Berichtigung einer vertragsärztlichen Abrechnung
Grundsatzrüge
Ineinandergreifen von Regelungen des EBM-Ä und des BMV-Ä
Bereits geklärte Rechtsfragen
Gründe:
I
Umstritten ist die Berichtigung der vertragsärztlichen Abrechnung des als Urologe im Bezirk der beklagten KÄV niedergelassenen
Klägers.
Die Beklagte berichtigte in der Abrechnung des Klägers für die Quartale III/2010 und IV/2010 in allen Fällen den Ansatz der
Gebührenordnungsposition (GOP) 26315 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) und ersetzte diese durch die Kostenpauschale
nach Nr 86512 gemäß Anhang 2 der Anlage 7 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) (Onkologie-Vereinbarung). Der Kläger habe die Kostenpauschalen nach der Onkologie-Vereinbarung, an der er teilnimmt, abgerechnet,
und nach der Leistungslegende zu den Kostenpauschalen nach Nr 86510, 86512 und 86514 seien neben diesen ua die GOP Nr 26315 EBM-Ä nicht berechnungsfähig.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, nach dem Wortlaut der Kostenerstattungsregelungen
nach Nr 86512 des Anhangs 2 der Onkologie-Vereinbarung sei neben dem Ansatz dieser Positionen die Leistung nach Nr 26315 EBM-Ä,
die allen, auch den an der Onkologie-Vereinbarung nicht teilnehmenden Vertragsärzten zur Verfügung steht, nicht berechnungsfähig.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege darin nicht; die Partner der Bundesmantelverträge (BMV), die die Onkologie-Vereinbarung
geschlossen hätten, seien berechtigt, nicht nur zusätzliche GOP zu schaffen, sondern auch Harmonisierungsregelungen zu den allgemeinen Leistungspositionen des EBM-Ä vorzusehen (Urteil vom
5.10.2016).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger geltend, im Rechtsstreit seien
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, weil sie entweder nicht klärungsbedürftig oder nicht klärungsfähig sind.
1. Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob "die Vertragsparteien berechtigt" sind, "außerhalb des Bewertungsausschusses
die Berechnungsfähigkeit von Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes auszuschließen, mit der Folge,
dass die Beklagte befugt ist, die entsprechende EBM-Position sachlich-rechnerisch zu berichtigen". Diese Rechtsfrage ist,
soweit sie sich im hier zu beurteilenden Rechtsstreit stellt - nicht klärungsbedürftig, sondern im Sinne der Rechtsauffassung
des LSG eindeutig zu bejahen.
Zunächst wäre die aufgeworfene Frage nur begrenzt klärungsfähig, weil nach dem Kontext, in dem der Kläger diese Frage aufwirft,
nicht generell zu entscheiden wäre, ob die Partner der BMV berechtigt sind, im BMV-Ä oder einer seiner zahlreichen Anlagen Abrechnungsausschlüsse von Positionen des EBM-Ä zu formulieren. Zu entscheiden wäre
vielmehr nur, ob dann, wenn im BMV-Ä ein Leistungsbereich - hier die onkologische Versorgung von Versicherten - ergänzend zu den gesetzlichen und vertraglichen
Regelungen im Übrigen speziell normiert wird, und auf bundesmantelvertraglicher Grundlage zusätzliche Vergütungstatbestände
für Vertragsärzte geschaffen werden, die an der entsprechenden qualifizierten Versorgung krebskranker Patienten teilnehmen,
die Partner des BMV-Ä berechtigt sind, das Verhältnis der zusätzlich geschaffenen Vergütungstatbestände zu den allgemeinen Regelungen im EBM-Ä
zu regeln, und in diesem Rahmen auch wechselseitige Ausschlussregelungen zu formulieren. Es bedarf nicht der Durchführung
eines Revisionsverfahrens, um entscheiden zu können, dass die Vertragspartner dazu berechtigt sind.
Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 3.8.2016 - B 6 KA 42/15 R (SozR 4-2500 § 87 Nr 33) - mit dem Ineinandergreifen von Regelungen der Partner der BMV und solchen des Bewertungsausschusses
als Normgeber des EBM-Ä befasst und insbesondere auf die Änderungen der gesetzlichen Grundlagen durch das Gesetz zur Stärkung
der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16.7.2015 hingewiesen. Selbst wenn - wie der Kläger zu
Recht betont - die vom Senat am 3.8.2016 zu beurteilenden Rechtsfragen hinsichtlich der Streichung eines Kapitels des EBM-Ä
durch die Partner der BMV die hier zu beurteilende Konstellation nicht unmittelbar betreffen, ergibt sich aus dem Urteil jedoch,
dass die grundsätzlichen Fragen des Ineinandergreifens von Regelungen des EBM-Ä und des BMV-Ä keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung bedürfen. Für die hier zu beurteilenden Fragen gilt das in besonderer Weise.
Das LSG hat nämlich zutreffend darauf hingewiesen, dass dann, wenn die Vertragspartner generell nicht berechtigt wären, Regelungen
über die Vergütung von bundesmantelvertraglich besonders geregelten Behandlungskonzepten zu treffen, der Kläger von vornherein
keinen Anspruch auf die Vergütung der von ihm angesetzten Kostenpauschale nach Nr 86512 Anhang 2 der Anlage 7 zum BMV-Ä haben könnte. Dann hätte er sein Prozessziel nicht erreichen können, denn die Beteiligten stellen zu Recht nicht in Frage,
dass die Vergütung der Kostenpauschale nach Nr 86512 für den klagenden Vertragsarzt günstiger ist als die allgemeine Zusatzpauschale
für die Betreuung eines Patienten mit einer gesicherten onkologischen Erkrankung bei laufender onkologischer Therapie oder
Betreuung der Nachsorge nach Nr 26315 EBM-Ä. Sind die Vertragspartner auf Bundesebene aber - wie es der Rechtsprechung des
Senats entspricht - nicht nur berechtigt, spezielle Behandlungsaufträge zu formulieren, sondern auch Vergütungsregelungen
für die Teilnahme von Vertragsärzten an solchen besonders qualitätsgesicherten Behandlungsprogrammen festzulegen, kann es
keinem Zweifel unterliegen, dass sie auch berechtigt sind, das Verhältnis der in diesen Vereinbarungen geschaffenen speziellen
Vergütungstatbeständen zu den allgemeinen Regelungen des EBM-Ä näher zu bestimmen.
Patienten mit Tumorerkrankungen auf dem urologischen Fachgebiet können sowohl von Vertragsärzten behandelt werden, die - wie
der Kläger - an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen als auch von Vertragsärzten, die diesen Weg nicht gehen. Für die eine
Gruppe stehen die speziellen höherbewerteten Pauschalvergütungen nach Anhang 2 der Onkologie-Vereinbarung zur Verfügung, für
die anderen verbleibt es zur Abgeltung des besonderen Aufwands der Versorgung eines krebskranken Patienten bei der pauschalen
Zuschlagsregelung der Nr 26315 EBM-Ä.
2. Der Kläger hält weiterhin für klärungsbedürftig, ob "die bloße Behauptung der Bundesmantelvertragsparteien, einzelne Vergütungspositionen
innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Vereinbarung zur Regelung ganzer Versorgungsbereiche bei erkannter Rechtswidrigkeit
eines einzelnen Abrechnungsausschlusses anders vereinbart zu haben, für die Annahme einer Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung"
ausreicht. Diese Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie unterstellt, das Berufungsgericht
habe es insoweit bei der "bloßen Behauptung" der Partner der BMV bewenden lassen. Das trifft nicht zu. Das LSG hat im Einzelnen
dargestellt, weshalb es sich die Überzeugung gebildet hat (§
128 SGG), dass die Vereinbarung von wechselseitigen Abrechnungsausschlüssen hinsichtlich der speziellen Kostenpauschalen nach Anhang
2 der Onkologie-Vereinbarung und der allgemeinen Abrechnungspositionen nach dem Kapitel 26 EBM-Ä (Urologie) untrennbarer Teil
des Anhangs 2 der Onkologie-Vereinbarung war und ist. Das LSG ist auf dieser Basis zu der Auffassung gelangt, ohne Umsetzbarkeit
der wechselseitigen Abrechnungsausschlüsse sei nicht anzunehmen, dass die Vertragspartner die Vergütungsregelungen der Onkologie-Vereinbarung
vereinbart hätten. Das stellt keine schlichte Übernahme einer "Behauptung" der Vertragspartner dar.
Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht dargelegt, dass nach Nr 8 Teil B des Anhangs 2 der Onkologie-Vereinbarung, in dem die
Berechnung der Kostenpauschalen nach Anhang A der Höhe festgelegt worden sind, der Grundsatz der weitgehenden Kostenneutralität
festgeschrieben wird. Auch das spricht dafür, dass die Vertragspartner keinesfalls zulassen wollten, dass alle an der Onkologie-Vereinbarung
teilnehmenden Urologen neben den Kostenpauschalen nach Anhang 2 der Onkologie-Vereinbarung in allen Behandlungsfällen auch
die Leistung nach Nr 26315 EBM-Ä abrechnen konnten. Insofern handelt es sich nicht um ein Randphänomen, sondern um den Regelfall:
Es ist nicht zu erkennen, in welchen Konstellationen der Behandlung eines krebskranken Patienten die Leistungslegende nach
Nr 86512 erfüllt sein könnte, ohne dass zugleich auch der Tatbestand der "Behandlung und/oder Betreuung eines Patienten mit
einer gesicherten onkologischen Erkrankung" im Sinne der Nr 26315 EBM-Ä erfüllt ist. Insoweit liegt der typische Fall der
Doppelabrechnung von Leistungen vor, die regelmäßig im EBM-Ä selbst im Sinne des Vorrangs der einen oder anderen GOP geregelt wird. Wenn eine ergänzende, für die Vertragsärzte wirtschaftlich günstigere Zusatzvergütung im BMV-Ä vereinbart wird, liegt es auf der Hand, dass die Vertragspartner des BMV-Ä bestimmen können, welche Leistungen des EBM-Ä, die sich mit den neu in der Onkologie-Vereinbarung geregelten Vergütungstatbeständen
weitgehend überschneiden, neben den Spezialtatbeständen nicht abgerechnet werden können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 iVm §
154 Abs
2 VwGO.
4. Der Streitwert entspricht dem wirtschaftlichen Wert der mit der Klage angefochtenen Honorarberichtigung (§
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).