Beitragspflicht als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung
Beitragsbemessung
Grundsatzrüge
Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage
Verletzung des Gleichheitssatzes
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht
zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
2. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht
an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann.
3. Auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt
anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch
zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben.
4. Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung aber unter
Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll .
5. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen
Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden; wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes
geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für
eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der Beiträge,
die die Klägerin als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu entrichten hat.
Die Klägerin ist mit einem Beamten verheiratet, der nicht gesetzlich krankenversichert ist. Im Haushalt der Eheleute leben
ein gemeinsames (leibliches) Kind, ein Pflegekind und zwei weitere Kinder der Klägerin aus erster Ehe, für die vom leiblichen
Vater Unterhaltsleistungen erbracht werden. Der Ehemann der Klägerin hat zwei weitere Kinder, die nicht im gemeinsamen Haushalt
leben und für die er Unterhalt zahlt. Sein Bruttoeinkommen beträgt inklusive Familienzuschlag für sechs Kinder 4949,95 Euro.
Die Beklagte setzte die von der Klägerin zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung eines Kindes fest
(Bescheide vom 23.8.2011 und 22.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 26.4.2012). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.8.2014), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 8.6.2016). Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde
wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 8.6.2016 ist gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 23.8.2016 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Die Klägerin legt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise gemäß §
160a Abs
2 S 3
SGG dar.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG Beschluss vom 16.11.1987 - 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr 60; BSG Beschluss vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65; BSG Beschluss vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG Beschluss vom 11.12.1997 - 1 B 60/97 - NJW 1999, 304 und BVerfG [Kammer] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von
Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur
Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin führt auf Seite 2 der Beschwerdebegründung Folgendes aus:
"Es geht wesentlich um die Auslegung revisiblen Rechts, insbesondere des §
240 SGB V.
Die Beschwerdeführerin rügt, dass bei Auslegung des § 240 Abs. 5
SGG unter Berücksichtigung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art
3 und Art
6 GG, das LSG gleichwohl zu dem Ergebnis gekommen ist die dortige Regelung, dass nur für gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder
ein Betrag in Höhe eines der monatlichen Bezugsgröße erfolgt verfassungskonform sei.
Die gesetzliche Regelung des § 240 Abs. 5
SGG verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art
6 GG."
Es verstoße gegen Art
6 und Art
3 Abs
1 GG, dass die maßgebenden gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften zwischen freiwillig Versicherten mit gemeinsamen unterhaltsberechtigten
Kindern und solchen mit nicht gemeinsamen Kindern, die in einer Patchwork-Familie leben, differenzierten. Ein sachlicher Grund
für diese Differenzierung liege nicht vor, zumal nach Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (Hinweis auf BVerfG
Urteil vom 19.2.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 - BGBl I 2013, 428 = BVerfGE 133, 59) bei dieser per se nie gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder vorliegen; dies auch im Hinblick auf die nach derzeitiger
Rechtslage nicht zulässige gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner. §
240 Abs
5 SGB V führe somit bei wortgetreuer Anwendung zu einer steten Schlechterstellung von Lebenspartnern gegenüber Ehegatten. Bei diesen
wäre ein Freibetrag für Kinder abzusetzen vom Einkommen des alleinigen Verdieners, soweit dieser nicht gesetzlich krankenversichert
ist. Auch in einer Patchwork-Familie oder einer Familie mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen bestehe tatsächlich ein
kindbedingter Aufwand. Warum dieser bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleiben solle, sei nicht nachvollziehbar.
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch
BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage
zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb
2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181).
b) Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit ihrer Fragen nicht hinreichend dar. Vor allem versäumt es die Klägerin,
anders als nach §
160a Abs
2 S 3
SGG zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erforderlich, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig
angesehenen Fragen enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt
anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch
zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Beschwerdebegründung jegliche konkrete Ausführungen zur einschlägigen
Rechtsprechung des BSG.
aa) Insbesondere unterlässt die Klägerin die gebotene Auseinandersetzung mit dem Urteil des Senats vom 28.5.2015 (B 12 KR 15/13 R - BSGE 119, 107 = SozR 4-2500 § 240 Nr 25 [Patchworkfamilie]), obwohl das LSG bereits im angefochtenen Urteil auf Seite 5 des Urteilsumdrucks
ausdrücklich auf diese Entscheidung hingewiesen hat. Das BSG hat darin entschieden, dass es nicht verfassungswidrig ist, dass das Gesetz und die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler
im Rahmen der Bemessung freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge die Absetzung von Kinderfreibeträgen bei der Zuordnung von
Einnahmen des privat krankenversicherten Ehegatten nur für "gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder" vorsehen. Im Rahmen der
Entscheidungsgründe hat das BSG ausdrücklich und unter Hinweis auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zu dieser Thematik die Verfassungsgemäßheit nach Art
6 Abs
1 GG (BSG aaO RdNr
30 ff) und Art
3 Abs
1 GG (BSG aaO RdNr 34 ff) begründet. In ihrer Beschwerdebegründung befasst sich die Klägerin überhaupt nicht mit dieser Entscheidung. Demzufolge
legt sie auch nicht dar, warum ihre sinngemäß in den Raum gestellten Fragen hierdurch noch nicht beantwortet wurden bzw sich
anlässlich des konkreten Falls erneuter Klärungsbedarf ergibt.
bb) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung auch deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil die Klägerin bereits
keine Vergleichsgruppen bildet.
Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung aber unter Einbeziehung
der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die
Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde
eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl
BVerfG [Dreier-Ausschuss] Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45).
Die Klägerin behauptet lediglich vermeintliche Ungleichbehandlungen, ua gegenüber "gleichgeschlechtlichen Partnerschaften",
unterlässt aber bereits die Bildung von Vergleichsgruppen. Dies genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.