Beitragspflicht der besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG in der gesetzlichen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die "besondere Zuwendung für Haftopfer" nach § 17a des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG, § 17a eingefügt durch Gesetz vom 21.8.2007, BGBl I 2118) bei der Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV),
die aufgrund einer Auffangpflichtversicherung zu zahlen sind, berücksichtigt werden darf.
Der 1947 geborene Kläger ist seit 1.4.2007 bei der beklagten AOK in der Auffangpflichtversicherung nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V versichert. Er bezieht Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie seit 1.3.2008 eine besondere
Zuwendung für Haftopfer nach § 17a StrRehaG in Höhe von monatlich 250 Euro.
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 27.12.2007 zuletzt die vom Kläger zu entrichtenden Beiträge zur GKV ab 1.1.2008 auf
11,11 Euro monatlich festgesetzt hatte, setzte sie die Beiträge mit Rücksicht auf die ihm gewährte besondere Zuwendung rückwirkend
zum 1.3.2008 auf 32,25 Euro monatlich fest (Bescheid vom 23.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 14.10.2008). Später erfolgte
eine weitere Änderung der Beitragshöhe zum 1.1.2009 (Bescheid vom 26.1.2009).
Das SG hat die genannten Bescheide insoweit aufgehoben, als darin die Beiträge zur GKV für den Zeitraum von März 2008 bis Juni 2009
unter Berücksichtigung der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG festgesetzt wurden (Urteil vom 30.4.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung 12 Euro (März bis Juni 2008), 11,01 Euro (Juli bis Dezember 2008) bzw 14,46 Euro
(Januar bis Juni 2009) betrügen: Die Beitragsbemessung werde nach §
240 Abs
1 iVm §
227 SGB V auch für Pflichtversicherte nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V durch Satzung der Krankenkasse bzw ab 1.1.2009 durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt.
Im Rahmen der dazu nötigen Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit komme die besondere Zuwendung für Haftopfer
nach § 17a StrRehaG zwar grundsätzlich auch als Einnahme im Sinne des §
240 Abs
1 S 2
SGB V in Betracht; sie sei insbesondere nicht mit der nach der Rechtsprechung des BSG nicht der Beitragsbemessung unterliegenden Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG vergleichbar, weil sich diese von der besonderen Zuwendung dadurch unterscheide, dass sie nahezu im gesamten Rechtssystem
privilegiert sei und nicht als zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehendes Einkommen gewertet werde. Allerdings
sei die vermeintliche normative Grundlage in § 19 der Satzung der Beklagten bzw in § 3 Abs 1 der vom GKV-Spitzenverband beschlossenen
sog "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" nicht ausreichend, um die besondere Zuwendung des § 17a StrRehaG der Beitragspflicht zu unterwerfen. Da das BSG diese Leistung in seiner Rechtsprechung bislang nicht als Einnahme zum Lebensunterhalt anerkannt habe, reichten generalklauselartige
Regelungen nämlich nicht aus, um die Beitragspflicht nach §
240 Abs
1 SGB V zu begründen; Gleiches gelte für den von einem Arbeitskreis der Spitzenverbände der Krankenkassen am 24.10.2008 beschlossenen
"Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach §
240 SGB V" (Urteil vom 19.10.2012).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des §
240 Abs
1 SGB V. Nach dem bis zum 31.12.2008 geltenden §
19 Abs 1 S 1 ihrer Satzung gehörten zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder Arbeitsentgelt sowie alle Einnahmen
und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten ohne Rücksicht auf die steuerliche
Behandlung. Das BSG habe bereits entschieden, dass für die Beitragsbemessung auf der Grundlage von Satzungsregelungen dieser Art alle Einnahmen
maßgeblich seien, die dem Versicherten bei einer anzulegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts
zur Verfügung stünden; ausgenommen seien nur Leistungen, die im Hinblick auf ihre besondere Zweckbestimmung den "Einnahmen"
des Versicherten zum Lebensunterhalt nicht zugeordnet werden könnten. Die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG bestimme als regelmäßig wiederkehrende Geldleistung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS von §
240 Abs
1 SGB V. Es handele sich dabei um eine Einnahme, die der Berechtigte für seinen Lebensunterhalt verbrauchen könne, wie schon ihre
tatbestandliche Anknüpfung an eine Bedürftigkeit belege. Gleiches ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, nach der mit der
Leistung ein "Ausgleich für verfolgungsbedingte wirtschaftliche Bedürftigkeit" erfolgen solle, selbst wenn daneben ideelle
Zwecke (= Anerkennung und Würdigung des Widerstands gegen die SED-Diktatur) verfolgt würden. Außerdem werde die besondere
Zuwendung des § 17a StrRehaG - anders als die Grundrente nach § 31 BVG - entsprechend den zutreffenden Erwägungen des LSG nicht vom gesamten Rechtssystem privilegiert. Das LSG nehme dann jedoch
wieder zu Unrecht an, dass generalklauselartige Regelungen wie in § 19 Abs 1 der Satzung nicht zur Begründung der Beitragspflicht
ausreichten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Oktober 2012 und des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 2010
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das LSG-Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben nur im Ergebnis - nämlich mit einer von den nachfolgenden Ausführungen abweichenden Begründung - zutreffend
entschieden, dass die den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind.
Die dem Kläger gewährte besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG durfte bei der Bemessung der Beiträge des nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V pflichtversicherten Klägers zur GKV auf der Grundlage von §
240 Abs
1 iVm §
227 SGB V ab 1.3.2008 nicht mitberücksichtigt werden.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch die mit Bescheid der Beklagten vom 23.7.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14.10.2008 unter Aufhebung des vorangegangenen letzten Beitragsbescheides vom 27.12.2007 festgesetzten
Beiträge des Klägers zur GKV für die Zeit vom 1.3.2008 bis 31.12.2008. Die Beteiligten haben den Gegenstand des Rechtsstreits
durch einvernehmliche Prozesserklärungen vor dem SG sowie vor dem Senat auf diesen Zeitraum beschränkt.
2. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 27.12.2007 und die Beitragsneufestsetzung ab 1.3.2008
kommt nur § 48 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind jedoch in Bezug auf die angenommene beitragserhöhende Wirkung der dem Kläger ab
1.3.2008 in Höhe von 250 Euro monatlich gewährten Opferpension nach § 17a StrRehaG nicht erfüllt.
a) Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - darum handelt es sich bei einem Bescheid, der (wie hier) die Höhe der laufend monatlich
zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge festsetzt - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt
soll nach Satz 2 der Vorschrift (darüber hinausgehend) bereits mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben
werden, wenn die in Nr 1 bis Nr 4 näher umschriebenen Voraussetzungen vorliegen.
Es kann dahinstehen, ob im Falle des Klägers die Voraussetzungen für die mit dem Bescheid vom 23.7.2008 (in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides) erfolgte Aufhebung des ursprünglichen Bescheides vom 27.12.2007 bereits rückwirkend zum 1.3.2008 -
dem Beginn der Gewährung der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG - erfüllt waren oder ob mit Blick auf die Leistungsgewährung lediglich eine zukunftsgerichtete Änderung der Beitragsfestsetzung
in Betracht kam. Selbst wenn man nämlich erstes annehmen wollte, steht der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide entgegen,
dass die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG nicht zu den Einnahmen gehört, aus denen nach §
240 Abs
1 und
2 iVm §
227 SGB V Beiträge zur Krankenversicherung erhoben werden dürfen. Daher trat durch die Gewährung der Opferpension in Bezug auf die
Höhe der Beiträge des Klägers zur GKV keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen iS von
§ 48 Abs 1 S 1 SGB X ein, die beim Erlass des ursprünglichen Beitragsbescheides vom 27.12.2007 vorlagen.
b) Die Beitragsbemessung der nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V pflichtversicherten Personen, zu denen nach den Feststellungen des LSG der Kläger gehört, erfolgt gemäß §
227 SGB V in entsprechender Anwendung des §
240 SGB V. Danach war die Beitragsbemessung bis zum 31.12.2008 durch Satzung zu regeln (§
240 Abs
1 S 1
SGB V - eingeführt durch das Gesundheits-Reformgesetz [GRG] vom 20.12.1988, BGBl I 2477 - idF des Gesetzes vom 26.3.2007, BGBl
I 378); dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds
berücksichtigt.
Durch die Bezugnahme auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in §
240 Abs
1 S 2
SGB V (zum 1.1.1989 eingeführt durch das GRG vom 20.12.1988, BGBl I 2477) sollte erreicht werden, dass der Beitragspflicht "alle Einnahmen und Geldmittel zugrunde gelegt
werden, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte", dies "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche
Behandlung", jedoch auch "nicht automatisch ..., ohne dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird" (so Gesetzentwurf
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum GRG, BT-Drucks 11/2237 S 225 zu § 249). Diese nach der Entstehungsgeschichte authentische inhaltliche Ausfüllung des Begriffs der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit"
durch die Heranziehung aller "Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte"
(in diesem Sinne auch die stRspr des BSG, vgl zuletzt BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 §
240 Nr 16, RdNr 23; ferner zB Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
240 RdNr 45 [Stand Einzelkommentierung 12/2011]) hat die Beklagte in ihrer bis 31.12.2008 für die Beitragsbemessung einschlägigen
Satzung inhaltsgleich übernommen (§ 19 Abs 1 S 1).
Weil §
240 Abs
1 SGB V an die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds anknüpft, ist nach der Rechtsprechung des Senats die Beitragspflicht
nicht auf bestimmte, dem Arbeitsentgelt gleichstehende Einkunftsarten beschränkt, mögen die Einkünfte dem Versicherten auch
als Sozialleistungen als Ausgleich für ein finanzielles Defizit zufließen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 9 RdNr 14). Der Senat hat daher auch unter Geltung der
RVO noch als beitragsfrei angesehene Sozialleistungen nach Inkrafttreten des
SGB V als der Beitragsbemessung unterworfene Einnahmen behandelt, etwa Mehrbedarfszuschläge nach dem BSHG sowie Wohngeld (BSGE 87, 228, 235 ff = SozR 3-2500 § 240 Nr 34 S 162 ff), Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 41 S 209 f) und von einem Sozialleistungsträger übernommene Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung oder
für den allgemeinen Unterkunfts- bzw Wohnbedarf des Leistungsempfängers (BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 40). Das bedeutet allerdings nicht, dass sämtliche Sozialleistungen mit einer besonderen
Zweckbestimmung bei einer anzulegenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise wegen ihrer bloßen Eignung zur Bestreitung des Lebensunterhalts
beitragspflichtig wären. Vielmehr hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt einzelne Leistungen als beitragsfrei
behandelt, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, sondern denen
eine besondere Zweckbestimmung innewohnt und bei denen die Gefahr bestünde, dass die Erfüllung des mit ihnen verfolgten Zwecks
nicht mehr gewährleistet wäre, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung stünde. In diesem Sinne hat
der Senat die Beschädigtenrente nach § 31 BVG (BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 9), Leistungen in Form der (früheren) Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG (BSGE 71, 237, 240 f = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 S 47 ff) und die (heutigen) Leistungen des SGB XII zur Befriedigung des einen stationären Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs (BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 25 ff; BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 17 RdNr 47, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) als nicht beitragspflichtig angesehen (vgl
auch die Übersicht bei Bernsdorff in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
240 RdNr 18; kritisch zur fehlenden Beitragspflicht zweckgebundener Leistungen weiterhin Gerlach, SGb 2013, 108, 110, 112).
Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert regelmäßig eine
wertende Entscheidung dazu, ob die Leistungen der Bestreitung des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ob sie -
etwa weil sie Leistungen vergleichbar sind, für die das BSG in seiner Rechtsprechung zu §
240 SGB V Derartiges bereits anerkannt hat - eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts
aufweisen (so bereits BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 29 f). So differenziert der Senat zB auch weiterhin bei den Leistungen nach dem SGB XII zur Befriedigung eines einen Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs zwischen der beitragspflichtigen Hilfe zum Lebensunterhalt
(die ein außerhalb einer stationären Einrichtung lebender Hilfebedürftiger zur Befriedigung seines allgemeinen Lebensunterhalts
erhalten hätte) und nicht beitragspflichtigen pflegebezogenen Zuwendungen, deren besondere Zweckbestimmung (vergleichbar der
früheren Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG) ausschließlich in der Kompensation der konkreten Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit liegt (BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 27 ff; BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 17 RdNr 47, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
c) In Anwendung dieser Grundsätze kann die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG nicht der Beitragspflicht nach §
240 SGB V unterliegen. Sie prägt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht mit. Ihre bloße Eignung, auch zum Bestreiten
des allgemeinen Lebensunterhalts verwendet werden zu können, reicht insoweit nicht aus, weil die Erfüllung des mit ihr verfolgten
Zwecks nicht mehr gewährleistet wäre, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung stünde. Die Opferpension
kann nach der ihr vom Gesetzgeber beigelegten Sonderstellung bei wertender Betrachtungsweise nicht als der Befriedigung des
allgemeinen Lebensunterhalts dienend eingestuft werden. Vielmehr liegt ihr der auch für das soziale Entschädigungsrecht charakteristische
Gedanke zugrunde, dass der Betroffene ein von der Allgemeinheit mit auszugleichendes Sonderopfer erlitten hat. In diesem Sinne
weist die besondere Zuwendung eine Nähe zur Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG auf, die als Basisleistung des sozialen Entschädigungsrechts von der Beitragspflicht ausgenommen ist. Eine solche Nähe besteht
auch, soweit der Senat mit Blick auf die der Beschädigtengrundrente innewohnende Sonderstellung darauf abgestellt hat, dass
sie im gesamten Rechtssystem privilegiert ist, indem sie nahezu in allen Regelungszusammenhängen nicht als zur Bestreitung
des Lebensunterhalts zur Verfügung stehendes Einkommen gewertet wird (BSG 4-2500 § 240 Nr 9 RdNr 16, 18; vgl auch zuletzt zur Privilegierung dieser Rente trotz fehlender expliziter Ausnahmeregelung im Asylbewerberleistungsrecht
BSG Urteil vom 24.5.2012 - B 9 V 2/11 R -, BSGE 111, 79 = SozR 4-3520 § 7 Nr 1, RdNr 21 ff).
aa) Schon der in den Gesetzesmaterialien formulierte Zweck der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG lässt eine Zuordnung als zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts dienende Mittel nicht zu.
Das StrRehaG in seiner Ursprungsfassung vom 29.10.1992 (BGBl I 1814) ist - neben der daneben tretenden verwaltungsrechtlichen und beruflichen
Rehabilitierung - Teil der Gesetze zur Bereinigung von SED-Unrecht und regelt ua in § 1 die Aufhebung rechtsstaatswidriger
Entscheidungen im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8.5.1945 bis 2.10.1990. Das Gesetz sieht in §§ 16 ff soziale Ausgleichsleistungen
für Berechtigte in Form von Kapitalentschädigung sowie Unterstützungs- und Versorgungsleistungen vor. Diese sozialen Ausgleichsleistungen
sollen Nachteile ausgleichen, die einem strafrechtlich rehabilitierten Betroffenen "durch eine Freiheitsentziehung entstanden"
sind (§ 16 Abs 1 StrRehaG). Hiervon erfasst sind neben materiellen und gesundheitlichen insbesondere auch immaterielle Schäden (vgl Gesetzentwurf der
Bundesregierung zum 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, BT-Drucks 12/1608 S 36 unter 13. zu Art 1 [§ 16 Abs 1]; vgl hierzu
zB Peifer in: Herzler, Rehabilitierung, 2. Aufl 1997, § 16 StrRehaG RdNr 1). An diese - für alle sozialen Ausgleichleistungen nach §§ 16 ff StrRehaG geltende - Zweckbestimmung knüpfte der Gesetzgeber auch in Bezug auf die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG an, die er erst durch das "Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen
Verfolgung in der ehemaligen DDR" vom 21.8.2007 (BGBl I 2118) schuf und durch das Vierte Gesetz gleichen Namens vom 2.12.2010
(BGBl I 1744) modifizierte (vgl ferner Art 11 des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa
und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl I 1202). Nach dieser Regelung erhalten nach § 17 Abs 1 StrRehaG kapitalentschädigungsberechtigte Personen, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind, auf Antrag eine
monatliche besondere Zuwendung für Haftopfer, wenn sie eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen
Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens 180 Tagen erlitten haben; die Höhe der Zuwendung beläuft
sich auf (einheitlich) laufend 250 Euro monatlich. Die als weitere Anerkennung und Würdigung des Widerstandes gegen die SED-Diktatur
von ehemaligen politischen Häftlingen und ihren Verbänden seit langem geforderte Opferpension ergänzte in "Unterstützung für
Opfer der SED-Diktatur" innerhalb des Regelungssystems die bereits geschaffenen Verfolgtenrenten, Haftentschädigungen und
rentenrechtlichen Nachteilsausgleiche. Die Leistung setzt zum einen eine bestimmte Schwere der erlittenen politischen Verfolgung
voraus (= mindestens sechsmonatige politische Haft), zum anderen die - in § 17a Abs 2 StrRehaG näher umschriebene - wirtschaftliche Bedürftigkeit der Betroffenen und dient nach der Gesetzesbegründung auf diese Weise
der Berücksichtigung des individuellen Schadens und des Einzelfallunrechts sowie der in dessen Folge geschädigten Rechtsgüter
wie Freiheit, Leben, Gesundheit und Vermögen (vgl zum Ganzen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Dritten
Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR,
BT-Drucks 16/4842 S 5 unter A I. und II.1., vgl auch S 6 f zu Nr 4). Aus dieser Zielrichtung folgt, dass die besondere Zuwendung
nach § 17a StrRehaG dem Ausgleich besonderer Beeinträchtigungen für einen eng begrenzten Personenkreis dient, ohne bei der Höhe des Zahlbetrags
nach dem konkreten Einkommensausfall zu differenzieren. Die Leistung zielt auf diese Weise auf den Ausgleich eines erlittenen
Sonderopfers ab, nicht aber kompensiert sie fehlendes Einkommen zur Ermöglichung eines angemessenen Lebensunterhalts. Eine
dem Arbeitsentgelt ähnliche Einkommensfunktion kann ihr nicht beigelegt werden (aA - ohne Begründung - Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
240 RdNr 70 [Stand der Einzelkommentierung 12/2011]).
bb) Zudem ist die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG in der Rechtsordnung in ähnlich weitreichender Weise privilegiert, wie die Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG (aA Gerlach, aaO, K § 240 RdNr 70, Stand der Einzelkommentierung 12/2011), indem sie nicht als anspruchsminderndes, zur Bestreitung des Lebensunterhalts
zur Verfügung stehendes Einkommen gewertet wird: Nach der in § 16 Abs 4 StrRehaG spezialgesetzlich vorgenommenen Privilegierung bleiben die Leistungen nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG - und damit auch die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG - nicht nur bei einzelnen, enumerativ aufgeführten, sondern bei sämtlichen Sozialleistungen, deren Gewährung von anderem
Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass die besondere Zuwendung nach § 17a StrRehaG etwa bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II und nach § 82 Abs 1 S 1 SGB XII, aber auch bei den für bestimmte andere Leistungs- und Rentenarten geltenden Einkommensgrenzen (zB §
126 SGB III, §§ 18a ff
SGB IV, §
97 SGB VI, §
98 SGB VII, §
52 SGB IX) nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen ist. Die besondere Zuwendung ist darüber hinaus auch nicht bei der
Ermittlung der Belastungsgrenzen bei Zuzahlungen in der GKV nach §
62 Abs
1 und
2 SGB V zu beachten. Sie wird zwar - anders als die Beschädigtengrundrente nach § 31 BVG - in §
62 Abs
2 S 4
SGB V nicht ausdrücklich als Ausnahme von den Einnahmen zum Lebensunterhalt erwähnt. Es handelt sich hierbei aber auch nicht um
eine abschließende Aufzählung; vielmehr knüpft die Belastungsgrenze nach § 62 Abs 1 und 2 an den Begriff der "Bruttoeinnahmen
zum Lebensunterhalt" an und damit - wie §
240 Abs
1 SGB V - ebenfalls an die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 3 RdNr 17). Zweckgebundene Zuwendungen, die einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken
sollen, gehören jedoch nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 4 RdNr 13; BSGE 71, 299, 301 = SozR 3-2500 § 61 Nr 2 S 9 mwN). Daher sind auch Ausgleichsleistungen an Opfer politischer Verfolgung oder rechtswidriger
Strafverfolgung im Beitrittsgebiet nicht den Einnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen (so in diesem Zusammenhang auch Gerlach
in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
62 RdNr 38 [Stand der Einzelkommentierung 02/2009]). Dies entspricht selbst der Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen,
die in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 22./23.1.2008 betreffend Einnahmen zum Lebensunterhalt Leistungen an Opfer politischer
Verfolgung oder rechtswidriger Strafverfolgung im Beitrittsgebiet gleichfalls nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt rechnen,
weshalb diese nach der Verwaltungspraxis der Krankenkassen bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach §
62 Abs
1 und
2 SGB V nicht berücksichtigt werden. Dann aber lässt es sich nicht rechtfertigen, der Opferpension im Rahmen des §
240 SGB V einen anderen Charakter beizumessen.
cc) Gegen die Beitragsfreiheit der besonderen Zuwendung nach § 17a StrRehaG spricht schließlich auch nicht, dass die Leistung nur an diejenigen Berechtigten nach § 17 Abs 1 StrRehaG gezahlt wird, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind (weil ihr Einkommen das Dreifache, bzw - bei
Verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Lebenspartnerschaft Lebenden - das Vierfache der Regelbedarfsstufe 1 nach
der Anl zu § 28 SGB XII nicht übersteigt, vgl § 17a Abs 2 S 1 und 7 bis 9 StrRehaG). Denn die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Berechtigten als Tatbestandsvoraussetzung der Leistungsgewährung sagt für sich
genommen noch nichts darüber aus, ob die Einnahme im Regelungskontext des §
240 Abs
1 SGB V dem allgemeinen Lebensunterhalt zugeordnet werden kann oder ob ihr eine besondere Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen
Lebensunterhalts innewohnt. So setzen etwa auch die in der Rechtsprechung des Senats einer besonderen Zweckbestimmung außerhalb
des allgemeinen Lebensunterhalts zugeordneten (und daher in der freiwilligen Krankenversicherung beitragsfreien) Leistungen
zur Befriedigung des den Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs nach dem SGB XII (vgl erneut BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16) wirtschaftliche Bedürftigkeit des Berechtigten in Gestalt der Beachtung bestimmter Einkommens- und Vermögensgrenzen
voraus.
3. Die Beklagte hat mit ihrer Revision die Höhe der vom Kläger zu zahlenden ausgeurteilten, die ihm gewährte besonderen Zuwendung
nach § 17a StrRehaG nicht mitberücksichtigenden Beträge für die im einzelnen genannten Zeiträume nicht mit Revisionsgründen angegriffen; der
Kläger selbst hat gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung auf der Grundlage des LSG-Urteils Revision nicht eingelegt. Der Senat
legt die Beträge daher seinem Urteil zugrunde.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.