Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - persönliche Voraussetzung - Hochschulabschluss
nach einem Hochschulstudium in der UdSSR ohne Titelführungsbefugnis in der ehemaligen DDR
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zugehörigkeit des 1948 geborenen und 1999 verstorbenen G (im Folgenden: Versicherter) zur
zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) vom 1. September 1972 bis zum 30. Juni 1990 streitig.
Der Versicherte erwarb nach einem Studium an dem Institut C in M (UdSSR) ab September 1967 am 12. Juni 1972 das Diplom in
der Fachrichtung „Maschinen und Technologie der Verarbeitung von polymeren Materialien in Produkte und Teile“. Durch Beschluss
der Staatlichen Prüfungskommission vom selben Tag wurde die Qualifikation eines „Ingenieur-Mechanikers“ anerkannt.
Vom 1. September 1972 bis zum 5. Februar 1976 war der Kläger bei dem VEB G in B1, tätig. Er war zunächst als Assistent der
Produktionsleitung angestellt worden. Vom 15. Dezember 1972 bis zum 5. Februar 1976 war er als „Invest-Ingenieur“ in der Abt.
Invest sowie dem Bereich F+E/Invest beschäftigt. Die Entlohnung erfolgte nach der Gehaltsgruppe J II (RKV Chemische Industrie).
Ein „Qualifizierungsnachweis“ des VVB P.- und E. vom 24. Oktober 1975 enthält als Berufsbezeichnung des Versicherten „Dipl.-Ingenieur“.
Der Versicherte war sodann vom 9. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB H in B2 beschäftigt. Die - soweit ersichtlich
erste - Stammkarte des Betriebs zur Stammnummer des Versicherten 3*** enthält zur Rubrik „Erlernter Beruf“ mit Maschinenschrift:
„Dipl.-Ing./SU“ und den handschriftlichen Zusatz: „d. Mechanik“ sowie „(HS)“, jeweils ohne Unterschrift.
Bis zum 31. Dezember 1978 war der Versicherte dort als Mitarbeiter Planung mit einem Gehalt J III und ab Januar 1978 in „höherer
Funktion" mit einem Gehalt I 4 tätig. Nach der Leistungseinschätzung vom 6. Januar 1978 war dafür mindestens eine Ausbildung
zum Fachschul-Ing. oder Fachschul-Ing.-Ök. erforderlich. Der Versicherte habe über eine Ausbildung zum Dipl.-Ing. verfügt.
Ab dem 1. Februar 1978 bekam der Versicherte einen Treuezuschlag wegen zweijähriger Tätigkeit als Ingenieur. Vom 2. Januar
1979 bis zum 31. Oktober 1986 war er als Verantwortlicher für Importe und Werkzeugmaschinen/TGO mit dem Gehalt I 4 tätig.
Nach der Stellenbeschreibung war dafür eine Qualifikation als Hoch- oder Fachschulingenieur erforderlich. Ab dem 1. November
1986 arbeitete der Versicherte als Leiter Außenwirtschaft/AE mit einem Gehalt HF 4 (RKV Maschinenbau und Elektrotechnik/Elektronik)
und ab 1. Juli 1987 als Hauptabteilungsleiter Absatz und Außenwirtschaft/AA mit der Gehaltsgruppe 12. Nach dem Funktionsplan
war als Qualifikation der Abschluss als Dipl.-Ing., Fachrichtung „Chem.Masch.-bau“ erforderlich. Ab dem 1. März 1989 war er
als Direktor für Absatz+AW tätig. Der Versicherte war darüber hinaus bei dem Nachfolgebetrieb, der H GmbH, ab 1. Juli 1990
bis zum 13. November 1999 als Leiter Vertrieb tätig.
In dem SV-Ausweis des Versicherten war dessen Tätigkeit vom 1. September 1972 bis zum 30. Oktober 1973 als „Assistent“, vom
1. Mai 1975 bis zum 5. Februar 1976 1975 als „Invest Ing.“, vom 9. Februar 1976 bis zum 31. Dezember 1977 als „Ing. für Planung
u. Koordinierung“, vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1984 als „Diplom Ingenieur" und vom 1. Januar 1985 bis zum 31.
Dezember 1986 als „Off. Ingenieur" bezeichnet. Der SV-Ausweis enthält ab 1. Januar 1987 die Eintragung „Leiter des Büros für
Außenwirt." und ab 1. Januar 1990 „Fachdirektor".
Eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech erfolgte bis zum 30. Juni 1990 nicht. Der Versicherte zahlte Beiträge
zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) ab Januar 1989.
Die Klägerin bezieht seit Dezember 1999 eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemanns. Sie beantragte
am 10. März 2015 die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. Sie fügte u.a. ein Schreiben
der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2015 bei. Dort wurde mitgeteilt, dass der Versicherte mit Wirkung des Ingenieurgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. November 1991 zu Lebzeiten berechtigt gewesen wäre, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu
führen.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die persönlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, so dass
eine nachträgliche Einbeziehung in die AVItech nicht in Betracht komme. Der Versicherte habe nicht die geforderte Berechtigung
zum Tragen des Titels „Ingenieur“ gehabt.
Die Klägerin erhob dagegen am 29. Juli 2015 Widerspruch. Nach der Ersten Durchführungsbestimmung (DB) der Verordnung über
die Verleihung akademischer Grade vom 8. September 1956 (GBl. 1956 I, S. 747) seien grundsätzlich in der ehemaligen Sowjetunion
erworbene Hochschuldiplome und die DDR-Hochschuldiplome als gleichwertig anerkannt worden. Die persönlichen Voraussetzungen
für eine nachträgliche Einbeziehung in die AVItech seien erfüllt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 als unbegründet zurück. Eine Urkunde des
Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der DDR über die staatliche Zuerkennung der Berechtigung zur Führung des Ingenieurtitels
liege für den Versicherten nicht vor. Eine (spätere) Gleichstellung nach Bundesrecht ersetze insoweit nicht die Zuerkennung
der Berufsbezeichnung zu Zeiten der DDR. Insoweit sei allein auf die am Stichtag 30. Juni 1990 gegebene Sachlage abzustellen.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. Oktober 2015 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Zum Führen der Berufsbezeichnung
„Ingenieur“ durch den Versicherten seien in der DDR keine Genehmigung des Ministers bzw. andere zusätzlichen Urkunden erforderlich
gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2017 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf,
dass die Beklagte die Zeiten des Versicherten vom 1. September 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur hier
allein maßgeblichen AVItech feststelle. Der Versicherte hätte nicht die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in das
Zusatzversorgungssystem erfüllt. Ihm sei die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ nicht durch einen entsprechenden staatlichen Akt
der DDR verliehen worden. Die Kammer hat sich auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 7.
April 2014 (L 16 R 958/13) berufen.
Gegen den ihr am 2. März 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. März 2017 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt
eingelegt. Ein staatlicher Akt einer deutschen Institution sei nicht zu fordern. Für den Anspruch auf Einbeziehung in die
AVI sei nicht die Führung eines akademischen Grads, sondern lediglich die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ erforderlich gewesen.
Die „Anordnung über die Erteilung und Führung von Berufsbezeichnungen der Hoch- und Fachschulbildung“ vom 4. März 1988 sei
hier nicht einschlägig, da der Versicherte bereits 1972 die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ erlangt
habe. Er sei zwar nicht berechtigt gewesen, den akademischen Titel „Diplom-Ingenieur“, wohl aber die Berufsbezeichnung „Ingenieur“
zu führen.
Der Versicherte habe auch gemäß der „Mitteilung des Staatssekretärs für Hoch-Fachschulwesen vom 1. August 1963“ keine gesonderte
Anerkennung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen benötigt. Die danach erforderliche Bestätigung des Kaderleiters und
des Leiters des Betriebs ergebe sich schon aus dem ersten Arbeitsvertrag vom 18. Dezember 1972, wonach die Einstellung mit
dem Titel „Ingenieur“ erfolgt sei. Dies entspreche der geforderten Anerkennungserklärung zur Führung der Berufsbezeichnung
„Ingenieur“. Eine spezielle Form der Erklärung sei nicht vorgeschrieben gewesen.
Die Klägerin hat ferner die schriftliche Auskunft des ehemaligen Produktionsdirektors S des VEB H. vom 19. Dezember 2019 zu
den Akten gereicht. Danach seien die Abschlusszeugnisse in der Personalabteilung des Betriebs hinterlegt gewesen. Der Versicherte
sei als Ingenieur eingestellt worden und entsprechend den erworbenen Kenntnissen als Ingenieur-Mechaniker beschäftigt gewesen.
Die Klägerin hat weiter darauf verwiesen, auch der Betrieb VEB G sei ein Betrieb der industriellen Massenproduktion gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Februar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2015 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September
1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie
die Entgelte gemäß § 6 Abs. 1 AAÜG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für zutreffend. Der Versicherte hätte nach dem am 30. Juni
1990 maßgeblichen Recht der DDR einer Genehmigung des Ministeriums bedurft, um einen Ingenieurtitel führen zu dürfen. Eine
solche Genehmigung habe er vor dem 30. Juni 1990 nicht erhalten. Die Beklagte beruft sich ferner auf die Urteile des Thüringer
LSG vom 11. April 2018 (L 12 R 1210/16) und vom 27. Juni 2018 (L 12 R 906/15), des Bayerischen LSG vom 24. Mai 2017 (L 1 RS 4/15) und 1. Juli 2020 (L 1 R 383/19), des LSG Berlin-Brandenburg vom 17. August 2017 (L 8 R 310/17) und des Sächsischen LSG vom 24. Oktober 2019 (L 7 R 148/19 ZV). Ferner führt sie aus, die Mitteilung des Staatssekretariats vom 1. August 1863 sei durch neuere rechtliche Bestimmungen
gegenstandslos geworden. Auch für die Verordnung vom 12. April 1962 und die Durchführungsbestimmungen hätte es eigene rechtliche
Regelungen gegeben.
Die betrieblichen Voraussetzungen für den VEB H. seien erfüllt. Hinsichtlich des VEB G, lägen keine Unterlagen zur Feststellung
der betrieblichen Voraussetzungen vor.
Der Senat hat Ermittlungen durchgeführt:
Die F GmbH hat unter dem 19. Dezember 2019 mitgeteilt, eine Personalakte über den Versicherten sei nicht vorhanden.
Das Sächsische LSG hat Unterlagen über die Ermittlungen zu den Äquivalenzabkommen zwischen der DDR und der UdSSR vorgelegt.
Das Hauptstadtarchiv W. hat unter dem 8. Januar 2020 mitgeteilt, dass keine Unterlagen zum VEB G in B1 im Bestand „VEB G“
vorhanden seien.
Das Bundesarchiv hat unter dem 14. Januar 2020 mitgeteilt, es lägen lediglich die Bewerbungs- und Zulassungsunterlagen zum
Auslandsstudium des Versicherten vor, nicht jedoch eine Genehmigung zur Führung des akademischen Grades.
Das Bundesarchiv hat unter dem 19. Februar 2020 Datensätze aus dem Zentralen Kaderdatenspeicher (ZKDS) zu dem Versicherten
aus den Jahrgangsdateien 1985 und 1988 ermittelt und uncodiert übersendet. Danach sei der Versicherte beim VEB G als Betriebsingenieur
und bei dem VEB H. in B2 als Abteilungsleiter beschäftigt gewesen. Der Versicherte habe das Diplom eines Wissenschaftszweigs
1972 in der UdSSR erworben und sei als Maschineningenieur in dem erworbenen Beruf artverwandt tätig gewesen.
Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt hat unter dem 19. Februar 2020 mitgeteilt, es könne nicht angeben, ob es sich bei dem VEB
G um einen Betrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt habe.
Die M GmbH haben die Personalakte und die Stammkarten des Versicherten im Original übersendet. Die Abteilungen „Zeugnisse
und Urkunden für staatlich anerkannte Titel und wissenschaftliche Grade“, „Schulen und Lehrgänge“ sowie „Arbeitsverträge durch
Einzelverträge/Änderungsverträge/ Berufungen/Abberufungen“ der Personalakte enthalten keine Unterlagen.
Das Landesarchiv Berlin hat unter dem 9. Juni 2020 mitgeteilt, keine Angaben zum VEB G. nach 1971 machen zu können.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 23. November und 3. Dezember 2020 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne
mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand
der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG).
II.
Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.
April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne
der §§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Diese hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung der Zeit vom 1. September 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit
der Zugehörigkeit zur AVItech nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG.
1.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 31/01 R).
Der Versicherte erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder war ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch war
er auf Grund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger
Entzug einer Versorgungsanwartschaft hatte in seinem Fall nicht stattgefunden.
2.
Der Versicherte hätte auch keinen Anspruch auf fiktive Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem gehabt. Denn nach der Rechtsprechung
des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann, sind die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des streitigen Zeitraums
nicht erfüllt.
Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung
der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I 1950, Seite
844) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der
technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62, S. 487 (2.
DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche
Voraussetzung).
Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am Stichtag 30. Juni 1990 kumulativ vorgelegen haben. Dies gilt auch für die Berufsbezeichnung,
sodass die nachträgliche Anerkennung als „Ingenieur“ durch die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2015 nicht ausreicht.
In Anwendung dieser Maßstäbe hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass der Versicherte Anspruch auf eine fiktive
Einbeziehung in die AVItech hatte.
a.
Eine ausdrückliche Genehmigung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen zur Führung des akademischen Grads „Dipl.-Ing.“
liegt unstreitig nicht vor.
b.
Es steht auch nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass er zu diesem Zeitpunkt berechtigt
gewesen wäre, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB zu führen.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass ein staatlicher Akt der DDR den Versicherten zur Führung der Berufsbezeichnung
„Ingenieur“ berechtigt hätte. Ein solcher war in der insoweit maßgeblichen Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung
„Ingenieur" vom 12. April 1962 (DDR-GBl. II S. 278) [IngVO-DDR] vorgeschrieben (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, B 4 RS 17/07 R [29]).
Die Äquivalenz-Vereinbarungen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der UdSSR bestätigen, dass dem Grunde nach
die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Abschlusszeugnissen u.a. der Fach- und Hochschulen sowie der Dokumente
über die Verleihung von akademischen Graden und Titeln erfolgen sollte. Diese völkerrechtliche Vereinbarung wurde auch auf
der Ebene der DDR in gesetzlichen Normen umgesetzt.
§ 1 IngVO-DDR unterscheidet mehrere Fallgruppen nach Art und/oder Qualität des Ausbildungsgangs und der erworbenen Abschlüsse.
In den Fällen des § 1 Abs. 1 Buchst. a) und b) IngVO-DDR wird auf eine Ausbildung an Hochschulen, Universitäten oder Akademien
der DDR und auf die Verleihung entsprechender akademischer Grade („Dr.-Ing., Dr.-Ing. habil., Dipl.-Ing.“) abgestellt. Nach
dem Buchst. c) ist der Nachweis eines technischen Studiums oder einer bestandenen Prüfung durch das Ingenieurzeugnis einer
Fachschule der DDR maßgebend.
§ 2 Buchst. a) IngVO-DDR bestimmte, dass dem unter § 1 IngVO bezeichneten Personenkreis Inhaber von Zeugnissen mittlerer oder
höherer technischer Schulen anderer Staaten, die in dem jeweiligen Land staatlich anerkannt waren und eine Qualifikation gewährleisteten,
die der nach § 1 Abs. 1 Buchst. a) bis c) IngVO genannten gleichzusetzen war, auch gleichgesetzt wurden. Ein solches Zeugnis
allein berechtigte jedoch noch nicht zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“. Vielmehr war zusätzlich ein staatlicher
Akt der Anerkennung erforderlich.
Nach § 8 IngVO-DDR erließ der Staatssekretär für das Hoch- und Fachschulwesen im Einvernehmen mit den zuständigen zentralen
Staatsorganen Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung. Die auf dieser Rechtsgrundlage ergangene Erste Durchführungsbestimmung
zur IngVO-DDR vom 24. Mai 1962 (GBl II 357) regelte in § 1: Über die Anerkennung früherer Zeugnisse und Zeugnisse anderer
Staaten erlässt das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen entsprechende Richtlinien.
Die Mitteilung des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen und des Volkswirtschaftsrates der deutschen Demokratischen
Republik über die Arbeit mit der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur" vom 1. August 1963 regelte
zur Anerkennung von Ingenieuren i.S.v. § 2 der Ing-VO: Die Leiter aller Betriebe und Einrichtungen, die ingenieurtechnisches
Personal beschäftigen, sind zur Feststellung verpflichtet, welche Mitarbeiter im Sinne der Verordnung als Ingenieure anerkannt
werden und für welche das nicht zutrifft. Anerkannt werden alle Urkunden u.a. von Hochschulen anderer Staaten, durch die eindeutig
ein akademischer Grad ingenieur-technischer Richtung verliehen wird. Personen, die nach § 2 der Verordnung anerkannt werden,
brauchen aber keine zusätzliche Urkunde zu erhalten. Es ist vielmehr ausreichend, eine beglaubigte Abschrift der ausländischen
Urkunde und eine vom Leiter und dem Kaderleiter des Betriebs bzw. der Einrichtung unterzeichnete Erklärung in die Personalakte
zu nehmen, aus der die Anerkennung nach § 2 Buchst. a) der Verordnung hervorgeht. Nach einem solchen staatlichen Akt war die
gesonderte ausdrückliche Verleihung eines akademischen Grads oder eines Diploms zum Führen der Berechtigung der Berufsbezeichnung
„Ingenieur“ nicht mehr notwendig.
a.a.
Mit dem Diplom des Instituts C in M (UdSSR) vom 12. Juni 1972 war dem Versicherten die Qualifikation des „Ingenieur-Mechanikers“
verliehen worden. Es handelt sich um einen Berufsabschluss in ingenieur-technischer Richtung. Es bestehen auch keine Zweifel,
dass die Ausbildungsstätte eine mittlere oder höhere technische Schule war. Der Versicherte hatte von 1967 bis 1972 verschiedene
Prüfungen und Vorprüfungen abgelegt. Ferner hatte er ein Diplomprojekt erfolgreich verteidigt.
b.b.
Eine ausdrückliche Anerkennung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ entsprechend den Vorgaben der Mitteilung des Staatssekretariats
vom 1. August 1963 ist jedoch nicht nachgewiesen. Dies geht zulasten der Klägerin, weil diese die Beweislast für das Vorliegen
aller für eine fiktive Einbeziehung in die AVI benötigten Tatsachen trägt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, B 5 RS 7/11 R [26])
Eine Überzeugung vom Vorliegen einer Erklärung über die Anerkennung der Ausbildung beim VEB G schon während der dortigen Tätigkeit
vom 15. Dezember 1972 bis 8. Februar 1976 durch den dortigen Leiter und den Kaderleiter des Betriebs konnte der Senat nicht
gewinnen. Die dortige Personalakte des Versicherten konnte trotz aufwendiger Recherchen nicht ermittelt werden. Auch die beigezogene
Personalakte des VEB H über den Versicherten enthält keine Dokumente in der Abteilung „Zeugnisse und Urkunde für staatlich
anerkannte Titel und wissenschaftliche Grade“.
Insoweit ist auch nicht ausreichend, dass auf der noch vorhandenen (mutmaßlich) ersten Stammkarte des Betriebs VEB H zur Stammnummer
des Versicherten 3*** zur Rubrik „Erlernter Beruf“ mit Maschinenschrift vermerkt war: „Dipl.-Ing./SU“ sowie der handschriftliche
Zusatz: „d. Mechanik“ und: „(HS)“, allerdings jeweils ohne Unterschrift. Diese Eintragung reicht nicht aus, um sich davon
zu überzeugen, dass der Leiter oder der Kaderleiter des VEB H eine den formellen Anforderungen entsprechende Erklärung über
die Anerkennung der Ausbildung des Versicherten aufgenommen sowie eine Kopie der Urkunde zu den Akten genommen hätten. Es
fehlt schon am Datum der Eintragung und mangels Unterschrift auch an der Urheberschaft. Außerdem lässt sich aus der Eintragung
nicht erkennen, ob eine Kopie der Ausbildungsurkunde zu den Akten genommen wurde.
c.c.
Auch seine weiteren Recherchen können eine Überzeugung des Senats über das Vorliegen einer entsprechenden betrieblichen Erklärung
nicht begründen.
Die vom Bundesarchiv übermittelten Datensätze zu dem Versicherten aus den Jahrgangsdateien stammen aus 1985 und 1988. Es handelt
sich um Datenarchive der ehemaligen DDR, in denen die Kader erfasst und gespeichert wurden. Danach war der Versicherte beim
VEB G als Betriebsingenieur und bei dem VEB H als Abteilungsleiter beschäftigt gewesen. Er war ausweislich dieser statistischen
Erfassung in dem erworbenen Beruf als Maschineningenieur artverwandt tätig gewesen und er hatte das Diplom eines Wissenschaftszweigs
1972 in der UdSSR erworben. Eine Aussage über die hier ungeklärte staatliche Anerkennung enthalten die Verschlüsselungen nicht.
Ausdrücklich hat das Bundesarchiv mitgeteilt, dass eine Anerkennungsurkunde über die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ nicht vorliegt.
Auch die schriftliche Aussage des ehemaligen Produktionsdirektors S vom 19. Dezember 2019 ist nicht geeignet, sich vom Nachweis
der staatlichen Anerkennung zu überzeugen. Dieser hat ausgeführt, die Abschlusszeugnisse seien in der Personalabteilung des
VEB H hinterlegt worden und der Versicherte sei als Ingenieur eingestellt worden. Er hat jedoch nicht bestätigt, dass die
Berufsausbildung durch eine ausdrückliche, ordnungsgemäß unterzeichnete und in die Kaderakte aufgenommene Erklärung anerkannt
wurde. Dies konnte er auch deshalb nicht, weil die Anerkennung nach den Angaben der Klägerin schon beim VEB G erfolgt sein
sollte.
Somit ist eine ausdrückliche, ordnungsgemäß unterzeichnete und in die Kaderakte aufgenommene Erklärung im obigen Sinne nicht
nachgewiesen.
d.d.
Der Hinweis der Klägerin auf die Berufsbezeichnungen in den Arbeitsverträgen seit dem 18. Dezember 1972 reicht insoweit ebenfalls
nicht aus. Dort ergibt sich lediglich, in welcher beruflichen Tätigkeit der Versicherte eingesetzt war und dass er als Ingenieur
entlohnt worden war (Lohngruppe „J“ bzw. „I“). Es lässt sich aber aus den Arbeitsverträgen nicht erkennen, dass und falls
ja, wann ein betrieblicher Akt der Anerkennung der Ausbildung erfolgt wäre.
d.
Es kann daher dahinstehen, ob der Versicherte am 30. Juni 1990 die sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllte.
Das gleiche gilt für die Frage, ob zu diesem Stichtag auch die betrieblichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorlagen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallfrage ohne grundsätzliche Bedeutung.