch die durch Verwaltungsakt vorgenommene Bestimmung des Sozialhilfeträgers
über den Beginn des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen ein solches Kriterium sein kann.
Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob es dem oben beschriebenen Konzept einer sog Auffang-Versicherungspflicht noch
entspräche, wenn von ihr auch solche "Empfänger" laufender Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ausgeschlossen würden,
bei denen mit dem Anspruch auf laufende Leistungen ein solcher auf Hilfe bei Krankheit nach §
48 SGB XII bzw eine Übernahme der Krankenbehandlung nach §
264 Abs
2 SGB V im Einzelfall nicht korrespondiert (vgl insoweit das Urteil des Senats vom 27.1.2010, aaO, juris RdNr 16, in dem darauf hingewiesen
wird, dass Empfänger von laufenden Leistungen grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall nach §
48 SGB XII iVm §
264 Abs
2 SGB V haben). Nach der während des Gesetzgebungsverfahrens - auf Empfehlung des 14. Ausschusses (BT-Drucks 16/4200 S 9; BT-Drucks
16/4247 S 29) - vorgenommenen inhaltlichen Änderung des Entwurfs des §5 Abs 8a Satz 2
SGB V wird dort für den Ausschluss der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V tatbestandlich nicht (mehr) allgemein an den Empfang von Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel und damit auch solche nach
dem 5. Kapitel des SGB XII angeknüpft, sondern allein an denjenigen "laufender Leistungen" nach dem (3., 4., 6. und 7. Kapitel
des) SGB XII (zur Kritik hieran vgl Gerlach, aaO, RdNr 474d). Kann danach der Empfang von Hilfen zur Gesundheit iS des 5.
Kapitels des SGB XII allein, also ohne gleichzeitigen Empfang laufender Leistungen einen eigenständigen Ausschlusstatbestand
für den Eintritt der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V nicht (mehr) darstellen, so ist umgekehrt offen, wie die Frage nach dem Eintritt der Auffang-Versicherungspflicht im Fall
des Empfangs laufender Leistungen ohne korrespondierenden Anspruch auf Hilfe bei Krankheit bzw ohne eine Übernahme der Krankenbehandlung
nach §
264 Abs
2 SGB V zu beantworten wäre. Auf diesen Konflikt deutet auch die Revision hin. Einer Entscheidung hierüber bedarf es indessen nicht,
weil eine solche "Versorgungslücke" hier - entgegen der auch vom SG vertretenen Ansicht - nicht vorliegt. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich die Klägerin bereits am 5.6.2007
und damit vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt an den Sozialhilfeträger gewandt und dort Sozialhilfeleistungen beantragt
hat, und legt das LSG dar, dass (deshalb) am 6.6.2007 etwa angefallene Kosten im Krankheitsfall vom Sozialhilfeträger zu tragen
gewesen wären.
4. Nach alledem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Klägerin ist am 6.6.2007, dem für die Beurteilung des Vorliegens
der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V maßgeblichen Zeitpunkt, nicht nach dieser Vorschrift krankenversicherungspflichtig geworden. Die Beklagte durfte ihrer Entscheidung
zugrunde legen, dass der Klägerin auf ihren am 5.6.2007 eingegangenen Antrag hin rückwirkend ab 1.6.2007 ein Anspruch auf
Grundsicherungsleistungen im Alter (und bei Erwerbsminderung) vom Sozialhilfeträger zuerkannt wurde. Sie durfte unberücksichtigt
lassen, dass über den Antrag vom 5.6.2007 am 6.6.2007 vom Sozialhilfeträger noch nicht entschieden war und (deshalb) zu diesem
Zeitpunkt Grundsicherungsleistungen auch noch nicht tatsächlich bezogen wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.