Gründe:
I
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit von Abzweigungen für die Zeit vom 9. April bis 4. November 2001.
Die 1963 geborene Klägerin ist Mutter von fünf Kindern. Für die Töchter M K (geboren am 14. Dezember 1989)
und K M (geboren am 5. Januar 1992) erbrachte die Beigeladene im streitigen Zeitraum Unterhaltsleistungen
nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). In dieser Zeit bezog die Klägerin von der Beklagten Unterhaltsgeld (Uhg) wegen der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme
in Höhe von 362,32 DM pro Woche (= 51,76 DM täglich), von dem zu Gunsten des Beigeladenen Beträge abgezweigt wurden.
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Insoweit hat die Beklagte im Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 2001 ohne nähere Begründung eine Abzweigung in Höhe von 56,70
DM pro Woche verfügt, die sie erst auf einen Widerspruch der Klägerin, mit dem diese die fehlende Begründung gerügt hatte,
näher erläuterte (Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2001). Mit Bescheiden vom 28. September 2001 und 1. Oktober 2001 wurde
der Abzweigungsbetrag ab 1. Oktober 2001 auf wöchentlich 33,46 DM (= 144,99 DM monatlich) verringert. Vor dem Sozialgericht
(SG) schließlich hat die Beklagte am 12. März 2002 den Bescheid vom 14. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
20. Juni 2001 mit Wirkung ab 1. Juli 2001 dahin abgeändert, dass eine Abzweigung nur noch in Höhe von 144,99 DM monatlich
vorgenommen werde.
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Während das SG "die Bescheide der Beklagten vom 14. Mai 2001, 28. September 2001, 1. Oktober 2001 sowie den Widerspruchsbescheid vom 20.
Juni 2001 aufgehoben hat" (Urteil vom 12. März 2002), hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Oktober 2004). Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ausgeführt, die Entscheidungen der Beklagten über die Abzweigung seien nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigten
den der Klägerin nach der "Düsseldorfer Tabelle" zustehenden "kleinen Selbstbehalt" für Nichterwerbstätige (bis 30. Juni 2001
1.300 DM, ab 1. Juli 2001 1.425 DM). Der von der Klägerin geforderte "große Selbstbehalt" (bis 30. Juni 2001 1.500 DM, ab
1. Juli 2001 1.640 DM), könne ihr nicht zugestanden werden, da sie als Teilnehmer einer Weiterbildungsmaßnahme einem Erwerbstätigen
nicht gleichgestellt werden könne.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen §
48 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (
SGB I). Sie ist der Ansicht, sie müsse wie ein Erwerbstätiger behandelt werden und den "großen Selbstbehalt" zugebilligt erhalten.
Abzweigungen seien deshalb nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben.
Die Beklagte beantragt
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Gründe der Entscheidung des LSG.
II
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind lediglich die Verfügungen (= Verwaltungsakte iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - >SGB X<) der Beklagten über die Abzweigung einzelner Beträge von
dem der Klägerin gezahlten Uhg zu Gunsten des Beigeladenen. Gegen diese Abzweigung wehrt sich die Klägerin - ohnedies hat
auch das SG nur in diesem Sinne entschieden - zulässigerweise mit der isolierten Anfechtungsklage gemäß §
54 Abs
1 SGG (vgl dazu BSG SozR 1200 § 48 Nr 11 S 54 f).
Nach §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I (in der seit 18. Juni 1994 geltenden Fassung des Zweiten SGB-Änderungsgesetzes vom 13. Juni 1994 - BGBl I 1229) können laufende
Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder
die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht
nachkommt. Nach §
48 Abs
1 Satz 4
SGB I kann die Auszahlung auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt. Der Zweck
des §
48 SGB I liegt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 7/868 S 31 zu §
48 SGB I) in einer schnellen Verwirklichung des Unterhaltsanspruchs von Ehegatten und Kindern eines Leistungsempfängers, um finanzielle
Notsituationen zu vermeiden. Die Regelung soll vor allem den nächsten Familienangehörigen einen raschen, kostensparenden Zugriff
auf die auch teilweise zur Befriedigung ihres Lebensunterhalts dienenden Leistungen ohne die Inanspruchnahme gerichtlichen
Rechtsschutzes und die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Zivilprozess ermöglichen.
Diese bereits für die Abzweigung zu Gunsten des Unterhaltsberechtigten selbst nicht unproblematische Regelung, die im Ergebnis
eine Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ohne Unterhaltstitel und außerhalb des üblichen Vollstreckungsverfahrens ermöglicht,
ist von besonderer Brisanz in der hier vorliegenden Konstellation, in der die Abzweigung nur mittelbar zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten
erfolgt, wie dies zu Gunsten einer dritten Person oder Stelle, die den Unterhaltsberechtigten tatsächlich Unterhalt gewährt,
vorsieht. In dieser Variante gewährt die Regelung im Ergebnis dem Dritten einen Anspruch gegen den Unterhaltsberechtigten
aus Geschäftsführung ohne Auftrag, ohne dass dieser Abzweigungsanspruch zwingend einen Rechtsübergang des Unterhaltsanspruchs
auf den Dritten bzw einen zivilrechtlichen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag voraussetzt. Vorliegend führt die Anwendung
der Vorschrift im Zusammenhang mit der Zahlung von Leistungen nach dem UVG sogar dazu, dass, obwohl der Unterhaltsanspruch gegen die Klägerin gemäß § 7 UVG auf das Land übergeht, der Beigeladene die Abzweigung an sich selbst geltend machen kann. Wie noch später auszuführen sein
wird, ist diese nicht unproblematische Rechtssituation bei den formalen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Abzweigung
in besonderer Weise zu beachten.
Vorliegend kann in der Sache dahinstehen, ob die Tatsachenfeststellungen des LSG überhaupt für eine materiell-rechtliche Entscheidung
über die Voraussetzungen des §
48 Abs
1 Satz 4
SGB I ausreichen und ob die Abzweigungsbeträge unter Zugrundelegung des "kleinen Selbstbehalts" insbesondere unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Festlegung des der Klägerin verbleibenden monatlichen Betrags unabhängig davon erfolgt ist, ob der
Monat 31 oder 30 Tage aufweist, richtig berechnet sind. Ebenso kann offen bleiben, inwieweit sich der ab 1. Oktober 2001 erfolgte
wöchentliche Abzweigungsbetrag mit dem monatlichen deckt.
Nicht entscheidungserheblich ist außerdem, ob der Klägerin dahin zu folgen ist, dass ihr für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs
ihrer Kinder der sog "große Selbstbehalt" nach der "Düsseldorfer Tabelle" zu verbleiben hat (bis 30. Juni 2001 1.500 DM, ab
1. Juli 2001 1.640 DM). Hierzu hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einem unveröffentlichten Beschluss vom
21. Juli 1995 - 11 RAr 5/95 ausgeführt, nach dem Wortsinn dürfe klar sein, dass der Begriff des Erwerbstätigen nur auf den zutreffe, der auch einer Erwerbstätigkeit
nachgehe, und zu diesem Personenkreis nicht derjenige gehöre, der an einer Maßnahme zur beruflichen Fortbildung teilnehme.
Demgemäß hat das BSG in einer späteren Entscheidung, ohne dies näher zu problematisieren, bei der Abzweigung von Uhg nur auf
den "kleinen Selbstbehalt" abgestellt (BSG SozR 3-1200 § 48 Nr 4; aA jedoch OLG Hamm, Urteil vom 28. Oktober 1998 - 5 UF 169/98 -, FamRZ 1999, 1015 f). Schließlich bedarf es auch keiner Entscheidung, ob die Bescheide der Beklagten schon deshalb rechtswidrig sind, weil
sie entgegen § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X nicht die Gesichtspunkte erkennen lassen, die die Beklagte ihrer Ermessensentscheidung zu Grunde gelegt hat (vgl dazu insbesondere
BSGE 59, 30, 38 f = SozR 1200 § 48 Nr 10) und ob die fehlende Begründung des Ermessens gemäß § 41 Abs 2 SGB X in der ab 2. Januar 2001 geltenden Fassung zumindest während des Gerichtsverfahrens nachgeholt worden ist.
Die Bescheide der Beklagten sind vielmehr schon wegen Verstoßes gegen § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Dabei ist zu beachten, dass die Beklagte eine Abzweigung gemäß §
48 Abs
1 Satz 4
SGB I zu Gunsten der Beigeladenen als der Stelle verfügt hat, die zwei Kindern Unterhalt gewährt hat. In diesem Falle genügt es
nicht, lediglich den Gesamtabzweigungsbetrag zu verfügen (inzident noch anders der Senat in BSG SozR 1200 § 48 Nr 12 und 11);
vielmehr ist es aus Gründen der Rechtsklarheit im Hinblick auf die oben umschriebene besondere Problematik der Norm erforderlich,
gleichzeitig anzugeben, in welcher Höhe der Abzweigungsbetrag jeweils bei jedem einzelnen Kind dessen Unterhaltsanspruch gegen
die Klägerin substituiert.
Denn es handelt sich nicht um einen einzigen einheitlichen Abzweigungsanspruch, sondern um zwei getrennte Abzweigungsansprüche.
Reicht der abzweigungsfähige Betrag der laufenden Geldleistungen - vorliegend Uhg - nicht aus, um den gesamten an beide Kinder
ausgezahlten Unterhalt zu ersetzen, muss der Abzweigungsbetrag geteilt werden (Didong in juris PraxisKommentar,
SGB I, §
48 RdNr 18). Der erforderliche Akt der Teilung ist dabei wie die Abzweigung insgesamt ein Ermessensakt, der es auch ermöglicht
wegen des gegenüber beiden Kindern erbrachten Unterhalts unterschiedlich hohe Abzweigungsbeträge festzusetzen, sodass auch
nicht als selbstverständlich unterstellt werden kann, dass bei einem einheitlich verfügten Abzweigungsbetrag jeweils die Hälfte
auf den Unterhalt für jedes der beiden Kinder entfällt.
Erfolgt aber keine ausdrückliche Festlegung, kann nicht nachvollzogen werden, in welcher Höhe der jeweilige auf den Freistaat
Bayern übergegangene (mögliche) Unterhaltsanspruch (§ 7 UVG) durch die Abzweigung erfüllt ist. Keiner näheren Ausführungen bedarf es, wie in den Fällen des §
48 Abs
1 Satz 4
SGB I überhaupt die Erlöschenswirkung der Abzweigung bezogen auf den Unterhaltsanspruch rechtlich konstruiert werden kann oder
muss. Jedenfalls ist es im Ergebnis eindeutig, dass derjenige, von dessen Sozialleistung ein bestimmter Betrag abgezweigt
wird, in dieser Höhe von der Unterhaltspflicht befreit wird. Dies setzt voraus, dass die Abzweigungsverfügung, soweit sie
mehrere Unterhaltsansprüche betrifft, deutlich erkennen lassen muss, in welcher Höhe welcher Unterhaltsanspruch im Einzelnen
betroffen ist. Diesen Anforderungen genügen die Bescheide der Beklagten nach den Feststellungen des LSG nicht.
Abgesehen davon, dass auch in den Tatsacheninstanzen die erforderliche Bestimmung nicht nachgeholt worden ist, gilt § 41 Abs 2 SGB X ohnedies für den Verstoß gegen § 33 Abs 1 SGB X nicht (Waschull in Lehr- und Praxiskommentar SGB X, § 33 RdNr 5; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 33 RdNr 10). Einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs 1 SGB X ist mithin nicht heilbar (Waschull, aaO; Engelmann, aaO); ebenso wenig ist, weil es sich bei dem Verstoß gegen § 33 Abs 1 SGB X nicht um einen Formmangel handelt, § 42 SGB X anwendbar. Ob eine Ersetzung (vgl dazu BVerwGE 87, 241 ff) möglich ist, bedarf keiner Entscheidung; sie ist jedenfalls nicht erfolgt und Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
ist nicht die Frage, ob die Beklagte ihre Entscheidung in korrekter Weise wiederholen könnte (BSG SozR 1200 § 48 Nr 11 S 55).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Beklagte hat mithin der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
und des früheren Beigeladenen zu 2 als nicht nach §
183 SGG begünstigte Beteiligte, sind nicht zu erstatten (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig ua,
SGG, 8. Aufl 2005, §
193 RdNr 11a).