Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
Keine Abrechnung elektrokardiographischer Untersuchungen neben der Notfallpauschale
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gebührenordnungsposition (GOP) 27320 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen [EBM-Ä] (Elektrokardiographische Untersuchung) im Quartal
3/2013 in demselben Behandlungsfall neben der GOP 01210 EBM-Ä (Notfallpauschale im organisierten Not(-fall)dienst und Notfallpauschale für [die] nicht an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmenden Ärzte, Institute und Krankenhäuser) abrechnungsfähig war.
Die Klägerin ist Trägerin zweier Krankenhäuser, denen Notfallambulanzen angegliedert sind. Von der für Notfallbehandlungen
geforderten Vergütung setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit zwei Honorarbescheiden vom 27.1.2014 ua sämtliche
Ansätze der GOP 27320 EBM-Ä ab, soweit diese in einem Behandlungsfall neben der Notfallpauschale gemäß GOP 01210 EBM-Ä abgerechnet worden waren. Zur Begründung führte sie aus, dass die Elektrokardiographische Untersuchung nach GOP 27320 EBM-Ä als eine in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführte Leistung fakultativer Leistungsinhalt der Notfallpauschale GOP 01210 EBM-Ä sei und somit nicht neben dieser eigenständig berechnet werden könne. Die gegen die beiden Bescheide eingelegten
Widersprüche wies die Beklagte zurück, soweit sie sich auf die - im vorliegenden Verfahren allein streitgegenständliche -
GOP 27320 EBM-Ä bezogen.
Das SG Dresden hat die Klagen miteinander verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 2.9.2014 abgewiesen. Die Elektrokardiographische
Untersuchung mit mindestens 12 Ableitungen sei eine der in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen und daher als fakultativer
Leistungsinhalt der GOP 01210 EBM-Ä gemäß Ziffer I Nr 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä neben dieser nicht abrechnungsfähig.
Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 25.4.2018 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
In Übereinstimmung mit der Entscheidung des SG ergebe sich der Abrechnungsausschluss der GOP 27320 EBM-Ä aus Ziffer I Nr 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä. Danach sei eine GOP nicht berechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil
einer anderen GOP seien. Die Elektrokardiographische Untersuchung nach GOP 27320 EBM-Ä zähle zum fakultativen Leistungsinhalt der GOP 01210 EBM-Ä. Das folge aus der Verweisung im ersten Spiegelstrich der Legende ("in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführte Leistungen").
Die Auflistung in Anhang 1, Spalte GP, enthalte auch die "Elektrokardiographische Untersuchung", und zwar ohne eine Einschränkung
hinsichtlich der Zahl der Ableitungen. Nr 1 der Präambel zu Anhang 1 stelle klar, dass die in Anhang 1 aufgeführten Leistungen
nicht eigenständig berechnungsfähig seien, sofern sie nicht als GOP gesondert verzeichnet seien. Nr 2 der Präambel enthalte den Hinweis, dass einige Regelungen des EBM-Ä auf bestimmte Spalten
des Anhangs verweisen. Die allgemeine Regelung der Nr 1 sei von der speziellen Verweisungsregelung im Sinne von Nr 2 rechtlich
zu unterscheiden. Eine Verweisung im Sinne von Nr 2 beziehe sich nur auf die jeweils genannte Spalte des Anhangs 1, jedoch
nicht auf die Regelung in Nr 1 - insbesondere nicht auf die Ausnahme zu einer besonders verzeichneten GOP.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die fehlerhafte Anwendung von Bestimmungen des EBM-Ä. Unzutreffend sei die Auffassung
des Berufungsgerichts, wonach die GOP 27320 EBM-Ä neben der GOP 01210 EBM-Ä nicht abrechnungsfähig sei. Ein solcher Abrechnungsausschluss folge weder aus der Leistungslegende der GOP 01210 EBM-Ä noch aus GOP 27320 EBM-Ä. Der nach der Rechtsprechung des BSG für die Auslegung von Bestimmungen des EBM-Ä in erster Linie maßgebende Wortlaut sei eindeutig und lasse keinen Raum für
eine systematische Interpretation. Anders als bei anderen Leistungen werde in Anhang 1 bezogen auf die Elektrokardiographische
Untersuchung keine konkrete GOP genannt. Wenn die Auffassung des LSG zutreffend wäre, nach der die GOP 27320 EBM-Ä in der in Anhang 1 aufgeführten Elektrokardiographischen Untersuchung aufgehen würde, wäre diese GOP nie abrechenbar und deren gesonderte Benennung im EBM-Ä obsolet. Entgegen der Auffassung des LSG beziehe sich die Verweisung
in der Leistungslegende der GOP 27320 EBM-Ä auch auf Nr 1 der Präambel zu Anhang 1. Danach seien die in Anhang 1 aufgeführten Leistungen nur dann nicht gesondert
berechnungsfähig, wenn sie nicht als GOP im EBM-Ä verzeichnet seien. Die elektrokardiographische Untersuchung mit mindestens 12 Ableitungen sei aber als GOP 27320 EBM-Ä gesondert verzeichnet und damit gesondert berechnungsfähig. Auch die im Grundsatz bestehende Bindung an die Fachgruppe
der Ärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin stehe der Abrechnung hier nicht entgegen, weil die Fachgruppenbindung
gerade im Notfall nicht gelte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 25.4.2018 und den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 2.9.2014 aufzuheben, die beiden Honorarbescheide
der Beklagten vom 27.1.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9.4.2014 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
die für das Quartal 3/2013 abgerechneten Leistungen nach GOP 27320 EBM zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei rechtmäßig. Die GOP 01210 EBM-Ä verweise zur Bestimmung des fakultativen Leistungsinhalts weder auf die "Präambel" noch auf den gesamten Anhang
1, sondern auf die in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen. Die GOP 27320 EBM-Ä sei damit Bestandteil des fakultativen Leistungsinhalts der GOP 01210 EBM-Ä und deswegen neben dieser nicht gesondert berechnungsfähig. Anhang 1 erfasse auch die Elektrokardiographische
Untersuchung mit mindestens 12 Ableitungen. Auf die Aufhebung der Fachgruppenbindung im Notfall komme es nicht an, da die
GOP 27320 EBM-Ä im Notfall auch für Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin nicht neben der Notfallpauschale gesondert
abrechnungsfähig sei.
Der Senat hat zur Frage der Auslegung der hier maßgebenden Bestimmungen des EBM-Ä Stellungnahmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft
(DKG), des GKV-Spitzenverbands und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) eingeholt.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung, gegen die sich die Klägerin wendet, ist nicht zu beanstanden.
1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist hier §
106a Abs
2 Satz 1 Halbsatz 1
SGB V (hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190 [aF]; heute §
106d Abs
2 Halbsatz 1
SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes
zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen
Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (vgl
BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 19; BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 6 KA 20/13 R - SozR 4-2500 § 117 Nr 6 RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 45/17 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 19 RdNr 10, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen, jeweils mwN). Eine sachlich-rechnerische
Richtigstellung ist insbesondere dann angezeigt, wenn die abgerechneten Leistungen nicht die Vorgaben des EBM-Ä erfüllen (BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 16/17 R - SozR 4-5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 18 mwN). Gegenstand der Abrechnungsprüfung ist auch die Abrechnung von Notfallbehandlungen,
die durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser erbracht werden, da infolge der Gleichstellung
der in Notfällen tätigen Krankenhäuser mit Vertragsärzten die für die Abrechnung maßgeblichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts
insoweit entsprechend gelten (BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 12; BSG Urteil vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14).
2. Die Beklagte hat die Honorarabrechnung der Klägerin zu Recht um die Leistungen nach GOP 27320 berichtigt. SG und LSG haben zutreffend entschieden, dass auch eine Elektrokardiographische Untersuchung mit mindestens 12 Ableitungen fakultativer
Leistungsinhalt der GOP 01210 EBM-Ä und neben dieser in demselben Behandlungsfall nicht abrechnungsfähig ist.
a) Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats in erster Linie
der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich
der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des
Bewertungsausschusses gemäß §
87 Abs
1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä
als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse
bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau
der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines
Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 14/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 28.4.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11; BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 6 KA 80/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN; BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 34/11 R - SozR 4-5540 § 44 Nr 1 RdNr 13; zuletzt: BSG Urteil vom 15.5.2019 - B 6 KA 63/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 26). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen
Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen
diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch
analog angewendet werden (stRspr, vgl BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 16/17 R - SozR 4-5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 19; BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 16/15 R - SozR 4-5532 Allg Nr 2 RdNr 23 mwN; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R - SozR 4-5531 Nr 40100 Nr 1 RdNr 25). Diese Grundsätze gelten auch für die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten Allgemeinen
Bestimmungen (BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 16/17 R - SozR 4-5531 Nr 33076 Nr 1 RdNr 19; BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 16/15 R - SozR 4-5532 Allg Nr 2 RdNr 23 mwN).
b) Nach Nr 2.1.3 Satz 3 bis 5 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä (in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung) ist eine GOP nicht berechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil
einer anderen berechneten GOP sind. Sämtliche Abrechnungsbestimmungen und Ausschlüsse sind zu berücksichtigen. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn
GOP in verschiedenen Abschnitten/Kapiteln des EBM-Ä aufgeführt sind. Hiernach sperren behandlungsfallbezogene Pauschalen und
Komplexe die in der GOP enthaltenen, aber auch im EBM-Ä gesondert aufgeführten (Teil-)Leistungen für die gesamte Dauer des Quartals (vgl Kölner Kommentar
zum EBM, 8. Ergänzungslieferung Stand: 1.1.2015, Allgemeine Bestimmungen, I 2.1.3, S 25).
Überschrift und Leistungslegende der GOP 01210 haben in der hier maßgebenden, im Quartal 3/2013 geltenden Fassung - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:
"01210 Notfallpauschale im organisierten Not(-fall)dienst und Notfallpauschale für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmenden Ärzte, Institute und Krankenhäuser
Obligater Leistungsinhalt
- Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt im organisierten Not(-fall)dienst und für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser
Fakultativer Leistungsinhalt
- In Anhang 1, Spalte GP, aufgeführte Leistungen,
- Funktioneller Ganzkörperstatus (27310),
einmal im Behandlungsfall
[...]"
Zu den "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" und damit zum fakultativen Leistungsinhalt der Notfallpauschale nach
GOP 01210 EBM-Ä gehört auch die Elektrokardiographische Untersuchung nach GOP 27320. Die Elektrokardiographische Untersuchung wird in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführt. Das wird auch von der Klägerin im
Grundsatz nicht in Zweifel gezogen.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Umstand, dass in Anhang 1 nicht die Angabe "GOP 27320", sondern allein die Überschrift dieser GOP ("Elektrokardiographische Untersuchung") wiedergegeben wird, nicht abgeleitet werden, dass die GOP 27320 EBM-Ä nicht vom Anhang 1 erfasst würde. Die in Anhang 1 aufgelisteten und den verschiedenen Spalten (VP - Leistung
ist in der Versichertenpauschale Kapitel 3 bzw 4 enthalten/GP - Leistung ist möglicher Bestandteil der Grundpauschale[n]/SG
- Leistung ist in sonstigen GOP enthalten) zugeordneten Leistungen werden dort ganz überwiegend nicht mit einer konkreten GOP bezeichnet. Das betrifft zB auch die "klinisch-neurologische Basisdiagnostik" nach GOP 22230. Etwas anderes gilt lediglich für eine Reihe von Leistungen, die jedoch zumeist der Spalte VP (Leistung ist in der
Versichertenpauschale Kapitel 3 bzw 4 enthalten) zugeordnet sind. Die Verweisung in GOP 01210 auf die "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" hätte unter Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin keinen
relevanten Anwendungsbereich, weil die der Spalte GP zugeordneten Leistungen fast durchgängig ohne die Angabe einer konkreten
GOP bezeichnet werden. Die Annahme, dass die Aufzählung in Anhang 1 ohne Bedeutung wäre, soweit die Bezeichnung der Leistung
nicht mit der Angabe einer konkreten GOP verbunden wird, liegt unter diesen Umständen fern.
Zwar kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Verzicht auf die Angabe der GOP zu Abgrenzungsproblemen führen kann, wenn die Bezeichnung in der Auflistung nicht wörtlich mit der Überschrift einer bestimmten
GOP übereinstimmt. Das würde etwa für die GOP 27310 gelten, die die Überschrift "Funktioneller Ganzkörperstatus" trägt, während die Angabe in Anhang 1 "Erhebung des Ganzkörperstatus"
lautet. Wie die DKG in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat überzeugend dargelegt hat, besteht jedenfalls Anlass zu Zweifeln,
ob mit den beiden Wendungen übereinstimmende Leistungsinhalte beschrieben werden. Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten
haben die Vertragspartner deshalb in der Leistungslegende zur Notfallpauschale bestimmt, dass "Funktioneller Ganzkörperstatus
(27310)" zum fakultativen Leistungsinhalt gehört. Bezogen auf die GOP 27320 EBM-Ä bedurfte es einer solchen Regelung jedoch nicht, da diese GOP in der Überschrift wörtlich übereinstimmend mit der Angabe in Anhang 1 als "Elektrokardiographische Untersuchung" bezeichnet
wird. Der davon abweichenden Auffassung der DKG, die davon ausgeht, dass es nicht auf die Überschrift, sondern auf die Übereinstimmung
im obligaten Leistungsinhalt ankomme, steht entgegen, dass in Anhang 1 keine Leistungsinhalte, sondern nur "Überschriften"
aufgezählt werden.
bb) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin, nach der in Anhang 1 mit "Elektrokardiographische Untersuchung"
nur Untersuchungen mit weniger als 12 Ableitungen gemeint wären, sodass die GOP 27320 EBM-Ä, die nach der Leistungslegende mindestens 12 Ableitungen voraussetzt, deshalb nicht zum fakultativen Leistungsinhalt
der Notfallpauschale gehören würde und damit gesondert abrechenbar sei. Der Wortlaut bietet keine Anknüpfungspunkte für eine
solche Beschränkung und auch die Entstehungsgeschichte spricht dagegen: Inhalt von Anhang 1 waren bis einschließlich zum Quartal
4/2007 ausdrücklich nur die "Elektrokardiographischen Untersuchungen mit weniger als 12 Ableitungen". Zum Quartal 1/2008 ist
die Formulierung in "Elektrokardiographische Untersuchung" geändert worden. Der Senat geht - insoweit übereinstimmend mit
der Stellungnahme der KÄBV - davon aus, dass damit auch das EKG mit mindestens 12 Ableitungen in Anhang 1 aufgenommen worden
ist. Soweit die Klägerin auf Kommentarliteratur (vgl Kölner Kommentar zum EBM, 7. Ergänzungslieferung Stand 1.10.2013, Kapitel
27 S 13) verweist, in der bezogen auf das Verhältnis von physikalisch-rehabilitativer Grundpauschale zur Elektrokardiographischen
Untersuchung nach GOP 27320 EBM-Ä die Auffassung vertreten wird, dass ein EKG mit weniger als 12 Ableitungen bereits nach Anhang 1 abgegolten sei,
ändert das nichts daran, dass dem Wortlaut des Anhangs 1 eine Differenzierung nach der Zahl der Ableitungen in der hier maßgebenden,
seit 2008 geltenden Fassung nicht mehr zu entnehmen ist. Die Formulierung in der angegebenen Kommentarstelle ist nach Auffassung
des Senats vor diesem Hintergrund am ehesten mit einer unterbliebenen Anpassung an die zum 1.1.2008 geänderte Fassung des
EBM-Ä zu erklären.
cc) Nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist indes der Einwand der Klägerin, dass nach der Parenthese in Nr 1 der Vorbemerkungen
zu Anhang 1 die aufgeführten Leistungen Teilleistungen von GOP und als solche nicht eigenständig berechnungsfähig sind, "sofern sie nicht als Gebührenordnungspositionen im EBM verzeichnet
sind". Daraus könnte im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die im EBM-Ä verzeichneten Leistungen eigenständig berechnungsfähig
seien, selbst wenn sie in Anhang 1 verzeichnet sind. Gegen eine solche Auslegung spricht indes, dass die Leistungslegende
der Notfallpauschale nach GOP 01210 EBM-Ä den fakultativen Leistungsinhalt nicht mit Bezug auf den gesamten Anhang 1 definiert, sondern spezifisch auf
die "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" verweist.
Der Klägerin ist einzuräumen, dass der Wortlaut jedenfalls nicht als eindeutig bezeichnet werden kann, weil nicht von vornherein
auszuschließen ist, dass aufgrund der Verweisung auf die einer bestimmten Spalte zugeordneten Leistungen auch die dem Anhang
1 vorangestellten Vorbemerkungen Geltung beanspruchen sollen. Angesichts des unklaren Wortlauts ist ausnahmsweise Raum für
eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen
Leistungstatbestände (vgl oben RdNr 13). Danach kann die Verweisung in GOP 01210 EBM-Ä nur im Sinne einer unmittelbaren Verweisung auf die im Anhang 1 aufgeführten Leistungen verstanden werden: Die
Definition fakultativer Leistungsinhalte einer Pauschale hat im Zusammenspiel mit Nr 2.1.3 Satz 3 bis 5 der Allgemeinen Bestimmungen
zum EBM-Ä (vgl dazu oben RdNr 14) gerade den Sinn, die gesonderte Abrechenbarkeit der bezeichneten Leistungen auszuschließen,
obwohl deren Erbringung nicht Voraussetzung für die Abrechnung der Pauschale ist. Wenn die Bezugnahme auf die "in Anhang 1,
Spalte GP, aufgeführten Leistungen" der Klägerin folgend so zu verstehen wäre, dass sie die Nr 1 der Vorbemerkung und die
dort in Parenthese gesetzte Einschränkung ("sofern sie nicht als Gebührenordnungspositionen im EBM verzeichnet sind") einschließt,
würde kein Anwendungsbereich für die Verweisung verbleiben: Entweder wäre eine ärztlich erbrachte Leistung nicht im EBM-Ä
verzeichnet. Dann könnte sie unabhängig von der Frage, ob es sich um einen fakultativen Leistungsinhalt der Notfallpauschale
handelt, schon aus diesem Grund nicht abgerechnet werden. Wenn die ärztliche Leistung dagegen als GOP im EBM-Ä verzeichnet wäre, könnte sie selbst dann neben der Pauschale gesondert berechnet werden, wenn sie Inhalt der Aufzählung
in Anhang 1 wäre, weil in jedem Fall die Ausnahme nach der Parenthese zu Anhang 1 eingreifen würde.
Nach Auffassung des Senats ist eine Auslegung, die die in der Leistungslegende zur Notfallpauschale enthaltene Verweisung
auf die "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" vollständig leerlaufen lassen würde, ausgeschlossen. Deshalb kann
die Verweisung nur so verstanden werden, dass alle "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" erfasst sind. Der daraus
folgende Ausschluss einer gesonderten Berechnungsfähigkeit kommt gerade dann zum Tragen, wenn die mit der Notfallpauschale
berechnete Leistung bei isolierter Betrachtung einen weiteren Gebührentatbestand erfüllen würde.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass auch bei der Definition des fakultativen Leistungsinhalts der physikalisch-rehabilitativen
Grundpauschalen nach GOP 27210 bis 27212 EBM-Ä auf Anhang 1 Bezug genommen wird und dass die Elektrokardiographische Untersuchung nach GOP 27320 EBM-Ä - jedenfalls nach dem Inhalt der Stellungnahmen der beiden im Bewertungsausschuss vertretenen Bundesmantelvertragspartner
- gleichwohl neben dieser Grundpauschale abrechenbar sein soll. Für die Abrechenbarkeit der GOP 27320 EBM-Ä neben der Grundpauschale spricht insbesondere, dass die physikalisch-rehabilitative Grundpauschale in praktisch
jedem Behandlungsfall eines Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt
zur Abrechnung kommt. Wenn die in demselben Kapitel geregelte Elektrokardiographische Untersuchung nach GOP 27320 EBM-Ä nicht neben dieser Grundpauschale abrechenbar wäre, könnte sie praktisch nie abgerechnet werden. Dass mit der
Bezugnahme auf Anhang 1 in der Leistungslegende der physikalisch-rehabilitativen Grundpauschale kein so weitgehender Ausschluss
der Abrechenbarkeit der im selben Kapitel geregelten Einzelleistungen beabsichtigt war, ergab sich bis zum Quartal 4/2007
noch deutlich aus der Überschrift des Anhangs 1, die lautete: "Verzeichnis der nicht gesondert abrechnungsfähigen und in Komplexen
enthaltenen Leistungen, sofern diese nicht als Leistungen in arztgruppenspezifischen Kapiteln ausgewiesen sind". Eine entsprechende
Formulierung mit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des Anhangs 1 auf die nicht "in arztgruppenspezifischen Kapiteln"
ausgewiesenen Leistungen enthält Anhang 1 in der hier maßgebenden Fassung nicht mehr, und die Klägerin weist auch zutreffend
darauf hin, dass die Beschränkung auf die in der Präambel des entsprechenden Kapitels bzw Abschnitts genannten Fachärzte (Ziffer
1.5 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä) für die im Rahmen der Notfallversorgung erbrachten Leistungen nach der in II Nr
1.2 1. Satz 2 EBM-Ä getroffenen Regelung gerade nicht gilt. Auch auf konkrete Nachfrage konnten KÄBV und GKV-Spitzenverband
keine Gründe dafür benennen, weshalb der ursprünglich enthaltene Arztgruppenbezug in der Formulierung der Parenthese in Nr
1 der Vorbemerkung keinen Niederschlag mehr findet. Die DKG hat die Gründe für die Änderung in ihrer Stellungnahme als "nicht
nachvollziehbar" bezeichnet.
Es spricht aber jedenfalls einiges dafür, dass eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war. Die Grundpauschalen fassen
im fachärztlichen Bereich bestimmte Einzelleistungen zusammen. Mit der Bezugnahme auf Anhang 1 werden insbesondere Leistungen,
die im Zuge einer Behandlung zwar nicht in jedem Einzelfall, aber regelmäßig immer wieder anfallen können, ohne einen außergewöhnlichen
Aufwand zu verursachen, zum nicht gesondert abrechenbaren fakultativen Leistungsinhalt der Pauschale erklärt. Da der Arzt
im Regelfall Leistungen aus dem Kapitel des EBM-Ä erbringt, das seinem Fachgebiet entspricht, erscheint es sinnvoll, dass
insbesondere aufwändigere und seltener erbrachte Leistungen, die durch die Pauschale nicht abgegolten werden, im entsprechenden
Kapitel gesondert aufgeführt und damit auch gesondert vergütet werden. Insofern war der in der Überschrift zu Anhang 1 bis
zum Quartal 4/2007 enthaltene Kapitelbezug aus Sicht des Senats sachgerecht. Allerdings konnten weder KÄBV noch GKV-Spitzenverband
Dokumente aus der Zeit der Entstehung der hier maßgebenden, seit 2008 geltenden Regelung vorlegen, sodass eine entstehungsgeschichtliche
Auslegung nach den in der Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des EBM-Ä entwickelten Maßstäben (vgl RdNr 13) hier nicht
in Betracht kommt.
Der Senat neigt vor diesem Hintergrund der auch von der KÄBV und dem GKV-Spitzenverband vertretenen Auffassung zu, nach der
die in der Leistungslegende der physikalisch-rehabilitativen Grundpauschalen (GOP 27210 bis 27212 EBM-Ä) verwendete Formulierung "in Anhang 1 aufgeführte Leistungen" - im Gegensatz zu der in der Leistungslegende
zur Notfallpauschale verwendeten Formulierung ("in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen") - auch auf die Nr 1 der
Vorbemerkung von Anhang 1 verweist mit der Folge, dass Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin neben "ihrer"
Grundpauschale die GOP 27320 EBM-Ä abrechnen können (so auch das LSG, Urteilsumdruck S 9 f = juris RdNr 44; Bayerisches LSG Urteil vom 5.4.2017
- L 12 KA 49/16 - juris RdNr 73). Entsprechendes muss dann auch für den Fall einer ausnahmsweise zulässigen Erbringung fachfremder Leistungen
(vgl BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 19; BSG Urteil vom 29.9.1999 - B 6 KA 38/98 R - BSGE 84, 290, 296 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 90 f = juris RdNr 24 mwN) durch Ärzte einer anderen Fachgruppe gelten, wenn "deren" Grundpauschale
in der Leistungslegende zur Bezeichnung des fakultativen Leistungsinhalts ebenfalls auf "in Anhang 1 aufgeführte Leistungen"
verweist.
Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kommt es darauf indes nicht an. Ausschlaggebend für die hier zu klärende Frage
der Abrechenbarkeit der GOP 27320 EBM-Ä durch die Klägerin ist, dass jedenfalls die in der Leistungslegende zur Notfallpauschale nach GOP 01210 EBM-Ä verwendete Formulierung "in Anhang 1, Spalte GP, aufgeführten Leistungen" aus den og Gründen nur als Bezugnahme
auf die der Spalte GP zugeordneten Leistungen des Anhangs 1 und nicht (auch) als Bezugnahme auf Nr 1 der Vorbemerkung des
Anhangs 1 verstanden werden kann (vgl bereits Bayerisches LSG Urteil vom 5.4.2017 - L 12 KA 49/16 - juris RdNr 71; ebenfalls zutreffend zur klinisch-neurologischen Basisdiagnostik nach GOP 22230 EBM-Ä: Bayerisches LSG Urteil vom 8.2.2017 - L 12 KA 85/15 - Breith 2017, 537 = juris RdNr 45 ff).
dd) Nicht ohne Weiteres zu folgen vermag der Senat hingegen der Argumentation der KÄBV, nach der Fachärzte für Physikalische
und Rehabilitative Medizin die GOP 27320 EBM-Ä neben dieser Grundpauschale auch deshalb abrechnen könnten, weil "keine Inkludierung des EKGs mit mindestens
12 Ableitungen in die Grundpauschale" dieser Arztgruppe erfolgt sei. Für den damit angesprochenen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen der Bewertung der Pauschale und der Frage, welche Leistungen zum fakultativen Leistungsinhalt gehören und somit nicht
gesondert abrechenbar sind, gibt es im Wortlaut des EBM-Ä keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt. Wenn die Abrechenbarkeit
der GOP 27320 EBM-Ä - abweichend von der Auffassung des Senats - davon abhinge, ob die Leistung in die Bewertung der entsprechenden
Pauschale eingeflossen ist, wäre für die Entscheidung maßgebend, ob die Erbringung eines EKG mit mindestens 12 Ableitungen
in die Bewertung der Notfallpauschale eingeflossen ist. Dazu enthalten die eingeholten Stellungnahmen von KÄBV, GKV-Spitzenverband
und DKG keine konkreten Angaben. Dass die Notfallpauschale - auch unter Berücksichtigung von Fällen, in denen eine aufwändigere
Diagnostik erforderlich ist - kostendeckend ist, wird jedenfalls in Teilen der Literatur (vgl zB Pitz/Hartweg, SGb 2019, 395, 397 f; Niehues, Notfallversorgung in Deutschland, 2012, S 172 ff) bezweifelt. Valide Daten, die darüber eindeutig Aufschluss
geben würden, existieren nach dem Gutachten 2018 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
(BT-Drucks 19/3180 RdNr 934) nicht. Allerdings wird dort (aaO RdNr 928 ff, 934) eine Kostendeckung nicht allein unter Berücksichtigung
der Finanzierung auf der Grundlage des EBM-Ä, sondern nur unter Berücksichtigung weiterer Finanzierungswege (vorstationäre
Behandlung, Vergütung sog Stundenfälle über Diagnosis Related Groups [DRGs], ua) in Betracht gezogen. Eine differenzierte
Vergütung von Notfällen in Abhängigkeit vom Schweregrad unter Beteiligung auch von Vertretern der DKG im Bewertungsausschuss
ua bezogen auf Regelungen zur Versorgung im Notfall und im Notdienst (§
87 Abs
5a SGB V) schreibt §
87 Abs
2a Satz 23
SGB V erst für die Zeit nach dem 31.12.2016 vor. Damit wird die Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwands bei der Behandlung
auch schwerer Fälle inzwischen in höherem Maße als zuvor verfahrensmäßig abgesichert. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber
diese Weiterentwicklung für erforderlich gehalten hat, kann andererseits nicht geschlossen werden, dass die hier noch maßgebenden
Regelungen des EBM-Ä zur Bewertung der Notfallpauschale bei Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Bewertungsausschusses
als rechtswidrig zu bewerten wären. Zudem ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Höhe der Notfallpauschale,
sondern die Frage der Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die sich allein auf die von der Klägerin
abgerechneten Leistungen nach GOP 27320 EBM-Ä bezieht. Diese Richtigstellung ist aus den og Gründen nicht zu beanstanden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).