Kostenübernahme der Krankenversicherung für natriumarmes Mineralwasser, lebensbedrohliche Erkrankung
Gründe:
I
Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte, 1978 geborene Kläger leidet an sog Wasserharnruhr, hervorgerufen durch eine
Störung der Nierenfunktion. Er muss seinen Flüssigkeitsverlust durch vermehrtes Trinken ausgleichen, um das Austrocknen seines
Körpers zu verhindern (mit der Folge der Blutdruckabsenkung und des Eintretens lebensgefährlicher Schockreaktionen); nach
seinen Angaben im Berufungsverfahren muss er bis zu 10,5 Liter pro Tag trinken. Er ist dabei anstelle von Leitungswasser auf
natriumarmes Mineralwasser angewiesen, welches er bei einem Lebensmittel-Discounter erwirbt. Der Kläger ist mit seinem Begehren,
die seit 7. Mai 2002 verauslagten Kosten (1.248,93 EUR) für natriumarmes Mineralwasser erstattet sowie dieses ab 10. März
2005 gewährt zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung
gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückweisenden Beschluss ua ausgeführt, aus einer dem Kläger 1995 erteilten
Zusicherung der Beklagten über die Kostenübernahme könne er wegen der zum 1. Juli 1997 geänderten Rechtslage (Änderung des
§ 31 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch >SGB V< durch das 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997 >BGBl I 1520<) nichts mehr
herleiten; seither könnten nur apothekenpflichtige Arzneimittel beansprucht werden. Natriumarmes Mineralwasser sei kein Arzneimittel,
sondern ein überwiegend der Ernährung dienendes Lebensmittel bzw ein Gegenstand des allgemeinen Lebensbedarfs. Das Bundessozialgericht
(BSG) habe 1999 wegen der Gesetzesänderung seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, dass Lebensmittel ausnahmsweise Arzneimittel
sein könnten, wenn besonders gravierende Umstände vorlägen (Beschluss vom 13. Januar 2006).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss und beruft sich darauf,
das LSG sei von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abgewichen.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung genügt nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Rechtsprechungsdivergenz
(§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Die Beschwerdebegründung vom 18. April 2006 macht sinngemäß geltend, das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt, §
31 Abs
1 SGB V schließe grundsätzlich aus, dass Lebensmittel Arzneimittel sein könnten, so dass eine Kostenübernahme für ein nicht apothekenpflichtiges
Mittel (hier: natriumarmes Mineralwasser) ausnahmslos ausscheide. Das BVerfG habe dagegen mit Beschluss vom 6. Dezember 2005
- 1 BvR 347/98 - (= NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164) - im einzelnen zitierte - verfassungsrechtliche Ausführungen gemacht, die im Widerspruch dazu stünden. Mit diesem Vortrag
wird eine Rechtsprechungsdivergenz nicht gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargelegt. Hierzu müssen nämlich abstrakte entscheidungstragende Rechtssätze im LSG-Urteil einerseits und in einer höchstrichterlichen
Entscheidung andererseits gegenübergestellt und hinreichende Ausführungen dazu gemacht werden, weshalb beide miteinander unvereinbar
seien (vgl zB Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
160a RdNr 15, §
160 RdNr 10 ff mwN). Dass das LSG einen solchen Rechtssatz aufgestellt haben sollte, der bei gleichen tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnissen wie in dem vom BVerfG entschiedenen Fall im Gegensatz zu einem von diesem aufgestellten allgemeinen Rechtssatz
steht und aus dem daher das Bedürfnis nach Herbeiführung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren abgeleitet werden kann,
ist nicht ersichtlich. Schon der sinngemäße Vortrag, das LSG habe die Prüfungsgrundsätze des BVerfG nicht beachtet, deutet
eher auf die bloße Rüge der inhaltlichen Unrichtigkeit hin; das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist aber nicht dazu
vorgesehen, die Entscheidung des Berufungsgerichts nochmals in vollem Umfang überprüfen zu lassen. Das Beschwerdevorbringen
lässt darüber hinaus unberücksichtigt, dass das BVerfG in dem zitierten Beschluss besondere Grundsätze für die Leistungsgewährung
in der gesetzlichen Krankenversicherung nur aufgestellt hat, wenn für eine "lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht" (so Leitsatz, ferner
RdNr 62 des Beschlusses vom 6. Dezember 2005, aaO). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG, die für den Senat
in einem Revisionsverfahren bindend wären (vgl §
163 SGG), geht es bei dem Kläger nicht um einen solchen Sachverhalt; denn seine Krankheit hat trotz der damit zweifellos verbundenen
erheblichen Beschwerden nicht derart weitreichende Auswirkungen, weil sie schon mit der Umstellung der Trinkgewohnheiten positiv
beeinflusst werden kann (unbeschadet des Umstandes, dass dafür nach dem Vorbringen auf Seite 2/3 der Beschwerdebegründung
ggf auch eine medikamentöse Behandlung in Frage käme). Das Beschwerdevorbringen lässt unbeachtet, dass der Umstand des Eintritts
lebensbedrohender Folgen für den Fall, dass der Kläger kein natriumarmes Mineralwasser in großen Mengen zu sich nähme, noch
nicht dazu führen kann, nach Schwere und Ausmaß der Beeinträchtigungen eine wertungsmäßig gleiche Stufe anzunehmen wie in
dem vom BVerfG entschiedenen Fall der Duchenne'schen Muskeldystrophie oder den vom Senat in Erwägung gezogenen Fällen fortgeschrittener
Krebsleiden oder der drohenden Erblindung (vgl Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - Tomudex, zur Veröffentlichung vorgesehen sowie bereits Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1- Visudyne); das vom BVerfG aus verfassungsrechtlichen Gründen herangezogene Kriterium würde bei weiter
Auslegung aber sinnentleert, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung, irgendwann dann auch lebensbedrohende
Konsequenzen nach sich zieht; das kann aber nach den Ausführungen des BVerfG ersichtlich nicht ausreichen, um das
SGB V als unbeachtlich anzusehen. Eine Rechtsprechungsabweichung wird schließlich auch vor dem Hintergrund nicht hinreichend dargelegt,
dass es im Falle des BVerfG um die Frage der Anwendung nicht allgemein anerkannter, in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
nicht positiv aufgeführter ärztlicher Behandlungsmethoden ging; im vorliegenden Fall soll dagegen nicht einmal ein Mittel
zur Anwendung kommen, das seiner Art nach ein Arzneimittel ist (s dagegen Senatsurteil Tomudex, aaO), sondern ein (zweifellos
notwendiges) Mittel, welches der Gesetzgeber als primär dem Essen und Trinken dienend allgemein der Eigenverantwortung der
Versicherten überantwortet hat und das nicht ausnahmsweise nach §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V iVm den Arzneimittelrichtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V zur Leistungspflicht der Krankenkassen gehört wie zB die enterale Ernährung (zu diesem Gesichtspunkt näher bereits Senatsurteil
vom 5. Juli 2005 - B 1 KR 12/03 R - Quick & Dick). Da das Begehren des Klägers mithin auch auf der Rechtsfolgenseite eine gänzlich andere Konstellation betrifft
als im Beschluss des BVerfG, fehlt es auch unter diesem Blickwinkel an der Darlegung einer Rechtsprechungsabweichung. Ergänzend
ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der Senat jüngst in seinem Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R - (zur Veröffentlichung vorgesehen) auch im Lichte des Beschlusses des BVerfG in ähnlicher Weise die Leistungspflicht der
Krankenkassen für D-Ribose - einen besonderen, auch zur Nahrungsergänzung verwendeten Zuckerstoff - bei einem schwerwiegenden
Myoadenylate-Deaminase-Mangel verneint hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.