Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - sachlicher Zusammenhang - Überfall - Vergewaltigung - Garage - persönliche Beziehung
- Schutzbereich - begünstigender Umstand
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Überfalls am 2.3.2009 als Arbeitsunfall streitig.
Die Klägerin, die an einer Schule beschäftigt ist, lernte den Täter (im Folgenden: T.) 1993 kennen, während dieser in Untersuchungshaft
saß. Nachdem T. eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüßt und am 19.9.2008 aus der Haft entlassen worden war, nahm er wieder
Kontakt zu ihr auf. Die von T. angestrebte feste Beziehung kam nicht zustande. Die Klägerin beendete die Beziehung am 16.2.2009
endgültig. T. reiste am 1.3.2009 zum Wohnort der Klägerin, um nochmals mit ihr zu sprechen. Er wartete am Morgen des 2.3.2009
ab 8 Uhr vor dem Haus darauf, dass sie herauskam. Die Klägerin verließ das Haus um ca 8.50 Uhr und ging zu der nur von außen
zugänglichen Garage, um zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren. Nachdem sie die Garage betreten und ihre Tasche auf den Beifahrersitz
ihres Autos gestellt hatte, zog sie das Garagentor weiter auf. In diesem Moment betrat T. die Garage, fesselte die Klägerin
und brachte sie zunächst in die angrenzende Waschküche, dann in den Heizungskeller. Schließlich vergewaltigte er sie in der
Garage in ihrem Kraftfahrzeug.
Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte mit Bescheid vom 27.5.2009 die Feststellung des Ereignisses vom 2.3.2009 als
Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Den Widerspruch der Klägerin wies er
mit Widerspruchsbescheid vom 4.3.2010 zurück. Der Überfall auf dem Weg zur Arbeit stehe nicht unter Versicherungsschutz in
der gesetzlichen Unfallversicherung, weil die Motive für den Überfall allein im privaten Bereich der Klägerin gelegen hätten.
Auch sei nicht erkennbar, dass T. sich bei seiner Tat besondere Gegebenheiten des Weges der Klägerin zu ihrer Tätigkeit zu
Nutze gemacht habe.
Das SG hat mit Urteil vom 19.5.2011 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 2.3.2009
um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Es könne offenbleiben, ob der Versicherungsschutz der Klägerin in der gesetzlichen
Versicherung deshalb entfalle, weil es sich um einen auf persönlichen Gründen beruhenden vorsätzlichen Angriff gehandelt habe.
Denn besondere, dem versicherten Weg zuzuordnende Verhältnisse in den nach außen abgeschirmten Räumen der Garage, der Waschküche
und des Heizungskellers hätten den Angriff erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt.
Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 16.1.2012 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, zwar bestehe bei tätlichen Angriffen Versicherungsschutz,
wenn der Täter aus betriebsbezogenen Motiven handele oder dem Versicherungsschutz unterfallende Situationen ausnutze. Ein
Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit entfalle jedoch dann, wenn die Motive - wie hier - aus der persönlichen Beziehung
zwischen Opfer und Täter herrührten. Auf die objektiven Umstände und die Beschaffenheit des Weges komme es dann nicht an.
Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass die dem versicherten Bereich zuzuordnenden Verhältnisse die Tat wenigstens begünstigt
hätten.
Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung des §
8 Abs
1 Satz 1 und Abs
2 SGB VII iVm §§
2,
3 und
6 SGB VII. Zwar habe sich bei dem Überfall kein typisches, über §
8 Abs
2 SGB VII abgesichertes Wegerisiko verwirklicht. Es entspreche jedoch dem Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, Arbeitnehmer zu
schützen, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit Opfer eines Überfalles werden, zu dem sie keinen persönlichen Beitrag, zum Beispiel
durch Provokation oder einen Streit, geleistet hätten. Da die Zufälligkeit des Geschehens eine typische Eigenschaft eines
Unfalles darstelle, könne das Risiko, auf dem Weg zur Arbeit Opfer eines durch persönliche Beziehungen motivierten Überfalles
zu werden, nicht anders behandelt werden als das Risiko, einen fremdverschuldeten Verkehrsunfall zu erleiden. Auch hätten
die dem versicherten Bereich zuzuordnenden Verhältnisse den Angriff erst ermöglicht bzw begünstigt. T. habe die Tat ungestört
und ohne die Gefahr vor Entdeckung wegen der ihm bekannten, zum geschützten Arbeitsweg gehörenden, nicht einsehbaren Räume
begehen können und den versicherten Weg vom Verlassen des Hauses bis zum Auto als einzige Möglichkeit für die Tatbegehung
gewählt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19. Mai 2011 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 2012 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zwar habe sich die Klägerin unmittelbar vor dem Überfall auf dem gemäß
§
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII versicherten Weg zur Arbeit befunden. Es habe sich jedoch keine der versicherten Tätigkeit innewohnende Gefahr und auch kein
typisches Wegerisiko, sondern eine unversicherte allgemeine Gefahr verwirklicht, so dass kein Arbeitsunfall vorliege. T. habe
nämlich die Klägerin ausschließlich aus einer aus ihrer vorherigen Beziehung und deren Ende herrührenden Motivation angegriffen.
Das Zurücklegen des Arbeitsweges habe die Tat nicht wesentlich verursacht oder auch nur wesentlich gefördert, weil T. nicht
die besonderen räumlichen Gegebenheiten des Weges, sondern die des Privathauses der Klägerin für die Tatbegehung ausgenutzt
habe.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
4.3.2010 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat durch den Überfall am 2.3.2009 keinen Arbeitsunfall erlitten.
1. Die Klägerin hat ihre Klage zulässig auf die Anfechtung des Verwaltungsaktes der Beklagten sowie die Feststellung des Eintritts
eines Versicherungsfalles beschränkt. Der Zulässigkeit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage gemäß §
54 Abs
1 SGG und §
55 Abs
1 Nr
1 SGG steht in Fällen der vorliegenden Art, in denen allein die vom Versicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens
eines Arbeitsunfalles als Versicherungsfall begehrt wird, die grundsätzliche prozessrechtliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage
nicht entgegen (vgl zB BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4 und vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - UV-Recht Aktuell 2010, 897, 899).
2. Nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherte" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes,
von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod der Versicherten objektiv
und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 10; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 25 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 251, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klägerin war vor dem als Arbeitsunfall allein in Betracht kommenden Überfall
am Morgen des 2.3.2009 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte in einer Schule kraft Gesetzes zwar nicht als Beschäftigte iS des
§
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII versichert, wohl aber in der Wegeunfallversicherung gemäß §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII (dazu a). Die von der Klägerin auf diesem Weg durch den Überfall erlittenen Einwirkungen iS des §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie nicht iS von §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Weges auftraten und damit nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen waren (dazu b).
a. Die Klägerin war während ihrer Tätigkeit in einer Schule als Beschäftigte iS von §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII versichert. Der Überfall und die Vergewaltigung durch T. ereigneten sich außerhalb dieser Tätigkeit und standen mit dieser
auch nicht in Zusammenhang. Die Klägerin verrichtete jedoch unmittelbar vor dem Angriff des T. eine versicherte Tätigkeit
nach §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII und war deshalb Versicherte, denn sie befand sich auf dem unmittelbaren Weg von ihrer Wohnung zum Ort der versicherten Beschäftigung
nach §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG
(§
163 SGG) hatte sie unmittelbar vor dem Überfall in der Absicht, die Arbeitsstätte zu erreichen, am Morgen des 2.3.2009 die Außentür
ihres Hauses durchschritten und ihre nur von außen zugängliche Garage betreten. Zwar ist eine direkt vom Haus aus zugängliche
Garage dem unversicherten häuslichen Bereich zuzurechnen, so dass der Wegeunfallversicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten
oder Durchfahren des Garagentors beginnt (vgl BSG vom 31.5.1988 - 2/9b RU 6/87 - BSGE 63, 212, 213 f = SozR 2200 § 550 Nr 80 mwN). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Garage - wie hier - nur von außen zugänglich ist.
Wird eine solche Garage aufgesucht, um mit dem dort abgestellten Fahrzeug zur Arbeitsstätte zu gelangen, so beginnt der Versicherungsschutz
der Wegeunfallversicherung bereits nach dem Durchschreiten der Außentür des Hauses und besteht in der Garage fort (vgl BSG vom 27.10.1976 - 2 RU 247/74 - BSGE 42, 293, 295 = SozR 2200 § 550 Nr 22 und vom 28.6.1988 - 2 RU 14/88 - USK 88112, jeweils mwN).
b. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13.11.2012 (B 2 U 19/11 R - aaO mwN) ausgeführt hat, besteht die Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung für versicherte Wege iS des §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt,
ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die
Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger
erfordert zweistufig die Erfüllung 1. tatsächlicher und 2. darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung
der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung (und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder
den Tod) sowohl objektiv (1. Stufe - hierzu aa) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe - hierzu bb) verursacht haben (vgl
BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - aaO RdNr 30 ff). Vorliegend hat zwar das Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte objektiv die Einwirkungen durch den Überfall
des T. verursacht, dieser Weg war jedoch nicht rechtlich wesentlich hierfür iS von §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII (dazu cc).
aa. Auf der 1. Stufe muss die versicherte Verrichtung iS der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges (stets
neben anderen Bedingungen) sein. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und
darf nicht nur als (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung anzusehen sein. Ob die versicherte Verrichtung
eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - aaO Juris RdNr 35 f).
bb. Auf der 2. Stufe ist festzustellen, ob sich die durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursachte Einwirkung rechtlich
unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer
in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellt und deshalb die versicherte
Tätigkeit "wesentlich" war, ob also sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils
erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird nur
begründet, wenn die durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Einwirkung auf den Versicherten eine Gefahr
mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll.
Andere unversicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten
Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden
"im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die versicherten
und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer
rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl
BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - aaO RdNr 36 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - aaO Juris RdNr 43).
cc. Nach diesen Maßstäben war das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte auch während des Aufenthalts in der
Garage eine Ursache für die Einwirkung durch den Überfall des T. Objektiv mitursächlich hierfür war aber auch die persönliche
Beziehung zwischen der Klägerin und T. Den vom LSG bindend festgestellten Umständen ist zu entnehmen, dass T. die Klägerin
allein deshalb aufsuchte, weil diese die frühere engere Beziehung zu ihm gegen seinen Willen beendet hatte, und es infolgedessen
zu dem Überfall kam. Die sich damit auf der zweiten Stufe stellende Frage, ob sich durch den Überfall rechtlich auch unter
Würdigung unversicherter Mitursachen eine in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fallende Gefahr realisiert hat,
ist zu verneinen. Zwar schützt die Wegeunfallversicherung nach ständiger Rechtsprechung auch vor Überfällen, denn die Auslegung
des §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII ergibt, dass nach seinem Wortlaut und nach der historischen Entwicklung der Wegeunfallversicherung diese Gefahr vom Versicherungsschutz
in der Wegeunfallversicherung grundsätzlich erfasst wird (vgl zB BSG vom 10.12.1957 - 2 RU 270/55 - BSGE 6, 164, 167 mwN; vom 29.5.1962 - 2 RU 170/59 - BSGE 17, 75, 77 = SozR Nr 37 zu § 543
RVO; vom 15.12.1977 - 8 RU 58/77 - ErsK 1978, 111; vom 30.6.1998 - B 2 U 27/97 R - USK 98150; vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 27; so auch Krasney WzS 2012, 131, 132; aA wohl Mutschler SGb 2012, 684, 688; vgl auch das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R mwN). Die weitere unversicherte Mitursache der persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und T. hat hier das Geschehen
aber derart geprägt, dass auch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten des Weges die versicherte Tätigkeit als
Ursache zurücktritt und wesentliche Ursache allein die nicht vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung erfassten privaten
Kontakte zwischen der Klägerin und T. waren.
Die gesetzliche Unfallversicherung schützt während des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit
vorrangig gegen Gefahren, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem
Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben,
die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - aaO RdNr 45 ff). In den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung des §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII fallen aber auch grundsätzlich Überfälle auf den Versicherten auf dem Weg zur Arbeit, soweit sie rechtlich wesentlich durch
das Zurücklegen des Weges bedingt sind. Die Gefahr, aufgrund eigener privater Beziehungen, Kontakte oder sonstiger aus dem
persönlichen Bereich stammender Umstände Opfer eines Überfalls (unabhängig vom Ort der Tat und dessen besonderen Verhältnissen)
zu werden, wird dagegen nicht vom Schutzbereich der Wegeunfallversicherung erfasst. Denn eine solche Gefahr besteht nicht
nur auf öffentlich zugänglichen Wegen, sondern auch im häuslichen Bereich und stellt keine beim Zurücklegen eines Weges spezifische
Gefahr dar.
Bei der folglich im vorliegenden Verfahren erforderlichen Abwägung, welche Ursache rechtlich wesentlich für die Einwirkungen
durch den Überfall auf die Klägerin war, tritt das versicherte Zurücklegen des Weges zur Schule als Mitursache hinter den
nicht versicherten Angriff des T. aufgrund der persönlichen Beziehungen zwischen ihm und der Klägerin so weit zurück, dass
der Weg nicht "wesentliche" Ursache und damit Ursache im rechtlichen Sinne für die durch den Überfall bewirkten Einwirkungen
ist. Nach den vom LSG bindend festgestellten Umständen war die persönliche Beziehung zwischen Klägerin und T. sowohl für den
Ort als auch für den Zeitpunkt und für die Art und Weise des Überfalls prägend. Wie auch die Klägerin selbst ausführt, waren
T. aufgrund der in der Vergangenheit bestehenden Kontakte zur Klägerin die örtlichen Gegebenheiten und, soweit er hierüber
Kenntnisse besaß, Zeitpunkt und die Art und Weise des Antritts des Weges zur Arbeitsstätte bekannt. Auch Grund und Art des
Angriffs waren durch die Art der Kontakte zur Klägerin bestimmt.
Zwar wird dann, wenn die Verhältnisse des zurückzulegenden Weges von und zu der Arbeitsstätte einen grundsätzlich nicht unter
den Versicherungsschutz fallenden Überfall erst begünstigen oder ermöglichen, angenommen, dass der Weg dann als rechtlich
wesentliche Ursache den Versicherungsschutz in der Wegeversicherung begründen kann (vgl zB BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R - BSGE 87, 224, 226 = SozR 3-2202 § 548 Nr 41 mwN). Vorliegend waren jedoch die das Zurücklegen des versicherten Weges kennzeichnenden Umstände
für den Überfall weit weniger bestimmend als die Gründe aus der persönlichen Beziehung der Klägerin zum T.
Anderes ergibt sich nicht aus den bindenden Feststellungen des LSG. Die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten der Tat, ua
die lediglich halb geöffnete Garage mit den dahinter befindlichen Räumen ohne weiteren Zugang, waren keine Verhältnisse, die
abweichend von der üblichen Beschaffenheit von Wegen ein erhöhtes Gefahrenpotential begründen konnten. Dass die Klägerin sich
aus Furcht vor T. nur auf den Wegen nach und von ihrer Beschäftigung allein ohne Begleitung bewegte, ist den Feststellungen
des LSG im Übrigen nicht zu entnehmen. Darüber hinaus wäre dies kein objektiv die Beschaffenheit des Weges betreffender Umstand,
sondern würde auf der nicht in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fallenden, allein dem persönlichen Bereich der
Klägerin zuzuordnenden Gefährdungslage beruhen.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Ausschluss des Unfallversicherungsschutzes für Überfälle aufgrund persönlicher Beziehungen
im Unterschied zu fremdverschuldeten Verkehrsunfällen benachteilige sie ohne rechtfertigenden Grund, und damit einen Verstoß
gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG rügen will, verkennt sie, dass die Ungleichbehandlung durch den oben dargestellten Schutzzweck der Wegeunfallversicherung
gerechtfertigt ist, die ausschließlich von den Arbeitgebern finanziert wird und schon deshalb Überfälle auf den Versicherten
aus privaten Gründen nicht umfassen kann. Daher kann offenbleiben, ob es sich bei überfallenen und an einem Verkehrsunfall
beteiligten Versicherten überhaupt um iS des Art
3 Abs
1 GG vergleichbare Personengruppen handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.