Rechtsweg im sozialgerichtlichen Verfahren für die Klage einer Krankenkasse gegen einen Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamts
Gründe:
I
Die klagende Ersatzkasse (ErsK) wendet sich gegen einen Auskunftsbeschluss der beklagten Bundesrepublik Deutschland (Bundeskartellamt).
Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) hat die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum 1.1.2009 durch Einführung
eines Gesundheitsfonds neu geregelt. Danach verwaltet das Bundesversicherungsamt (BVA) den Gesundheitsfonds als Sondervermögen
(§
271 Abs
1 SGB V). Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen (KKn) Zuweisungen zur Deckung ihrer Aufwendungen (§
270 Abs
1 SGB V). Ab 1.1.2009 legt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung den allgemeinen Beitragssatz nach Auswertung der Ergebnisse
eines beim BVA gebildeten Schätzerkreises fest (§
241 Abs
1 SGB V). Soweit die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds den Finanzbedarf einer KK übersteigen, kann sie in ihrer Satzung bestimmen,
dass Prämien an ihre Mitglieder ausgezahlt werden (§
242 Abs
2 Satz 1
SGB V). Soweit der Finanzbedarf einer KK durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen,
dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird (§
242 Abs
1 Satz 1
SGB V).
Die Klägerin informierte zusammen mit Vertretern anderer acht KKn am 25.1.2010 in Berlin in einer Pressekonferenz über das
Thema "Finanzentwicklung in der GKV - Einstieg in den Zusatzbeitrag". Die anwesenden Vertreter der KKn gaben eine Presseerklärung
ab, wonach 2010 Zusatzbeiträge die Regel würden. Fast alle KKn müssten bis Ende des Jahres 2010 einen Zusatzbeitrag in Höhe
von monatlich rund 8 Euro erheben. Das erwarteten Gesundheitsökonomen und andere Experten. Die Klägerin erhebt von ihren Mitgliedern
seit 1.2.2010 einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag in Höhe von monatlich 8 Euro. Die Beklagte gab der Klägerin daraufhin
unter Hinweis auf § 59 iVm §§ 1, 32 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf, einen Fragenkatalog zu beantworten sowie Daten und Unterlagen im Zusammenhang mit der Erhebung des Zusatzbeitrages
und dessen Bekanntgabe gemeinsam mit acht weiteren KKn in einer Pressekonferenz zu übermitteln, da der Anfangsverdacht einer
nach § 1 GWB unzulässigen Preisabsprache zwischen Unternehmen bestehe (Beschluss des Bundeskartellamts vom 17.2.2010).
Die Klägerin beruft sich mit ihrer Klage gegen den Auskunftsbeschluss beim LSG Hamburg auf die Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts
als Trägerin der Sozialversicherung. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung den beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit als unzulässig gerügt und Verweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf
beantragt. Dem hat das LSG entsprochen (Beschluss vom 25.8.2010).
Gegen diesen Rechtswegbeschluss richtet sich nunmehr die vom LSG zugelassene Rechtswegbeschwerde der Klägerin. Sie trägt im
Wesentlichen vor, die Kernfrage des Rechtsstreits betreffe die Geltendmachung der Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts
als ErsK.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. August 2010 aufzuheben und den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
für zulässig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Rechtswegbeschwerde der klagenden ErsK gegen den Beschluss des LSG vom 25.8.2010 ist statthaft und zulässig (dazu 1.)
und auch begründet (dazu 2.). Im Rahmen der Rechtswegbeschwerde ist (noch) nicht darüber zu entscheiden, ob die beklagte Bundesrepublik,
vertreten durch das Bundeskartellamt, zu Recht die Anwendbarkeit des GWB bei Verdacht koordinierter Ankündigung von KKn bejaht hat, Zusatzbeiträge zu erheben. Zu klären ist nur, ob die Klägerin
gegen die Entscheidung der Beklagten den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschreiten darf. Dies ist der
Fall. Für das Rechtsschutzbegehren der klagenden ErsK gegen den Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamts ist gemäß §
51 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Demgemäß ist der Beschluss des LSG vom 25.8.2010 auf die
Rechtswegbeschwerde der Klägerin hin aufzuheben und der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig
zu erklären.
1. Die Klägerin hat mit ihrer Beschwerde zum BSG nach §
17a Abs
4 Satz 4
GVG den statthaften Rechtsbehelf gegen die Rechtswegentscheidung des LSG eingelegt.
Ist nach Anrufung eines Gerichts streitig, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, kann das Gericht vorab aussprechen,
dass es den beschrittenen Rechtsweg für zulässig hält (vgl §
17a Abs
3 Satz 1
GVG). Das Gericht muss vorab entscheiden, wenn eine Partei bzw ein Beteiligter die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (vgl §
17a Abs
3 Satz 2
GVG). Gegen einen solchen Beschluss ist gemäß §
17a Abs
4 Satz 3
GVG die "sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben". Den Beteiligten steht
die Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in
dem Beschluss zugelassen worden ist (§
17a Abs
4 Satz 4
GVG). Für das sozialgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass gegen einen Rechtswegbeschluss des LSG binnen eines Monats nach
Zustellung des Beschlusses beim BSG schriftlich die zugelassene Beschwerde durch einen postulationsfähigen Vertreter einzulegen
ist.
So liegt der Fall hier. Das angerufene LSG hat vorab entschieden, dass der von der klagenden ErsK gegen den angefochtenen
Beschluss des Bundeskartellamts zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschrittene Rechtsweg unzulässig ist und den Rechtsstreit
an das OLG Düsseldorf verwiesen. Es hat die Rechtswegbeschwerde zum BSG zugelassen. Hieran ist der erkennende Senat gemäß
§
17a Abs
4 Satz 6
GVG gebunden. Die Klägerin hat hiergegen form- und fristgerecht Beschwerde zum BSG eingelegt. Der erkennende Senat hat darüber
zu entscheiden, ob das LSG den Sozialrechtsweg zu Recht für unzulässig angesehen hat. Diese Frage ist zu verneinen.
2. Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten ist der Sozialrechtsweg eröffnet, da
§
51 Abs
1 Satz 2
SGG den Rechtsstreit den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zuordnet (dazu a). Die hierdurch begründete Zuständigkeit ist gegenüber
derjenigen der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit aus § 63 GWB spezieller (dazu b).
a) Der vorliegende Streit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der GKV (§
51 Abs
1 Nr
2 SGG). Nach §
51 Abs
1 Nr
2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der GKV,
auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. Eine Ausnahme ist insoweit nur für Streitigkeiten in Angelegenheiten
nach §
110 SGB V aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen vorgesehen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser gelten. Des
Weiteren entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der GKV,
auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. § 87 GWB findet ausdrücklich keine Anwendung (vgl §
51 Abs
2 Satz 1 und
2 SGG idF durch Art 1 Nr 11 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes [SGGArbGGÄndG] vom 26.3.2008, BGBl I
444).
Bereits der umfassende Wortlaut, der alle die GKV betreffenden Angelegenheiten erfasst, seien sie privat oder öffentlich-rechtlicher
Art, weist sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der KKn, der unmittelbar
ihre öffentliche Aufgaben betrifft, den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu. Ihre umfassende Zuständigkeit wird durch die
Entwicklungsgeschichte der Norm bestätigt (vgl ausführlich zur Entwicklung der Zuständigkeit für das Leistungserbringungsrecht
BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 56 ff und zB Engelmann, NZS 2000, 213 ff; derselbe in: jurisPK-
SGB V, §
69 RdNr 152 ff; ebenso Möschel, JZ 2007, 601, 604 ff aus Sicht des Kartellrechts mit der Forderung nach Beseitigung der Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte). Die
Zuständigkeitsvorschriften des
SGG einschließlich des §
51 SGG sind zwingend und begründen ausschließliche Zuständigkeiten (allgM, vgl zB BSG SozEntsch BSG 1/4 §
51 Nr 17; speziell zu §
51 SGG zB BSG SozR 4-1500 §
51 Nr 4 RdNr 56).
Die in §
51 Abs
1 SGG enthaltene Zuweisungsklausel umfasst ua alle Streitigkeiten, die aus Anlass der Durchführung der öffentlichen Aufgabe "Sozialversicherung"
entstehen, sofern die Streitigkeiten ihre materiell-rechtliche Grundlage im Sozialversicherungsrecht haben (vgl zB bereits
zur früheren Rechtslage BVerwG Urteil vom 17.12.1959 - 1 C 96.56 - NJW 1960, 1409 f; BVerwG Urteil vom 6.2.1986 - 3 C 74.84 - NVwZ 1986, 467). Hier ist speziell eine Angelegenheit der Krankenversicherung betroffen, nämlich der Anspruch auf kompetenzgerechte Aufsicht,
und nicht eine Angelegenheit kartellrechtlicher Natur, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten (§ 63 GWB) eröffnet wäre.
Maßgebend für die Zuordnung zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art in Angelegenheiten
der Sozialversicherung ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BSGE 58, 247, 248 = SozR 1500 § 51 Nr 38 S 59), nicht - wie die Beklagte und das LSG meinen - das Verteidigungsvorbringen der Beklagten
gegen das von der Klägerin eingeleitete Rechtsschutzersuchen. Die Maßgeblichkeit der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem
der Klageanspruch hergeleitet wird, harmoniert mit der bisherigen Rechtsprechung zu Parallelfällen. So richtet sich die Frage,
ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch
hergeleitet wird, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt (vgl GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 53 S 108
= BGHZ 108, 284, 286). Die Klägerin leitet ihr Klagebegehren aus dem im materiellen Sozialrecht begründeten Recht auf Selbstverwaltung in
Form des Anspruchs auf Unterlassung kompetenzwidriger Aufsicht im Zusammenhang mit der Erhebung von Zusatzbeiträgen und ihrer
Pflicht zur Kooperation mit anderen KKn her, nicht aber aus dem Kartellrecht. Sie begehrt die Aufhebung einer Auskunftsanordnung
mit der Rechtsbehauptung, dass sie - als ErsK - zusammen mit anderen KKn über anstehende Einführungen von Zusatzbeiträgen
informieren darf, ohne Anordnungen der Beklagten ausgesetzt zu sein, der hierfür die Zuständigkeit fehlt. Damit bezieht sie
sich auf ihr Rechtsverhältnis als Sozialversicherungsträger zur Staatsverwaltung, das herkömmlich durch die Rechtsfiguren
Selbstverwaltung (eigener Wirkungsbereich), Weisungsfreiheit und Beschränkung auf Körperschaftsaufsicht (Rechtsaufsicht) gekennzeichnet
wird (§§
29,
87 SGB IV).
Die Klägerin ist als Krankenversicherungsträger und damit als Träger der Sozialversicherung eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts mit Selbstverwaltung (§
29 Abs
1 SGB IV, §
4 Abs
1 SGB V). In Verbindung mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit folgt aus der grundsätzlichen Verleihung des Rechts zur Selbstverwaltung,
dass die Versicherungsträger ein subjektives Recht gegenüber der Staatsverwaltung auf Wahrung ihrer gesetzlich eingeräumten
Kompetenzen haben (Krause in: Gleitze/Krause/von Maydell/Merten, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch,
SGB IV, 2. Aufl 1992, §
29 RdNr 27). Dieses Recht können sie im Sozialrechtsweg verteidigen bzw durch Feststellungsklage geltend machen, wenn es von
der staatlichen Exekutive nicht respektiert oder der ihnen zur Eigenverantwortung überlassene Wirkungsbereich unzulässig eingeschränkt
wird (BSGE 58, 247 = SozR 1500 § 51 Nr 38). Das gilt auch, soweit weitergehende Aufsichtsmaßnahmen und sie vorbereitende Akte - wie hier die
Auskunftsanordnung - sich auf das Gebiet der Kooperation von KKn bei Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erstrecken. So
ist zu Recht für Streitigkeiten, bei denen es im Kern etwa um die Pflicht von KKn zur engen Zusammenarbeit geht, allgemein
anerkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (vgl zum Streit zwischen KKn über zulässige
Mitgliederwerbung zB GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 53 S 110 = BGHZ 108, 284, 289). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen den KKn einem Sonderrecht der Träger öffentlicher
Aufgaben unterworfen ist, nämlich sozialversicherungsrechtlichen Normen, die den Interessen der Allgemeinheit dienen (vgl
GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 53 S 108 f = BGHZ 108, 284, 287).
Zum Recht auf Selbstverwaltung gehört das Recht der Klägerin auf Unterlassung kompetenzwidriger Aufsichtsmaßnahmen, das Recht
auf Erhebung eines Zusatzbeitrags von ihren Mitgliedern kraft Satzungsbestimmung bei Finanzbedarf (§
242 Abs
1 Satz 1
SGB V) und das Recht, das eigene Verhalten an der Pflicht der KKn zur Zusammenarbeit auszurichten, speziell im Zusammenhang mit
einer möglichen Koordinierung des Termins zur Einführung von KKn-Zusatzbeiträgen. Im Interesse der Leistungsfähigkeit und
Wirtschaftlichkeit der GKV arbeiten die KKn und ihre Verbände sowohl innerhalb einer Kassenart als auch kassenartenübergreifend
miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens eng zusammen (§
4 Abs
3 SGB V). Die Auskunftsanordnung des Bundeskartellamts zielt darauf ab, ein Verfahren vorzubereiten, in dem es im Kern um das Recht
und die Reichweite der Pflicht der Klägerin geht, mit anderen KKn bei der Einführung von Zusatzbeiträgen eng zusammenzuarbeiten.
Das Bundeskartellamt nimmt insoweit Hoheitsbefugnisse für sich in Anspruch, zu denen die Klägerin vorträgt, sie verletzten
mangels Kompetenz ihr Selbstverwaltungsrecht. Nur in diesem Zusammenhang, wenn der Klägerin ein Recht darauf zusteht, dass
kompetenzwidrige Aufsichtsmaßnahmen unterbleiben, ist zu prüfen, ob die Normen des GWB Aufsichtsrechte über KKn bei Ausübung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Verwaltungstätigkeit begründen. Das Verwaltungshandeln
der Klägerin, das die Beklagte zum Anlass ihrer Anordnung genommen hat und rechtlich hinterfragt, ist Ausprägung dieser dem
Sozialversicherungsrecht, dem
SGB V entstammenden Rechtspflicht zur Kooperation. Verstöße gegen die Pflicht der KKn, eng zusammenzuarbeiten, unterliegen zwar
der Rechtsaufsicht durch die zuständigen Aufsichtsbehörden. Die betroffenen KKn können sich aber hiergegen und erst recht
gegen Maßnahmen unzuständiger Behörden vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§
51 Abs
1 SGG) mit der eigens hierfür vorgesehenen Aufsichtsklage wehren (vgl §
29 Abs
2 Nr
2, §
54 Abs
3 SGG). Nur deshalb, weil das hierzu berufene Gericht alle Normen des Aufsichtsrechts über KKn durchzuprüfen hat und sich die Beklagte
auf das GWB beruft, ist der Rechtsstreit entgegen der Ansicht der Beklagten kein solcher nach § 63 GWB. Es bliebe die - wie dargelegt - allein maßgebliche Natur des Rechtsverhältnisses unbeachtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet
wird. Die Klägerin macht nämlich gerade geltend, dass ein von außen "in das Sozialrecht einbrechender" Rechtsakt vorliegt,
der die dort bestehenden aufsichtsrechtlichen Strukturen und Befugnisse verkennt.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG wird die Zuständigkeit nach §
51 Abs
1 Nr
2 SGG auch nicht durch die in § 63 GWB geregelte Zuständigkeit verdrängt. Vielmehr ist §
51 Abs
1 Nr
2 SGG gegenüber der GWB-Regelung beim Streit über einen Anspruch aus dem Selbstverwaltungsrecht von Sozialversicherungsträgern auf Unterlassen kompetenzwidriger
Aufsichtsmaßnahmen spezieller. Denn §
51 Abs
1 Nr
2 SGG kommt die spezifische Aufgabe zu, Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der Aufsicht über die Selbstverwaltungsträger, die
im Selbstverwaltungsrecht dieser Träger wurzeln, der Sozialgerichtsbarkeit zuzuordnen. Diese Aufgabe hat Vorrang gegenüber
den allgemeinen, hinsichtlich der Ausgestaltung der Aufsicht über sozialversicherungsrechtliche Selbstverwaltungsträger unspezifischen
Regelungen des GWB ganz unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt anwendbar sind oder - mangels Unternehmenseigenschaft der KKn - gerade
nicht (vgl dazu zB BSG Urteil vom 22.6.2010 - B 1 A 1/09 R - RdNr 22 ff mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 53 Nr 1 bestimmt).
Nur scheinbar steht dieser Auslegung der Wortlaut der GWB-Norm entgegen. Denn es geht um die Konkurrenz zweier Regelungen - §
51 Abs
1 Nr
2 SGG und § 63 GWB -, die beide jeweils ausschließliche, aber divergierende Zuständigkeiten begründen. Solche Normkollisionen sind nach dem
Grundsatz des ausdrücklich angeordneten spezielleren Rechtsweges zu entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 50). Das
ist beim Streit über einen Anspruch auf kompetenzgemäße Aufsicht sozialversicherungsrechtlicher Selbstverwaltungsträger der
Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.
Für den Vorrang des §
51 SGG spricht letztlich - wenn auch nur ergänzend - auch, dass der Gesetzgeber selbst für das Leistungserbringungsrecht die Anwendbarkeit
des GWB über den gerichtlichen Rechtsschutz gezielt ausgeschlossen hat. Wenn der Gesetzgeber dies schon für das Leistungserbringungsrecht
geregelt hat, gilt dieser Grundsatz erst recht für das Aufsichtsrecht. Der Gesetzgeber nahm für mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) ua in §
51 SGG ab 1.1.2000 prozessrechtliche Klarstellungen vor: Er erweiterte §
51 Abs
2 SGG um den Satz: "§§ 87 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden keine Anwendung". § 87 Abs 1 GWB begründet die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung des
GWB, der Art 81, 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder des Art 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
betreffen. Diese Vorschrift wurde durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 um den Zusatz ergänzt, dass dies nicht gilt für
Rechtsstreitigkeiten aus den in §
69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen, auch soweit Rechte Dritter betroffen sind. Die auf eine Anregung des Ausschusses für Gesundheit
zurückgehenden Ergänzungen bei §
51 Abs
2 SGG und § 87 GWB wurden zusammenfassend wie folgt begründet: Die Ergänzung stelle auch im GWB klar, dass für die sich aus den in §
69 SGB V genannten Rechtsbeziehungen ergebenden Rechtsstreitigkeiten die Sozialgerichte bzw die Verwaltungsgerichte zuständig seien
(vgl BT-Drucks 14/1977 S 189 zu Art 10a). Auch das SGGArbGGÄndG hat der Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen, in Kenntnis
der Problematik etwas an der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zu ändern. Er hat lediglich in §
51 Abs
2 Satz 2
SGG die Bezugnahme auf § 96 GWB beseitigt, da die Norm inzwischen weggefallen ist (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 61 ff).
Nach dem Wortlaut des § 63 Abs 1 Satz 1 GWB ist die Beschwerde gegen Verfügungen der Kartellbehörde zulässig. Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Kartellbehörde
Beteiligten (§ 54 Abs 2 und 3 GWB) zu. Über die Beschwerde entscheidet ausschließlich das für den Sitz der Kartellbehörde zuständige Oberlandesgericht, in
den Fällen der §§ 35 bis 42 GWB ausschließlich das für den Sitz des Bundeskartellamts zuständige Oberlandesgericht, und zwar auch dann, wenn sich die Beschwerde
gegen eine Verfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie richtet (§ 63 Abs 4 Satz 1 GWB).
Die Regelung betrifft aber lediglich den Regelfall, in dem am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligte nicht anderweitig
geregelten, ausschließlichen und spezielleren gesetzlich konzipierten Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Wie dargelegt
geht es um einen solchen Ausnahmefall gerade im vorliegenden Rechtsstreit. Soweit das Vorbringen der Beklagten die Anwendbarkeit
des § 63 GWB voraussetzt, ist es dementsprechend ohne Belang.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. §
17b Abs
2 Satz 1
GVG, wonach bei Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht, die Kosten vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten
behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, findet bei Beschlüssen nach §
17a GVG keine Anwendung, wenn der beschrittene Rechtsweg für zulässig erachtet wird (vgl BSG SozR 3-1500 §
51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541, 2542; Ehlers in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand November 2009, §
17a GVG RdNr 35 mwN).