Entziehung einer Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Prozessordnungsgemäßer Beweisantrag
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Entziehung einer Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung.
Die 1965 geborene Klägerin ist seit dem 1.1.1999 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Am 27.11.2013 beschloss
der Zulassungsausschuss, der Klägerin die Zulassung zu entziehen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss
zurück. Zur Begründung bezog er sich auf insgesamt elf näher bezeichnete Sachverhaltskomplexe mit Verstößen gegen vertragszahnärztliche
Bestimmungen. Der Klägerin wird ua die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und die Verletzung von Dokumentationspflichten
vorgeworfen. Die Schadenssummen werden - soweit angegeben - je Sachverhaltskomplex mit Beträgen zwischen etwa 1500 und etwa
100 000 Euro bewertet.
Der erste der elf Sachverhaltskomplexe wird wie folgt bezeichnet:
"In zweistelliger Größe hat die Widerspruchsführerin ohne Wissen der Patienten Kiefergelenkserkrankungen [offenbar gemeint:
Kiefergelenksbehandlungen] bei der Krankenkasse beantragt und in drei Fällen Parodontosebehandlungen. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (AZ: 120 Js 795/10) ist nach vollständiger Erfüllung der Auflage von 2.500,- € gemäß §
153a Abs.
1 StPO am 18.08.2012 endgültig eingestellt worden. Es wurde ein Betrug bzw. versuchter Betrug (§
263 StGB) als Gefährdungsschaden angenommen".
Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag der Klägerin, die schriftlichen
Aussagen der zum og ersten Sachverhaltskomplex befragten Patienten anzufordern, hat das LSG nicht entsprochen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Klägerin einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend.
II
1. Die Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Verpflichtung des Gerichts zur Amtsermittlung) kann ein Verfahrensmangel jedoch nur gestützt werden, wenn er sich auf einen
Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Beweisantrag muss ferner - sonst kann
das Urteil des LSG nicht iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG auf dem Verfahrensmangel "beruhen" - auf ein Beweisergebnis ausgerichtet gewesen sein, das die Entscheidung des LSG in ihrem
Ergebnis hätte in Frage stellen können (vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2007 - B 6 KA 52/07 B - juris RdNr 7 am Ende; BSG Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris RdNr 41 am Ende; BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 6 KA 22/13 B - juris RdNr 4).
Die Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung ua beantragt, "die Übersendung der schriftlichen
Aussagen der von der AOK Rheinland/Hamburg befragten Patienten einzufordern". Dabei handelt es sich nicht um einen ordnungsgemäß
gestellten Beweisantrag. Wesentliche Merkmale eines hinreichend substantiierten Beweisantrags sind eine bestimmte Tatsachenbehauptung
und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Die behauptete Tatsache ist möglichst eindeutig und präzise zu bezeichnen und es
ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben wird. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage,
die Entscheidungserheblichkeit des Beweisantrags zu prüfen und gegebenenfalls ihre Ablehnung hinreichend iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zu begründen. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen
(vgl BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - NZS 2012, 230 = juris RdNr 26; BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B - juris = BeckRS 2010, 65789, RdNr 12).
Für das LSG war hier zwar aus dem Zusammenhang und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin aus dem Schriftsatz
vom 18.5.2018 erkennbar, dass sich der Beweisantrag auf den og ersten von insgesamt elf der Zulassungsentziehung zugrunde
liegenden Sachverhaltskomplexen bezog. In diesem Zusammenhang hatte die AOK angegeben, Versicherte meist telefonisch und zum
Teil auch schriftlich befragt und in 26 Fällen die Auskunft erhalten zu haben, dass ihnen von einem eingereichten Antrag auf
Genehmigung einer Kiefergelenksbehandlung (Aufbissschiene) nichts bekannt sei bzw dass sie von einer beantragten Parodontosebehandlung
nichts gewusst hätten (Schreiben der AOK Rheinland-Hamburg vom 9.7.2010, überreicht als Anlage K4 zur ergänzenden Berufungsbegründung
vom 18.5.2018). Der in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltene Beweisantrag der Klägerin enthält jedoch keine Angabe
dazu, was die beantragte "Übersendung der schriftlichen Aussagen" ergeben hätte, zumal die Befragung der Versicherten nach
dem Inhalt des og Schreibens der AOK vom 9.7.2010 "meist telefonisch" durchgeführt worden war.
Zudem würde ein Verfahrensmangel voraussetzen, dass das LSG dem Beweisantrag ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt ist. Maßgebend
ist insoweit, ob das LSG objektiv im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gehalten war, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Auch
daran fehlt es hier: Nach den nicht von der Klägerin angegriffenen Feststellungen im Urteil des LSG hat diese in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG erklärt, zum Teil abends bei Durchsicht der Karteikarten der am Tag behandelten Patienten entschieden
zu haben, dass "für den ein[en] oder anderen ein KG oder PAR-Antrag zu stellen sei". Den Vorwurf, dass sie ohne Wissen der
Patienten entsprechende Anträge gestellt hat, hat sie damit im Kern eingeräumt. Das entspricht auch dem Vortrag der Klägerin
aus der Berufungsbegründung vom 8.8.2016 (Bl 232 LSG-Akte), in der sie zugestanden hat, "über Jahre hinweg ... immer wieder
und in immer anderer Weise ihre Pflichten verletzt" zu haben. Dass das LSG davon ausgegangen ist, es komme auf die genaue
Zahl der Behandlungsfälle, die dem ersten Sachverhaltskomplex - und damit einem von insgesamt elf Sachverhaltskomplexen -
zugrunde lagen, für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung nicht an (Urteilsumdruck S 14), ist
vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Damit kann die angefochtene Entscheidung auch nicht auf der unterbliebenen Beweiserhebung
beruhen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst; sie haben im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt (§
162 Abs
3 VwGO; vgl dazu BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1, Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von keinem Beteiligten in Frage gestellten Festsetzung durch die Vorinstanzen. Diese haben den Streitwert
zutreffend auf der Grundlage der um die durchschnittlichen Praxiskosten verminderten Einkünfte ermittelt, die die Klägerin
im Falle der Weiterführung ihrer Praxis innerhalb der nächsten drei Jahre hätte erzielen können.