Gründe:
I
Zwischen der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und dem beklagten Beschwerdeausschuss ist die Rechtmäßigkeit eines
Bescheides umstritten, mit dem der Beklagte gegen die Klägerin einen Richtgrößenregress hinsichtlich der verordneten Arzneimittel
in Höhe von ca 850 000 Euro für die vier Quartale des Jahres 2007 festgesetzt hat.
Die Klägerin ist eine seit dem 1.1.2007 aus zwei Orthopäden bestehende BAG; ihr Mitglied Dr. Z. war bereits seit 2002 teilweise
in Einzelpraxis, teilweise in einer BAG als Orthopäde mit der schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf rheumatologische Behandlungen
tätig. Das Verordnungsverhalten von Dr. Z. als Einzelarzt sowie der nunmehr klagenden BAG ist seit Jahren bis in die Gegenwart
hinein Gegenstand von Maßnahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Das beruht im Wesentlichen auf dem Umfang,
in dem in der Praxis zur Behandlung von Rheumaerkrankungen TNF-Alpha-Inhibitoren (Handelsnamen Humira® und Enbrel®) eingesetzt
und Osteoporosepatienten mit dem Medikament Forsteo® (Wirkstoff Teriparatid) versorgt worden sind. Bei den TNF-Alpha-Inhibitoren
handelt es sich um Biologica, also um gentechnisch hergestellte, besonders teure Medikamente, für die nach der Prüfvereinbarung
(PrüfV) im Bezirk der zu 6. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) seit 2002 besondere Regelungen hinsichtlich eines
ärztlichen Zweitmeinungsverfahrens gelten. Für die TNF-Alpha-Inhibitoren sowie für Teriparatid sind zudem Therapiehinweise
des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ergangen.
Für die Jahre 2007 und 2008 hatte die Prüfungsstelle der Vertragsärzte und Krankenkassen (KKn) in Schleswig-Holstein gegen
die klagende BAG Einzelfallregresse zu Gunsten der hier zu 1. beigeladenen AOK wegen der Verordnung von Teriparatid sowie
von TNF-Alpha-Inhibitoren festgesetzt. Die vom Beklagten überwiegend bestätigten Regressbescheide hat das LSG teilweise für
rechtmäßig gehalten (hinsichtlich der Verordnung von Teriparatid in den Jahren 2007 und 2008 mit Kosten von ca 75 000 Euro
- B 6 KA 23/19 R) und teilweise für rechtswidrig (Verordnung von TNF-Alpha-Inhibitoren in einem Umfang von ca 445 000 Euro - B 6 KA 21/19 R). Von diesen Beträgen entfallen ca 40 000 Euro bzw 225 000 Euro auf das hier im Rahmen der Richtgrößenprüfung betroffene
Jahr 2007. Beide genannten Verfahren zu den Einzelfallregressen sind auch Gegenstand von Entscheidungen des Senats vom heutigen
Tag.
Die Prüfungsstelle setzte zudem gegen die Klägerin wegen Überschreitung der vereinbarten Richtgröße für Arzneimittel im Jahr
2007 den hier streitbefangenen Regress von ursprünglich ca 1 117 000 Euro fest. Dem lagen erhebliche Überschreitungen (ca
604 %) der maßgeblichen Richtgröße zugrunde. Auf die Widersprüche der Klägerin hat der beklagte Beschwerdeausschuss den Regressbetrag
auf die hier noch streitigen ca 850 000 Euro reduziert und dabei bestimmte einzelne Verordnungen bzw Verordnungen für bestimmte
Patientengruppen von dem mit der Richtgröße zu vergleichenden Verordnungsvolumen der Praxis abgezogen.
Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2007 sei wirksam und
eine individuelle Richtgrößenvereinbarung zwischen der Prüfungsstelle und der Klägerin sei nicht getroffen worden.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das sozialgerichtliche Urteil geändert sowie den angefochtenen Bescheid des Beklagten
(endgültig) aufgehoben. Es hat ausdrücklich bekräftigt, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Regresses
wegen massiver Überschreitung des Richtgrößenvolumens vorgelegen hätten. Die Entscheidung des Beklagten sei jedoch rechtswidrig,
weil dieser nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass die Praxis der Klägerin auch Regressansprüchen der AOK wegen der Verordnung
der umstrittenen Medikamente (Humira®, Enbrel® und Forsteo®) in einzelnen Fällen ausgesetzt sei. Der Beklagte habe nicht angemessen
dafür Sorge getragen, dass gegen die Klägerin nicht parallel aus den festgesetzten Einzelfallregressen zu Gunsten der zu 1.
beigeladenen AOK und dem hier streitigen Regress wegen Überschreitung der vereinbarten Richtgröße vorgegangen werden könne
(Urteil vom 20.2.2018).
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, die Entscheidung des LSG stehe mit Bundesrecht nicht im Einklang und sei im
Übrigen praktisch nicht umsetzbar. Rein tatsächlich bestehe die vom LSG gesehene Gefahr einer doppelten Regressierung der
Klägerin nicht, weil die Verordnungen, die Gegenstand der Regressanträge der AOK in den Verfahren B 6 KA 21/19 R und B 6 KA 23/19 R seien, bis auf einen geringen Betrag von ca 12 570 Euro vom Verordnungsvolumen der Praxis vor Durchführung des Vergleichs
mit der für sie maßgeblichen Richtgröße abgezogen worden seien. Rechtlich verlange das LSG zudem etwas Unmögliches. Nach den
Vorschriften der PrüfV habe er - der Beklagte - keine Möglichkeit, bei einer Richtgrößenprüfung abschließend zu beurteilen,
in welchem Umfang noch Einzelfallregresse gegen einen Vertragsarzt bzw eine BAG zu vollziehen seien. Das zeige schon der vorliegende
Fall, in dem er zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (22.12.2010) zwar die Einzelfallprüfungsregresse der Prüfungsstelle gebilligt
habe, diese aber noch nicht bestandskräftig gewesen seien. Für ihn, für die zu 6. beigeladene KÄV und für die Krankenkassenverbände
sei immer klar gewesen, wie dies auch in der PrüfV formuliert sei, dass der einzelne Arzt wegen unwirtschaftlichen Verordnungsverhaltens
aufgrund von verschieden strukturierten Prüfungen nicht mehrfach in Anspruch genommen werden dürfe. Das könne und werde die
zu 6. beigeladene KÄV je nach Eintritt von Bestandskraft der einzelnen Entscheidungen korrekt umsetzen. Er sei jederzeit bereit
klarzustellen, dass eine mehrfache Inanspruchnahme der Klägerin ausscheide; etwaige Vollziehungsprobleme könnten jedoch auf
seine Entscheidung in der Sache selbst keinen Einfluss haben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 20.2.2018 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG
Kiel vom 10.9.2014 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Urteil des LSG für zutreffend, weil der Beklagte bei seinen Entscheidungen Sorge dafür tragen müsse,
dass sie - die Klägerin - nicht doppelt für ihr als unwirtschaftlich bewertetes Verordnungsverhalten in Anspruch genommen
werden könne.
Mit einer Gegenrüge macht die Klägerin geltend, das LSG sei ihrem Vorbringen, es sei ihr keine individuell auf ihre Praxis
bezogene Richtgröße angeboten worden, nicht angemessen nachgegangen. Sie habe mehrfach um den Abschluss einer solchen Vereinbarung
gebeten, und das LSG habe sich in keiner Weise damit auseinandergesetzt, ob und warum das nicht geschehen sei. Im Übrigen
rügt die Klägerin, das LSG habe zu ihrem Vorbringen aus dem Berufungsverfahren zur Bildung einer falschen Vergleichsgruppe,
zur Berücksichtigung der bereits im Zweitmeinungsverfahren geprüften Verordnungen und zur besonderen Ausrichtung ihrer - der
Klägerin - Praxis keine Ausführungen gemacht. Vom Rechtsstandpunkt des LSG aus sei das möglicherweise konsequent; folge man
diesem nicht, müsse diesen Aspekten jedoch näher nachgegangen werden.
Die zu 6. beigeladene KÄV und die zu 1. beigeladene AOK halten die Rechtsauffassung des Beklagten für richtig und das Urteil
des LSG entsprechend für verfehlt.
II
Die Revision des Beklagten hat ganz überwiegend Erfolg.
Das LSG hätte die Berufung der Klägerin bis auf einen Betrag von 12 570,40 Euro zurückweisen müssen. Nur insoweit kann die
Möglichkeit bestehen, dass die Klägerin für die Verordnung von TNF-Alpha-Inhibitoren sowohl im Wege eines Richtgrößenregresses
wie im Wege eines einzelfallbezogenen Verordnungsregresses in Anspruch genommen wird. Allein unter diesem Aspekt hat das LSG
den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben, den es im Übrigen für rechtmäßig gehalten hat. Diese Beurteilung teilt
der Senat.
1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist §
106 Abs
5a Satz 3 iVm Abs
2 Satz 1 Nr
1 und
2 SGB V (in der vom 1.1.2004 bis Ende 2016 weitgehend unverändert geltenden Fassung des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach
hat der Vertragsarzt bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 vH nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss
(ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten
begründet ist. Eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln ist nach §
106 Abs
2 Satz 1 Nr
1 und
2 SGB V vorgeschrieben, und die Vereinbarung des hier maßgeblichen Richtgrößenvolumens beruht auf §
84 Abs
6 SGB V iVm der für den Bezirk der zu 6. beigeladenen KÄV geltenden Vereinbarung (vgl zur Richtgrößenprüfung näher Senatsurteil vom
22.10.2014 - B 6 KA 3/14 R - BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 116 Nr 48).
Für die Klägerin als eine auf dem Fachgebiet der Orthopädie tätige BAG ist die für diese Fachgruppe vereinbarte Richtgröße
maßgeblich. Der von ihr geforderten Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe der nur oder zumindest vorwiegend rheumatologisch
tätigen Orthopäden bedarf es nicht. Für sich genommen stellt weder die Behandlung von rheumatischen Erkrankungen noch von
Patienten mit Osteoporose für Orthopäden eine Besonderheit in dem Sinne dar, dass Praxen, die schwerpunktmäßig solche Behandlungen
anbieten, von vornherein nicht mit den anderen Praxen der Fachgruppe vergleichbar wären. Einer im Vergleich zu anderen Praxen
der Arztgruppe stärkeren Konzentration auf die Versorgung von Patienten mit entsprechenden Erkrankungen kann durch die Anerkennung
von Praxisbesonderheiten hinreichend Rechnung getragen werden, wie dies hier auch geschehen ist.
2. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist weiterhin nicht deshalb rechtswidrig, weil dieser - wie die Klägerin meint
- mit ihr nur unzureichend über eine individuelle Richtgröße verhandelt hat.
Nach §
106 Abs
5a Satz 4 und Abs
5d Satz 1
SGB V kann es im Zuge der Reaktion der Prüfungsstelle auf die Überschreitung des Richtgrößenvolumens durch einen Arzt auf zwei
Wegen zu Vereinbarungen zwischen diesem und den Prüfgremien kommen. Gemäß §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V soll die Prüfungsstelle vor der Festsetzung eines Regresses auf eine Vereinbarung hinwirken, die durch die Verminderung des
Erstattungsbetrages um maximal ein Fünftel für den Arzt attraktiv sein kann (vgl Senatsurteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 46/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 16). Das hat der Beklagte hier der Sache nach angeboten; die Klägerin ist darauf jedoch nicht
eingegangen. Von ihrem Rechtsstandpunkt aus war das folgerichtig, weil sie die Verordnung von TNF-Alpha-Inhibitoren und von
Teriparatid generell als wirtschaftlich ansieht und die Reduzierung des ursprünglich über 1 Million Euro betragenden Erstattungsbetrages
durch den Beklagten auf den jetzt nur noch streitigen Betrag - das entspricht einer Verminderung um etwas mehr als 20 % -
dieser Auffassung nicht ansatzweise Rechnung trägt.
Eine weitere vertragliche Gestaltungsmöglichkeit sieht §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V vor. Danach entfällt die Erstattungspflicht des Arztes, wenn dieser für den Folgezeitraum mit den Prüfinstanzen eine individuelle
Richtgrößenvereinbarung (IRV) trifft und sich verpflichtet, den Aufwand, mit dem diese individuelle Richtgröße künftig überschritten
wird, vollständig zu erstatten. Die Klägerin meint, der Beklagte habe den ihn dabei treffenden Verpflichtungen (vgl Senatsurteil
vom 28.8.2013 - B 6 KA 46/12 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 19 f) nicht angemessen entsprochen, womit sich das LSG nicht näher befasst habe. Letzteres
ist zutreffend, weil das LSG allein auf §
106 Abs
5a Satz 4
SGB V abgestellt (S 13 des Urteils) und sich mit der anders ausgestalteten Vereinbarungsregelung des §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V nicht beschäftigt hat. Die zu den Gesprächen zwischen den Beteiligten getroffenen Feststellungen des LSG (§
163 SGG) in Verbindung mit den vom LSG zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Verwaltungsakten ermöglichen dem Senat jedoch die
Beurteilung, dass diese Norm nicht verletzt worden ist. Nach dem Urteil des Senats vom 28.8.2013 müssen die Prüfgremien mit
dem Arzt, der eine individuelle Richtgröße vereinbaren will und das ausdrücklich beantragt, darüber verhandeln (aaO RdNr 20).
Das ist hier geschehen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 28.8.2013 geklärt, dass die Prüfgremien mit dem betroffenen Arzt auf dessen Verlangen über
eine IRV verhandeln, aber eine solche nicht vereinbaren müssen (aaO RdNr 20). Wenn kein Konsens über den Inhalt der Vereinbarung
erzielt werden kann, sind die Verhandlungen gescheitert und der Mehrbetrag nach §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V ist festzusetzen. Hier haben Verhandlungen begonnen, indem die Prüfungsstelle die Forderung der Klägerin nach Abschluss einer
IRV am 16.11.2009 - also lange vor der entscheidenden Verhandlung am 22.12.2010 vor dem Beklagten - beantwortet hat. Die Klägerin
hat dieses Angebot als unzureichend bezeichnet, weil auf ihre zentrale Forderung, nämlich die Verminderung des Richtgrößenvolumens
um alle Kosten für TNF-Alpha-Inhibitoren und Teriparatid, vollständig ablehnend reagiert worden sei. Ob diese Sichtweise richtig
war, hat keinen rechtlichen Bezug zu der Verhandlungspflicht gemäß §
106 Abs
5d Satz 1
SGB V. Wo die Positionen nach dem Austausch von Antrag und Angebot hinsichtlich einer IRV erkennbar unvereinbar sind und nicht
die Verordnung von Arzneimitteln in Einzelfällen umstritten ist, sondern der Einsatz eines Wirkstoffs (hier vor allem: TNF-Alpha-Inhibitoren
bei RheumaPatienten) generell in Frage steht, zwingt §
106 Abs
5a Satz 1
SGB V nicht dazu, einmal begonnene Verhandlungen ohne erkennbare Aussicht auf eine Einigung fortzuführen. Zu der zwischen der Klägerin
und den KKn umstrittenen Frage, ob vor allem der Einsatz von TNF-Alpha-Inhibitoren zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen
zulässig und wirtschaftlich war, stand nach Beginn der Verhandlungen - Angebot des Beklagten und Ablehnung durch die Klägerin
- fest, dass es keine Einigung geben würde. Der Beklagte hatte insoweit aus seiner Sicht keinen Spielraum, auch weil er von
den Regressanträgen der beigeladenen AOK wusste, die die umstrittenen Verordnungen generell nicht nur für unwirtschaftlich,
sondern für unzulässig hielt. Damit waren die Verhandlungen, unmittelbar nachdem sie mit dem Angebot und der Antwort darauf
begonnen hatten, gescheitert. Ihre Fortführung wäre sinnlos gewesen, weil eine Einigung nicht erreichbar war.
3. Die Rechtmäßigkeit des festgesetzten Regresses als Ergebnis einer Richtgrößenprüfung nach § 7 PrüfV wird auch durch das
vom Beklagten erst 2010 veranlasste und teilweise durchgeführte Zweitmeinungsverfahren nicht in Frage gestellt. Auf der Grundlage
des § 7 Abs 9 PrüfV haben die Vertragspartner in Schleswig-Holstein nach der Feststellung des LSG ab dem Jahr 2002 ein Verfahren
vereinbart, in dem ua die Verordnung bestimmter hochpreisiger und umstrittener Wirkstoffe vorab geprüft wird. Zu den davon
erfassten Wirkstoffen gehörte auch der Einsatz von TNF-Alpha-Inhibitoren bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises,
und zwar für die Zeit von 2002 bis 2016. Seit 2017 ist kein Wirkstoff mehr vereinbart, für den dieses Verfahren durchgeführt
werden soll.
Das Zweitmeinungsverfahren sollte nach den Feststellungen des LSG sicherstellen, dass der Einsatz der TNF-Alpha-Inhibitoren
indikationsgerecht erfolgt, der Arzt aber auch davor geschützt ist, nachträglich Regress leisten zu müssen. Deshalb wurde
vereinbart, dass Verordnungen von TNF-Alpha-Inhibitoren, die nach dem Ergebnis des Zweitmeinungsverfahrens zulässig und wirtschaftlich
sind, bei der Ermittlung des für die Richtgrößenprüfung relevanten Verordnungsvolumen der Praxis außer Betracht bleiben. Ein
solches Verfahren hat die Klägerin für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht veranlasst, offenbar vor allem weil Dr. Z. der
Auffassung war, eine derartige Vorab-Prüfung sei in seinem Fall nicht erforderlich, weil er besonders fachkundig sei und selbst
bei dem Zweitmeinungsverfahren für andere Praxen als Beurteiler mitwirke. Diese Auffassung verfehlt die Zielsetzung des Zweitmeinungsverfahrens.
Es geht dabei nämlich nicht allein um die Fachkunde des behandelnden Arztes, sondern um einen "zweiten Blick" eines Experten,
der gerade nicht in die konkrete Behandlung des Patienten involviert ist. Diese Zielsetzung ist bei dem - strukturell etwas
anders ausgerichteten - Zweitmeinungsverfahren nach §
27b SGB V ausdrücklich normiert: Nach Abs
1 Satz 2 der Vorschrift kann die Zweitmeinung gerade nicht bei dem Arzt eingeholt werden, der den Eingriff durchführen soll.
Nicht die (fehlende) Fachkunde, sondern die Möglichkeit einer Verengung der Perspektive als persönlich Verantwortlicher für
die Art der Behandlung und ihre wirtschaftlichen Folgen (auch für den Leistungserbringer) gibt Anlass, eine zweite fachlich
fundierte Beurteilung einzuholen. Folgerichtig ist das Verfahren der Zweitmeinung in Schleswig-Holstein nicht als Pflicht,
sondern als Angebot an den behandelnden Arzt ausgestaltet: Wenn er seine Einschätzung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit
einer Therapie mit TNF-Alpha-Inhibitoren vorab einem anderen, ebenfalls fachkundigen Arzt zur Prüfung stellt und diesen überzeugt,
ist er vom Risiko befreit, dass das im Nachhinein von den kraft Gesetzes zuständigen Prüfgremien anders gesehen wird. Stellt
sich der Arzt einer solchen Prüfung vorab nicht, wird ihm im Verfahren der Richtgrößenprüfung der Einwand, insoweit lägen
Praxisbesonderheiten vor, nicht generell abgeschnitten, doch trägt er dann das Risiko, im Rahmen einer nachgehenden Wirtschaftlichkeitsprüfung
damit nicht durchzudringen.
Die Klägerin hat die Durchführung des Zweitmeinungsverfahrens für keine der 2007 von ihr durchgeführten Behandlungen mit Humira®
oder Enbrel® vor deren Beginn verlangt. Dass der Beklagte im Wege der Kulanz 2010 einzelne dieser Verordnungen der Klägerin
nachträglich nach den Maßstäben des Zweitmeinungsverfahrens geprüft und in einigen Fällen Praxisbesonderheiten anerkannt hat,
begünstigt die Klägerin. Auf die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung des Beklagten hat das im Übrigen keinen
Einfluss.
4. Der Beklagte hat die Praxisbesonderheiten iS des §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V der Praxis der Klägerin angemessen berücksichtigt. Er hat - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - die rheumatologische
Tätigkeit der Klägerin sowie die Behandlung von Osteoporose als solche Besonderheit gewertet und die auf entsprechende Verordnungen
entfallenden Kosten für einen gesetzeskonformen und wirtschaftlichen Einsatz von Arzneimitteln vom richtgrößenrelevanten Verordnungsvolumen
der Praxis abgezogen. Dass das nicht generell zu einem Abzug aller Kosten für TNF-Alpha-Inhibitoren und Teriparatid geführt
hat, beruht in erster Linie darauf, dass die Klägerin das Wirtschaftlichkeitsgebot insoweit nicht hinreichend beachtet hat.
Die Klägerin ist der Auffassung, der umfassende Einsatz von TNF-Alpha-Inhibitoren zur Rheumabehandlung und von Teriparatid
zur Therapie der Osteoporose müsse vollständig als Praxisbesonderheit iS des §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V anerkannt werden, weil nur wenige Praxen in ähnlicher Weise behandeln. Das trifft nicht zu. Praxisbesonderheiten beziehen
sich entweder auf eine für die jeweilige Arztgruppe untypische Zusammensetzung der Patienten einer Praxis oder eine untypische
Behandlungsausrichtung, wobei sich beides nicht ausschließt. So liegt auf der Hand, dass in einer Praxis für Orthopädie und
Unfallchirurgie, die schwerpunktmäßig operative Leistungen anbietet, in geringerem Umfang Arzneimittel verordnet werden als
in einer rheumatologisch ausgerichteten Praxis für Orthopädie. Wenn für beide Praxen im Ausgangspunkt die gleiche Richtgröße
vereinbart ist, stellt der Mehraufwand des Rheumatologen gegenüber einer fiktiven orthopädischen Durchschnittspraxis eine
Praxisbesonderheit dar. Davon unabhängig ist zu klären, welcher Umfang des Mehraufwandes gerechtfertigt ist, und dabei müssen
sich die Prüfgremien auch und vorrangig mit der Frage befassen, ob die Verordnungen, die für die Überschreitung des Richtgrößenvolumens
ursächlich waren, ihrerseits zulässig und wirtschaftlich sind. Ist das nicht der Fall, gehören die auf diese Verordnungen
entfallenden Kosten nicht oder nur teilweise zu den Beträgen, die als Praxisbesonderheit bei der Bemessung des unwirtschaftlichen
Mehraufwands in Abzug zu bringen sind.
a. Wenn in einem KÄV-Bezirk auf der Grundlage des §
106 Abs
2 Satz 4
SGB V in einer Prüfvereinbarung bestimmt ist, dass die Prüfgremien auch über Anträge von KKn wegen unzulässiger Verordnungen entscheiden
- so § 10 Abs 4 der hier maßgeblichen PrüfV -, hat dieses Antragsrecht der KK für sich genommen keinen Einfluss auf den Ablauf
der Richtgrößenprüfung. Vor allem besteht keine Sperrwirkung in dem Sinne, dass die Prüfgremien im Rahmen der Richtgrößenprüfung
Verordnungen, für die keine Regressanträge gestellt sind, als rechtlich zulässig behandeln müssten. Soweit die Klägerin dieser
Auffassung zuneigen sollte, könnte der Senat dem nicht folgen.
Wenn ein Vertragsarzt Arzneimittel verordnet, die er bei Beachtung der maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften
nicht hätte verordnen dürfen, muss er der KK des betroffenen Versicherten Ersatz leisten. Der Senat hat in mehreren Entscheidungen
aus den letzten Jahren herausgestellt, dass die Prüfung der Zulässigkeit von ärztlichen Verordnungen zwar die Wirtschaftlichkeit
der vertragsärztlichen Versorgung im weiteren Sinne betrifft und deshalb auch den Prüfgremien obliegt, in der Sache jedoch
ein eigenständiges Prüfverfahren darstellt. Es geht insoweit weder um eine Auffälligkeits- oder Zufälligkeitsprüfung iS des
§
106 Abs
2 Satz 1
SGB V noch um die Feststellung eines sogenannten sonstigen Schadens (BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 11; BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 7/16 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 57 RdNr 19). Den Schaden, den der Arzt beim sogenannten Verordnungsregress der KK verursacht hat,
besteht darin, dass sie gegenüber der Apotheke Medikamente bezahlen muss, die der Arzt nicht hätte verordnen dürfen und der
Versicherte nicht beanspruchen konnte. Die Feststellung der Ersatzpflicht des Arztes für die Kosten unzulässiger Verordnungen
erfolgt auf Antrag einer KK ganz unabhängig davon, ob und nach welcher Methode die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise
des Arztes im Übrigen geprüft wird.
b. Soweit allerdings eine KK trotz erheblicher Zweifel an der Zulässigkeit bestimmter Verordnungen keine Regressanträge stellt,
liegt darin weder ausdrücklich noch konkludent der Verzicht darauf, die Zulässigkeit dieser Verordnungen inzident im Rahmen
der Ermittlung des Umfangs von Praxisbesonderheiten iS des §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V zu klären. Wenn die KK keine Einzelfallprüfung beantragt und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Maßgabe eines Vergleichs
mit der Richtgröße ergibt, dass die Überschreitung die maßgeblichen Grenzwerte (15 % bzw 25 %) nicht erreicht, nimmt die KK
in Kauf, auch für unzulässige Verordnungen aufkommen zu müssen, vermeidet aber das Risiko und den Aufwand von Einzelfallregressen.
Ist - wie hier - der Grenzwert von 25 % für die Überschreitung der Richtgröße überschritten, muss geklärt werden, ob und ggf
in welchem Umfang Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind. Es liegt auf der Hand, dass unzulässige Verordnungen keine
Praxisbesonderheiten begründen, mit ihnen also eine Überschreitung der Richtgröße nicht gerechtfertigt werden kann. Die Prüfinstanzen
müssen dann, wenn die Behandlung als solche eine Praxisbesonderheit darstellt, die Zulässigkeit der konkreten Verordnungen
aber umstritten ist, dem nachgehen. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, die Zulässigkeit von Verordnungen müsse
im Rahmen der Richtgrößenprüfung stets außer Betracht bleiben. Dagegen spricht vor allem, dass eine trennscharfe Abgrenzung
von unzulässigen und "nur" unwirtschaftlichen Verordnungen vielfach nicht möglich ist. Das ergibt sich schon aus §
31 Abs
1 Satz 4
SGB V, wonach der Arzt Arzneimittel, die aufgrund der Arzneimittel-Richtlinie von der Verordnung ausgeschlossen sind, "ausnahmsweise"
... "mit Begründung" verordnen kann. Im Übrigen sind die KKn nicht verpflichtet, immer dann einzelfallbezogene Regressanträge
zu stellen, wenn auch nur die Möglichkeit besteht, dass ein als unwirtschaftlich angesehenes Verordnungsvolumen teilweise
auf unzulässigen Verordnungen beruht. Der Aspekt, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand von Richtgrößen nicht auf eine
Einzelfallprüfung zugeschnitten ist, spielt insoweit keine Rolle. Die Prüfgremien sind sowohl für die Richtgrößenprüfung wie
für die einzelfallbezogene Prüfung der Unzulässigkeit von Verordnungen als das Verfahren abschließende Gremium zuständig.
In diesem Zusammenhang ist weiterhin nicht von Bedeutung, dass hinsichtlich der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast
Unterschiede zwischen dem Verfahren über einen Verordnungsregress und einen Regress im Rahmen der Richtgrößenprüfung bestehen
können. Lässt sich im Rahmen eines Verfahrens nach § 10 Abs 4 PrüfV nicht abschließend klären, ob eine bestimmte ärztliche
Verordnung zulässig ist, geht das zu Lasten der KK, die die Feststellung der Ersatzpflicht beantragt hat. Lässt sich dagegen
nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht klären, ob ein bestimmter Mehraufwand als Praxisbesonderheit iS des
§
106 Abs
5a Satz 3
SGB V zu werten ist, geht das zu Lasten des Arztes, der sich auf diesen Ausnahmetatbestand beruft. Soweit indessen bestimmte medikamentöse
Behandlungen nach Auffassung der Prüfinstanzen grundsätzlich eine Praxisbesonderheit darstellen, aber allein umstritten ist,
ob sie arzneimittel- oder vertragsarztrechtlich zulässig sind, ändert sich an der Verteilung der Darlegungslast gegenüber
dem Verordnungsregress nichts. Steht die Unzulässigkeit nicht fest, kann sie dem Arzt nicht entgegengehalten werden.
c. Praktisch wird sich das allerdings kaum jemals zu Gunsten des Arztes auswirken, weil zwischen den beiden Prüfverfahren
gravierende Unterschiede bestehen. Der Senat hat in seinen dieselben Beteiligten betreffenden Urteilen vom 11.9.2019 (B 6 KA 21/19 R, B 6 KA 22/19 R und B 6 KA 23/19 R) näher dargelegt, dass unter Geltung des Vorrangs der Richtgrößenprüfung (§
106 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB V) Einzelfallprüfungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit von Verordnungen ausgeschlossen sind, während die Prüfung der Zulässigkeit
von Verordnungen unabhängig von einer Richtgrößenprüfung möglich ist. Dieser trennscharfen Abgrenzung bedarf es bei der Ermittlung
des auf Praxisbesonderheiten entfallenden Umfangs von Verordnungskosten nicht. Der auf Praxisbesonderheiten entfallende Mehraufwand
ist nur dann iS des §
106 Abs
5a Satz 3
SGB V zu berücksichtigen, wenn die Verordnungen nicht unwirtschaftlich sind. Maßstab dafür ist dann nicht pauschal die Arztgruppe,
sondern etwa der Behandlungsaufwand bei rheumatologischen Behandlungen. Wenn dieser bei dem geprüften Arzt sehr viel höher
ist als bei anderen Ärzten und diese Differenz darauf beruht, dass der geprüfte Arzt bei gleichem Behandlungsbedarf durchweg
teurere Medikamente verordnet, wird damit die Unwirtschaftlichkeit des Mehraufwandes belegt. Auf die Frage, ob und inwieweit
der unwirtschaftliche Mehraufwand (auch) auf bereits unzulässigen Verordnungen beruht, kommt es insoweit nicht an.
5. Unter Beachtung dieser Maßstäbe hat das LSG die Beurteilung des Beklagten geteilt, dass die Mehrkosten, die die Klägerin
(auch) durch die Verordnung von Humira®, Enbrel® und Forsteo® verursacht hat, unwirtschaftlich sind.
Die Verordnungen von Enbrel® waren von vornherein unzulässig, weil nach einem Therapiehinweis des GBA aus dem Jahr 2001 dieses
Mittel nur nach erfolgloser Vorbehandlung mit anderen Medikamenten verordnet werden durfte (vgl dazu Senatsurteile vom 11.9.2019,
B 6 KA 21/19 R und B 6 KA 22/19 R). Das SG und das LSG haben dazu festgestellt, dass eine derartige Vorbehandlung bei den hier zugrunde liegenden Verordnungen des Jahres
2007 nicht belegt ist.
Die Verordnungen von Humira® und Forsteo® waren nach Inkrafttreten der auf diese Mittel bezogenen Therapiehinweise am 12.7.2007
und 24.3.2007 ebenfalls unzulässig (B 6 KA 21/19 R und B 6 KA 23/19 R). Für die Zeit davor waren die entsprechenden Verordnungen jedenfalls unwirtschaftlich. Das LSG, das insoweit nicht nach
Zeiträumen differenziert hat, hat dazu ausgeführt, die generelle Anerkennung der Behandlung von Rheuma- und Osteoporosepatienten
als Praxisbesonderheit habe nicht zu einer vollständigen Herausrechnung aller auf Humira® entfallenden Kosten führen können,
weil die Verordnungen teilweise unwirtschaftlich und teilweise unzulässig gewesen seien. Dabei ist von Bedeutung, dass die
Therapiehinweise des GBA mit normativer Verbindlichkeit für die Vertragsärzte umgesetzt haben, was sich für die Zeit davor
aus den einschlägigen Hinweisen der Fachgesellschaften ergab, dass nämlich sowohl Humira® wie Forsteo® grundsätzlich nur eingesetzt
werden sollten, wenn eine weniger kostenintensive Behandlung mit herkömmlichen Präparaten zur Behandlung der rheumatoiden
Arthritis und der Osteoporose erfolglos durchgeführt worden ist (vgl näher dazu die Urteile des Senats vom 11.9.2019 in den
Verfahren B 6 KA 21/19 R und B 6 KA 23/19 R). Der Beklagte hat dazu in seinen Bescheiden vom 19.5.2011 jeweils dargelegt, dass die Klägerin diese Empfehlungen zur Nachrangigkeit
des Einsatzes von Humira® und Forsteo® nicht hinreichend beachtet hat. Dem ist die Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht
mit einzelfallbezogenen Belegen für die medikamentöse Vorbehandlung der Patienten, sondern vorwiegend mit Hinweis darauf entgegengetreten,
dass der Einsatz von Humira® und Forsteo® jedenfalls sachgerecht gewesen sei. Dieser pauschale Vortrag ist angesichts der
eindeutigen Ausrichtung der Verordnungsempfehlungen der Fachgesellschaften kein hinreichender Ansatzpunkt zur weiteren Sachaufklärung,
soweit es um die Unwirtschaftlichkeit des Einsatzes dieser Mittel geht.
Die unzureichende Beachtung solcher fachbezogenen Empfehlungen zum Einsatz besonders hochpreisiger Medikamente indiziert bei
gleichzeitiger Überschreitung der Richtgröße um mehr als 25 % eine unzureichende Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots.
In Übereinstimmung mit dem SG und LSG ist der Senat der Auffassung, dass die Klägerin mit den Darlegungen zu ihrem therapeutischen Vorgehen diese Indizwirkung
nicht entkräftet hat. In diesem Zusammenhang spielt auch eine Rolle, dass die Klägerin bezogen auf Humira®, auf das ein großer
Teil des Mehraufwandes entfällt, auf die mögliche Vorabklärung durch das Zweitmeinungsverfahrens verzichtet hat.
6. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid des Beklagten allein mit der Begründung aufgehoben, dieser habe weder im Tenor noch
in den Gründen sichergestellt, dass die Klägerin nicht doppelt für die Kosten unwirtschaftlicher bzw unzulässiger Verordnungen
in Anspruch genommen werden kann. Anlass für eine entsprechende Befürchtung kann bestehen, weil in dem Erstattungsbetrag nach
§
106 Abs
5a Satz 3
SGB V, den der Beklagte gegen die Klägerin festgesetzt hat, zum Teil Beträge wegen Verordnungen eingeflossen sein könnten, deren
Regressierung der Beklagte auf Antrag der zu 1. beigeladenen AOK in einem anderen Verfahren vorgenommen hat. Mit dieser Begründung
hätte das LSG den angefochtenen Bescheid des Beklagten indessen nicht vollständig und endgültig aufheben dürfen.
Das LSG hat schon zum Ausmaß der Überschneidungen der Regresse keine Feststellungen getroffen; seinen Ausführungen konnte
entnommen werden, dass es sich dabei um - in der Gesamtrelation - nennenswerte Beträge handeln dürfte. Das ist jedoch nicht
der Fall. Die Verordnungen des Präparates Forsteo®, die die AOK im Verfahren B 6 KA 23/19 R beanstandet hat, sind vollständig als Praxisbesonderheit aus dem für die Richtgrößenprüfung relevanten Verordnungsvolumen
der Klägerin herausgerechnet worden. Bei den TNF-Alpha-Inhibitoren, die die AOK im Verfahren B 6 KA 21/19 R ebenfalls beanstandet, ist das ganz überwiegend erfolgt. Bis auf die Verordnungen für zwei Versicherte der zu 1. beigeladenen
AOK hat der Beklagte die gesamten Kosten der Verordnungen für Versicherte dieser Kasse aus dem in diesem Verfahren nach Maßgabe
der Richtgröße zu prüfenden Verordnungsvolumen herausgerechnet. Die potentielle Doppelregressierung, die für das LSG Anlass
zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide war, betrifft damit lediglich ca 12 570 Euro von insgesamt ca 850 000 Euro. Insoweit
hat der Senat die Aufhebung des Bescheides durch das LSG bestätigt. Das bedeutet allerdings nicht, dass der verbleibende Betrag
nicht ganz überwiegend auf Verordnungen von TNF-Alpha-Inhibitoren beruhen würde. Betroffen sind jedoch Verordnungen für Versicherte
anderer KKn, die keine Einzelfallregresse beantragt haben. Schon das zeigt, dass das LSG den Bescheid des Beklagten nicht
allein mit Bezugnahme auf die Regressverfahren einer einzigen KK vollständig hat aufheben dürfen.
Im Übrigen hätte das LSG den angefochtenen Bescheid selbst dann nicht vollständig aufheben dürfen, wenn es ihn hinsichtlich
der Vermeidung einer Doppelinanspruchnahme der Klägerin für unzureichend gehalten hat. Die Durchsetzung von Richtgrößenregressen
zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist eine Verpflichtung der Prüfgremien und darf nicht von unerfüllbaren Verfahrensanforderungen
abhängig gemacht werden (vgl bereits zu fristgebundenen Beibringungs- und Begründungsanforderungen der KKn im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung
Senatsurteil vom 27.6.2011 - B 6 KA 66/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 291 f). Damit ist es nicht vereinbar, einen auf einer Richtgrößenprüfung beruhenden Regressbescheid
in vollem Umfang endgültig aufzuheben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass zum Teil auch Verordnungskosten regressiert
werden, die im Wege eines Antrages einer KK nach § 10 Abs 4 PrüfV in Regress genommen werden (sollen). Das hätte zur Folge,
dass die Ansprüche aller KKn, die keine Einzelfallregresse beantragt haben, allein wegen der Verfahrensweise einer KK, deren
endgültige Ergebnisse zudem zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Beklagten noch offen war, nicht erfüllt werden
könnten. Deshalb müssen die Gerichte in einer solchen Konstellation zumindest ermitteln, in welcher Höhe die Gefahr einer
Doppelregressierung besteht. Ob dann im Hinblick auf die systematisch vorrangige Prüfung der Unzulässigkeit von richtgrößenrelevanten
Verordnungen die Richtgrößenprüfung insoweit teilweise ausgesetzt wird und der abschließende Bescheid mit dem Vorbehalt versehen
wird, je nach bestandskräftigem Ausgang des Verfahrens nach § 10 Abs 4 PrüfV den Regressbetrag ggf zu erhöhen, erscheint im
Grundsatz sachgerecht, kann vom Senat aber im Hinblick auf die Vielzahl von Gestaltungen und die unterschiedlich ausgestalteten
Prüfvereinbarungen in den KÄV-Bezirken nicht generell vorgegeben werden. Eine vollständige Aussetzung der Richtgrößenprüfung
bis zum Eintritt der Bestandskraft von Einzelfallregressen wegen unzulässiger Verordnungen kommt zumindest dann, wenn die
Einzelfallregresse nur einen eher untergeordneten Teil des für die Richtgrößenprüfung relevanten Verordnungsvolumens der Praxis
ausmachen, nur mit Einverständnis aller Beteiligten in Betracht. Dem Arzt, dem an einer zügigen Entscheidung über die Richtgrößenprüfung
gelegen ist, kann ein Zuwarten auf die Bestandskraft der Entscheidung über einen Einzelfallregressantrag ebenso wenig zugemutet
werden wie allen KKn das Zuwarten auf die Entscheidung über Regressanträge einer einzelnen KK, auf die die übrigen KKn keinen
Einfluss haben und die sie möglicherweise im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Richtgrößenprüfung nicht
einmal für sinnvoll halten.
7. Soweit das Berufungsurteil auch von der Erwägung getragen sein sollte, der Einsatz von Humira®, Enbrel® und Forsteo® sei
in gewissem Umfang vertretbar gewesen, und sich das LSG dazu allgemein bzw nur exemplarisch auf die Ergebnisse des nachträglich
durchgeführten Zweitmeinungsverfahrens aus dem Jahr 2010 bezieht, kann der Senat dem nicht folgen. Das beruht nicht darauf,
dass die Klägerin nicht zumindest nachvollziehbare Gründe anführen kann, weshalb aus ihrer Sicht die Patienten umfassend mit
TNF-Alpha-Inhibitoren und Teriparatid behandelt werden mussten. Darauf kommt es nämlich nicht entscheidend an.
Die Einbeziehung von neuen Wirkstoffen oder schon bekannten Wirkstoffen mit neuen Indikationen in das Leistungssystem der
gesetzlichen Krankenversicherung folgt festen Regeln, die Ärzte auch dann beachten müssen, wenn sie die entsprechenden Innovationen
für wichtig und patientenbezogen für besonders hilfreich halten. In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber im
SGB V ein kontinuierlich modifiziertes System der Implementation von Innovationen auch und gerade für den Arzneimittelsektor entwickelt.
Dieses zielt auf einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Versicherten an einem möglichst frühen Zugang zu neuen Wirkstoffen
bei schweren Erkrankungen, der Interessen der Hersteller von Arzneimitteln an einem schnellen Zugang zum "Markt" der GKV,
weiterhin auf den Schutz von Patienten vor wenig wirksamen, aber kostspieligen Scheininnovationen und schließlich auf das
berechtigte Interesse der Krankenversicherung, vor ungerechtfertigt hohen Ausgaben für Arzneimittel ohne realen therapeutischen
Mehrwert geschützt zu werden (näher S. Gottwald, Die rechtliche Regulierung medizinischer Innovationen in der Gesetzlichen
Krankenversicherung, 2016, S 355 ff zu Arzneimitteln). Dem können - für die Gesetzliche Krankenversicherung vorgreiflich -
Beschränkungen schon der Zulassung neuartiger Wirkstoffe nach dem Arzneimittelgesetz dienen, aber auch Verordnungseinschränkungen durch den GBA. Auch die Vorschriften über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln
mit neuen Wirkstoffen (§
35a SGB V, eingeführt schon 2011), über die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln (§
35b SGB V) und den Off-Label-Use (§
35c SGB V) belegen, dass sich der Gesetzgeber dieser anspruchsvollen Gestaltungsaufgabe stellt.
Die damit auf verschiedenen Ebenen verbundenen "Kosten" - sowohl unmittelbar finanziell als auch hinsichtlich bisweilen als
bürokratisch empfundener Antrags- und Verordnungsverfahren - sind beträchtlich. Sie wären nutz- und sinnlos, wenn jeder Arzt,
der meint, seine Patienten unter Außerachtlassung der maßgeblichen normativen Vorgaben nach den eigenen Präferenzen mit innovativen
Arzneimitteln versorgen zu sollen, dies umsetzen dürfte, ohne dafür wirtschaftlich zur Verantwortung gezogen werden zu können.
Die strengen formalen Anforderungen im Zusammenhang mit innovativen Wirkstoffen dienen gerade dazu, einen gleichen Zugang
aller Versicherten zu Innovationen zu sichern und die Finanzmittel der Krankenversicherungen nur für solche innovativen arzneimittelgestützten
Behandlungen einzusetzen, für die das jeweils höchste erreichbare Niveau der Sicherung von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit
gewährleistet ist. Gerade weil weder die KKn noch die Prüfgremien beurteilen können, ob ein Arzt hochpreisige innovative Arzneimittel
abweichend vom Verhalten der anderen Ärzte seiner Fachgruppe "flächendeckend" einsetzt, weil er von deren Wirkung überzeugt
ist oder weil er auch die Interessen des Herstellers bei seinen Verordnungen berücksichtigt, sind die formalen Vorgaben unverzichtbar.
Das gilt sowohl für die transparente Dokumentation der erfolglosen Vorbehandlung der Patienten mit der Standardmedikation
in Umsetzung vor allem von Therapiehinweisen des GBA wie für das "Angebot" in § 7 Abs 9 PrüfV, den geplanten Einsatz bestimmter
hochpreisiger, innovativer Arzneimittel vorab mit einem an der Therapie unbeteiligten anderen Arzt zu diskutieren. Wer sich
dem bewusst allein mit Hinweis auf die eigene Fachkunde und Therapiefreiheit entzieht, setzt seine eigenen Vorstellungen von
der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Therapie an die Stelle der insoweit vorrangig zuständigen Normgeber
der vertragsärztlichen Versorgung. Ob dies allein in der Überzeugung geschieht, nur das Beste für die Patienten zu wollen,
ist für die wirtschaftlichen Konsequenzen des Handelns ohne Bedeutung; diese muss der Arzt tragen, in diesem Fall die Klägerin.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO. Der teilweise Erfolg der Klägerin im Verfahren ist wirtschaftlich von so geringer Bedeutung, dass er in der Kostengrundentscheidung
keinen Niederschlag finden kann.