Darlegung der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Gründe:
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob eine Beitragsforderung der Beklagten zu erfüllen ist.
Das Landessozialgericht (LSG) hat entschieden, dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung der
Beitragsforderung zu berufen und dabei eine für einen früheren Zeitraum abgegebene Erklärung des Klägers, er verzichte auf
die Erhebung der Einrede der Verjährung, entscheidend berücksichtigt.
Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil eingelegten Beschwerde macht der Kläger von den in §
160 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) genannten Zulassungsgründen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und hilfsweise die Abweichung von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts (BSG) geltend. Die Beschwerde ist unzulässig, denn in der Begründung wird weder die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt noch eine Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, ausreichend bezeichnet.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage
sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7).
Die Beschwerde wirft als grundsätzliche Rechtsfrage die Frage auf:
"Darf ein Sozialversicherungsträger die Erklärung des Schuldners von rechtlich umstrittenen Sozialversicherungsbeiträgen,
er verzichte ihm gegenüber für einen ausdrücklich genannten Zeitraum auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ..., ohne
Hinzutreten weiterer Umstände dahingehend verstehen, dass der Versicherungsschuldner auch hinsichtlich aller folgenden Versicherungszeiträume
... auf die Einrede der Verjährung verzichte?"
Offen bleiben kann, ob mit dieser Formulierung eine Rechtsfrage ausreichend bezeichnet ist, weil schon nach der Frage selbst
zumindest zweifelhaft ist, ob das LSG über die so gestellte Frage überhaupt entschieden hat. Die Bedeutung einer solchen Erklärung
für die Zukunft - dh hier für alle "folgenden Versicherungszeiträume" - kann überhaupt nicht beantwortet werden, ohne dass
die "Umstände" berücksichtigt werden, die im Zeitpunkt der Erklärung im Hinblick auf diese folgenden Versicherungszeiträume
zwischen den Beteiligten bekannt waren. In der Beschwerdebegründung wird auch nicht behauptet, das LSG habe diese Umstände
bei seiner Entscheidung, wie der Sozialversicherungsträger die Entscheidung verstehen durfte, überhaupt nicht berücksichtigt.
Die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ist aber jedenfalls deshalb nicht aufgezeigt, weil nicht dargelegt ist, dass eine
Entscheidung zur Beurteilung einer Verzichtserklärung wie der vorliegenden für die Zukunft noch Bedeutung haben könnte. Das
LSG hat die Bedeutung einer Erklärung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung, die vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes
zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I 3138) am 1. Januar 2002 abgegeben worden ist, zu beurteilen
gehabt. Es hat als Rechtssatz zu Grunde gelegt, diese Erklärung sei nicht nach Maßgabe der für die Auslegung von Willenserklärungen
geltenden §§
133 und
157 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) auszulegen. Wenn der Kläger beanstandet, dies sei unzutreffend, denn auch eine vor In-Kraft-Treten des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes
abgegebene Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung sei als Willenserklärung nach den §§
133 und
157 BGB auszulegen, zeigt er selbst auf, dass klärungsbedürftig zunächst die Frage ist, nach welchen rechtlichen Maßstäben eine vor
dem 1. Januar 2002 abgegebene Erklärung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, zu beurteilen ist. Er legt indessen
nicht dar, dass die Rechtsfrage für die Zukunft noch Bedeutung haben könnte. Nachdem durch das Schuldrechts-Modernisierungsgesetz
auf die Verjährung auch durch Rechtsgeschäft zumindest im Rahmen des §
202 BGB nF verzichtet werden kann, stellt sich eine Frage zu der Art der Auslegung einer Erklärung wie der vorliegenden, soweit sie
als Rechtgeschäft vor In-Kraft-Treten des Schuldrechts-Modernisierungsgesetzes nicht möglich war, nicht mehr. Der Kläger zeigt
nicht auf, auf Grund welcher sonstigen Umstände - etwa einer Vielzahl von anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu gleichartigen
Verzichtserklärungen - sich die behauptete Rechtsfrage in Zukunft noch stellen könnte.
In der Beschwerdebegründung wird auch die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des BSG nicht hinreichend dargelegt.
Um eine Abweichung iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter
Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichthöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Der Kläger
macht geltend, das BSG habe im Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R - und auch im Urteil vom 27. September 1994 - 10 RAr 1/93 - den Rechtssatz aufgestellt, dass auch im Rahmen des Sozialrechts von den Gerichten bei der rechtlichen Beurteilung von
Erklärungen und Verträgen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§
133,
157 BGB zu beachten seien. Er sieht einen Widerspruch zu der Entscheidung des LSG darin, dass dieses erklärt habe, die von ihm zu
beurteilende Erklärung sei nicht nach §§
133,
157 BGB auszulegen. Ein Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG wird hier schon deshalb nicht aufgezeigt, weil nach dem Vorbringen
in der Beschwerde das LSG der Verzichtserklärung den Charakter als Willenserklärung abgesprochen und sie deshalb nicht nach
den Kriterien einer Willenserklärung ausgelegt hat. Einer Aussage des BSG dahin, dass auch Erklärungen, auf die Verjährung
zu verzichten, die nach früherem Recht nicht wirksam waren, nach den Kriterien der §§
133 und
157 BGB auszulegen seien, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2, § 52 Abs 1 und 3, §
47 Abs 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes entsprechend den von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzungen der Vorinstanzen
in Höhe der mit der Klage angegriffenen Beitragsforderung festzusetzen.