Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Zulässigkeit einer höheren Honorierung für Gemeinschaftspraxen als für Vertragsärzte
in einer Einzelpraxis; Aufschlag von mindestens 60 und höchstens 105 Punkten beim Ordinationskomplex
Gründe:
I
Umstritten ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars im Quartal II/2006.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin in einer Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er legte
gegen den Honorarbescheid der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für das Quartal II/2006 Widerspruch ein. Diesen
begründete er - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - damit, dass nach der Neufassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs
für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1.4.2005 Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen bei der Honorierung vertragsärztlicher
Leistungen in rechtswidriger Weise bevorzugt würden. Er verwies dabei darauf, dass seit dem 1.4.2005 Ärzte, die in Gemeinschaftspraxen
tätig seien, einen Aufschlag von mindestens 60 und höchstens 105 Punkten auf den Ordinationskomplex erhalten. Auch die Regelungen
unter Nr 3.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß §
85 Abs
4 SGB V (BRLV-DÄ 2004, A 3129) bevorzugten die Gemeinschaftspraxen. Die Fallpunktzahlen für Gemeinschaftspraxen würden als arithmetischer
Mittelwert der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Arztgruppen berechnet. Die so errechnete Fallpunktzahl
erhöhe sich um 130 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen und in einer arztgruppen- bzw schwerpunktübergreifenden
Gemeinschaftspraxis um 30 Punkte je repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, jedoch um mindestens 130 und höchstens 220
Punkte. Diese Bevorzugung der Gemeinschaftspraxen, die der Honorarverteilungsvertrag (HVV), den die Beklagte mit den Krankenkassen
(KKn) abgeschlossen habe, übernommen habe, stehe mit höherrangigem Gesetzesrecht sowie mit dem
GG nicht im Einklang. Soweit sich die Widersprüche auch gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/2005 bis I/2006 richteten,
war die Widerspruchsfrist nicht gewahrt. Insoweit verfolgt der Kläger sein Begehren nicht weiter.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das SG hat im Anschluss an das Urteil des SG Marburg vom 8.10.2008 (dazu Senatsurteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R) eine rechtswidrige Benachteiligung von Einzelpraxen gegenüber Gemeinschaftspraxen weder auf der Ebene des EBM-Ä noch des
HVV gesehen. Es hat ausdrücklich offengelassen, ob der Kläger durch die angegriffenen Regelungen überhaupt beschwert ist;
es stehe nämlich nicht fest, dass er ein höheres Honorar erhalten würde, wenn der Bewertungsausschuss die Vorgaben über die
Ordinationsgebühr für Gemeinschaftspraxen korrigieren müsse. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Die Vorgaben im Beschluss
des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zu den Regelleistungsvolumina (RLV) seien allerdings für die Honorarverteilung verbindlich.
Soweit bei den RLV erhöhte Fallpunktzahlen für Gemeinschaftspraxen vorgesehen seien, berücksichtige das die Höherbewertung
des Ordinationskomplexes im EBM-Ä in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung. Die Zuschläge zum Ordinationskomplex und zu den RLV
widersprächen weder dem Gebot der leistungsproportionalen Vergütung noch dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit, das
sich aus Art
12 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 GG ergebe. Der Gesetzgeber habe dem Bewertungsausschuss in §
87 Abs 2a Satz 1
SGB V ausdrücklich aufgegeben, die Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen zu berücksichtigen. Unter Heranziehung der für
die Kontrolle von Entscheidungen des Bewertungsausschusses von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe habe dieser die ihm
kraft Gesetzes zukommende Gestaltungsfreiheit nicht missbraucht. Die Gründe für die (begrenzte) Bevorzugung von Gemeinschaftspraxen
bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen seien sachbezogen und mindestens plausibel. Der Bewertungsausschuss sei nicht
gezwungen gewesen, Ordinationskomplex und RLV in mathematisch gleicher Form zugunsten der Gemeinschaftspraxen zu erhöhen.
Dass feste und einheitliche Zuschläge für Gemeinschaftspraxen zu prozentual unterschiedlichen Erhöhungen der Ordinationsgebühr
und der RLV je nach Arztgruppe in Relation zu Einzelpraxen führen könnten, indiziere noch nicht die Sachwidrigkeit der Entscheidung
des Bewertungsausschusses. Im Übrigen liege die Annahme des Klägers fern, unter den seit dem zweiten Quartal 2005 geltenden
Bedingungen könne eine Einzelpraxis wirtschaftlich nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg geführt werden (Urteil vom 18.3.2009).
Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des Art
3 Abs
1 und des Art
12 Abs
1 GG und insbesondere einen Verstoß gegen das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen sowie
der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG verfüge der Bewertungsausschuss über einen relativ weiten
Gestaltungsspielraum, er sei berechtigt zu generalisieren und zu typisieren und dürfe auch steuernde Eingriffe in das Vergütungsgefüge
zur Verfolgung bestimmter sachgerechter Ziele vornehmen. Er agiere gleichwohl nicht in einem rechtsfreien Raum, und dürfe
seine Bewertungskompetenz nicht missbräuchlich oder willkürlich ausüben und ärztliche Minderheitengruppen bei der Honorierung
nicht bewusst benachteiligen. Soweit Regelungen des EBM-Ä in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art
12 Abs
1 GG eingriffen, seien die Regelungen im EBM-Ä an den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit zu messen.
Vor allem sei der Bewertungsausschuss strikt an das Gleichbehandlungsgebot des Art
3 Abs
1 GG gebunden. Es sei ihm verwehrt, bestimmte Vergütungen ohne sachlichen Grund nur einer Arztgruppe zu gewähren, obgleich dieselbe
Leistung auch von anderen Arztgruppen erbracht werde, oder einzelne Gruppen von Leistungserbringern bei der Honorierung vertragsärztlicher
Leistungen bewusst zu benachteiligen. Auch die einfachgesetzlichen Vorgaben insbesondere in §
87 SGB V seien vom Bewertungsausschuss strikt zu beachten.
Auch die vom SG besonders hervorgehobene Gestaltungsfreiheit von KÄV und KKn bei Abschluss des HVV sei nicht unbegrenzt, insbesondere könne
sich die KÄV nicht beliebig auf die Rechtsprechung des BSG berufen, wonach ihr bei Anfangs- und Erprobungsregelungen ein besonders
weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Diesem weiten Gestaltungsspielraum korrespondiere nach der Rechtsprechung zumindest eine
Beobachtungs- und Reaktionspflicht der KÄV.
Bei Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe für EBM-Ä und HVV sei die Privilegierung der Gemeinschaftspraxen bei der Vergütung
vertragsärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/2005 nicht zu rechtfertigen. Willkürlich sei zunächst, dass sich der pauschale
Zuschlag von 60 Punkten für den Ordinationskomplex bei einzelnen Arztgruppen ganz unterschiedlich auswirke. Je niedriger der
Ordinationskomplex je nach Arztgruppe und Versichertenstatus sei, desto höher sei prozentual die Begünstigung der Gemeinschaftspraxen;
diese könne bei hausärztlichen Internisten und Allgemeinärzten, die einen relativ niedrigen Ordinationskomplex erhielten,
bis zu 40 % erreichen. Das sei im Hinblick darauf, dass in einer Einzelpraxis und in einer Gemeinschaftspraxis die gleichen
Leistungen erbracht würden, nicht zu rechtfertigen.
Soweit sich das SG auf einen Beschluss des Senats vom 28.1.2004 berufen habe, habe es verkannt, dass der Senat zu einer Regelung des EBM-Ä entschieden
habe, die sich grundsätzlich von der hier zu beurteilenden Normstruktur unterschieden habe. Bei der damaligen Regelung habe
die Bevorzugung der Gemeinschaftspraxen dazu gedient, die Wirkungen einer Abstaffelungsregelung abzumildern, die praxis- und
nicht arztbezogen ausgerichtet gewesen sei. Die Bildung der RLV ab dem Quartal II/2005 erfolge jedoch arzt- und nicht praxisbezogen,
sodass für eine Benachteiligung der Gemeinschaftspraxen, die dann wiederum ggf ausgeglichen werden müsste, keine Grundlage
bestehe. Im Übrigen sei die Annahme, die Zahl der Patienten in einer Gemeinschaftspraxis steige nicht proportional zu jedem
vollzeittätigen Arzt an, nicht plausibel.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.3.2009 sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/2006 vom
13.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2006 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Regelungen des EBM-Ä für sie verbindlich und
nach der Rechtsprechung des BSG rechtmäßig seien.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Honorarbescheid ist - soweit er im Revisionsverfahren zu überprüfen
ist - nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
Die Regelungen der Nr 3.2.2 in Teil III des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zu den KÄV-bezogenen arztgruppenspezifischen
Fallpunktzahlen sowie die Vorschrift der Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä zur Höhe des Ordinationskomplexes
für Gemeinschaftspraxen stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Der Bewertungsausschuss (§
87 Abs
1 SGB V) hat seinen Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Bewertungsmaßstabs nicht überschritten, und die normativen Vorgaben
zur Förderung der Gemeinschaftspraxen verstoßen weder gegen Art
12 Abs
1 GG noch gegen Art
3 Abs
1 GG.
Nach Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä erhalten Gemeinschaftspraxen (heute: Berufsausübungsgemeinschaften)
einen Aufschlag zum Ordinationskomplex, der mindestens 60 und höchstens 105 Punkte beträgt. Die Fallpunktzahl im RLV erhöht
sich nach Teil III Nr 3.2.2 BRLV um 130 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen. In arztgruppen-
und schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxen erhöht sich die Fallpunktzahl um 30 Punkte je repräsentiertem Fachgebiet,
jedoch mindestens um 130 und höchstens um 220 Punkte. Diese bundeseinheitlich geltenden Vorgaben sind rechtmäßig; der HVV,
den die Beklagte mit den KKn abgeschlossen hat, hat sie korrekt umgesetzt.
Die Maßstäbe der gerichtlichen Kontrolle von Regelungen in den Bewertungsmaßstäben sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt.
Dem Bewertungsausschuss als Normgeber steht bei der Erfüllung des ihm in §
87 Abs
1 SGB V übertragenen Auftrags ein Gestaltungsspielraum zu; dieser ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren, die daher Regelungen
des EBM-Ä nur in Ausnahmefällen korrigieren darf (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 11 RdNr 9). Gleichwohl unterliegt der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher
Normgeber gerichtlicher Kontrolle; er ist an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen Gewährleistungen
in Art
3 Abs
1 und Art
12 Abs
1 GG gebunden. Geklärt ist weiterhin, dass der Bewertungsausschuss pauschalieren, generalisieren und typisieren darf und betriebswirtschaftliche
Erwägungen nicht zwingend berücksichtigen muss, aber berücksichtigen kann, soweit sie eine gewisse Plausibilität für sich
haben (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 21, 23 und 24; BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 28). Auch mit den Auswirkungen des Gleichbehandlungsgebotes des Art
3 Abs
1 GG auf Einzel- und Gemeinschaftspraxen bei differenzierenden Vergütungsregelungen im EBM-Ä hat sich der Senat befasst und in
diesem Zusammenhang dargelegt, dass der Normgeber nicht auf lediglich hypothetische Konstellationen wie große laborähnliche
Praxisgemeinschaften Rücksicht nehmen muss (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 30). Bei Anwendung dieser auch vom Kläger zugrunde
gelegten Prüfungsmaßstäbe sind die Regelungen über die Zuschläge für Gemeinschaftspraxen beim Ordinationskomplex im EBM-Ä
und bei den Vorgaben für RLV im BRLV ab dem 1.4.2005 nicht zu beanstanden.
Der Bewertungsausschuss hat bei seinem Beschluss vom 29.10.2004 wie mit der Neufassung des Ordinationskomplexes in Nr 5.1
in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä zum 1.4.2005 vergleichbare Regelungen aus vorangegangenen Zeiträumen zur
Förderung von Gemeinschaftspraxen auf der Vergütungsebene vorgefunden. Der EBM-Ä enthielt in der Zeit vom 1.7.1997 bis zum
30.6.2003 in den Allgemeinen Bestimmungen über die Fallpunktzahlen in den Praxisbudgets Vorgaben über einen Aufschlag von
10 % für Gemeinschaftspraxen zwischen Hausärzten oder zwischen Fachärzten desselben Fachgebiets. Diese Regelung hat der Senat
in zwei Beschlüssen vom 28.1.2004 und vom 10.5.2004 jeweils in Verfahren von Ärzten in Einzelpraxis gebilligt (B 6 KA 112/03 B und B 6 KA 129/03 B). Der Beschluss vom 28.1.2004 (B 6 KA 112/03 B) ist auf die Verfassungsbeschwerde vom BVerfG ausdrücklich nicht beanstandet worden (Kammerbeschluss vom 8.6.2004 - 1 BvR 507/04). Damit ist die grundsätzliche Zulässigkeit begünstigender Sonderregelungen für Gemeinschaftspraxen auf der Ebene des EBM-Ä
geklärt. Das gilt umso mehr, als der Senat seine Entscheidungen nicht allein damit begründet hatte, dass die damals zu beurteilende
Regelung über den Aufschlag für die Gemeinschaftspraxen eine gewisse Kompensation für den Ausschluss der Berechnungsfähigkeit
der Nr 44 EBM-Ä aF (konsiliarische Erörterung) zwischen Ärzten derselben Gemeinschaftspraxis bewirken sollte. Der Senat hat
vielmehr ausdrücklich auch die Erwägungen des Bewertungsausschusses gebilligt, generell die Ausübung der vertragsärztlichen
Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis zu fördern und Regelungen zu treffen, die das Ausweichen in Praxisgemeinschaften unattraktiv
machen.
Bei der Neufassung des EBM-Ä zum 1.4.2005, durch die der Bewertungsausschuss die Übergangsphase nach dem Auslaufen der Praxisbudgets
zum 30.6.2003 beendet hat, konnte der Normgeber an die frühere Regelung im EBM-Ä und dazu ergangene Rechtsprechung anknüpfen.
Zudem war er nach §
87 Abs
2a Satz 1
SGB V in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) gehalten, Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen
zu berücksichtigen. Dieser gesetzliche Auftrag ist im Gesetzgebungsverfahren zum GMG dahin interpretiert worden, der Bewertungsausschuss
sei verpflichtet, bei der Zusammenfassung von Einzelleistungen zu Leistungskomplexen und Fallpauschalen die Besonderheiten
von Gemeinschaftspraxen und anderen Kooperationsformen zu berücksichtigen. Zur Begründung dieses Regelungsziels ist darauf
hingewiesen worden, der anfallende Betreuungsaufwand pro Patient bei der Behandlung durch eine kooperative Versorgungsform
im Vergleich zur Behandlung durch eine Einzelpraxis sei höher, da in der kooperativen Versorgungsform oftmals mehrere Ärzte
an der Behandlung beteiligt seien. Zur Förderung der Versorgung durch kooperative Versorgungsformen, beispielsweise medizinische
Versorgungszentren, sollten spezifische Fallpauschalen entwickelt werden, die den Besonderheiten dieser Versorgungsform Rechnung
tragen (BT-Drucks 15/1525 zu Artikel 1 Nr 66 [§ 87] Buchst d Doppelbuchst aa). Im Hinblick auf diese spezialgesetzliche Ermächtigung
konnte sich der Bewertungsausschuss für die Regelungen in Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä und in Nr
3.2.2 in Teil III des BRLV nicht nur auf die allgemeine gesetzliche Ermächtigung des §
87 Abs
2 SGB V, sondern auf den expliziten Regelungsauftrag des §
87 Abs
2a Satz 1
SGB V stützen. Für die rechtliche Prüfung der von der Revision beanstandeten Regelung hat das Konsequenzen. Es geht nicht mehr
vorrangig um die Frage, ob der Bewertungsausschuss kraft seiner generellen Kompetenz für den Erlass der Bewertungsmaßstäbe
Gemeinschaftspraxen in begrenztem Umfang gegenüber Einzelpraxen fördern darf, sondern vor allem um die Frage, ob der Gesetzgeber
selbst den Bewertungsausschuss - wenn auch eher allgemein - zu einer entsprechenden Regelung ermächtigen darf. Damit sind
nicht in erster Linie die gesetzlichen Grenzen der Gestaltungskompetenz des Bewertungsausschusses, sondern diejenigen des
politisch gestaltenden Gesetzgebers angesprochen. Dass insoweit unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe die gerichtliche Kontrolle
determinieren, hat der Senat jüngst in seinem Urteil vom 28.10.2009 im Hinblick auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
zur Gesprächspsychotherapie dargelegt (B 6 KA 11/09 R - RdNr 32 ff -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehindert sein könnte, im Rahmen von Regelungen der vertragsärztlichen
Vergütung vorzugeben, dass die Leistungserbringung in kooperativer Berufsausübung besonders zu berücksichtigen sei, bestehen
nicht. Solange diese Vorgaben nicht bewirken, dass wegen der begrenzten Gesamtvergütungen die Förderung der Gemeinschaftspraxis
in der Weise zu Lasten der Einzelpraxen geht, dass diese nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, ist der Gestaltungsspielraum
des Gesetzgebers sehr weit. Die Auffassung der Revision, die (vermeintlichen) Vorteile der Ausübung der vertragsärztlichen
Tätigkeit in kooperativer Form seien nicht ausreichend sicher belegt, berücksichtigt die verfassungsrechtlichen Vorgaben für
die Ausgestaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung durch den Gesetzgeber nicht hinreichend.
In der gesundheitspolitischen und versorgungspolitischen Diskussion werden zahlreiche unterschiedliche Aspekte angeführt,
unter denen die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen wird. Das betrifft zB die bessere
Auslastung von teuren medizinisch-technischen Geräten im fachärztlichen Bereich; diese Entwicklung hat dazu geführt, dass
in den medizinisch-technischen Fächern wie Labormedizin, Radiologie und Pathologie Einzelpraxen fast verschwunden sind. Nach
den "Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland" (Hrsg: Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2009) waren im
Jahr 2008 von den 2859 radiologisch tätigen Vertragsärzten 2201 in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Von den 3907 zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassenen Chirurgen waren 1765 in einer Gemeinschaftspraxis tätig, also deutlich mehr als 40 %. Von den 40862
Allgemeinärzten, praktischen Ärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung waren bereits 15685, also mehr als ein Drittel, in
einer Gemeinschaftspraxis tätig. Auch die Verzahnung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Versorgung von Patienten im
Krankenhaus bzw der Durchführung ambulanter Operationen, die dem Gesetzgeber insbesondere des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes
vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) ein besonderes Anliegen war, lässt sich - abgesehen von der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit
durch ein Medizinisches Versorgungszentrum - in Gemeinschaftspraxen bzw Berufsausübungsgemeinschaften besser als in einer
Einzelpraxis realisieren. Ambulante Operationen und belegärztliche Tätigkeiten sind in Gemeinschaftspraxen bzw Berufsausübungsgemeinschaften
eher realisierbar, weil die Praxis für die "regulären" ambulanten Patienten auch in Zeiten weiter betrieben werden kann, in
der ein Vertragsarzt - ggf außerhalb der Praxisräume - ambulante Operationen ausführt oder in einem Krankenhaus Patienten
belegärztlich versorgt.
Auch im Kontext der hier betroffenen hausärztlichen Tätigkeit werden Vorteile für den Patienten durch das Angebot von Gemeinschaftspraxen
benannt. Das betrifft etwa längere Öffnungszeiten der Praxis, geringe Zeiten der Vertretung wegen des Urlaubs oder der Erkrankung
des Praxisinhabers sowie das in der zitierten Gesetzesbegründung zum GMG angesprochene größere Leistungsspektrum von Berufsausübungsgemeinschaften
aus mehreren Ärzten. Gerade die umfassenden Koordinationsaufgaben, die Hausärzte nach der Vorstellung des Gesetzgebers übernehmen
sollen (vgl §
73 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB V), lassen es als vorteilhaft erscheinen, wenn eine Praxis an so vielen Tagen wie möglich für die Patienten zugänglich ist
und alle den einzelnen Patienten betreffenden Daten jeweils verfügbar sind und nicht erst Befunde von vertretenden Ärzten
in die vorhandenen Dateien eingepflegt werden müssen. Schließlich wird auch unter dem Gesichtspunkt der Gewinnung ärztlichen
Nachwuchses gerade im hausärztlichen Bereich in dem Angebot von Gemeinschaftspraxen und Berufsausübungsgemeinschaften ein
Vorteil gesehen, weil diese eher als die Einzelpraxis die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte gerade
zu Beginn ihrer Niederlassungstätigkeit erleichtern können. Der Gesetzgeber, der die Leitbilder seiner politischen Gestaltung
nicht wie eine Verwaltungsbehörde begründen muss, darf den hier nur beispielhaft genannten Aspekten Rechnung tragen, ohne
zuvor umfassende Gutachten dazu eingeholt zu haben, wie sich genau welche Regelungsabsicht realisieren lässt.
Soweit der Kläger geltend macht, es stehe nicht fest, dass das Behandlungsspektrum (auch) in einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis
größer als in einer Einzelpraxis sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. In der Begründung zu §
87 Abs
2a Satz 1
SGB V idF des GMG wird ein Erfahrungssatz formuliert, für den kein Anspruch auf ausnahmslose Geltung erhoben wird ("oftmals").
Als solcher ist die Annahme eines in einer Gemeinschaftspraxis höheren Betreuungsaufwands mindestens plausibel. Das SG verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf ein typischerweise breiteres fachliches Spektrum und auf die kollegiale Zusammenarbeit
in einer Gemeinschaftspraxis. Das ist nach den Vorgaben des Gesetzes zu Inhalt und Gegenstand der hausärztlichen Versorgung
(§
73 Abs
1 Satz 2
SGB V) auch in diesem Leistungsbereich von Bedeutung. So kann beispielsweise die stärker chirurgische, internistische oder psychosomatische
Ausrichtung einzelner Mitglieder einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis dazu führen, dass Untersuchungen und Behandlungen
angeboten werden können, die in einer Einzelpraxis nicht verfügbar sind. Auch der Aspekt, dass in einer Gemeinschaftspraxis
ohne Überweisung ein zweiter Arzt einen Patienten oder einen Untersuchungsbefund mitüberprüfen kann und ein formloser kollegialer
Austausch zB in medizinischen Zweifelsfällen leicht möglich ist, stützt die Plausibilität der Annahme des Gesetzgebers. Ohne
dass feststünde oder auch nur empirisch ermittelbar wäre, in wie vielen Fällen in einer Gemeinschaftspraxis ein solches informelles
Konsil stattfindet und Überweisungen dadurch eingespart werden, rechtfertigt schon allein die Möglichkeit einer solchen Kooperation
eine höhere Vergütung auf der Ebene des EBM-Ä.
Auch soweit der Kläger der Sache nach geltend macht, der Bewertungsausschuss habe keine Befugnis, die vertragsärztliche Tätigkeit
in einer Gemeinschaftspraxis für qualitativ höherwertig als diejenige in einer Einzelpraxis zu bewerten, folgt der Senat dem
nicht. Der Gesetzgeber wie der Bewertungsausschuss stellen nicht in Frage, dass - abgesehen von den oben angeführten medizinisch-technischen
Fachgebieten - die Versorgungslandschaft nach wie vor von Einzelpraxen dominiert wird, der Anteil der Gemeinschaftspraxen
aber steigt. In einer solchen Lage dürfen beide Normgeber Anreize setzen, die eine Verstärkung des Trends zur kooperativen
vertragsärztlichen Tätigkeit bewirken können. Daran liegt keine wirtschaftliche und immaterielle Abwertung von Einzelpraxen,
die heute nach wie vor das unverzichtbare Rückgrat der vertragsärztlichen Versorgung vor allem im hausärztlichen Bereich bilden.
Die Vergütungszuschläge beim Ordinationskomplex und (folgerichtig) auch bei den RLV sind nämlich der Höhe nach weder geeignet
noch darauf angelegt, die Führung einer Einzelpraxis wirtschaftlich unattraktiv zu machen.
Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, die auch in den zitierten Senatsbeschlüssen aus dem Jahre 2004 (RdNr 15) angeführte
Erwägung, die finanzielle Förderung von Gemeinschaftspraxen wirke dem Ausweichen auf rechtlich zweifelhafte Formen der Zusammenarbeit
von Vertragsärzten entgegen, könne für sich genommen allein die Privilegierung von Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen
nicht rechtfertigen. Vertragsärzte, die in der äußeren Gestalt einer Praxisgemeinschaft, in der praktizierten Realität aber
wie in einer Gemeinschaftspraxis kooperieren, verletzen ihre vertragsärztlichen Pflichten mit allen damit verbundenen Konsequenzen
(vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 18 ff). Gesetzeskonformes Verhalten kann von Vertragsärzten voraussetzungslos erwartet und muss
nicht erst über besondere Anreize bewirkt werden. Da aber - wie eben aufgezeigt - hinreichende Gründe für die vom Kläger beanstandeten
Regelungen im EBM-Ä und im BRLV bestehen, sind diese in ihrem rechtlichen Bestand nicht dadurch in Frage gestellt, dass der
Bewertungsausschuss sich möglicherweise zusätzlich von der Erwägung hat leiten lassen, Anreize für die Wahl der "richtigen"
Kooperationsform zu setzen.
Auch soweit der Kläger die konkrete Ausgestaltung der Zuschlagsregelungen beanstandet, verstoßen die Vorgaben des EBM-Ä nicht
gegen höherrangiges Recht. Der Bewertungsausschuss durfte sich für feste Punktzahlaufschläge beim Ordinationskomplex entscheiden
und war nicht gezwungen, einen prozentualen Zuschlag für Gemeinschaftspraxen vorzuschreiben, wie er im EBM-Ä zwischen dem
1.7.1997 und dem 30.6.2003 im Zusammenhang mit den Praxisbudgets normiert und Gegenstand der oben (RdNr 15) aufgeführten Senatsbeschlüsse
aus dem Jahr 2004 war. Sowohl von starren wie von prozentualen Aufschlägen für Gemeinschaftspraxen gehen bestimmte Verteilungswirkungen
aus, die nicht von vornherein positiv oder negativ zu bewerten sind. Feste Punktzahlzuschläge begünstigen alle Gemeinschaftspraxen
gleichmäßig und variieren den Effekt nicht nach der punktzahlmäßigen Bewertung des Ordinationskomplexes der einzelnen Arztgruppe.
Bei relativ niedrigen Ordinationskomplexen fällt dann allerdings zwangsläufig die Begünstigung im Vergleich zu Einzelpraxen
besonders hoch aus; der Zuschlag von 60 Punkten kann - wie der Kläger zu Recht geltend macht - in besonderen Konstellationen
(zB Behandlung eines Versicherten einer bestimmten Alterskohorte bei einem Allgemeinarzt) zu einer Erhöhung des Ordinationskomplexes
um bis zu 40 % führen. Bezogen auf das Gesamthonorar je Vertragsarzt sind die Auswirkungen der beiden in Betracht kommenden
Zuschlagsvarianten indessen nicht annähernd so groß wie in diesem Beispielsfall des Versicherten. Für die Festlegung eines
starren Zuschlags spricht auch die Erwägung, die Förderung der Gemeinschaftspraxis nicht von der - unter dieser Zielsetzung
irrelevanten - Höhe des Ordinationskomplexes der einzelnen Arztgruppe abhängig zu machen. Die Höhe des Ordinationskomplexes,
die bei Anästhesisten je nach Alter der Patienten zwischen 155 und 255 Punkten und bei Augenärzten zwischen 405 und 465 Punkten
schwankt, spiegelt den Grad der Standardisierung typischer Behandlungsabläufe in den einzelnen Arztgruppen wider und weist
deshalb keinen inneren Bezug zur Förderung von Gemeinschaftspraxen auf. Diesem arztgruppenübergreifenden Ziel trägt deshalb
eher eine feste als eine prozentuale Zuschlagsregelung Rechnung.
Soweit sich der Kläger gegen die Übernahme der Zuschlagsregelung aus dem EBM-Ä und dem BRLV in den HVV wendet, kann seine
Revision von vornherein keinen Erfolg haben. An die Vorgaben des Bewertungsausschusses ist die Beklagte nach §
85 Abs
4 Satz 6 bis 8 iVm Abs
4a Satz 1 letzter Teils
SGB V idF des GMG gebunden. Danach hat der Bewertungsausschuss Vorgaben für die Honorarverteilung zu machen, die Bestandteil des
HVV werden und von den Partnern dieses Vertrages zwingend beachtet werden müssen (dazu näher Senatsurteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - RdNr 22, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.