Entziehung der Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums wegen gröblicher Pflichtverletzung
Gründe:
I
Umstritten ist die Entziehung der Zulassung für ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).
Die Klägerin, ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH, über deren Vermögen das Amtsgericht Köln am 25.1.2012 das Insolvenzverfahren
eröffnet hat, nimmt seit 2007 unter dem Namen "Medizinisches Versorgungszentrum L. GmbH" an der vertragsärztlichen Versorgung
teil. Die GmbH hatte nach ihrer Gründung durch Gesellschaftsvertrag vom 31.5.2007 und dem Handelsregistereintrag am 1.4.2008
zunächst als "Medizinisches Versorgungszentrum R. GmbH" firmiert, danach als "Medizinisches Versorgungszentrum A. GmbH". Alleingesellschafterin
ist die H. GmbH, deren Name früher "R. GmbH" und danach "A. GmbH" war.
Die GmbH erhielt - zum 1.4.2008 - eine Zulassung gemäß §
124 SGB V als physiotherapeutische krankengymnastische Praxis und - zum 1.7.2008 - eine Zulassung gemäß §
95 SGB V als MVZ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Zulassung (Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008)
erfolgte mit der Auflage, mehr als fünftägige Abwesenheiten der im MVZ tätigen Ärzte durch Urlaub, Fortbildung oder Krankheit
formlos mitzuteilen und die Vertreter zu benennen. Weiterhin war darin als ärztlicher Leiter der (frühere) Beigeladene zu
8. (Dr. Ka. - inzwischen verstorben) benannt, dem in einer Nebenbestimmung des Zulassungsbescheids auch die Verantwortung
für die korrekte Leistungserbringung und -abrechnung der im MVZ tätigen Ärzte zugewiesen war. Zum 18.7.2008 verlegte die Klägerin
ihren Standort an die heutige Anschrift in B..
Der Beigeladene zu 8. war bis zum 31.12.2008 der ärztliche Leiter des MVZ; am 1.1.2009 löste ihn der Beigeladene zu 9. (Dr.
J. Ko.) ab. Zum 1.1.2009 stimmte der Zulassungsausschuss auch weiteren Anstellungen zu, unter anderem der Anstellung der Beigeladenen
zu 7. (Gynäkologin Frau G.) (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 8.12.2008/Bescheid vom 20.2.2008).
Im März 2009 beantragte die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) beim Zulassungsausschuss, der Klägerin wegen
gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen. Die Beigeladene
zu 1. stützte diesen Vorwurf im Wesentlichen auf die folgenden Ungereimtheiten, die sie bei der Überprüfung der Abrechnung
für das Quartal IV/2008 festgestellt hatte:
- 1023 Leistungen seien drei Arztnummern (lebenslange Arztnummer [LANR]) zugeordnet worden, die überhaupt nicht vergeben worden
seien (LANR 3453538 66 - 161 Ansätze; LANR 5345451 45 - 201 Ansätze; LANR 6556563 78 - 661 Ansätze).
- 797 Ansätze seien der LANR der Beigeladenen zu 7. - Gynäkologin G. - und 9 Ansätze der LANR der Dermatologin Dr. R. zugeordnet
worden, obgleich deren Anstellungen erst zum 1.1.2009 (also mit Wirksamkeit erst für die Zeit nach der Leistungserbringung)
genehmigt worden seien.
- 475 Leistungen seien unter der LANR der Allgemeinärztin Dr. Str. in Ansatz gebracht worden, obgleich für sie eine Anstellungsgenehmigung
weder beantragt noch erteilt worden sei.
Hierauf stützten sich auch der Zulassungs- und der beklagte Berufungsausschuss bei ihren Bescheiden über die Zulassungsentziehung
(Beschluss vom 27.4.2009/Bescheid vom 13.5.2009 sowie Beschluss vom 15.7.2009/Bescheid vom 21.8.2009).
Die Klägerin räumte im Klageverfahren - wie auch schon im Verfahren vor dem Zulassungsund Berufungsausschuss - ein, der Sachverhalt
treffe im Wesentlichen zu. Entlastend sei aber zu berücksichtigen, dass sich die Abrechnungsfehler vor allem auf Mängel der
Software gründeten, die keine Schutzmechanismen wie zB Warnhinweise bei Eingaben falscher LANR und bei Überschreiben richtiger
LANR enthalten habe. So habe jeder Mitarbeiter eine bestehende LANR überschreiben können; auch die LANR überweisender Ärzte
seien im System erfasst worden. Die Daten der Beigeladenen zu 7. - Frau G. - und der Frau Dr. R. seien fälschlicherweise schon
vor dem 1.1.2009 in die Software eingepflegt und ihnen seien - von übereifrigem Praxispersonal - Leistungen zugeordnet worden;
als die Anstellungsgenehmigungen entgegen dem Antrag nicht rückwirkend erteilt worden seien, sei versäumt worden, die Leistungen
wieder aus der Abrechnung herauszunehmen. Wie die LANR der - auch gynäkologisch tätigen - Allgemeinärztin Dr. Str. ins System
gelangt sei - sie sei an die Stelle der LANR des bis 31.12.2008 tätigen Orthopäden Dr. H. gesetzt worden -, sei unerklärlich,
weil sie weder zur Anstellung angestanden habe noch Überweiserin gewesen sei. Die Leistungen als solche seien aber erbracht
worden, nämlich von anderen Ärztinnen - Frau Dr. Sto. und Frau Dr. K. -, die noch bis 31.12.2008 im MVZ tätig gewesen seien.
Bei allem sei auch zu berücksichtigen, dass ihr Personal durch die organisatorischen Folgen ihrer Standortverlegung im Juli
2008 und durch die Umstellung des Computersystems im September 2008 auf neue Software überfordert gewesen sei.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.7.2010); das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23.2.2011
- L 7 KA 62/10 - in Juris dokumentiert). Das SG und das LSG haben die Zulassungsentziehung als rechtmäßig angesehen. Das LSG hat die von der KÄV benannten Vorwürfe zugrunde
gelegt und als weiteren festgestellt, dass
- der Beigeladene zu 9. umfänglich Vertretungstätigkeiten ausgeübt habe, ohne dass dies, wie in § 32 Abs 1 Satz 4 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) bestimmt und als Auflage in der Zulassung (Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008) vorgegeben, der KÄV mitgeteilt
worden sei.
SG und LSG haben ausgeführt, Pflichtverletzungen im MVZ, jedenfalls soweit sie das Abrechnungswesen beträfen, seien dem MVZ
(zumindest: auch) selbst anzulasten und nicht etwa nur einzelnen dort tätigen Mitarbeitern. Keine Entlastung ergebe sich daraus,
dass die Abrechnungssoftware möglicherweise keinen ausreichenden Schutz gegen Manipulationen geboten habe; dies relativiere
nicht die gegen das MVZ zu erhebenden Vorwürfe, alle Mitarbeiter hätten auf die Abrechnungssoftware zugreifen und Manipulationen
durch Eingabe von LANR und Überschreiben vornehmen können, und eine Kontrolle bei Abgabe der Abrechnungssammelerklärung sei
nicht gewährleistet gewesen. Insgesamt sei ein erschreckender Mangel an Sensibilität für die bei Abrechnungen nötige Sorgfalt
sowie eine erschreckende Sorglosigkeit im Umgang mit den durch die Kassenzulassung begründeten Pflichten peinlich genauer
Leistungsabrechnung und persönlicher Leistungserbringung festzustellen. Voraussetzung der Entziehung der Zulassung sei nur
das Vorliegen einer gröblichen Pflichtverletzung, nicht auch Wiederholungsgefahr, und es gebe auch keinen Vorrang für zB Disziplinarmaßnahmen
oder den Widerruf von Anstellungsgenehmigungen. Im Urteil des LSG ist zusätzlich ausgeführt, die Bemühungen der Klägerin um
Aufklärung der näheren Umstände der Pflichtverletzungen seien offensichtlich unzureichend gewesen und auch nach zwei Jahren
sei ein ernster Wille zur Behebung der Missstände nicht erkennbar. Die Klägerin sei zu einer ausreichend kritischen Einschätzung
ihrer Pflichtverletzungen nicht gelangt, bagatellisiere diese vielmehr in besorgniserregender Weise, indem sie sie nur dem
kaufmännischen Bereich zuordne und als bloße "Förmeleien" einstufe. Dem Vorwurf gröblicher Pflichtverletzung stehe nicht entgegen,
dass Eingaben falscher LANR im Rahmen der Abrechnungsprüfung durch die Beigeladene zu 1. hätten leicht aufgedeckt werden können.
Großes Gewicht komme der Richtigkeit der Abrechnungssammelerklärung zu, die im vorliegenden Fall gravierende Fehler aufgewiesen
habe. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin zwischenzeitlich nicht unerhebliche Anstrengungen unternommen habe, die erkannten
Missstände zu beseitigen, und dass in den Folgequartalen keine weiteren Unregelmäßigkeiten bei der Leistungsabrechnung aufgetreten
seien, verblieben Zweifel, ob der Eignungsmangel zwischenzeitlich behoben sei. Der Zulassungsentziehung entgegenstehendes
sog Wohlverhalten sei nicht feststellbar. Die Entziehung der Zulassung stelle auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff dar.
Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Bewertung ihres Fehlverhaltens als gröbliche Pflichtverletzung. Sie
räumt das vom LSG festgestellte Fehlverhalten ein: Sie habe zum einen Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR abgerechnet;
zum anderen habe sie Leistungen solchen Ärzten zugeordnet, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr angestellt waren (Frau
Dr. Str.) oder deren Anstellungsgenehmigungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten (Beigeladene zu 7. und
Frau Dr. R.); ferner habe sie Vertretungstätigkeiten - des Beigeladenen zu 9. - entgegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV und entgegen Nr 12 Satz 1 des Bescheids über ihre Zulassung nicht angezeigt. Bei allen diesen Pflichtverstößen sei aber zu berücksichtigen,
dass ihr Personal im Quartal IV/2008 durch die erfolgte Standortverlegung, die Einführung der LANR, die Integration weiterer
Arztpraxen und die Neueinstellung von ca 25 Mitarbeitern erheblich belastet gewesen sei; ihr könne weder Absicht noch strafbares
Verhalten angelastet werden; zudem seien die Pflichtverstöße auf ein einziges Quartal beschränkt. Es sei kein Schaden verblieben,
nachdem 10 000 Euro im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung ausgeglichen worden seien. Die Negativprognose des LSG
sei nicht haltbar. Die Zulassungsentziehung sei, gemessen an Art
12 Abs
1 iVm Art
19 Abs
3 GG, verfassungswidrig und im Übrigen wegen der Existenzvernichtung im Gefolge eines Fehlverhaltens, das nicht bestritten werde,
jedenfalls unverhältnismäßig. Die Zulassungsentziehung führe zur Schließung des MVZ und für zahlreiche Patienten zum Verlust
der Ärzte ihres Vertrauens sowie für alle Mitarbeiter zum Verlust ihrer Arbeitsplätze, wobei viele der betroffenen Ärzte wegen
der Sperren für Neuzulassungen wegen Überversorgung wohl kaum eine (erneute) Kassenzulassung erlangen könnten. Dies sei im
Hinblick auf die Aussagen des BVerfG, die dieses in den von ihr geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemacht habe,
problematisch; hiernach reichten insbesondere generalpräventive Erwägungen für eine Zulassungsentziehung nicht aus.
Die Auslegung des Begriffs gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V müsse den Besonderheiten eines MVZ und dessen zweistufiger Struktur mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten Rechnung tragen:
Die Trägergesellschaft bzw ihre Gesellschafter seien Zulassungsinhaber und Abrechnungsberechtigte; hierher gehöre die Abrechnung,
die Teil der kaufmännischen Praxisführung und damit Angelegenheit der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführung sei. Demgegenüber
obliege die Leistungserbringung im engeren Sinne mit der Behandlung der Patienten den Ärzten, die nur ihre Leistungen tatsächlich,
vollständig und persönlich erbringen und dies an die Geschäftsführung bzw Buchhaltung übermitteln müssten; ihnen seien die
Fehler der Abrechnung nicht anzulasten. Das Fehlverhalten habe vielmehr im kaufmännischen Bereich gelegen, wofür natürlich
die Klägerin die Verantwortung trage, die sich aber vom kaufmännisch verantwortlichen Standortleiter mittlerweile getrennt
habe. Dass den Ärzten kein Fehlverhalten und keine Fehlbehandlungen angelastet werden könnten, müsse bei der Bewertung der
Pflichtverletzungen berücksichtigt werden, ebenso wie der Umstand, dass es um Fehler nur in einem einzigen Quartal und - wie
SG und LSG festgestellt hätten - ohne jeden Ansatz eines kriminellen Verhaltens gehe. Deshalb sei das notwendige Vertrauensverhältnis
zwischen den vertragsarztrechtlichen Institutionen und ihr, der Klägerin, nicht irreparabel und auf Dauer zerstört. Bei der
Frage der Gröblichkeit von Pflichtverletzungen müssten die individuellen Umstände und Verantwortlichkeiten beachtet werden
sowie auch das Maß an subjektiver Vorwerfbarkeit, vergleichbar den Graden von Fahrlässigkeit bis hin zu Vorsatz und strafbarer
Absicht. Der Vorhalt des LSG, es stehe "die Möglichkeit eines vorsätzlichen und damit strafbaren Verhaltens eines oder mehrerer
Mitarbeiter der Klägerin im Raum", sei ein krasser Fehlgriff; denn bisher seien weder sie - die Klägerin - noch ihre Mitarbeiter
strafrechtlich belangt worden; der Vorhalt einer Betrugsabsicht sei abwegig, wie die Art der Fehlabrechnung mit falschen LANR
belege, die vom Prüfsystem der KÄV - wie allgemein bekannt - auf Anhieb erkannt würden.
Ebenso fehlsam und unsubstantiiert sei der Vorhalt des LSG, sie habe sich nicht ernstlich bemüht, die Fehlerquellen und -ursachen
aufzuklären und die Missstände zu beheben; das LSG sage nicht, welche Bemühungen sie über die von ihr unternommenen Maßnahmen
hinaus - Einholung eines Gutachtens eines EDV-Sachverständigen, Software-Änderung durch Softwarehersteller, Austausch des
Standortleiters, Beauftragung einer externen controlling-Firma; Abrechnungsprüfungen durch Geschäftsführer; Schulungen der
Mitarbeiter - noch hätte unternehmen sollen und können. Vor allem sei in die Wertung einzubeziehen, dass sie die entdeckten
Fehler umgehend beseitigt habe. Vor diesem Hintergrund dürften ihr nicht unzulängliche Eigeneinschätzung und Uneinsichtigkeit
sowie Widersprüchlichkeit und Unglaubhaftigkeit vorgeworfen werden. Indiskutabel sei auch der Vorhalt, sie habe ihren ärztlichen
Leiter nur zögerlich von seinen Aufgaben entbunden; denn sie sei aufgrund der vom LSG gestützten sofortigen Vollziehung der
Zulassungsentziehung bis zum Beschluss des BVerfG vom 15.3.2010 handlungsunfähig gewesen und habe dann sogleich - zum 31.3.2010
- die Trennung umgesetzt. Die Gesamtwürdigung hätte im Falle eines Einzelarztes wohl nur zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung
geführt, eine Zerstörung des Vertrauens der vertragsarztrechtlichen Institutionen wäre wohl kaum angenommen worden; bei einem
MVZ könne nichts anderes gelten. Die Qualifizierung als gröbliche Pflichtverletzung sei auch nicht mit dem Schutz der Berufsfreiheit
durch Art
12 Abs
1 GG vereinbar, der eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles und eine strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
erfordere; dabei seien auch die Belange und Grundrechte der im MVZ tätigen Ärzte und Mitarbeiter sowie die Belange der Patienten
zu berücksichtigen.
Die Annahme von Wiederholungsgefahr und Negativprognose scheitere daran, dass die Abrechnungsfehler nur versehentlich - nicht
vorsätzlich - und nur in einem einzigen Quartal erfolgt seien, dass sie nach Entdeckung umgehend abgestellt und dass zahlreiche
grundlegende Veränderungen vorgenommen worden seien. Eine Negativprognose könne schließlich auch nicht darauf gestützt werden,
dass sie sich gegen die Zulassungsentziehung gewehrt habe; das widerspräche dem verfassungsrechtlich in Art
19 Abs
4 GG verbürgten Anspruch auf Rechtsschutz.
Die Zulassungsentziehung sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil zahlreiche mildere Mittel zur Verfügung stünden und ausreichten,
wie zB eine sachlich-rechnerische Richtigstellung, die bereits erfolgt sei und bei umfassender Abwägung zwischen den öffentlichen
Interessen und den Belangen der Klägerin und bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausreiche. Schließlich könne
nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Software trotz ihrer Unvollkommenheiten von der KÄV geprüft und genehmigt worden
sei.
Die Klägerin hat im Revisionsverfahren darauf hingewiesen, dass sie vorsorglich im Hinblick auf das Zulassungsentziehungsverfahren
die Ausschreibung der MVZ-Zulassung beantragt, die Beigeladene zu 1. dies aber abgelehnt und sie - die Klägerin - mit ihren
hiergegen gerichteten Rechtsmitteln noch keinen Erfolg gehabt habe. Sie hat ferner ihre Überlegungen mitgeteilt, das Zulassungsentziehungsverfahren
durch Veräußerung des MVZ und/oder der Trägergesellschaft zur Erledigung zu bringen, hat dies aber bisher - soweit ersichtlich
- nicht weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.2.2011 und des Sozialgerichts Berlin vom 7.7.2010 sowie den
Bescheid des Beklagten vom 21.8.2009 aufzuheben.
Der Beklagte und die zu 1. beigeladene KÄV beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das Urteil des LSG. Der Beklagte hebt hervor, dass es für die Entziehung der Zulassung nicht auf ein Verschulden
ankomme. Maßgebend sei allein das Vorliegen gröblicher Pflichtverletzungen. Für die Frage der Gröblichkeit der Pflichtverletzung
sei nur diese selbst und ihre Eigenart relevant, nicht hingegen die Höhe des daraus resultierenden Schadens und die Größe
des von der Entziehung betroffenen Personenkreises (MVZ-Mitarbeiter und Patienten). Pflichtverletzungen lägen nicht nur aufgrund
der Abrechnungsverstöße durch die Verwendung falscher LANR vor, sondern auch aufgrund der Beschäftigung nicht genehmigter
Ärzte, was dem Schutz der Patienten zuwiderlaufe und deshalb schwer wiege. Das Gewicht aller Verstöße zusammen impliziere
die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Leistungserbringer und vertragsarztrechtlichen Institutionen und begründe
ohne Weiteres die Gröblichkeit der Pflichtverletzungen. Den von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des BVerfG zur
sofortigen Vollziehung komme für die hier vorliegende Problematik nur begrenzte Aussagekraft zu, weil sie nur die Abwägung
der Interessen für und wider die Vollziehung vor Bestandskraft beträfen. Im Übrigen dürfe bei der Beurteilung der Gröblichkeit
einer Pflichtverletzung auch der Gesichtspunkt der Generalprävention einbezogen werden.
Die Beigeladene zu 1. sieht eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten ebenfalls als gegeben an. Mit der Beschäftigung
von nicht über einen Status verfügenden angestellten Ärzten und der Einreichung einer Abrechnung mit falschen LANR habe die
Klägerin gegen Grundpflichten der Teilnahme an der vertragsärztlich-ambulanten Versorgung verstoßen. Die Argumentation der
Klägerin, die Pflichtverletzungen beträfen die Ebene der Geschäftsführung, entlaste sie nicht. Für ein MVZ gälten grundsätzlich
die gleichen Anforderungen wie für niedergelassene Ärzte. Der Vertragsarzt könne sich seiner Verantwortlichkeit für die peinlich
genaue Abrechnung nicht entledigen, wie insbesondere anhand der Pflicht zur Abgabe der sog Abrechnungssammelerklärung deutlich
werde. Entsprechendes gelte für das MVZ; hier treffe die Verantwortung für die korrekte Abrechnung immer auch das MVZ als
Ganzes.
Die Beigeladenen zu 2. bis 12. stellen keine Anträge und äußern sich nicht.
II
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Bescheid, mit dem der Beklagte der Klägerin die Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung entzog, ist rechtmäßig.
1. Der Klagebefugnis und der Aktivlegitimation der Klägerin steht nicht entgegen, dass über ihr Vermögen durch Beschluss des
AG Köln vom 25.1.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, betrifft der Status
der Zulassung eine höchstpersönliche Rechtsposition des Vertragsarztes - bzw hier: des MVZ -, die nicht der Insolvenzmasse
zuzuordnen ist. Der Senat hat ausdrücklich entschieden, dass auch das Recht auf Praxisverlegung - als Ausfluss der Zulassung
- der höchstpersönlichen Rechtssphäre des Vertragsarztes zuzuordnen ist; deshalb darf er - ohne Mitbestimmung des Insolvenzverwalters
- nach eigenem Belieben seinen Praxissitz verlegen (BSG vom 10.5.2000, BSGE 86, 121, 123 iVm 125 f = SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 16 iVm 18 f; hierauf Bezug nehmend auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 10 RdNr 7). Auch das Recht zur Drittanfechtung gegen einen Bescheid, mit dem einem Praxispartner die Zulassung entzogen
oder die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis widerrufen bzw zurückgenommen wird, ist mit dem persönlichen Status der Zulassung
so eng verbunden, dass es nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen ist (BSG vom 16.7.2008 - B 6 KA 79/07 B - RdNr 9 und - B 6 KA 2/08 B - RdNr 11). Ebenso - erst recht - ist das Recht zur Anfechtung einer Zulassungsentziehung dem persönlichen Status zuzuordnen.
Mithin lässt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Klagebefugnis und/oder Aktivlegitimation nicht entfallen.
2. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung ist §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V, wonach diese unter anderem dann zu entziehen ist, "wenn ... der Vertragsarzt ... seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich
verletzt." Dieser Tatbestand gilt gleichermaßen für alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer;
er gilt auch für ein MVZ, wie sich generell aus der Verweisung des §
72 Abs
1 Satz 2
SGB V und speziell aus dem Verhältnis des §
95 Abs
6 zu dessen Abs
1 SGB V ergibt. Die Anwendung des Grundtatbestandes des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V auf ein MVZ wird nicht durch die Regelungen in §
95 Abs
6 Satz 3 und (seit dem 1.1.2012:) Satz 4
SGB V in Frage gestellt. Diese Bestimmungen normieren nur weitere Zulassungsentziehungstatbestände, die zu dem des Satz 1 noch
hinzutreten (Satz 3: "auch dann zu entziehen, wenn"). Die Bewertung, ob eine gröbliche Pflichtverletzung vorliegt, unterliegt
uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung; ein den Zulassungsgremien vorbehaltener Beurteilungsspielraum besteht nicht (vgl
BSGE 60, 76, 77 = SozR 2200 § 368a Nr 15 S 54; BSG MedR 1987, 254, 255 = USK 86179 S 837 f; s auch BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 29).
a) Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht,
dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung des Versicherten und/oder in die
Richtigkeit der Leistungsabrechnung so stark zerstört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden
kann (vgl hierzu zB BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 13; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 37; BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 13). Ein Verschulden des Leistungserbringers hinsichtlich der Vertrauenszerstörung ist nicht Voraussetzung der
Zulassungsentziehung (vgl hierzu BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 aE). Ist eine Vertrauenszerstörung eingetreten, so wird dies grundsätzlich nicht durch eine spätere gewissenhafte
Pflichterfüllung wettgemacht. Eine solche kann grundsätzlich nur die Basis für den Aufbau einer neuen Vertrauensbeziehung
bilden und so - im Wege eines neuen Zulassungsantrags und dessen Stattgabe - zur Wiederzulassung führen.
b) Diese Grundsätze zur Zulassungsentziehung hat der Senat anhand von Pflichtverstößen von Vertragsärzten und Vertragszahnärzten
herausgearbeitet. Sie können auf ein MVZ nur mit gewissen Modifikationen angewandt werden.
Die Regelungen, die die Gründung eines MVZ und seiner Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen, wurden zum
1.1.2004 geschaffen und in das
SGB V eingefügt (GKVModernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190, siehe insbesondere die Neuregelungen in §
95 Abs
1 bis
3, 6, 7 und in §
103 Abs
4a SGB V). Sie sind zum 1.1.2007 novelliert worden (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006, BGBl I 3439). Seitdem sind in
größerer Zahl MVZ gegründet worden. Seit 2011 sind der Status und die Betätigung von MVZ auch Gegenstand revisionsgerichtlicher
Entscheidungen des erkennenden Senats. Das Schrifttum hat sich bereits früher - alsbald nach Schaffung der Regelungen im GKV-Modernisierungsgesetz
- mit den Rechtsfragen befasst, die das MVZ betreffen. Dabei ist auch die Frage behandelt worden, wegen welcher Rechtsverstöße
dem MVZ die Zulassung entzogen werden kann und/oder ob nur Maßnahmen gegen Mitarbeiter des MVZ ergriffen werden dürfen (vgl
dazu zB Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2007, Anhang zu § 18 RdNr 115-118; Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 31 RdNr 9; Zwingel/Preißler, Ärzte-Kooperationen
und Medizinische Versorgungszentren, 2. Aufl 2008, Abschnitt 4.9.2 [S 139]; Konerding, Der Vertragsarztsitz im Medizinischen
Versorgungszentrum, 2009, S 214; Wigge/Boos/Ossege in Wigge/von Leoprechting, Handbuch Medizinische Versorgungszentren, 2011,
Abschnitt 6.9.2 [S 191 f]; Möller/Dahm in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl 2011, § 9 RdNr 165; Orlowski/Schirmer/Halbe,
Medizinische Versorgungszentren in Halbe/Schirmer, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, Kapitel B 1400, Stand März
2011, RdNr 147, 160, 161; Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 8. Aufl 2012, Vorbem zu § 18 RdNr 90 f). Im Schrifttum
wird die Verantwortung für Pflichtverstöße differenzierend dem MVZ als solchem, ggf zu Teilen dem Geschäftsführer, dem ärztlichen
Leiter, einzelnen Ärzten und/oder weiteren Mitarbeitern zugeordnet. Je nach Ebene und Verantwortungsbereich werden im Falle
gröblicher Pflichtverletzungen eine Entziehung der Zulassung des MVZ oder nur der Widerruf von Anstellungsgenehmigungen oder
Disziplinarmaßnahmen für rechtlich zulässig gehalten.
Die unterschiedlichen Rechtsmeinungen beruhen auf der besonderen Struktur des MVZ. Bei ihm fallen der vertragsärztliche Status
und die tatsächliche Durchführung der Behandlungen auseinander; der Status ist dem MVZ zugewiesen, die Behandlungen werden
durch die dort tätigen Ärzte durchgeführt. Mit Rücksicht hierauf ist zu differenzieren: Für die organisatorischen Abläufe,
insbesondere den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung, ist das MVZ selbst verantwortlich, während die
Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten in medizinischer Hinsicht in erster Linie dem einzelnen behandelnden
Arzt obliegt; dieser muss dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen; zusätzlich unterliegt er der Disziplinargewalt der
KÄV (§
95 Abs
3 Satz 2 iVm §
81 Abs
5 SGB V). Status und Behandlungsdurchführung sind indessen nicht in der Weise trennbar, dass das MVZ generell nicht für die Fehler
einzelner dort tätiger Ärzte verantwortlich wäre. So ist ein MVZ nicht vor der Pflicht zur Erstattung solchen Honorars geschützt,
das es für Leistungen erhalten hat, die ein dort tätiger Arzt - entgegen seinen Angaben gegenüber dem MVZ - tatsächlich nicht
erbracht hat. Vielmehr sind die Pflichtenkreise "des" MVZ und derjenigen der dort tätigen Ärzte miteinander verzahnt. Dementsprechend
müssen die Anwendungsbereiche der Entziehung der MVZ-Zulassung und vertragsarztrechtlicher Disziplinarmaßnahmen wie auch berufsrechtlicher
Sanktionen aufeinander abgestimmt werden. Die Möglichkeit einer Zulassungsentziehung gegenüber einem MVZ muss zielgenau bestimmt
werden. Nur wenn klar ist, welche Pflichten spezifisch das MVZ als Träger der Zulassung treffen, lässt sich beurteilen, wann
eine Verletzung dieser Pflichten gröblich ist.
Das MVZ ist gegenüber den Krankenkassen und der KÄV für Auswahl und Einsatz der Ärzte sowie für die Leistungsabrechnung selbst
verantwortlich. Ihm obliegt die Überprüfung, ob für die Ärzte bereits eine Anstellungsgenehmigung vorliegt, die Organisation
der Behandlungen und zB auch die Anzeige notwendiger Vertretungen bei Urlaub, Fortbildung und Krankheit, sowie weiterhin die
Korrektheit der Leistungsabrechnung und die Wirtschaftlichkeit der Behandlungen und Verordnungen sowie auch die Abgabe einer
wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung. Diese Verantwortung ist unteilbar und nicht delegierbar, sodass das MVZ gegenüber
den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht auf ein eventuelles Fehlverhalten der dort tätigen Ärzte verweisen
könnte.
Der im MVZ tätige Arzt reduziert mit der Entscheidung, seine Tätigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung in einem
MVZ auszuüben, seinen Pflichtenkreis im technisch-administrativen Bereich; dem Arzt diese Möglichkeit zu bieten, war eines
der Ziele bei der Schaffung des Rechtsinstituts des MVZ (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 7 RdNr 22; siehe auch BT-Drucks 15/1525 S 108). Er behandelt die Patienten und muss dem MVZ gegenüber deutlich machen,
welche Leistungen er wann bei welchem Patienten erbracht hat. Die Erstellung und Kontrolle der Abrechnung gegenüber der KÄV
ist hingegen Sache des MVZ, was für den dort tätigen Arzt - im Vergleich mit dem in eigener Praxis tätigen Vertragsarzt -
den Vorteil hat, sich mit den administrativen Aufgaben nicht befassen zu müssen. Das hat auf der anderen Seite unvermeidlich
die Konsequenz, dass dies dem MVZ obliegt: Der Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes korrespondiert die volle
Verantwortung des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Mit diesen Zuständigkeiten
ist der zentrale Verantwortungsbereich des MVZ beschrieben; die Verantwortung für die organisatorischen Abläufe und für die
Leistungsabrechnung kennzeichnen den Kern der Aufgaben des MVZ, sie stehen nicht wie beim Vertragsarzt neben der Aufgabe der
Patientenbehandlung. Die korrekte Gestaltung der Leistungserbringung und der Leistungsabrechnung sind die bei weitem wichtigste
Aufgabe des MVZ; unterlaufen ihm dabei Versäumnisse, so betrifft dies den Kern seiner vertragsarztrechtlichen Pflichten und
nicht nur "bürokratische Nebenaufgaben". Daher ist bei der Entscheidung darüber, ob einem MVZ eine gröbliche Pflichtverletzung
zur Last fällt, für die Überlegung, ob ihm auch gesundheitliche Gefährdungen von Patienten anzulasten sind, grundsätzlich
kein Raum.
Das kann zu einer Modifikation der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Zulassungsentziehung in Bezug auf ein MVZ führen,
ohne dass der Senat dies hier umfassend für alle denkbaren Fallgestaltungen festlegen könnte. Naheliegend ist die Annahme,
dass das Fehlverhalten einzelner Ärzte, das bei diesen zur Zulassungsentziehung führen würde (zB Beleidigung von KÄV-Mitarbeitern
[vgl BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 20 ff], sexuelle Übergriffe auf Patienten und/oder Auszubildende [BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 11; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 32/09 B - MedR 2011, 307 = Juris RdNr 11 mwN]; vgl auch LSG Berlin-Brandenburg vom 9.2.2010 - L 7 KA 169/09 B ER -, ZMGR 2010, 96, 97 f [unter 2.c] = Juris RdNr 10 mit weiteren Beispielen), nicht zwangsläufig zur Entziehung der Zulassung
des MVZ führen muss. Wenn dieses nämlich glaubhaft machen kann, solche Verstöße im Pflichtenkreis des Arztes weder gekannt
noch geduldet zu haben, dürfte es in der Regel ausreichen, dass der betroffene Arzt aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit
dem MVZ-Träger entlassen und seine Anstellung nach §
95 Abs
2 Satz 7
SGB V widerrufen wird. Ist dagegen ein personenbezogener Durchgriff nicht möglich, so kommt auch in Betracht, den Pflichtverstoß
der im MVZ tätigen Ärzte auch dem MVZ als solchem zuzurechnen (vgl zu diesem Ansatz bereits Senatsurteil vom 14.12.2011 -
B 6 KA 33/10 R - RdNr 20). Eine Entziehung der MVZ-Zulassung liegt von vornherein nahe, wenn Pflichtverstöße in Rede stehen, die den Pflichtenkreis
des MVZ als solchen betreffen. Dies gilt zB für Fehlverhalten bei dem Einsatz der Ärzte des MVZ wie auch bei fehlerhaften
Abrechnungen. Fehlerhafte Abrechnungen eines MVZ können möglicherweise eher zur Entziehung von dessen Zulassung führen als
bei einem Vertragsarzt, schon weil der KÄV insoweit das Instrument der Disziplinargewalt nicht zur Verfügung steht.
Weder "das MVZ" noch seine Rechtsträger (Personengesellschaft, eingetragene Genossenschaft oder GmbH gemäß §
95 Abs
1a SGB V) sind Mitglieder der KÄV; deshalb kann die KÄV auf deren Verhalten nicht über §
81 Abs
5 SGB V einwirken. Die Entziehung der MVZ-Zulassung ist daher bei solchen Pflichtverletzungen nicht das letzte, sondern das einzige
Mittel, das den Krankenkassen und der KÄV zur Verfügung steht, um ihre Verantwortung für eine korrekte Leistungserbringung
und -abrechnung in einem MVZ effektiv wahrzunehmen. Diese Differenzierung ist mit dem grundrechtlichen Schutz durch Art
12 Abs
1 GG vereinbar. Sowohl das Betreiben eines MVZ wie die ärztliche Tätigkeit dort stehen unter dem Schutz dieses Grundrechts; doch
können sich das MVZ und der einzelne Arzt jeweils nur auf "ihre eigene" berufliche Tätigkeit berufen. Das MVZ kann sich im
Verfahren gegen eine ihm gegenüber erfolgende Zulassungsentziehung gemäß §
95 Abs
6 SGB V nicht auf die Berufsausübungsfreiheit der bei ihm tätigen Ärzte berufen. Hieraus folgt zugleich, dass die einzelnen Ärzte
des MVZ grundsätzlich die Möglichkeit haben müssen, nach der Entziehung der Zulassung ihres MVZ weiterhin im bisherigen Planungsbereich
vertragsärztlich tätig zu sein. Dies könnte nur anders sein, wenn auch ihnen selbst eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last
fiele (vgl BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 82 ff, 90 zur umfassenden Wiederzulassungssperre auf sechs Jahre; - zur Fünf-Jahres-Frist
siehe BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 14 und 15). Die Möglichkeit weiterer vertragsärztlicher Tätigkeit ergibt sich für Vertragsärzte im MVZ schon aus
ihrem fortbestehenden Zulassungsstatus; bei angestellten Ärzten dürften jedenfalls die zum 1.1.2012 neu geschaffenen Optionen
der (Rück-)Umwandlung von Arztanstellungen in Zulassungen (§
95 Abs
2 Satz 8 iVm Abs
9b, §
103 Abs
4a Satz 4
SGB V) eine Fortsetzung der Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung im bisherigen Planungsbereich auch dann ermöglichen,
wenn dort Zulassungsbeschränkungen gelten (vgl dazu Bäune/Dahm/Flasbarth, MedR 2012, 77, 81).
Aufgrund der Differenzierung zwischen dem MVZ einerseits und den einzelnen bei ihm tätigen Ärzten andererseits kann ohne Verfassungsverstoß
im Rahmen von Entscheidungen nach §
95 Abs
6 SGB V über die Entziehung einer MVZ-Zulassung die Schwere des Pflichtverstoßes und Prüfung der Verhältnismäßigkeit allein an dessen
Pflichtenkreis und an dessen Grundrechtsschutz ausgerichtet werden. Dem MVZ werden weder unterschiedslos alle Pflichtverletzungen
der bei ihm tätigen Ärzte einschließlich der fachlich-ärztlichen und höchstpersönlichen (zB Beleidigungen) zugerechnet, noch
kann sich das MVZ auf das Interesse der einzelnen Ärzte an der persönlichen Fortführung der genuin ärztlichen Tätigkeit als
abwägungsrelevanten Belang im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berufen. Maßgeblich ist vielmehr stets eine Gesamtbetrachtung
der Pflichtverletzungen, der Reaktion des MVZ darauf und das damit bewirkte Ausmaß der Störung des Vertrauens.
c) Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist die Entscheidung des LSG, die Klägerin habe ihre Pflichten gröblich verletzt, nicht
zu beanstanden. Das LSG hat festgestellt - und dies hat die Klägerin ausdrücklich als zutreffend anerkannt -, dass sie bei
der Abrechnung ihrer im Quartal IV/2008 erbrachten Leistungen in dreifacher Weise gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten
verstoßen hat:
- Zum einen rechnete sie Leistungen von Ärzten ab, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr angestellt waren (Frau Dr. Str.)
oder deren Anstellungsgenehmigungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten (Beigeladene zu 7. und Frau Dr. R.).
- Zum zweiten rechnete sie Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR ab.
- Schließlich zeigte sie Vertretungstätigkeiten - des Beigeladenen zu 9. - entgegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV und entgegen Nr 12 Satz 1 des Bescheids über ihre Zulassung nicht an.
Diese Pflichtverletzungen sind in ihrem Zusammenhang gröblich, weil sie das Vertrauen der KÄV und der Krankenkassen auf eine
korrekte Organisation der Leistungserbringung und -abrechnung bei der Klägerin so nachhaltig zerstörten, dass diesen eine
Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zuzumuten ist. Für die Frage der Gröblichkeit der Pflichtverletzung
ist maßgeblich, welchen Stellenwert die verletzte Pflicht hat und wie schwer der Verstoß unter Berücksichtigung seiner Eigenart
wiegt (unten aa). Dies führt für die vorliegenden Pflichtverletzungen zur Bewertung als gröblich; dies gilt ungeachtet der
Konzentration auf ein Quartal (unten bb). Die Zulassungsentziehung erfordert kein Verschulden (unten 3.). Ein sog Wohlverhalten
liegt nicht vor (unten 4.). Eine Negativprognose oder eine umfassende Einbeziehung nachteiliger Folgen der Zulassungsentziehung
ist nicht erforderlich (unten 5.). Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt (unten 6.), und Art
3 Abs
1 GG ist nicht verletzt (unten 7.).
aa) Grundlegend für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung sind insbesondere
- die Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken,
- die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und
- die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung.
Allen diesen Pflichten kommt großes Gewicht zu.
Die Pflicht zur stets korrekten Leistungsabrechnung hat nicht nur bei einem MVZ die oben beschriebene große Bedeutung, weil
sie bei ihm eine zentrale Aufgabe darstellt. Sie hat vielmehr auch sonst allgemein, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung
hervorhebt, hohen Stellenwert; denn das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung baut auf Vertrauen
auf. Der Honorierung werden die Angaben der Leistungserbringer über die von ihnen erbrachten Leistungen zugrunde gelegt; eine
Überprüfung erfolgt nur bei Auffälligkeit oder stichprobenweise (vgl hierzu §
106a Abs
2 und §
106 Abs
2 Satz 1 Nr
2 iVm Satz 2 ff
SGB V). Da also bei der Honorierung die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt werden, muss
auf deren Richtigkeit vertraut werden können: Dies ist ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung (sog Pflicht
zur peinlich genauen Leistungsabrechnung, vgl dazu ausführlich zB BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; darauf Bezug nehmend zB BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10).
Der Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken, kommt ebenfalls
großes Gewicht zu. Im vertragsärztlichen System muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, welcher Arzt Versicherte der gesetzlichen
Krankenkassen zu deren Lasten behandeln und Leistungen verordnen darf und ob insoweit ein Anspruch des Arztes besteht, wegen
der von ihm erbrachten Leistungen an der Verteilung des Honorars durch die KÄV beteiligt zu werden (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 mwN und RdNr 15; BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 iVm 22; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 57; BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 13/11 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 9 RdNr 17 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Zu jedem Zeitpunkt muss ohne verwaltungsmäßigen Aufwand feststehen, ob jemand im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
bestimmte Leistungen erbringen darf (vgl vorgenannte BSG-Angaben). Nur dann kann sich der jeweils behandelte Versicherte darauf verlassen, dass sein Arzt in das vertragsärztliche
System eingebunden ist, dass keine Vergütung unmittelbar dem Arzt gegenüber zu zahlen ist und dass die spezifische Fachkunde
des Arztes (vgl §
135 Abs
2 Satz 1
SGB V) festgestellt ist. Erhebliche Bedeutung hat ferner die Pflicht des zur Leistungserbringung Berechtigten, seine Leistungen
persönlich zu erbringen, soweit nicht ein Ausnahmefall delegierbarer Leistungen vorliegt. Diese Pflicht dient der Sicherung
der hohen Qualität der vertragsärztlichen Versorgung. Diese kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen
persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Zulassung bzw Ermächtigung oder Anstellung von Leistungserbringern
als befähigt angesehen worden ist, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten (zur persönlichen Leistungserbringung vgl
zB BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 27 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 2 RdNr 29; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 30 und Nr 24 RdNr 19).
Verstöße gegen diese Verpflichtungen sind in der Rechtsprechung des Senats bisher regelmäßig wegen ihrer vertrauenszerstörenden
Tendenz als gröblich gewertet worden. Das betrifft wiederholt unkorrekte Abrechnungen, aber auch die Beschäftigung von Assistenten
oder Vertretern ohne Genehmigung (BSG-Nachweise und weitere Beispiele bei Schallen, aaO, § 27 RdNr 28 ff; Krauskopf/Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 29 RdNr 137, sowie bei Plagemann, Münchener
AnwaltsHandbuch Sozialrecht, 3. Aufl 2009, § 20 RdNr 81; Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, aaO, § 27 RdNr 12 ff). Wegen der
Ausrichtung der Gröblichkeit der Pflichtverletzung an einer Gesamtbewertung können auch einmalige Rechtsverstöße oder Pflichtverletzungen
in nur einem Quartal für eine Entziehung ausreichen, wenn sie den Eindruck bestätigen, der betroffene Leistungserbringer begegne
den Anforderungen der vertragsärztlichen Versorgung nicht mit der gebotenen Sensibilität und Aufmerksamkeit.
bb) Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die vom SG und vom LSG gezogene Schlussfolgerung, es lägen gröbliche Pflichtverletzungen vor, die eine Entziehung der Zulassung rechtfertigen,
nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist, dass der Klägerin die oben in RdNr 32 ff aufgeführte Vielzahl von Verstößen gegen verschiedene
grundlegende Pflichten anzulasten ist.
(1) Gravierende Pflichtverletzungen ergeben sich schon aus dem oben angeführten ersten Sachverhalt der Abrechnung von Leistungen
von Ärzten, die entweder zu keinem Zeitpunkt bei ihr - der Klägerin - angestellt waren oder deren Anstellungsgenehmigungen
erst zu einem späteren Zeitpunkt Wirkung entfalteten.
Zu diesem Sachverhalt hat die Klägerin ausgeführt: Die Daten der Beigeladenen zu 7. - Frau G. - und der Frau Dr. R. seien
fälschlicherweise schon vor dem 1.1.2009 in die Software eingepflegt und diesen Ärztinnen seien - von übereifrigem Praxispersonal
- Leistungen zugeordnet worden; als die Anstellungsgenehmigungen entgegen dem Antrag nicht rückwirkend erteilt worden seien,
sei versäumt worden, die Leistungen wieder aus der Abrechnung herauszunehmen. Unerklärlich sei, wie auch die LANR der - auch
gynäkologisch tätigen - Allgemeinärztin Dr. Str. ins System gelangt sei, die weder zur Anstellung angestanden habe noch Überweiserin
gewesen sei. Dazu führt die Klägerin weiter aus, die Leistungen als solche seien aber erbracht worden, nämlich von anderen
Ärztinnen - Frau Dr. Sto. und Frau Dr. K. -, die noch bis 31.12.2008 im MVZ tätig gewesen seien.
Mit dieser Darstellung hat die Klägerin unterstrichen, dass sie dem Erfordernis, dass vertragsärztliche Leistungen nur von
Personen erbracht werden dürfen, die vor Tätigkeitsbeginn einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien erlangt
haben, keine ausreichende Aufmerksamkeit schenkte. Aus dem Sachverhalt in Verbindung mit ihren Ausführungen ergibt sich weiterhin,
dass sie davon ausging, sie könne die bei einem gesetzlich Versicherten nötigen Leistungen von irgendeinem Arzt erbringen
lassen und müsse sie lediglich bei der Abrechnung dann einem (anderen) Arzt, dessen Leistungen abzurechnen sie befugt war,
zuordnen. In diesem Verhalten liegt eine mehrfache Pflichtverletzung. Sie verstieß erstens gegen die Pflicht, vor Tätigkeitsbeginn
einen statusbegründenden Verwaltungsakt der Zulassungsgremien zu erwirken, zweitens gegen die Pflicht der persönlichen Leistungserbringung
durch den zur Leistung Berechtigten und schließlich durch die Zuordnung der Leistungen zu einem anderen Arzt bei der Abrechnung
auch gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung.
(2) Hinzu kam noch, dass sie zusätzlich mehr als 1000 Leistungen unter bundesweit nicht vergebenen LANR abrechnete. Damit
wies ihre Leistungsabrechnung Arztnummern aus, die keinerlei Bezug zu den tatsächlichen Leistungserbringern erkennen lassen.
Während bei bloßen Schreibfehlern noch das Ziel erkennbar ist, den tatsächlichen Leistungserbringer anzugeben, und deshalb
in einem solchen Fall die Entziehung der Zulassung nicht gerechtfertigt wäre, gab die Klägerin eine irgendwie gegriffene Arztnummer
an, die entweder fiktiv oder einem anderen Arzt als dem Leistungserbringer zugeordnet war: Hier fehlt insgesamt die Zielrichtung
genauer Leistungsabrechnung; darin liegt grundsätzlich ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen
Leistungsabrechnung. Das vermittelt den Eindruck, die Klägerin sehe die Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung lediglich
als bürokratische Hemmnisse, denen sie kein Gewicht oder jedenfalls kein ausreichendes Gewicht beimisst.
(3) Schließlich ließ die Klägerin den Beigeladenen zu 9. als Vertreter für den wiederholt erkrankten bzw beurlaubten Dr. H.
tätig werden, ohne dass sie dies der KÄV anzeigte. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV, wonach Vertretungen, die länger als eine Woche dauern, der KÄV anzuzeigen sind. Damit missachtete sie zugleich die ihr im
Bescheid über ihre Zulassung erteilte Auflage, Fälle von Urlaub, Fortbildung oder Krankheit ab einer Abwesenheit von mehr
als fünf Tagen bzw bei regelmäßig wiederkehrender Abwesenheit an einzelnen Tagen dem Arztregister formlos mitzuteilen sowie
die Vertreter zu benennen (so Nr 12 Satz 1 des Zulassungsbescheides: Beschluss vom 5.3.2008/Bescheid vom 24.4.2008).
(4) Von diesen drei Sachverhaltskomplexen waren jedenfalls die beiden erstgenannten, die jeweils Verstöße gegen grundlegende
Pflichten betrafen, schon jeder für sich schwerwiegend und begründeten jeweils eine gröbliche Pflichtverletzung: Beide zeigten
- wie vom SG ausdrücklich ausgeführt und vom LSG in seinem Urteil (Juris RdNr 45, 47) in Bezug genommen - eine "erschreckende Sorglosigkeit"
im Umgang mit den durch die Kassenzulassung begründeten Pflichten und einen "erschreckenden Mangel an Sensibilität" für die
bei Abrechnungen nötige Sorgfalt. Diese Wertung der Vorinstanzen ist schlüssig und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Mithin lagen sowohl aufgrund der Schwere der Pflichtverstöße als auch zusätzlich aufgrund der Art und Weise der Verletzungshandlungen
gröbliche Pflichtverletzungen im Sinne des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V vor.
Erst recht kann bei kumulativer Betrachtung aller Pflichtverstöße die Wertung als gröblich nicht beanstandet werden. Das von
der Klägerin eingeräumte Fehlverhalten betrifft grundlegende vertragsärztliche Pflichten und zeigt, wie bereits aus den vorinstanzlichen
Formulierungen zitiert, eine "erschreckende Sorglosigkeit" und einen "erschreckenden Mangel an Sensibilität" für die mit der
Kassenzulassung begründeten Pflichten. Dies trägt die Wertung als gröblich.
(5) Die Bewertung der Pflichtverletzungen als gröblich ist ungeachtet der Konzentration der von der Klägerin zu verantwortenden
Fehler auf ein Quartal unbedenklich. Die Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen der Klägerin zwingt zur Folgerung der Verantwortungslosigkeit
beim Umgang mit den vertragsärztlichen Pflichten. Wie ausgeführt (zuvor [4]), handelte es sich nicht lediglich um eine einmalige
Pflichtverletzung, sondern um eine Vielzahl von Verstößen gegen verschiedene grundlegende Pflichten und dies in einer schwerwiegenden
Art, sodass die Bewertung als gröblich, ungeachtet der Konzentration auf ein Quartal, nicht zu beanstanden ist. Aufgrund des
erheblichen Gewichts der Pflichtverstöße ergab sich die Folgerung, dass das Vertrauen der vertragsarztrechtlichen Institutionen
in die ordnungsgemäße Wahrnehmung und Durchführung der vertragsarztrechtlichen Aufgaben so stark zerstört wurde, dass ihnen
eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden konnte.
Die Klägerin hätte den Geschehensablauf der Zerstörung des Vertrauens der kassenarztrechtlichen Institutionen allenfalls dadurch
aufhalten können, dass sie binnen kürzester Frist die Fehlerursache feststellt und das pflichtwidrige Fehlverhalten abstellt
sowie die Fehlerursache und -behebung von sich aus den für die Versorgung verantwortlichen Körperschaften offenlegt. Nur unter
dieser Voraussetzung könnte erwogen werden, dass trotz der schwerwiegenden Pflichtverletzungen keine Zerstörung des Vertrauens
dieser Körperschaften auf die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen des MVZ eingetreten ist.
So handelte die Klägerin jedoch nicht. Die Klägerin hat von sich aus der zu 1. beigeladenen KÄV weder bei der Abrechnung einen
Hinweis auf mögliche Fehler gegeben noch alsbald danach die Fehlerursachen benannt, um so die Zerstörung des Vertrauens aufzuhalten.
Sie hätte schon bei Einreichung der Abrechnung der Leistungen aus dem Quartal IV/2008 deren Richtigkeit überprüfen und erkennen
müssen, wie es bei Abgabe einer sog Abrechnungssammelerklärung gefordert wird (vgl hierzu BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1; siehe auch BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 28; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 17). Ihr ist es nach ihren eigenen Angaben auch anschließend nicht gelungen, die Fehlerursache
festzustellen und offenzulegen, etwa durch Benennung der Personen, die für die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung verantwortlich
waren.
3. Über die Bewertung einer Pflichtverletzung als gröblich hinaus setzt die Zulassungsentziehung nicht zusätzlich voraus,
dass der Pflichtenverstoß verschuldet war. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl zB BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10, und die weitere oben in RdNr 23 angegebene Rspr).
Die Rechtsprechung, dass das Vorliegen eines Verschuldens nicht relevant ist, gründet sich zunächst darauf, dass der Tatbestand
des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V keinen Ansatzpunkt für ein Verschuldenserfordernis bietet. Ein solches Erfordernis wäre auch nicht kompatibel mit dem Ziel
der Regelungen des
SGB V, die auf eine funktionsfähige vertragsärztliche Versorgung ausgerichtet sind: Ist zB ein Leistungserbringer rauschgiftsüchtig
geworden (vgl § 21 Ärzte-ZV), so ist er unabhängig davon, ob ihm dies als verschuldet zugerechnet werden kann oder ob etwa eine Krankheit oder eine medikamentöse
Behandlung die Ursache waren, ungeeignet für die Teilnahme an der Versorgung und muss im Interesse von deren Funktionsfähigkeit
von der Teilnahme ausgeschlossen werden können.
In vergleichbarer Weise wird die Zulassungsentziehung nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin sich - wie sie geltend
macht - infolge der im Juli 2008 erfolgten Verlegung ihres Standortes noch in Organisationsschwierigkeiten befunden habe.
Ein Grund, Pflichtverletzungen aufgrund eines Umzugs milder zu bewerten, besteht nicht. Die Klägerin muss jederzeit - auch
während eines Umzugs - die ihr obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen. Zudem ist kein Zusammenhang zwischen dem Umzug
und den von ihr begangenen Pflichtverletzungen ersichtlich: Ein Umzug mag dazu führen, dass etwa Unterlagen kurzfristig nicht
greifbar sind und Anfragen von Kostenträgern verspätet beantwortet werden. Für den Einsatz von Ärzten ohne Anstellungsgenehmigung
und die Verwendung falscher Arztnummern kann ein Umzug dagegen keine Rechtfertigung oder Entschuldigung sein. Die Art und
die Vielzahl der Verstöße gegen verschiedene grundlegende Pflichten lassen vielmehr auf schwerwiegende Organisationsdefizite
der Klägerin schließen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin auf Defizite der EDV verweist. Dass eine andere als die verwendete
Software die Auswirkungen der fehlerhaften Eingaben von Daten möglicherweise begrenzt hätte, kann die Klägerin nicht entlasten.
Kein Bürger kann sich für fehlerhafte Eingaben in der elektronischen Einkommensteuererklärung mit dem Hinweis entlasten, das
"System" habe ihn nicht gewarnt. Für die Dateneingabe ist nicht die Software, sondern der Eingebende verantwortlich; eine
Bewertung der Eingabefehler als verzeihlich scheidet im Hinblick auf die Vielzahl der Abrechnungsfehler aus. Im Übrigen obliegt
es dem Abrechnenden, schon bei der Auswahl der Software dafür Sorge zu tragen, dass diese den Anforderungen entspricht.
4. Die Rechtsprechung des Senats, wonach die Möglichkeit besteht, durch Wohlverhalten im laufenden Zulassungsentziehungsprozess
noch die Aufhebung des Bescheids über die Zulassungsentziehung zu erreichen, kann im Fall der Klägerin nicht zur Anwendung
kommen.
Der Senat hat die Rechtsprechung zum sog Wohlverhalten zuletzt in seinem Urteil vom 19.7.2006 ausführlich dargestellt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 16 ff; vgl dazu auch BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19). Danach ist bei einer Zulassungsentziehung - jedenfalls im Fall noch nicht sofort vollzogener Entziehung -
zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses zu Gunsten des Leistungserbringers in einer Weise geändert hat, dass
eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheint. Das stimmt nicht in vollem Umfang mit der Rechtsprechung von BVerwG und
BGH in den von ihnen entschiedenen Fällen überein; diese betrafen zB die Zurruhesetzung eines Beamten, den Widerruf bzw die
Rücknahme der Zulassung eines Rechtsanwalts, den Widerruf einer zahnärztlichen Approbation oder den Widerruf der Berufserlaubnis
eines Logopäden. Diese Gerichte stellen bei ihren Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts jeweils auf
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ab, sodass der Betroffene für die Geltendmachung
erst späterer Verbesserungen der Sachlage darauf verwiesen wird, mit diesen Gesichtspunkten eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis,
ein erneutes Verfahren auf Erteilung der Berufserlaubnis oder ein erneutes Approbationsverfahren zu betreiben - womit der
Grundsatz gewahrt bleibt, dass bei Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist und bleibt - (vgl hierzu zB BVerwGE 105, 267, 269 f; BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11; vgl ferner BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 5; weitere Angaben in BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 14 und 15; - diese Rechtsprechung nicht beanstandend BVerfG [Kammer] BVerfGK 6, 156, 161 =
NJW 2005, 3057, 3058 [unter B.II. 2. b aa] = Juris RdNr 18-20). Demgegenüber berücksichtigt der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung
zu Zulassungsentziehungen gemäß §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V - jedenfalls soweit sie bisher nicht sofort vollzogen worden waren - für den Betroffenen günstige Veränderungen auch noch
im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung: Bei Zulassungsentziehungen ist - abweichend vom Grundsatz der maßgeblichen
Sachlage im Zeitpunkt nach der letzten Verwaltungsentscheidung - zu überprüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses
durch ein Wohlverhalten des Leistungserbringers in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine
erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsarztrechtlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist
(zu dieser Ausnahme vom sonst maßgeblichen Zeitpunkt vgl zB BSGE 73, 234, 236 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 11 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 13, 15 f).
Ob bzw inwieweit diese Rechtsprechung einer Ausnahme vom Grundsatz der maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
fortzuführen ist oder ob sie zu Gunsten der Grundsätze des BVerwG und des BGH aufzugeben ist - mit der Folge, dass der Betroffene
für die Berufung auf sein Wohlverhalten seit der letzten Verwaltungsentscheidung darauf verwiesen wird, erneut die Kassenzulassung
zu beantragen -, bedarf im vorliegenden Fall weder näherer Erörterung noch einer Entscheidung. Dies kann hier deshalb unentschieden
bleiben, weil im vorliegenden Fall die inhaltlichen Voraussetzungen für ein Wohlverhalten ohnehin nicht erfüllt sind. Dieses
setzt nach der Rechtsprechung des Senats eine zweifelsfreie nachhaltige Verhaltensänderung während eines Zeitraums von mehreren
Jahren sowie eine zweifelsfreie Prognose künftig rechtmäßigen Verhaltens voraus (vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 19 mwN zum Erfordernis zweifelsfreier Prognose; ebenso BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 20/07 B - Juris RdNr 13; hier in RdNr 13 auch zur Frist: "im Regelfall nach ca fünf Jahren"; ebenso - betr Wiederzulassung - BSG MedR 1987, 254, 255 = USK 86179 S 838: "Bewährungszeit von fünf Jahren"; in Bezug genommen in BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 14; vgl hier auch RdNr 15 zum Fünf-Jahres-Zeitraum). Für ein Wohlverhalten in diesem Sinne reicht die Zeit von
weniger als zwei Jahren, die seit der letzten Verwaltungsentscheidung vom 15.7.2009 bis zur Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz
am 23.2.2011 verstrichen ist, nicht aus (zur Bemessung nur bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts siehe BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15 am Ende).
5. Eine Zulassungsentziehung erfordert - anders, als die Klägerin geltend macht - keine Negativprognose für das künftige Verhalten
des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr. Für ein solches Erfordernis gibt es keinen Ansatzpunkt,
weder in §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V noch in der Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG.
Der Tatbestand des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V ist nicht auf die Steuerung künf t igen Verhaltens ausgerichtet. Zwar mag eine Wirkung auf das künftige Verhalten des Betroffenen
und auch auf dasjenige der anderen Leistungserbringer (Generalprävention) ein erwünschter Nebeneffekt einer Zulassungsentziehung
sein; hierauf ist die Norm aber nicht ausgerichtet. Sie regelt vielmehr nach ihrem Wortlaut eine nachträgliche Reaktion auf
ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten. Das BSG hat diese Zielrichtung in Abgrenzung zu Disziplinarmaßnahmen herausgestellt (vgl BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36 f mwN). Mithin sind allein Ausmaß und Schwere der Pflichtverletzungen der Maßstab dafür,
ob den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung eine Fortsetzung der Zusammenarbeit zuzumuten ist.
Auch aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des BVerfG lässt sich nichts Abweichendes herleiten. Der Beschluss
vom 31.8.2005 (BVerfG [Kammer] BVerfGK 6, 156 = NJW 2005, 3057) hat zwar einen Beschluss des BGH über eine Amtsenthebung gegenüber einem Notar wegen Verletzung des Art
12 Abs
1 GG aufgehoben, dies aber nicht deshalb, weil es an einer Negativprognose gefehlt habe, sondern deshalb, weil die den Notar entlastenden,
noch bis zur letzten Verwaltungsentscheidung eingetretenen Änderungen der Sachlage nicht ausreichend berücksichtigt worden
waren (BVerfGK aaO S 161 ff bzw NJW aaO S 3058 [unter B. II. 2. b bb = Juris RdNr 21 ff). Die Notwendigkeit einer Negativprognose
ergibt sich auch nicht aus den weiteren Beschlüssen vom 15.3.2010 und vom 8.11.2010, die auf Anrufung der Klägerin hin ergangen
sind (BVerfG [Kammer] - jeweils zum Az 1 BvR 722/10 - SozR 4-2500 § 95 Nr 19 = ZMGR 2010, 100 = GesR 2010, 326, und NZS 2011, 619 = ZMGR 2011, 27, zunächst einstweilige Anordnung auf Aussetzung sofortiger Vollziehung und danach Verfassungsbeschwerde gegen
Anordnung sofortiger Vollziehung):
In diesen Beschlüssen hat das BVerfG jeweils eine Interessenabwägung und in deren Rahmen auch eine Folgenabschätzung vorgenommen,
wie es seiner ständigen Rechtsprechung in Fällen entspricht, in denen eine einstweilige Regelung zu treffen (§ 32 Abs 1 BVerfGG) oder über eine von den Fachgerichten getroffene einstweilige Regelung zu entscheiden ist (§
80 Abs
5 ff, §
123 Abs
1 VwGO bzw §
86b Abs
1 und
2 SGG). Eine solche Folgenabschätzung erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG jeweils auch die Prüfung der Gefahr künftiger
(erneuter) Rechtsverletzungen. Dies betrifft aber nur Fälle, in denen das BVerfG entweder über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
gemäß § 32 Abs 1 BVerfGG oder über eine fachgerichtliche Ablehnung der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (§
80 Abs
5 ff, §
123 Abs
1 VwGO bzw §
86b Abs
1 und
2 SGG) zu entscheiden hat. Eine dem vergleichbare Konstellation, die die Anwendung entsprechender Entscheidungsgrundsätze im anhängigen
Revisionsverfahren erfordern könnte, liegt hier nicht vor. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 28.8.2007 (BVerfGK 12, 72) deutlich
gemacht, dass aus dem Erfordernis einer besonderen Gefahrenprognose im Rahmen von Anordnungen der sofortigen Vollziehung nicht
gefolgert werden kann, aufgrund des Art
12 Abs
1 GG sei generell eine Negativprognose zu fordern (aaO S 80).
Dies ist im vorliegenden Verfahren zu beachten. Hier ist allein über die Rechtmäßigkeit einer Reaktion auf vergangenes Verhalten
gemäß §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V zu entscheiden. Zu diesem Tatbestand passt das Erfordernis einer Negativprognose oder Wiederholungsgefahr nicht. Vielmehr
wird wie zB auch beim Widerruf der (zahn)ärztlichen Approbation oder der Berufserlaubnis eines Logopäden wegen Pflichtverletzungen
und darauf gegründeter Unwürdigkeit keine (Gefahren-)Prognose für die Zukunft vorgenommen, sondern allein an das Fehlverhalten
in der Vergangenheit angeknüpft; hierbei sind allerdings die verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Art
12 Abs
1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzulegen, sodass zu prüfen ist, ob die Sanktion eine noch angemessene, nicht unverhältnismäßige
Reaktion auf die begangenen Pflichtwidrigkeiten darstellt (ebenso zB BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 4; modifizierend BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11, 18-20 betr Merkmal der Unzuverlässigkeit; ebenso BVerwG vom 25.2.2008 - 3 B 85/07 - Juris RdNr 16). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist mit zu berücksichtigen, dass die Entziehung nicht einen lebenslangen
Ausschluss bedeuten muss, weil bei erneutem Vorliegen aller Voraussetzungen eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis,
eine erneute Berufserlaubnis oder eine erneute Approbation bzw Zulassung mit Aussicht auf Erfolg beantragt werden kann (vgl
hierzu BVerwGE 105, 267, 269 f zum Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit; BVerwGE 137, 1 = NJW 2010, 2901, RdNr 11 iVm 21 zum Widerruf der Berufserlaubnis für Logopäden; BVerwG NJW 2011, 1830 = GesR 2011, 244, RdNr 5 zum Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit; - zu den Maßstäben für Wiederzulassungen vgl BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 14 ff; zur Verfassungsmäßigkeit von Wiederzulassungssperren siehe ferner BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 70 ff).
6. Die Verhältnismäßigkeit unterliegt auch nicht unter anderen Gesichtspunkten durchgreifenden Bedenken. Die Kriterien Geeignetheit,
Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind eingehalten.
Die Erforderlichkeit kann nicht unter dem Gesichtspunkt eines weniger belastenden Mittels in Frage gestellt werden. Ein das
MVZ weniger belastendes Mittel als die Zulassungsentziehung stellt das Gesetz im Falle von dessen Pflichtverletzungen nicht
zur Verfügung (vgl oben RdNr 29 mit Hinweis auf das Fehlen disziplinarischer Möglichkeiten). Die Verweisung darauf, es könnten
aber uU Maßnahmen gegen die Mitarbeiter des MVZ ergriffen werden, verkennt, dass die vorliegenden Pflichtverletzungen den
Pflichtenkreis speziell des MVZ betreffen (RdNr 24 ff); ohnehin sind individuell-verantwortliche Mitarbeiter gerade nicht
von der Klägerin benannt worden (RdNr 48 f).
Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dh die Angemessenheit bei Abwägung des von der Klägerin gesetzten Eingriffsanlasses
im Verhältnis zur Eingriffstiefe, ist gewahrt. Wie bereits ausgeführt, verletzte die Klägerin nicht etwa nur Nebenpflichten,
sondern die in Rede stehenden Pflichtverstöße betrafen zentrale Pflichten des MVZ (vgl oben RdNr 28 f), und angesichts des
dargestellten schwerwiegenden Charakters der Pflichtverletzungen (vgl insbesondere oben RdNr 45 f) ist die Zulassungsentziehung
sachangemessen.
Die Verhältnismäßigkeit gilt auch bei Würdigung des Umstandes, dass die Klägerin nach Entziehung der Zulassung ihren Gesellschaftszweck
nicht weiterverfolgen kann, weil dieser nur auf den Betrieb des konkreten MVZ gerichtet ist. Dies macht die Entziehung nicht
im engeren Sinne unverhältnismäßig. Abgesehen davon, dass die Klägerin sich ohnehin im Stadium der Insolvenz befindet, passt
der von der Klägerin angeführte Aspekt der schweren Folgen eines dauerhaften Ausschlusses von jeder beruflichen Tätigkeit
hier nicht. Einer GmbH steht das Grundrecht aus Art
12 Abs
1 GG zu, weil sie den rechtlichen Rahmen für die berufliche Tätigkeit der hinter ihr stehenden Personen stellt. Die GmbH selbst
kann - wenn die Insolvenz als Ergebnis des laufenden Insolvenzverfahrens doch noch abzuwenden sein sollte - später eventuell
erneut ihre Zulassung beantragen, wenn sie glaubhaft macht, ausreichende Vorkehrungen gegen künftige Pflichtverstöße getroffen
zu haben, allerdings nur nach Maßgabe der Maßstäbe für Wiederzulassungen (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 21 Nr 1 RdNr 14 ff; zur Verfassungsmäßigkeit von Wiederzulassungssperren siehe ferner BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 70 ff).
Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kann auch nicht im Hinblick auf die Rechtspositionen der im Gefolge der Entziehung
der MVZ-Zulassung betroffenen Ärzte in Zweifel gezogen werden. Die im Rahmen des MVZ ihre Berufstätigkeit ausübenden Personen
können, wie oben ausgeführt, ihre gewünschten Tätigkeiten auch nach der Liquidation der klagenden GmbH fortsetzen (zu den
Ärzten vgl oben RdNr
30); ihre Rechtspositionen aus Art
12 Abs
1 GG sind nicht in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung gegenüber dem MVZ einzubeziehen (vgl oben RdNr
30, 31).
Schließlich führen auch die Auswirkungen, die eine Zulassungsentziehung für die vom MVZ betreuten Patienten und für die weiteren
dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Entziehung. Derartige Auswirkungen
sind zwingend mit jedem Ausscheiden eines Vertragsarztes aus der Versorgung oder auch mit dem Widerruf der Zulassung von Rechtsanwälten
und mit der Schließung von Krankenhäusern zB wegen Fehlens der Zuverlässigkeit des Betreibers verbunden. Alle Vorschriften
über die Entziehung oder den Widerruf einer Berufszulassung bzw -erlaubnis werden ungeachtet der Mitbelastung weiterer Betroffener
von der Erwägung getragen, dass auf Dauer die Mitwirkung von Personen oder Institutionen, die keine Gewähr für eine korrekte
Erfüllung der Berufspflichten bieten, nicht hingenommen werden kann. In diesem Sinne können auch bei Zulassungsentziehungen
im Vertragsarztrecht - anders als bei Entscheidungen im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl oben RdNr 56 ff) - die
Schwierigkeiten der Patienten bei der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei
der Suche nach neuen Stellen keine Rolle spielen.
7. Schließlich ist auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art
3 Abs
1 GG ersichtlich. Für das Vorbringen der Klägerin, bei gleichartigen Pflichtverletzungen, wie sie ihr angelastet werden, würde
im Falle von Krankenhäusern oder Vertragsärzten keine gröbliche Pflichtverletzung mit der Folge einer Zulassungsentziehung
angenommen, hat die Klägerin schon keine konkreten Belege beigebracht.
Für Krankenhäuser fehlt es auch an der erforderlichen Vergleichbarkeit, weil für sie andere Rechtsvorschriften gelten. Vertragsärzte
unterliegen zwar derselben Sanktionsregelung des §
95 Abs
6 Satz 1
SGB V; auch hier fehlt es aber an der Vergleichbarkeit, weil ihr Pflichtenkreis anders zugeschnitten ist; so stellt bei ihnen das
Abrechnungswesen nur eine Nebentätigkeit dar, und Pflichtverstöße in diesem Bereich können deshalb bei ihnen uU geringer gewichtet
werden (vgl oben RdNr 25 ff, 29).
Im Übrigen wäre aber bei derart gravierenden Pflichtverletzungen, wie sie hier der Klägerin anzulasten sind, auch im Falle
einzelner Vertragsärzte eine gröbliche Pflichtverletzung anzunehmen. Sollte es dennoch einen Fall geben - den die Klägerin
freilich nicht konkret benennt -, in dem eine solche Pflichtverletzung bei einem Vertragsarzt nicht als gröblich bewertet
wurde, so könnte sich die Klägerin hierauf nicht mit Erfolg unter Anführung von Art
3 Abs
1 GG berufen. Denn wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art
20 Abs
3 GG) besteht kein Anspruch darauf, dass bei gleicher Sachlage künftig wieder in gleicher Weise falsch entschieden werden müsste.
Einen "Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" kennt die Rechtsordnung nicht (stRspr des BVerfG und des BSG, vgl BSG SozR 4-2500 § 119 Nr 1 RdNr 33 mwN).
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO), einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1., die sich am Verfahren beteiligt und auch einen Antrag gestellt hat (§
162 Abs
3 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie haben keine Anträge gestellt (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).