Zulässigkeit von Heilmittelregressen in der Vertragsärztlichen Versorgung gegen eine Gemeinschaftspraxis bei veranlassten
Leistungen der physikalischen Therapie
Gründe:
I
Im Streit stehen noch Heilmittelregresse für die Quartale I/2002 bis IV/2003.
Die Klägerin ist eine im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassene Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), die aus einer Ärztin für Allgemeinmedizin und einem Praktischen
Arzt mit der Gebietsarztanerkennung als Chirurg besteht.
Der Prüfungsausschuss setzte nach Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung mit Bescheiden vom 20.2.2006 (Quartale
IV/2001 bis IV/2002) und vom 8.12.2006 (Quartale I/2003 bis IV/2003) Regresse bei veranlassten Leistungen der physikalischen
Therapie (seit dem 1.4.2005 als "physikalisch-therapeutische Leistungen" bezeichnet) fest, soweit der gewichtete Fachgruppendurchschnitt
um mehr als 80 % überschritten wurde. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Widersprüche waren nur insoweit erfolgreich,
als der beklagte Beschwerdeausschuss die Verordnungskosten in zwei (Quartale I und II/2002) bzw drei besonders kostenintensiven
Fällen (Quartale III/2002 bis IV/2003) wegen der Annahme von insoweit bestehenden Praxisbesonderheiten außer Betracht ließ
und den Regress auf eine Überschreitung des gewichteten Fachgruppendurchschnitts um mehr als 100 % beschränkte; im Übrigen
wies er die Widersprüche zurück (Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007).
Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe bei veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie den - nach
dem Rentneranteil gewichteten - Durchschnitt der Fachgruppe - die allgemeinärztlichen Praxen in der früheren KÄV Pfalz - in
den geprüften Quartalen um Werte zwischen 143 % und 228 % überschritten. In der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder
behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren
seien. Gegen einen ausgeprägten orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt sprächen die regelmäßig gegenüber der Vergleichsgruppe
erheblich überdurchschnittlichen Arzneimittelkosten, da die Fachgruppen der Orthopäden und der Chirurgen mit einem Bruchteil
der Arzneimittelkosten der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte auskämen, sowie die regelmäßig überdurchschnittliche Abrechnung
hausärztlicher Gesprächsleistungen. Besonders bemerkenswert sei, dass die Klägerin mit den Fallkosten für verordnete physikalische
Therapie noch über den Durchschnittswerten der Orthopäden sowie der Chirurgen liege. Als Besonderheiten seien angesichts der
unterdurchschnittlichen Fallzahl zwei bzw drei kostenintensive Patienten herauszurechnen. Nach Berücksichtigung der hieraus
resultierenden Kosten verblieben folgende gewichtete Abweichungen: Quartal I/2002: + 198 %, Quartal II/2002: + 143 %, Quartal
III/2002: + 118 %, Quartal IV/2002: + 168 %, Quartal I/2003: + 188 %, Quartal II/2003: + 135 %, Quartal III/2003: + 163 %,
Quartal IV/2003: + 168 %. Die verbleibenden Überhöhungen seien zu einem wesentlichen Teil auf Unwirtschaftlichkeiten zurückzuführen.
Es fänden sich insgesamt zu lange und intensive Behandlungsserien; weiterhin sei der hohe Anteil an passiver Therapie zu beanstanden.
Es zeigten sich keine Hinweise auf kompensierende Einsparungen.
Die gegen die verbliebene Regressfestsetzung in Höhe von (seinerzeit) insgesamt 31 521,12 Euro erhobene Klage ist erfolglos
geblieben (Urteil des SG vom 30.9.2009). Das SG hat ausgeführt, die vom Beklagten gewählte Vergleichsgruppe sei weder zu klein noch zu inhomogen. Die zum Vergleich herangezogenen
Praxen behandelten im Wesentlichen Patienten mit ähnlichen fachgruppentypischen Krankheitsbildern, und ihr an den Gebührenordnungsnummern
erkennbares Leistungsspektrum sei vergleichbar. Der Beklagte habe nachvollziehbar festgestellt, dass auch die Klägerin im
Wesentlichen einen mit dem Durchschnitt der Fachgruppe vergleichbaren Patientenstamm mit für allgemeinärztliche Praxen typischen
Erkrankungen behandele. Die Überschreitung der durchschnittlichen Heilmittel-Verordnungskosten der Vergleichsgruppe nach Gewichtung
des Rentneranteils um 143 % bis 228 % bewege sich im Bereich eines offensichtlichen Missverhältnisses. Deshalb sei der Umfang
der Ermittlungen der Prüfgremien auf solche Umstände beschränkt, die für sie ohne Weiteres erkennbar seien oder vom betroffenen
Arzt substantiiert dargelegt würden. Der Beklagte habe - abgesehen von den herausgenommenen Behandlungsfällen - keine Besonderheiten
gefunden, die die überhöhten Verordnungskosten erklären könnten. Die von der Klägerin angeführten Behandlungsfälle mit hohem
Heilmittelbedarf kämen in allen Allgemeinpraxen in vergleichbaren Anteilen vor und beeinflussten demnach die Durchschnittswerte
aller Praxen.
Im Laufe des nachfolgenden Berufungsverfahrens hat der Beklagte seinen Bescheid aufgehoben, soweit dieser das Quartal IV/2001
betrifft; die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Das LSG hat die verbliebene Berufung der Klägerin
zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 31.8.2010). Zur Begründung hat es hat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Bildung der Vergleichsgruppe
die unterdurchschnittliche Fallzahl der Klägerin zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt könne allenfalls im Rahmen der Prüfung
kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein. Die unterdurchschnittliche Fallzahl stehe auch nicht der statischen Vergleichbarkeit
entgegen. Die von der Beigeladenen zu 1. zum Umfang der Überschreitungen angestellten Berechnungen seien nicht nachvollziehbar,
da sie im Ergebnis die Heilmittelkosten, die bezogen auf einen Fall verursacht würden, nicht berücksichtigten.
Praxisbesonderheiten - außerhalb der vom Beklagten bereits herausgerechneten besonders kostenintensiven Fälle - lägen nicht
vor. Eine chirurgisch-orthopädische und rheumatologische Ausrichtung der Praxis habe sich nicht bestätigt. Die Zusammensetzung
der Patienten und die schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen unterschieden sich nicht wesentlich vom typischen
Zuschnitt einer allgemeinärztlichen Praxis. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der Praxis der Klägerin könne vielfältige
Gründe haben. Kompensierende Einsparungen seien nicht belegt. Dem Einwand der Klägerin, dass die Erbringung physikalischmedizinischer
Leistungen durch die Ärzte selbst bzw Mitarbeiter nicht berücksichtigt worden sei, sei entgegenzuhalten, dass in ihrer Praxis
auch der Umfang der selbst erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen über dem Durchschnitt der Fachgruppe liege. Unabhängig
hiervon hätte die Klägerin diesen Gesichtspunkt bereits im Prüfverfahren substantiiert geltend machen müssen. Der Vorwurf,
der Beklagte habe eine intellektuelle Prüfung unterlassen, sei nicht nachvollziehbar, da diese durchgeführt worden sei.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin sowie die Beigeladene zu 1. Revision eingelegt. Die Klägerin rügt die Verletzung von
Bundesrecht. Sie habe wegen der besonderen Qualifikation des einen Partners als Facharzt für Chirurgie und Unfallmedizin eine
besondere Patientenklientel mit weit unterdurchschnittlicher Fallzahl, fehlenden "Verdünnerfällen", bedeutend erhöhtem Rentneranteil
und einem überdurchschnittlichen Anteil chronisch kranker Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Der Beklagte
habe sich nicht hinreichend damit befasst, ob und mit welcher Konsequenz einer unterdurchschnittlichen Behandlungsfallzahl
eine auch materiell-rechtliche Bedeutung beizumessen sei. Im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Wertung seien bereits
auf der ersten Stufe von Amts wegen insbesondere das Behandlungsverhalten und die unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb
der Arztgruppe und die bei dem geprüften Arzt vorhandenen Praxisbesonderheiten in Rechnung zu stellen. Grundvoraussetzung
für eine Vergleichbarkeit der Fallkosten sei die Vergleichbarkeit der diesen Fallkosten zugrunde liegenden Behandlungsfälle.
Eine unterdurchschnittliche Behandlungsfallzahl stelle die Vergleichbarkeit in Frage.
Wäre der Beklagte seinen Ermittlungspflichten nachgekommen, hätte er die Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung und
damit zugleich einen besonderen Bedarf an physikalisch-medizinischen Leistungen festgestellt. Der Beklagte hätte ergänzend
Statistiken aus späteren Quartalen heranziehen müssen, aus denen sich die Zahl der chronisch kranken Patienten ergebe; dann
hätte er erkennen können, dass zu den chronisch kranken Patienten der Klägerin mit Erkrankungen des Bewegungsapparates auch
chronisch kranke Rheumapatienten zählten, die neben einem besonders hohen Aufwand an physikalisch-medizinischen Leistungen
zugleich einen hohen Bedarf an Arzneimitteln verursachten. Der Beklagte habe die Unterschiede von Praxisbesonderheiten, die
von Amts wegen festzustellen seien, und kompensierenden Einsparungen verkannt. Es müsse darauf Rücksicht genommen werden,
dass physikalisch-medizinische Leistungen teils in der Praxis des Vertragsarztes, teils von nichtärztlichen Einrichtungen
erbracht würden, weil hierdurch der Fachgruppendurchschnitt verändert werde. In eigener Praxis erbrachte physikalisch-medizinische
Leistungen dürften nicht (erst) als kompensatorische Einsparungen Berücksichtigung finden, sondern seien bereits im ersten
Prüfungsschritt zu würdigen. Ohne eine nähere - vom LSG unterlassene - Ausermittlung dieser Umstände fehle es an einer Vergleichbarkeit.
Die Beigeladene zu 1. führt aus, der Beklagte hätte der sehr niedrigen Fallzahl nachgehen müssen, weil die Leistungen von
zwei Ärzten erbracht würden und sich auch die statistisch ausgewiesene Fallzahl dementsprechend auf zwei Ärzte verteile. Breche
man die Fallzahlen der Vergleichsgruppe wie der Klägerin jeweils auf die einzelnen Ärzte herunter, lägen die klägerischen
Fallzahlen noch weit deutlicher unterhalb der Werte der Vergleichsgruppe. Dies gebe Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob
überhaupt eine vergleichbare Versichertenklientel vorgelegen habe. Multipliziere man die arztbezogene Fallzahl der Klägerin
mit deren Heilmittelfallwert, ergäben sich nur bis zu 25 % höhere, zum Teil auch niedrigere Kosten als in der Vergleichsgruppe.
Statistisch auffällig würden die Ärzte der Klägerin nur, weil die von ihnen versorgte Zahl der Versicherten wesentlich geringer
sei als die Zahl der von den Kollegen der Vergleichsgruppe versorgten Versicherten. Daher komme vorliegend der Frage maßgebliche
Bedeutung zu, warum die Ärzte der Klägerin jeweils nur ein gutes Drittel der Versichertenzahl der Vergleichsgruppe behandelten.
Die Revisionskläger beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.9.2009
und den Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Die Klägerin liege ungeachtet ihrer unterdurchschnittlichen Fallzahl über der Grenze von 20 % des Fallzahlendurchschnitts
der Vergleichsgruppe, deren Unterschreitung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ausschließe. Er - der
Beklagte - habe der unterdurchschnittlichen Fallzahl dadurch Rechnung getragen, dass er die im Bescheid näher bezeichneten
Patienten als Besonderheit herausgerechnet habe. Eine geringere Fallzahl könne keinen höheren Behandlungsbedarf begründen.
Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten sei es nicht sachgerecht, bei einer Gemeinschaftspraxis die
Fallzahl auf die Anzahl der behandelnden Ärzte in der Gemeinschaftspraxis zu beziehen, da diese als Einheit geprüft werde.
Der angefochtene Bescheid verstoße auch im Hinblick auf die Prüfungsfolge nicht gegen die Rechtsprechung des BSG. Dass sich keine Besonderheiten ergeben hätten, sei nicht auf eine "verkürzte Informationsgewinnung" des Beklagten zurückzuführen,
sondern auf den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis der Klägerin. Diese weise sowohl bei den in eigener Praxis erbrachten
als auch bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen Überschreitungen auf. Hinzu komme, dass die in eigener
Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen aufgrund ihrer Art, Intensität und Kosten nur sehr bedingt mit den
fremd veranlassten Heilmitteln im Zusammenhang stünden. Im Übrigen habe die Klägerin hierzu im Verwaltungsverfahren nichts
vorgetragen; ein im Verwaltungsverfahren unterbliebener Sachvortrag könne jedoch wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs
nicht im Verfahren vor den Sozialgerichten nachgeholt werden.
Die zu 2. beigeladene AOK führt - ohne einen Antrag zu stellen - ergänzend aus, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen,
Ermittlungen zu den Ursachen der geringen Fallzahl anzustellen; vielmehr sei es Aufgabe des geprüften Arztes, im Rahmen seiner
Mitwirkungspflicht Gründe für die unterdurchschnittlichen Fallzahlen vorzubringen. Diese müsse er bereits im Verwaltungsverfahren
substantiiert darlegen. Dies gelte auch für das Vorbringen, durch welche veranlassten Leistungen die Klägerin welche Einsparungen
bei den in der Praxis erbrachten Leistungen erzielt habe.
Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
II
Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig (zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen
in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; dem vergleichbar in Zulassungsangelegenheiten: BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 8 RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Revisionen sind aber unbegründet. Das
LSG hat die angefochtenen Regressbescheide im Ergebnis zu Recht nicht beanstandet. Diese Bescheide, die alleiniger Gegenstand
des Verfahrens sind (vgl hierzu stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; Nr 29 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), sind rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage der Verordnungsregresse ist §
106 Abs
2 SGB V (hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, mit weiteren -
aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten - Änderungen, für das Jahr 2002 zuletzt noch Änderung vom 19.12.2001,
BGBl I 3773). Danach wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen
und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§
106 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Nach dieser Gesetzeslage war davon auszugehen, dass die Prüfung
nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode
darstellte (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; ebenso BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; vgl zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen
Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde,
dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des
geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum
durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch
Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist
die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen
höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem
Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 29 RdNr 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von
Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher
augenfällig sind (vgl hierzu - betr in eigener Praxis oder verordneter physikalisch-medizinischer Leistungen - BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass
deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (zu Entscheidungsspielräumen
im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung s BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 22; BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16, 17, 19).
Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe und der gerichtlich nur begrenzt zulässigen Überprüfung sind die angefochtenen
Regressbescheide nicht zu beanstanden.
2. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen der Klägerin durfte im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten
der Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte erfolgen.
a) Die Fallzahl der Klägerin reichte als Grundlage für eine Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe
aus.
Die Eignung für einen solchen Vergleich ist erst dann zu verneinen, wenn die Fallzahlen des geprüften Arztes so weit unterhalb
der Durchschnittswerte der Fachgruppe liegen, dass ein Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Für einen aussagekräftigen
Vergleich hat der Senat auf eine Fallzahl des geprüften Arztes von mindestens 20 % der Vergleichsgruppe und dabei mindestens
100 Behandlungsfälle abgestellt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 ff; vgl auch zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 f und Nr 50 S 171).
Dieses Mindestmaß hat die Klägerin nicht unterschritten. Nach den Feststellungen des Beklagten wie des LSG lagen ihre Fallzahlen
um 33 % bis 39 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe. Die Mindestfallquote wird im Fall der Klägerin aber
auch dann erreicht, wenn man den Einwand der Beigeladenen zu 1. berücksichtigt, dass die Fallzahl bei Gemeinschaftspraxen
(Berufsausübungsgemeinschaften) nicht auf die Praxis, sondern auf die in ihr tätigen Ärzte zu beziehen ist. Denn auch nach
den auf dieser Basis vorgenommenen Berechnungen der Beigeladenen zu 1. unterschritten die Fallzahlen der Klägerin in den streitgegenständlichen
Quartalen die durchschnittlichen Fallzahlen "nur" um die 60 % und lagen damit noch deutlich über dem vom Senat als erforderlich
angesehenen Mindestwert.
Ungeachtet dessen spricht aber einiges dafür, dass die Prüfgremien die für Einzelpraxen entwickelte Rechtsprechung des Senats
zur prozentualen und absoluten Mindestfallzahl in der zu überprüfenden Praxis nicht undifferenziert auf alle Gemeinschaftspraxen
(Berufsausübungsgemeinschaften) übertragen dürfen. Bei fachgebietsverschiedenen Praxen ist das ohnehin ausgeschlossen, weil
insoweit ganz unterschiedliche Vergleichswerte je nach dem in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Fachgebiet herangezogen
und dem Behandlungsaufwand der zu prüfenden Gemeinschaftspraxis auf diesem Fachgebiet gegenübergestellt werden. Aber auch
bei einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis kann bei besonders niedrigen Fallzahlen für die Prüfgremien Anlass zur Klärung
bestehen, ob die Vergleichbarkeit mit dem Durchschnitt noch besteht.
Allerdings hat der Beklagte Recht mit seiner Auffassung, dass bei einem Fallwertvergleich grundsätzlich eine fachgebietsgleiche
Gemeinschaftspraxis mit einer Einzelpraxis verglichen werden kann, weil die Gemeinschaftspraxis den Patienten im rechtlichen
Sinne als Einheit behandelt. Speziell hinsichtlich der Mindestfallzahl als Voraussetzung einer statistischen Vergleichsprüfung
ist aber dann, wenn die Grenze von 20 % nur bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit und nicht (mehr) bezogen auf Zahl
der dort tätigen Ärzte erreicht wird, eine eingehende Prüfung der Vergleichbarkeit geboten. Die Prüfgremien müssen der Gemeinschaftspraxis
zumindest Gelegenheit geben, zu verdeutlichen, worauf diese je Arzt unter Umständen quantitativ kaum noch nennenswerte Mitwirkung
an der vertragsärztlichen Versorgung beruht und/oder ob sich ein Arzt oder mehrere Ärzte auf ein ganz kleines Behandlungssegment
beschränken. Es muss jedenfalls sichergestellt sein, dass bei der Prüfung von Gemeinschaftspraxen, bei denen die Mindestfallzahlgrenze
je Arzt rechnerisch nicht erreicht wird, der Zweck dieser Quote gewährleistet wird, nämlich unterschiedlichen Behandlungsaufwand
bei einzelnen Behandlungsformen auszugleichen.
b) Die Prüfgremien sind nicht verpflichtet, den Gründen für unterdurchschnittliche Fallzahlen einer Praxis nachzugehen, soweit
der Grenzwert von 20 % erreicht oder überschritten ist. Dies ist nicht Gegenstand der sog intellektuellen Betrachtung, die
medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (zur medizinisch-intellektuellen Prüfung vgl zB BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Eine geringe Fallzahl kann vielfältige Ursachen haben; sie kann zB auf einer Minderung der Leistungsfähigkeit
des Arztes beruhen oder Folge einer für die Patienten geringeren Attraktivität bzw Überzeugungskraft des Arztes und/oder seiner
Praxis sein. Eine geringe Fallzahl kann dazu führen, dass der Arzt, der dadurch evtl viel Zeit für seine wenigen Patienten
hat, geneigt ist, für diese besonders viele Leistungen zu erbringen, womit er uU zugleich trotz seiner geringen Patientenzahl
ein auskömmliches Einkommen anstrebt (zu diesen Zusammenhängen vgl Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl
2010, § 36 RdNr 64; zur allgemeinen Problematik anbieterinduzierter Nachfrage gerade bei Praxen mit geringer Patientenzahl s zB BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 am Ende mit weiteren BSG-Angaben). Die Vielfalt möglicher Ursachen für eine geringe Fallzahl - für die auch nichtmedizinische Ursachen in Betracht
kommen können, die keinen Bezug zum eigentlichen Aufgabenbereich der Prüfgremien haben - spricht gegen die Annahme einer Verpflichtung
der Prüfgremien, nach deren Ursache im Rahmen der ihnen obliegenden medizinischintellektuellen Prüfung zu forschen. Auch erfordert
die Praktikabilität - im Sinne des Gebots, effektive Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen (vgl hierzu BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20 mwN) -, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von wenigstens 20 % des Fachgruppendurchschnitts
im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen.
c) Ebenso wenig sind die Prüfgremien verpflichtet, bereits im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Prüfung - also bei der
Ermittlung der richtigen Vergleichsbasis - den Umstand zu berücksichtigen, dass physikalisch-medizinischen Leistungen auch
in der geprüften Praxis selbst erbracht werden. Auf der ersten Stufe der Prüfung der Grundlagen der Vergleichbarkeit - noch
vor dem Einstieg in die weiteren Prüfungsschritte wie Praxisbesonderheiten, kompensierende Einsparungen, offensichtliches
Missverhältnis, unwirtschaftlicher Mehraufwand (zu den Prüfungsschritten vgl zB Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand März 2012, §
106 RdNr 290-387, und - zusammengefasst - Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 44-82) - mögen atypische Praxisprägungen in die
Betrachtung einzubeziehen sein; diese können sich uU aus Praxisbesonderheiten ergeben. Kompensierende Einsparungen hingegen
begründen im Regelfall keine abweichende Praxisprägung: Ihr Wesen besteht darin - das ist die Voraussetzung für die Anerkennung
einer "Kompensation" -, dass der vom geprüften Arzt verursachte Mehraufwand und der bei ihm gegebene Minderaufwand medizinisch
gleichwertig sind; dies zugrunde gelegt, wird durch kompensatorische Einsparungen - jedenfalls im Regelfall - nur die individuelle
Art der Leistungserbringung und das Spektrum der erbrachten Leistungen, nicht aber die Praxisprägung berührt. Dementsprechend
erörtert der Senat den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen
erst unter dem Gesichtspunkt kompensierender Einsparungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f; ebenso BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 iVm 25 = USK 85190 S 1014 f iVm 1016 mit erst nachrangiger Berücksichtigung; ebenso BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238/239).
Im Übrigen ist die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten nicht zwingend;
auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich
können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie zB durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt
werden, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (betr Bildung einer engeren Vergleichsgruppe vgl zB BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30; betr kompensierende Einsparungen und Praxisbesonderheiten vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f).
d) Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebotene ergänzende intellektuelle Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten
ist, wie sich aus dem Bescheid des Beklagten ergibt, durchgeführt worden. Diese Prüfung muss nicht explizit erfolgen; vielmehr
reicht es aus, dass sich eine hinreichende Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte aus dem Gesamtzuschnitt der Bescheide
ergibt, wie das hier der Fall ist (sinngemäß ebenso zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 266; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 unten).
3. Der Beklagte durfte das Verordnungsvolumen der Klägerin mit demjenigen der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte im Bezirk der
früheren KÄV Pfalz (einer der Rechtsvorgängerinnen der zu 1. beigeladenen KÄV) vergleichen. Die Bildung einer engeren - verfeinerten
- Vergleichsgruppe war nicht geboten.
Deren Bildung bedarf es nur bzw allenfalls dann, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der
Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik
beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr 57 S 319 ff, 322 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; Nr 12 RdNr 16-23). Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt eine Zusatz- bzw Schwerpunktbezeichnung führt, sofern
diese Niederschlag im Leistungsspektrum oder in der Ausrichtung der Praxis findet (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319-322; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 17 ff; ebenso BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 55/11 B - RdNr 8). Die Prüfgremien dürfen solche Abweichungen von der Durchschnittspraxis aber auch - statt durch Bildung einer engeren
Vergleichsgruppe - im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheit oder durch Belassung einer größeren Überschreitung
des Fachgruppendurchschnitts berücksichtigen (BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30).
Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Prüfgremien sich nicht veranlasst gesehen haben, eine engere
Vergleichsgruppe zu bilden. Veranlassung hierzu gibt weder der Umstand, dass ein Mitglied der Klägerin eine Gebietsarztanerkennung
als Chirurg besitzt noch der Gesichtspunkt, dass die Klägerin physikalisch-medizinische Leistungen (auch) in eigener Praxis
erbringt.
4. Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen Fehler nicht erkennen.
a) Der Beklagte hat es ohne Rechtsverstoß abgelehnt, über einige als solche berücksichtigten besonders kostenintensiven Fälle
hinaus Praxisbesonderheiten bei der Klägerin anzuerkennen. Er hat ausgeführt, in der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder
behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren
seien, und Gründe dargelegt, die gegen einen ausgeprägten orthopädischchirurgischen Praxisschwerpunkt sprechen. Mit diesen
Ausführungen hat der Beklagte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ohne Überschreitung des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums
- und mit ausreichender Begründung in den Bescheiden - versagt (zu den Entscheidungsspielräumen vgl oben RdNr 17 am Ende mit
BSG-Angaben).
Das LSG hat festgestellt, dass die Zusammensetzung der Patienten und der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen
sich nicht wesentlich vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Fachgruppe unterscheidet. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht
gebunden; keiner der Revisionsführer hat dagegen eine Verfahrensrüge entsprechend den dafür bestehenden Anforderungen des
§
164 Abs
2 Satz 3
SGG erhoben (vgl §
163 Halbsatz 2
SGG). Die Prüfgremien sind nicht gehalten, allein aus dem Umstand, dass die Fallzahl der Praxis weit unter dem Durchschnitt liegt,
eine Praxisbesonderheit herzuleiten, weil die Behandlung von weniger Fällen nicht zwangsläufig mehr ärztliche Leistungen rechtfertigt
(Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand März 2012, §
106 RdNr 363 unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 26.11.1997 - L 12 KA 22/96 - juris RdNr 36; vgl auch oben 2.b [RdNr 25]).
Soweit der Senat in seinem Urteil vom 26.4.1978 (BSGE 46, 145, 151 = SozR 5550 § 14 Nr 2 S 7) eine außergewöhnlich niedrige Fallzahl als mögliche Praxisbesonderheit angesehen hat, hat
er diese Auffassung bereits mit Urteil vom 2.9.1987 (SozR 2200 § 368n Nr 50) aufgegeben. Dort (aaO S 171) hatte der Senat
ausgeführt: "Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis ... (nur) ... die sogenannten Fallkostendifferenz maßgeblich
ist, hat als Vergleichsumstand all das (als unschlüssig) auszuscheiden, was nur die Patientenzahl betrifft. Eine zu niedrige
Fallzahl kann daher ... nur insoweit von Bedeutung sein, als damit möglicherweise (Fall-)Zahlbereiche unterschritten werden,
unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist". Dies ist hier nicht der Fall, wie oben dargelegt
worden ist.
b) Die Regressbescheide sind auch in Bezug auf die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses nicht zu beanstanden.
Auch bei der Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN); die Festlegungen können je nach der Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität
auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (vgl zB BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 50 mwN). Liegt im konkreten Fall der nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensierende
Einsparungen erklärbare Mehraufwand in jedem Fall deutlich erkennbar im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so
dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung verzichten (vgl BSG aaO RdNr 50). Dies war hier im Hinblick auf die Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um ca 143 % bis 228 % der Fall,
sodass die Regressbescheide auch insoweit nicht zu beanstanden sind.
Soweit die Beigeladene zu 1. geltend macht, der Beklagte habe bei der Gegenüberstellung der Heilmittel-Werte der geprüften
Praxis und denen der Vergleichsgruppe den Umstand außer Betracht gelassen, dass es sich bei der Klägerin um eine aus zwei
Ärzten bestehende Gemeinschaftspraxis handelt, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Da bei der statistischen Vergleichsprüfung
die Abrechnungs- bzw Verordnungs-Werte je (Behandlungs-)Fall einander gegenübergestellt werden, ist nicht erkennbar, inwiefern
sich die Zahl der in der Praxis tätigen Ärzte auf den Umfang der erbrachten Leistungen je Fall auswirken kann. Auf der Hand
liegt dies jedenfalls nicht, da in einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis typischerweise nicht beide Ärzte gleichzeitig
Verordnungen für denselben Patienten ausstellen werden.
c) Es liegen schließlich auch keine kompensierenden Einsparungen vor, die der Beklagte hätte berücksichtigen müssen. Da die
Klägerin nach Feststellung des Beklagten auch bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen den
Fachgruppendurchschnitt überschreitet - das hat die Klägerin nicht beanstandet -, stellt sich die Frage nicht, ob derartige
Leistungen überhaupt geeignet sind, Überschreitungen bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen zu kompensieren.
Aus diesem Grunde bedurfte es hierzu auch keiner näheren Ausführungen im Bescheid des Beklagten.
5. Sind die angefochtenen Entscheidungen somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen
darauf hin, dass er nicht die Auffassung des LSG teilt, der Hinweis der Klägerin auf die in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen
Leistungen sei schon deshalb nicht beachtlich gewesen, weil er erstmals im Klageverfahren vorgebracht worden sei.
In der Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht schon immer ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 SGB X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht
des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgeht (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 = USK 94131; BSG Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - USK 95137, S 738, insoweit in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nicht abgedruckt). Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich daraus, dass
dem Arzt ein Vergütungsanspruch nur dann zusteht, wenn er die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen
durfte; es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich anzugeben
und zu belegen, vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur
durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f; vgl auch BSGE 59, 211, 215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133 und BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 198).
Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, obwohl es ihm oblegen hätte, diese schon den Prüfgremien
gegenüber zu erheben, können unberücksichtigt bleiben, weil der Arzt nicht berechtigt ist, das Prüfverfahren zu unterlaufen
und die den Prüfgremien vorbehaltene Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern (BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 197/198 - S 198 auch zu Hinweispflichten der Prüfgremien; vgl auch BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f). Diese Rechtsfolge gebietet jedoch eine differenzierte Beurteilung des Umfangs der Darlegungsobliegenheiten
des Arztes im Prüfungsverfahren.
Der Arzt ist jedenfalls gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss,
geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien
nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Auch ein im Prüfungsverfahren
nicht anwaltlich vertretener Arzt ist nicht überfordert, auf derartige Umstände - etwa die Betreuung von Versicherten in Altenheimen
- hinzuweisen, wenn sich daraus aus seiner Sicht Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs-
oder Verordnungsweise ergeben. Unterlässt er diesen gebotenen Vortrag, kann er mit seinem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen
werden.
Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken
gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dieser Einwand ist nicht mit einer - grundsätzlich den
Prüfgremien vorbehaltenen - Beiziehung von Unterlagen (so zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 24) vergleichbar. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so
offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen (s Clemens in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 151 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295) bzw die anhand der bei der KÄV vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind (s
Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand März 2012, §
106 RdNr 543 unter Hinweis auf BSGE 74, 70, 73 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 126 sowie BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; zur Begrenzung der Mitwirkungspflicht bei "offenkundigen" Anhaltspunkten s auch Engelhard aaO RdNr 548 unter
Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368n Nr 50 S 172 und BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295). Das kann sich etwa für den hier betroffenen Gesichtspunkt selbst erbrachter physikalisch-medizinischer Leistungen
ergeben. Da seit Jahren bekannt und auch in der Rechtsprechung erörtert worden ist, dass vergleichbare Leistungen in Praxen
selbst erbracht oder veranlasst werden (s hierzu BSG USK 85190 S 1014 ff), ist bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit solcher Verordnungen dem von Amts wegen nachzugehen; der
Arzt muss nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische
Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1. die Kosten des Revisionsverfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da
sie mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind (§
154 Abs
2 iVm §
159 Satz 1
VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§
162 Abs
3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).