Kostenübernahme für eine vollstationäre Borreliosebehandlung in Form einer Ganzkörperhyperthermie
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Er leidet an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren sowie an einer depressiven Störung. Seit dem Jahr 2013 unterzog er sich wegen vielfältiger Beschwerden
mit zunehmender Schmerzsymptomatik zahlreichen ambulanten und stationären Behandlungen, ohne dass diese mit einer dauerhaften
Schmerzlinderung einhergingen. Im April 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine vollstationäre
Borreliosebehandlung in Form einer Ganzkörperhyperthermie. Die Beklagte lehnte dies ab mit der Begründung, die Diagnose der
Borreliose sei nicht gesichert. Seine dagegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur
Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die vom Kläger begehrte Behandlung sei medizinisch nicht zweckmäßig. Der vom Kläger
geäußerte Verdacht einer Neuro-Borreliose sei diagnostisch mehrfach ausgeschlossen worden. Der Kläger sei zu Unrecht auf eine
organische Ursache seiner Leiden fixiert; eigentlich angezeigt sei eine langfristige multimodale Schmerztherapie. Dass der
Kläger diese Empfehlung bislang nicht adäquat umgesetzt habe, begründe keinen Anspruch auf die begehrte stationäre Behandlung
(Urteil vom 5.11.2020).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers
(§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 84/19 B - juris RdNr 5). Daran fehlt es.
Der Kläger macht geltend, das Urteil des LSG leide an einer ungenügenden medizinischen Sachverhaltsaufklärung durch die Nichteinholung
eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Die Frage, ob die beantragte Borreliosebehandlung medizinisch erforderlich
sei oder nicht, habe das LSG nicht ohne die Einholung eines entsprechenden medizinischen Gutachtens beantworten können. Der
Kläger rügt damit der Sache nach eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§
103 SGG). Die an diese Rüge geknüpften Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Wird als Verfahrensmangel eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) gerügt, kann diese Rüge gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein
- wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG vom 10.7.2019 - B 1 KR 52/18 B - juris RdNr 8 mwN). Der Tatsacheninstanz soll dadurch vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch
nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 84/19 B - juris RdNr 5 mwN). Wird ein Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung
der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs
2 SGG (BSG vom 1.9.1999 - B 9 V 42/99 B - SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f; BSG vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10). An einer entsprechenden Darlegung fehlt es.
Der Kläger macht schon nicht geltend, einen Beweisantrag gestellt zu haben. Er behauptet auch nicht, anlässlich der Anhörung
zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nochmals gegenüber dem LSG, das zudem auf die "(mangelnden) Erfolgsaussichten
der Berufung" hingewiesen hatte, Aufklärungsbedarf geltend gemacht zu haben. Im Kern wendet sich der Kläger daher nur gegen
das Ergebnis der Beweiswürdigung durch die zweite Instanz. Der bloße Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG kann jedoch nicht
zur Zulassung der Revision führen, auch wenn er in die Gestalt einer Sachaufklärungsrüge gekleidet ist (vgl BSG vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr
12). §
160 Abs
2 Nr
3 SGG schließt dies - wie oben dargelegt - aus.
Dass der Kläger selbst seine Rüge fehlender Sachverhaltsaufklärung auf §
106 SGG, nicht dagegen ausdrücklich auf §
103 SGG stützt, ändert am Fehlen der Darlegungsanforderungen nichts. Nach §
106 Abs
1 SGG hat der Vorsitzende Hinweispflichten einzuhalten, insbesondere darauf hinzuwirken, dass alle für die Feststellung und Beurteilung
des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Die Vorgaben des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG können jedoch nicht über den "Umweg" der Rüge einer Verletzung des §
106 Abs
1 SGG umgangen werden (vgl BSG vom 26.11.1975 - 5 BKn 5/75 - SozR 1500 § 160 Nr 13; BSG vom 30.7.2018 - B 5 R 88/18 B - juris RdNr 15). Im Übrigen trägt der Kläger nichts dazu vor, dass Hinweispflichten verletzt worden seien.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.