Übergang von Schadensersatzansprüchen gegen Drittschädiger auf den Sozialhilfeträger bei Übernahme der Krankenbehandlung durch
die gesetzliche Krankenversicherung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB
XII, die nicht krankenversichert sind.
Die klagende Krankenkasse (KK) stellte der beklagten Stadt als Trägerin der Sozialhilfe die von der Klägerin im 3. Quartal
2004 erbrachten Aufwendungen für die Krankenbehandlung von nicht krankenversicherten Personen in Rechnung, die gegenüber der
Beklagten sozialhilfeberechtigt waren. Die Beklagte brachte von dem - der Höhe nach nicht streitigen - Rechnungsbetrag unter
Hinweis auf § 116 SGB X 27 648,54 Euro in Abzug (26 331,94 Euro für potenzielle Ersatzansprüche gegenüber Drittschädigern zuzüglich 1316,60 Euro
für die anteiligen Verwaltungskosten [5%]).
Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin auch diese 27 648,54 Euro zu zahlen: Unabhängig davon, ob realisierbare Regressansprüche
gemäß § 116 SGB X bestünden, seien der Klägerin die Aufwendungen für die Krankenbehandlung nach §
264 Abs
7 Satz 1
SGB V entstanden. Sie habe Sozialleistungen für die Beklagte erbracht (§ 91 Abs 1 Satz 1 SGB X). Die Erstattungspflicht sei nicht nach § 91 Abs 1 Satz 3 SGB X ausgeschlossen: Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im 3. Quartal 2004 Sozialleistungen zu Unrecht erbracht habe und sie
hierfür ein Verschulden treffe, lägen nicht vor. Eine Rechtsgrundlage für ein Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrecht der
Beklagten sei nicht ersichtlich. Selbst wenn die Klägerin - wovon nicht ausgegangen werden könne - in erster Linie verpflichtet
sei, Regressansprüche durchzusetzen, fehle es an einer Rechtsgrundlage für eine Zahlungsverweigerung der Beklagten bis zur
Durchsetzung dieser Regressansprüche oder bis zum Nachweis der entsprechenden Erfolglosigkeit. Insbesondere ergebe sich ein
Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Verfolgung und Durchsetzung von Regressansprüchen nicht aus einem entsprechenden
Weisungsrecht nach § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X. Denn nach diesen Vorschriften sei der Auftraggeber lediglich berechtigt, im Rahmen des gesetzlichen Auftrags den Beauftragten
an seine Auffassung zu binden. Gemäß §
264 Abs
2 SGB V obliege der Klägerin jedoch nur die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII, nicht aber auch die
Verfolgung von Regressansprüchen. Der Einwand der Beklagten, sie selbst sei aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht aktivlegitimiert, greife nicht durch; für den Übergang von Schadensersatzansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe
sei ausreichend, dass dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen - hier die Übernahme der Kosten für durchgeführte
Krankenbehandlung - zu erbringen habe (Urteil vom 7.1.2010).
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von §
264 Abs
7 SGB V und § 116 SGB X. Der mit §
264 Abs
2 SGB V verbundene gesetzliche Auftrag umfasse auch die Verfolgung der nach § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X übergegangenen Regressansprüche durch die Klägerin. Nur die KK, nicht aber der Sozialhilfeträger erwerbe die Schadensersatzansprüche
des Sozialhilfeempfängers. Die leistungsrechtliche Gleichstellung des in §
264 Abs
2 SGB V genannten Personenkreises mit den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bewirke, dass die Sozialhilfeempfänger
ihre Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit unmittelbar nur gegenüber der KK (nicht gegenüber dem Sozialhilfeträger) geltend machen
könnten. Damit sei verbunden, dass nur die Klägerin, nicht aber die Beklagte auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen
iS des § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X erbringe. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Kostenerstattung nach §
264 Abs
7 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG keine Sozialleistung sei (BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2 RdNr 19 f). Auch das praktische Bedürfnis spreche für die Durchführung des Regresses durch die KK.
Die KK sei organisatorisch und fachlich auf die Inanspruchnahme von Drittschädigern schon wegen ihrer eigenen Mitglieder eingerichtet
und erfahre frühzeitig von diesen Regressfällen durch die Vorgangsbearbeitung und Gewährung von Krankenbehandlung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Sprungrevision der als örtliche Trägerin der Sozialhilfe beklagten Stadt ist nicht begründet. Zu Recht hat das
SG die Beklagte zur Zahlung weiterer 27 648,54 Euro verurteilt, denn dieser Betrag steht der klagenden AOK für die Durchführung
der Krankenbehandlung bei nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfängern im 3. Quartal 2004 zu. Der Klägerin sind Aufwendungen
in der geltend gemachten Höhe entstanden (dazu 1.). Der Anspruch ist nicht etwa durch Aufrechnung erloschen (dazu 2.). Die
Beklagte kann auch keine Einwendungen gegen den Anspruch geltend machen (dazu 3.).
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 27 648,54 Euro ist entstanden. Anspruchsgrundlage ist §
264 Abs
7 Satz 1
SGB V (hier anzuwenden in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 Nr 152 Gesundheitsmodernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003, - BGBl I 2190; mWv 1.1.2005 geändert durch Gesetz zur Einordnung
des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Nach dieser Vorschrift werden den KKn die Aufwendungen,
die durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, von den für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgern
vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz
2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt (§
264 Abs
7 Satz 2
SGB V).
Der Klägerin sind Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe für die Krankenbehandlung von Personen, die von der Beklagten
Sozialhilfe erhalten, im 3. Quartal 2004 unter Einschluss der Verwaltungskosten entstanden (zu dem Begriff der Aufwendungen
vgl BSG Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 9/09 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-3250 § 14 Nr 10 vorgesehen). Die Erstattungspflicht ist nicht nach § 91 Abs 1 Satz 2 SGB X ausgeschlossen: Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im genannten Zeitraum Sozialleistungen zu Unrecht erbracht hat und
sie ein Verschulden trifft, liegen nicht vor. Beides hat das SG für den Senat bindend festgestellt (§
163 SGG) und ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 27 648,54 Euro ist nicht analog §
387 BGB durch Aufrechnung der Beklagten erloschen. Der Senat lässt offen, ob Rechtsgrundlage der vermeintlichen Gegenforderung der
Beklagten in dem zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden gesetzlichen Auftragsverhältnis (dazu a) ein Herausgabeanspruch
analog §
667 BGB ist oder ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Beide Ansprüche sind auf die Herausgabe des von der
Klägerin (auf Kosten der Beklagten) Erlangten gerichtet und können jedenfalls nicht zum Erlöschen der Hauptforderung der Klägerin
durch Aufrechnung führen (dazu b).
a) Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 17.6.2008 entschieden hat, erbringen die KKn die Krankenbehandlung von
nicht in der GKV versicherten Sozialhilfeempfängern nach §
264 SGB V auf Grund gesetzlichen Auftrags iS des § 93 SGB X (vgl ausführlich BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 §
264 Nr 1; so auch: Huck in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand Juni 2010, K §
264 RdNr 14; Krauskopf in Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: Juni 2010, § 264 RdNr 5; Marburger,
WzS 2004, 289, 291; Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 66. Ergänzungslieferung 2010, §
264 SGB V RdNr 4; Wille in juris-PK
SGB V, 2008, §
264 RdNr 32; aA Sunder, Gutachten Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2004, 320, 323; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 48 SGB XII RdNr 10; Zink/Lippert in Mergler/Zink,
Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 48 SGB XII RdNr 43 ff, Stand Januar 2010; wohl auch: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf,
SGB XII, 3. Aufl 2010, § 48 SGB XII RdNr 47; Zeitler, NDV 2004, 45, 46; offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2 RdNr 23 [8. Senat]; wohl auch Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2010, K § 48 RdNr 5).
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. §
264 SGB V überträgt den KKn in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen
der GKV entsprechenden Leistungen zu gewähren (vgl § 48 SGB XII idF durch Art 1 Gesetz vom 27.12.2003, BGBl I 3022). Auf diese
Weise wird nach §
264 Abs
2 SGB V die Krankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von der KK "übernommen" (vgl zum Ganzen
BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1).
b) Es kann dahinstehen, ob die vermeintliche Gegenforderung der beklagten Sozialhilfeträgerin gegen die klagende KK aus analoger
Anwendung des §
667 BGB oder aus den Grundsätzen über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch folgt. Eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung
kann der Klägerin jedenfalls nicht entgegengesetzt werden.
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung
gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung
bewirken kann (§
387 BGB). Rechtsgrundlage der vermeintlichen Gegenforderungen der Beklagten, mit denen sie gegen die Hauptforderung aufrechnen könnte,
kann zum einen ein Herausgabeanspruch analog §
667 BGB sein. Hiernach hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Herausgabe von allem, was der Beauftragte aus der Geschäftsbesorgung
erlangt (vgl etwa zum Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber der KK auf Herausgabe des auf Beiträge entfallenden
Zinsgewinns: BSGE 73, 106 = SozR 3-2200 § 1436 Nr 1). Als Rechtsgrundlage kommt auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht, der
dem Anspruchsinhaber ebenfalls ein Recht auf Herausgabe des Erlangten verschafft, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte
oder eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorlag (vgl nur BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 27 mwN). Unabhängig von der maßgeblichen Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Gegenforderung
der Beklagten geht ihre Aufrechnungserklärung gegen die Hauptforderung der Klägerin aber analog §
387 BGB ins Leere. In beiden Fällen kann die Beklagte nicht gegen die Hauptforderung der Klägerin analog §
387 BGB erfolgreich aufrechnen.
Das Erfordernis der Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung bezieht sich auf den Gegenstand der Leistung und beschränkt
die Aufrechnung im Wesentlichen auf beiderseitige Geldforderungen (Grüneberg in Palandt,
BGB, 69. Aufl 2010, §
387 BGB RdNr 9). Deshalb könnten die auf Herausgabe des Erlangten gerichteten Ansprüche allenfalls dann mit der in einer Geldforderung
bestehenden Hauptforderung gleichartig sein, wenn sie auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet wären (vgl BGHZ 71, 380, 381 f; Grüneberg, aaO, §
387 BGB RdNr 8 mwN; Schlüter in Münchener Kommentar, 4. Aufl 2003, §
387 BGB RdNr 30). Ein auf die Zahlung einer Geldsumme gerichteter Anspruch der Beklagten kann aber schon deshalb nicht entstanden
sein, weil nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG (§
163 SGG) die Beklagte keine (herausgabe- bzw übertragungsfähigen) Zahlungen von Drittschädigern erhielt. Soweit die Klägerin hier
allein in Betracht kommende Schadensersatzansprüche der Leistungsempfänger erlangt haben könnte, scheitert eine Aufrechnung
mit dem Herausgabeanspruch an der fehlenden Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung. Während nämlich die Hauptforderung
auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, zielt die Gegenforderung der Beklagten nicht unmittelbar auf Zahlung eines
Geldbetrages, sondern auf etwas anderes, nämlich das bloße Recht, Schadensersatzansprüche gegen einen Dritten geltend zu machen,
die diesem gegenüber - aus welchen Gründen auch immer - möglicherweise gar nicht realisierbar sind. Schon an der ungesicherten
Realisierbarkeit der Forderungen gegen Dritte wird deutlich, dass dieses Recht einer unbestrittenen Gegenforderung des in
Anspruch Genommenen gegen den Gläubiger der Hauptforderung wirtschaftlich nicht gleichsteht (in ähnlicher Weise die Gleichartigkeit
mit einer Geldforderung verneinend: BGH NJW 1978, 699 [Anspruch auf Erteilung einer Gutschrift]; BGH WM 1965, 479 [Anspruch auf Befriedigung aus einem Grundstück]).
3. Der Beklagten stehen auch keine Einwendungen gegen den Aufwendungsersatz- bzw Erstattungsanspruch der Klägerin - insbesondere
kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des offenen Betrages - zu. Selbst wenn die Klägerin selbst Inhaberin der Schadensersatzforderungen
geworden wäre, könnten sich solche Einwendungen nur aus ihrer Verpflichtung ergeben, diese Forderungen gegenüber den Drittschädigern
geltend zu machen und durchzusetzen. Eine solche Verpflichtung folgt jedoch weder aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten
gegebenen gesetzlichen Auftragsverhältnis (dazu a) oder einem der Beklagten zustehenden Weisungsrecht (dazu b) noch aus §
116 Abs 1 Satz 1 SGB X (dazu c).
a) Der gesetzliche Auftrag des §
264 SGB V umfasst nicht die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber Drittschädigern. Übertragen wird den KKn lediglich die Aufgabe
der Sozialhilfeträger nach dem SGB XII, die Leistungen zu gewähren, die denjenigen der GKV entsprechen. Dies folgt aus §§
48, 52 SGB XII.
§ 48 SGB XII (bzw § 37 Abs 1 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) bestimmt: "Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften
Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen
den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor." § 52 SGB XII (bzw § 38 Abs 2 BSHG bis zum 31.12.2004) regelt ua die Leistungserbringung: Die Hilfen nach § 48 SGB XII (bzw nach dem entsprechenden Unterabschnitt des BSHG bis zum 31.12.2004) entsprechen den Leistungen der GKV (Abs 1 Satz 1 bzw § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG bis zum 31.12.2004); Leistungsberechtigte haben die freie Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten sowie den Krankenhäusern entsprechend
den Bestimmungen der GKV; Hilfen werden nur in dem durch Anwendung des §
65a SGB V erzielbaren geringsten Umfang geleistet (Abs 2 bzw § 38 Abs 2 BSHG bis zum 31.12.2004). Diese leistungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass die Sozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf
Hilfe bei Krankheit gegenüber der von ihnen gewählten KK unmittelbar geltend machen können, nicht aber gegenüber dem Sozialhilfeträger
(vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1, RdNr 18; Kostorz/Wahrendorf, ZfSH/SGB 2004, 387, 395; Marburger, WzS 2004, 289, 291; Zeitler, NDV 2004, 45, 46; aA wohl Löcher, ZfS 2006, 78, 80; die Frage offen lassend Wendtland, ZSR 2007, 423 ff; Wille in juris-PK-
SGB V, aaO, §
264 RdNr 71). Das Gesetz macht hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis über die Leistungsansprüche lediglich einen Vorbehalt:
Soweit KKn in ihrer Satzung Umfang und Inhalt der Leistungen bestimmen können, entscheidet der Träger der Sozialhilfe über
Umfang und Inhalt der Hilfen nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl § 52 Abs 1 Satz 2 SGB XII bzw § 38 Abs 1 Satz 2 BSHG bis zum 31.12.2004).
Auch §
264 SGB V ist kein Auftrag der KKn zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Dritten zu entnehmen. §
264 Abs
2 bis 7
SGB V überträgt den KKn in Abstimmung mit dem BSHG und SGB XII lediglich die Aufgabe, solche Leistungen zu gewähren, die denjenigen der GKV entsprechen (vgl BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264, RdNr 13). Hierzu haben die nicht versicherten Leistungsberechtigten unverzüglich eine KK im Bereich
des für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt (§
264 Abs
3 SGB V). Für die Leistungsberechtigten gelten §
11 Abs
1 SGB V sowie die §§
61 und
62 SGB V entsprechend (§
264 Abs
4 SGB V). §
264 SGB V sieht aber weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck, die Versorgung bei Krankheit für nicht gesetzlich krankenversicherte
Sozialhilfeempfänger ohne Verschaffung eines mitgliedschaftsrechtlichen Status sicherzustellen, einen Auftrag der KKn vor,
anstelle von Sozialhilfeträgern Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten geltend zu machen. Auch die Gesetzesbegründung zu
§
264 SGB V enthält keine Hinweise auf einen solchen Auftrag (vgl Entwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines
GKV-Modernisierungsgesetzes-GMG, BT-Drucks 15/1525, S 140 f, zu Art 1 Nr 152 - § 264).
b) Eine Verpflichtung der KK zur Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber Drittschädigern folgt ebenfalls nicht aus einem
der Beklagten im Rahmen des Auftragsverhältnisses zustehenden Weisungsrecht. Zwar ist der Auftraggeber nach § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X berechtigt, den Beauftragten an seine Auffassung zu binden. Jedoch umfasst dieses Weisungsrecht lediglich die Art der Ausführung
im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Auftragsrahmens. Die spezialgesetzlichen Regelungen des jeweiligen gesetzlichen Auftragsverhältnisses
sind zu beachten (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, §
93 RdNr 6). Der in §
264 SGB V festgelegte Auftragsrahmen enthält aber - wie dargelegt - nicht die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber Dritten. Es
ist Sache des Gesetzgebers, das gesetzliche Auftragsverhältnis im Einzelnen auszugestalten (vgl auch §
30 Abs
2 SGB IV).
c) Die Einwendung der beklagten Sozialhilfeträgerin, die klagende AOK müsse die Schadensersatzforderungen gegenüber den Drittschädigern
geltend machen und durchsetzen, greift nicht durch. Da jedenfalls die Beklagte Inhaberin der Schadensersatzforderungen geworden
ist (dazu aa), kann der Senat offen lassen, ob die Schadensersatzforderungen auch auf die Klägerin übergegangen sind. Die
Beklagte könnte der Klägerin eine solche cessio legis nur entgegenhalten, wenn diese auch die Verpflichtung der Klägerin zur
Geltendmachung von Schadensersatzforderungen umfassen würde. Eine solche Verpflichtung der Klägerin ergibt sich jedoch nicht
aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X (dazu bb).
aa) § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt: "Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger
oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der
Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz
beziehen." Angeordnet wird ein gesetzlicher Forderungsübergang für den Regelfall, in dem ein Sozialleistungsträger auf Grund
eines Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat.
Nach dem Wortlaut kann jeder Leistungsträger Zessionar sein, der auf Grund des Schadensereignisses die näher beschriebenen
Sozialleistungen zu erbringen hat. Unmittelbar hatte die Klägerin Krankenbehandlung und damit Sozialleistungen (vgl auch §
11 Satz 1
SGB I) nach Maßgabe des gesetzlichen Auftrags zu erbringen (dazu oben II. 2. a). Auftraggeber der Klägerin war die Beklagte, so
dass die Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des SGB dem Aufgabenbereich der Beklagten zuzurechnen sind. Denn allein
die Beklagte ist - unabhängig davon, dass die Leistungen gegenüber den Berechtigten unmittelbar von den KKn im Rahmen des
dargestellten Auftragsverhältnisses bewirkt werden - im Rechtssinne die für die Krankenbehandlung an nicht krankenversicherte
Sozialhilfeempfänger nach dem SGB XII zuständige Trägerin. Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert ein Forderungsübergang
auf sie selbst also nicht daran, dass der Aufwendungsersatzanspruch einer KK nach §
264 Abs
7 SGB V keine Sozialleistung ist (in diesem Sinne BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 19 f; aA Zeitler, NDV 2004, 45, 46; Schlette in Hauck/Noftz, aaO, K § 48 SGB XII RdNr 5) und dass die Beklagte selbst keine Sozialleistungen erbracht hat.
Maßgebliche Leistung ist insofern die mittelbar über die Klägerin zu erbringende (und erbrachte) Krankenbehandlung, die auch
die übrigen in § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X genannten Anforderungen an die Sozialleistung ("auf Grund des Schadensereignisses", zur "Behebung eines Schadens der gleichen
Art", Bezug "auf denselben Zeitraum") erfüllt.
Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchsübergangs auf die Beklagte sind gegeben. Der Anspruch des Geschädigten gegen
den Schädiger geht kraft Gesetzes, dh ohne weiteres Zutun des regressberechtigten Sozialleistungsträgers, auf diesen über
(vgl BGHZ 155, 342 - juris RdNr 11 ff; Eichenhofer in Wannagat, SGB X, Stand: Mai 2002, § 116 RdNr 13; Kater in Kasseler Kommentar, aaO, § 116 SGB X RdNr 141). Der Übergang auf einen Sozialhilfeträger erfolgt dem Grunde nach jedenfalls bereits im Augenblick des schadenstiftenden
Ereignisses, wenn die Leistungspflicht des Trägers gegenüber dem Verletzten - wie hier - keinen Anlass zu Zweifeln bietet
(für einen Anspruchsübergang erst zu einem Zeitpunkt, in dem eine Leistungspflicht zumindest nicht völlig unwahrscheinlich
ist: BGHZ 48, 181, 186 ff; BGHZ 127, 120, 125; BGH Urteil vom 17.4.1990 - VI ZR 276/89 - VersR 1990, 1028, 1029 mwN; Bieresborn in von Wulffen, aaO, § 116 RdNr 2a; für einen Anspruchsübergang stets im Zeitpunkt des Schadensereignisses etwa Nehls in Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg 1/2010, K § 116 RdNr 23 mwN).
bb) Offen bleiben kann, ob neben der Beklagten auch die Klägerin Sozialleistungen iS des § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X zu erbringen hatte und der Schadensersatzanspruch auf sie ebenfalls übergangen ist (vgl in Bezug auf das Verhältnis von KK
und Versorgungsträger für einen zeitlich gestaffelten Übergang der Schadensersatzforderung zunächst nur auf die KK und sodann
auf den Versorgungsträger: BSG [8. Senat] SozR 3-3100 § 81a Nr 1 S 4 ff [juris] RdNr 10 ff) bzw für einen Übergang auf beide
als Gesamtgläubiger: BGH NJW 1995, 2413 [juris] RdNr 10 ff; vgl zum Übergang der Forderung nicht auf die KK, sondern nur auf den Unfallversicherungsträger im Falle
eines Arbeitsunfalls: BGHZ 155, 342). Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern hier einen solchen Übergang zugleich auf die Klägerin nicht, weil jedenfalls die
Beklagte mit dem schädigenden Ereignis kraft Gesetzes anstelle des Geschädigten als Leistungsträger anspruchsberechtigter
Zessionar gegenüber dem Schädiger geworden ist.
Die Vorschrift soll nämlich verhindern, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei
wird bzw der Geschädigte für ein und denselben Schaden doppelte Leistungen erhält oder anderweitig zum Nachteil des Sozialleistungsträgers
über den Schadensersatzanspruch verfügt (BGHZ 155, 342, [juris] RdNr 21 mwN; Bieresborn, aaO, § 116 RdNr 1a; Kater, aaO, § 116 SGB X RdNr 5 ff; Nehls in Hauck/Noftz, aaO, K § 116 SGB X RdNr 1). Auch soll eine wirtschaftliche Entlastung der öffentlichen Kassen erzielt werden (BGH NJW 2006, 3565 [juris] RdNr 14 f). Dieser Zweck erfordert aber nicht den Übergang auf zwei Leistungsträger; er wird vielmehr bereits durch
den Übergang auf einen Leistungsträger - hier die Beklagte - erzielt (so schon BSG SozR 3-3100 § 81a Nr 1 S 4 f; vgl auch
BGHZ 155, 342 RdNr 21). Schon beim Übergang auf einen Träger ist der Geschädigte gehindert, noch über den Schadensersatzanspruch zu verfügen
und sichergestellt, dass die Schadensersatzleistungen demjenigen Träger zufließen, der aus Anlass des schädigenden Ereignisses
gegenüber dem Geschädigten eintreten muss. Da dem Auftraggeber - hier der Beklagten - die von dem Beauftragten - hier der
Klägerin - erbrachten Sozialleistungen im Rechtssinne zuzurechnen sind, ist ein zusätzlicher Übergang der Schadensersatzansprüche
auf die Klägerin nicht zwingend.
Selbst wenn aber die Klägerin neben der Beklagten Zessionar geworden wäre, könnte aus § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht gefolgert werden, dass der Auftragnehmer verpflichtet wäre, erworbene Ansprüche neben dem Auftraggeber auch geltend
zu machen. § 116 Abs 1 Satz 1 SGB X regelt einen gesetzlichen Anspruchsübergang; er enthält nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck jedoch keine Bestimmungen über
Inhalt und Umfang der Pflichten zweier Zessionare, die zueinander in einem Auftragsverhältnis stehen. Deren Pflichten ergeben
sich allein aus dem Auftragsverhältnis, das - wie oben ausgeführt - die Durchsetzung von Regressansprüchen gegen Dritte hier
bei der beklagten Sozialhilfeträgerin belässt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1, Abs
3 SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.