Anspruch auf Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG hat auf die Berufung der beklagten Krankenkasse das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit dieser begehrt der Kläger Krankengeld (Krg) über den 1.10.2017 hinaus. Bis zum 1.10.2017
war ihm von seiner behandelnden Ärztin Arbeitsunfähigkeit (AU) bescheinigt worden. Deren Praxis suchte der Kläger am Montag,
2.10.2017, auf und stellte fest, dass diese am Brückentag vor dem Feiertag am 3.10.2017 geschlossen war und am 4.10.2017 wieder
öffnete. An diesem Tag suchte er die Praxis erneut auf und die Ärztin bescheinigte dem Kläger AU ab 4. bis 25.10.2017; im
Widerspruchsverfahren bescheinigte sie rückwirkend AU auch am 2. und 3.10.2017. Während das SG die Beklagte zur Leistung verurteilt hat, weil der Kläger alles ihm Zumutbare anspruchserhaltend unternommen habe, hat das
LSG einen Leistungsanspruch des Klägers abgelehnt, weil er nicht alles ihm Zumutbare getan habe, um die Erteilung einer rechtzeitigen
AU-Folgebescheinigung noch am 2.10.2017 zu erhalten. Ihm sei die Inanspruchnahme des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der
Kassenärztlichen Vereinigung möglich und zumutbar gewesen, auf dessen Rufnummer die Bandansage der Praxis seiner Ärztin hingewiesen
habe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er macht eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Abweichung des LSG vom BSG geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2). Beide hier geltend gemachten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt
oder bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach
§
160 Abs
2 Nr
1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit
in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der
aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung,
Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich
erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die
Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hält eine Entscheidung in seiner Sache
für von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung: "Wie sich Versicherte - wie der Kläger - bei Schließung der Arztpraxis an einem
sogenannten Brückentag, d.h. einem Arbeitstag zwischen einem Feiertag und einem zumeist arbeitsfreien Tag (Samstag, Sonntag),
verhalten sollen, ist unter Berücksichtigung auch der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch nicht abschließend
höchstrichterlich geklärt." Es bedürfe "offensichtlich einer Fortentwicklung des Rechts in Bezug auf die Begrifflichkeit 'alles
in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan'."
Hierzu lassen sich indes der Beschwerdebegründung weder Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit noch zur Klärungsfähigkeit entnehmen.
Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Senats dazu, unter welchen Voraussetzungen
eine Lücke in den AU-Feststellungen einem Krg-Anspruch nicht entgegensteht (BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8; BSG vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - vorgesehen für BSGE - SozR 4-2500 § 46 Nr 10). Diese Rechtsprechung wird zwar erwähnt, doch setzt sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, was dieser für
die als grundsätzlich bedeutend erachtete Frage bereits an Maßstäben zu entnehmen ist, und sie legt nicht dar, inwieweit eine
Fortentwicklung der Rechtsprechung im angestrebten Revisionsverfahren erforderlich erscheint.
2. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen
abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen
abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien
entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung
rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende
andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil weder entscheidungserhebliche abstrakte Rechtssätze des
LSG bezeichnet werden, mit denen es eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, noch Rechtssätze des BSG bezeichnet werden, von denen das LSG abgewichen sein soll. Vielmehr bleiben die Darlegungen ganz dem Einzelfall des Klägers
verhaftet und fordern lediglich eine weite Auslegung der von der Rechtsprechung entwickelten Formulierung "alles in seiner
Macht Stehende und ihm Zumutbare getan" ein.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.