Anspruch auf rückwirkend höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unter Korrektur bestandskräftiger Bescheide
Gründe:
I
Im Streit sind höhere Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009.
Am 22.8.2011 beantragte der 1997 geborene Kläger rückwirkend ab 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen nach §
2 AsylbLG. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Frist für die Nachzahlung von Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X sei durch Einfügen des § 116a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) auch für das Asylbewerberleistungsrecht auf ein Jahr begrenzt worden. Für Leistungen nach §
2 AsylbLG sei das SGB XII entsprechend anzuwenden, sodass Nachzahlungen nur noch für die Zeit ab 1.1.2010 möglich seien (Bescheid vom 16.9.2011; Widerspruchsbescheid
vom 23.9.2011).
Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts [SG] Münster vom 24.4.2012). Zur Begründung
seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, einer Überprüfung des streitbefangenen Zeitraums stehe § 116a SGB XII entgegen, wonach für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes § 44 Abs 4 SGB X mit der Maßgabe gelte, dass anstelle des (Nachzahlungs-)Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr trete, gerechnet
von Beginn des Jahres an, in dem der Antrag gestellt worden sei. Diese Regelung sei nach § 136 SGB XII auf Überprüfungsanträge anzuwenden, die ab dem 1.4.2011 gestellt worden seien. Zwar finde sich keine § 116a SGB XII entsprechende Regelung im
AsylbLG, die Vorschrift sei aber wegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz analog anzuwenden.
Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen §
9 Abs
3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X. Danach seien rechtswidrig vorenthaltene Leistungen für bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen. § 116a SGB XII, der die Frist auf ein Jahr verkürze, sei nicht analog auf Leistungen nach dem
AsylbLG anwendbar. Dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Verkürzung der Frist von vier Jahren bei den Überprüfungsanträgen
nach § 44 SGB X für diesen Bereich verzichtet habe, sodass es an einer planwidrigen Regelungslücke mangele. Es fehle auch eine vergleichbare
Interessenlage, weil Anträge nach § 44 SGB X nicht nur die Erhöhung der Leistungsgewährung auf die Regelsätze nach dem SGB XII, sondern auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3
AsylbLG beträfen.
Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des SG und den Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm unter Rücknahme entgegenstehender Verwaltungsakte für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
II
Die zulässige Sprungrevision (§
161 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht begründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf rückwirkend zu gewährende höhere Leistungen für den streitbefangenen Zeitraum,
weil er seinen Überprüfungsantrag erst im August 2011 gestellt hat und § 116a SGB XII der rückwirkenden Leistungsgewährung entgegensteht.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 (§
95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter Aufhebung entgegenstehender bestandskräftiger Bescheide rückwirkend
höhere Leistungen nach dem
AsylbLG zu zahlen. Gegen diesen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach
§
54 Abs
1 Satz 1 iVm Abs
4 SGG, §
56 SGG (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 9; BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - RdNr 10), auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil nach §
130 Abs
1 SGG ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9).
Gemäß §
9 Abs
3 AsylbLG iVm § 44 Abs 1 SGB X (zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht vgl: BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Einer
Entscheidung darüber, ob dem Kläger in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2009 Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und
die insoweit ergangenen Bescheide rechtswidrig waren (§ 44 Abs 1 SGB X), bedarf es nicht. § 44 Abs 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt
wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 Abs 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme iS
von § 44 Abs 1 SGB X zugebilligt werden. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSGE 68, 180 ff = SozR 3-1300 § 44 Nr 1). So liegt der Fall hier. Selbst im Falle der Rechtswidrigkeit bestandskräftiger Bescheide über
Leistungen nach dem
AsylbLG könnten höhere Leistungen rückwirkend allenfalls für die Zeit ab 1.1.2010 erbracht werden, die nicht streitbefangen ist;
insoweit ist § 116a SGB XII analog im Asylbewerberleistungsrecht anzuwenden.
Zu Unrecht vorenthaltene Leistungen nach dem
AsylbLG werden zwar gemäß §
9 Abs
3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Rücknahme eines rechtswidrigen
nicht begünstigenden Verwaltungsaktes erbracht; dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet,
in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme - wie hier - auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu
erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Die 4-Jahresfrist verkürzt sich aber für Anträge, die - wie hier - nach
dem 31.3.2011 gestellt wurden, in entsprechender Anwendung des die Regelung des § 44 Abs 4 SGB X modifizierenden § 116a SGB XII iVm dem bis 31.12.2012 geltenden § 136 SGB XII (jeweils in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) auf ein Jahr, sodass angesichts der im August 2011 erfolgten Antragstellung keine für den streitbefangenen
Zeitraum zu Unrecht vorenthaltenen Leistungen mehr zu erbringen sind. Wann ein bestandskräftiger Bescheid über die Ablehnung
von Leistungen nach dem
AsylbLG für den streitbefangenen Zeitraum - ausdrücklich durch förmlichen Verwaltungsakt oder konkludent (dazu BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 RRdNr 9) - ergangen ist, ist für die Anwendung des § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X ohne Bedeutung.
§ 116a SGB XII ist im Zusammenhang mit §
9 Abs
3 AsylbLG iVm § 44 SGB X analog anzuwenden, weil das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch durch das Unterlassen einer Änderung in §
9 Abs
3 AsylbLG eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist (Greiser in juris PraxisKommentar
[jurisPK] SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 21 ff). Eine direkte Anwendung des § 116a SGB XII scheidet hingegen aus. Zwar werden Leistungen nach §
2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht (§
2 Abs
1 AsylbLG); jedoch betrifft diese Regelung nach ihrem Wortlaut ("abweichend von §§
3 bis
7"), gleich ob sie eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung enthält (offengelassen in BSGE 101, 49 ff RdNr 14 = SozR 4-3520 §
2 Nr 2), nur das Leistungsrecht des
AsylbLG. Deshalb bedarf es für eine direkte Anwendung der den Zeitraum des § 44 Abs 4 SGB X von vier auf ein Jahr verkürzenden Regelung eines besonderen Anwendungsbefehls, der in §
9 Abs
3 AsylbLG aber nicht enthalten ist. §
9 Abs
3 AsylbLG sieht selbst (noch) keine Modifikation des § 44 Abs 4 SGB X vor.
Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung - hier des § 116a SGB XII - auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist geboten, wenn dieser Sachverhalt mit
dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche
Bewertung erfordert (BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 2 RdNr 15). Daneben muss eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegen (BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN; BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSGE 89, 199, 202 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 21 S 95 f mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die zu regelnden Sachverhalte sind nicht nur im Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II, dort § 40 Abs 1 Satz 2) und im SGB XII, für die die Jahresbegrenzung eingefügt worden ist, sondern auch im
AsylbLG in diesem Sinn gleichartig. Das SGB II, das SGB XII und das
AsylbLG sind Existenzsicherungssysteme, die alle das Ziel haben, den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen
(§ 1 Abs 1 SGB II; § 1 Abs 1 Satz 1 SGB XII; BT-Drucks 12/4451 Satz 1 und 3, wonach die fürsorgerischen Gesichtspunkte der Leistungen an Asylbewerber durch das
AsylbLG gewahrt bleiben). Ebenso ist allen drei Existenzsicherungssystemen gemeinsam, dass die gewährten Leistungen einen aktuellen
Bedarf bei aktueller Hilfebedürftigkeit decken sollen (sog Aktualitätsgrundsatz, vgl nur Pattar in Existenzsicherungsrecht,
2. Aufl 2013, S 136) und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet sind (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05; BVerwGE 60, 236, 238; 66, 335, 338), sodass Leistungen im Rahmen eines Zugunstenverfahrens für die Vergangenheit nur zu erbringen sind, wenn
die Existenzsicherungsleistungen ihre Aufgabe noch erfüllen können (BSGE 104, 213 ff RdNr 12 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; SozR 4-1300 § 44 Nr 12 RdNr 14 f).
Dieser Gedanke war auch Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung des § 116a SGB XII. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X für die Leistungen, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts dienten und dabei in besonderem
Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten (sog Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Eine kürzere Frist von einem
Jahr sei sach- und interessengerecht (BT-Drucks 17/3404, S 114, 129). Nichts anderes kann aber angesichts der Gleichartigkeit
der zu regelnden Sachverhalte für Leistungen nach dem
AsylbLG gelten. Die in den Regelungen des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II und § 116a SGB XII zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung muss deshalb für das
AsylbLG übernommen werden. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ursprüngliches Ziel der Leistungen nach
dem
AsylbLG eine "deutliche Absenkung" der früher nach § 120 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz gewährten Leistungen war, also eine Schlechterstellung der Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG (BT-Drucks 12/4451 Satz 1; vgl insoweit aber BVerfG SozR 4-3520 §
3 Nr 2). Dieses Ziel würde konterkariert, wären im Zugunstenverfahren Leistungen nach dem AsylblG (anders als nach dem SGB II bzw dem SGB XII) annähernd bis zu fünf Jahren rückwirkend zu erbringen.
Die Gleichartigkeit der Sachverhalte im SGB II, dem SGB XII und dem
AsylbLG gebietet auch eine gleiche Behandlung. Dies bestätigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit
des §
3 AsylbLG (BVerfG SozR 4-3520 §
3 Nr 2), wonach das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen,
die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht. Umgekehrt muss das aber auch für Einschränkungen
bei der Nachzahlung zu Unrecht vorenthaltener Leistungen gelten. Deshalb soll nach dem Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes
zur Änderung des
AsylbLG (Bearbeitungsstand 4.12.2012; http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/bverfg-asylblg-novelle.html) der Vorschrift
des § 9 Abs 3 folgender Satz 2 angefügt werden (Referentenentwurf S 4): "§ 44 Abs 4 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt." Zur Begründung wird
ausgeführt, es werde den Besonderheiten des
AsylbLG nicht gerecht, Bedarfe, die tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, auch für Zeiträume, die länger in die Vergangenheit zurückreichten,
rückwirkend zu gewähren. Die Vierjahresfrist des § 44 SGB X sei für steuerfinanzierte Leistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts und damit in besonderem Maße der Deckung gegenwärtiger
Bedarfe dienten, zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht. Insofern müssten dieselben Grundsätze
wie in § 116a SGB XII und in § 40 Abs 1 SGB XII gelten. Entsprechend werde §
9 Abs
3 AsylbLG so abgeändert, dass § 44 SGB X zukünftig auch im
AsylbLG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein solcher von einem Jahr trete (Referentenentwurf
S 15 f, aaO). Die Begründung im Referentenentwurf ist damit annähernd wortgleich zu der Begründung der Änderung des § 40 Abs 1 SGB II und der Einfügung des § 116a SGB XII (BT-Drucks aaO).
Es fehlt auch nicht deshalb an der vergleichbaren Interessenlage, weil die Anträge nach § 44 SGB X auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3
AsylbLG betreffen und das System des
AsylbLG in erster Linie als Sachleistungssystem ausgestattet ist. Zum einen sind hier solche Leistungen nicht betroffen, sondern
Leistungen nach §
2 AsylbLG, die in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht werden, sodass es nicht einzusehen ist, weshalb insoweit eine Besserstellung des Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG erfolgen soll; zum anderen wären Sachleistungen für die Vergangenheit nicht zu erbringen, sondern allenfalls ohnehin Geldleistungen
im Sinne eines Sekundäranspruchs. Im Übrigen sehen auch das SGB II und das SGB XII die - allerdings eingeschränkte - Möglichkeit vor, Sachleistungen zu erbringen. Bei der Prüfung, ob die beiden verglichenen
Sachverhalte in einer die Analogie ermöglichenden Weise "gleich" bzw "ähnlich" sind, ist die Grenze (erst) dort zu ziehen,
wo durch die entsprechende Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt würde. Dies ist zwar schon dann zu bejahen,
wenn es nur zweifelhaft ist, ob der Unterschied zwischen den verglichenen Sachverhalten nicht doch so groß ist, dass durch
eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt sein könnte (BSGE 57, 195 ff = SozR 1500 § 149 Nr 7). Derartige Zweifel bestehen aber nach oben Gesagtem gerade nicht. So sieht auch der Referentenentwurf
(aaO) eine § 116a SGB XII identische Regelung bei annähernd identischer Begründung vor, ohne zwischen den jeweiligen Leistungen nach dem
AsylbLG zu unterscheiden.
Dies rechtfertigt auch die Folgerung einer durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und Änderung des Zweiten und
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entstandenen (unbewussten) planwidrigen Regelungslücke (vgl auch: Greiser in jurisPK-SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 27; Scheider in Hohm,
AsylbLG, §
9 RdNr 73, Stand Dezember 2012, der ein gesetzgeberisches Versehen wegen unterschiedlicher ministerieller Zuständigkeiten vermutet).
Diese hat der Gesetzgeber mittlerweile selbst erkannt, der, wie die beabsichtigte Ergänzung von §
9 Abs
3 AsylbLG und insbesondere die Begründung im Referentenentwurf zeigen, die Gesetzeslücke nachträglich schließen will. Die Annahme einer
Gesetzeslücke verbietet sich - anders als der Kläger meint - nicht etwa deshalb, weil in der BT-Drucks 17/3404 die Leistungen
nach dem
AsylbLG bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Gesetz zur Ermittlung
von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ausdrücklich genannt werden (S 45 und 47) und in der dritten Beratung des Gesetzentwurfs (Plenarprotokoll 17/79) über den
Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" zur Ergänzung des Kreises der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII um bisherige Leistungsberechtigte nach dem dann aufzuhebenden
AsylbLG (BT-Drucks 17/4106) abgestimmt wurde. Denn die Ausführungen in der BT-Drucks 17/3404 betreffen nur die finanziellen Auswirkungen
des Regelbedarfsermittlungsgesetzes, die natürlich auch Asylbewerber betreffen, die Leistungen entsprechend dem SGB XII erhalten. Auch der Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" betrifft allein die Höhe der Leistungen. Der Entwurf eines
Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die den Regelbedarf nach dem SGB II und dem SGB XII betreffende Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die zitierten amtlichen Drucksachen und Protokolle betreffen ebenfalls unmittelbar oder mittelbar
nur den Regelbedarf bzw die Höhe der Leistungsgewährung, haben jedoch keinen Bezug zur Ergänzung des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II bzw des § 116a SGB XII. Sie sind deshalb weder Beleg dafür, dass Leistungen nach dem
AsylbLG bewusst ausgeklammert worden sind, noch begründen sie einen solchen Zweifel. Der Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes
zur Änderung des
AsylbLG belegt insoweit sogar das Gegenteil (dazu oben).
An diesem Ergebnis ändert die beabsichtigte Übergangsregelung in §
14 AsylbLG des Referentenentwurfs (Referentenentwurf S 5) nichts, wonach §
9 Abs
3 Satz 2
AsylbLG nicht bei Anträgen nach § 44 SGB X anwendbar sein soll, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung gestellt worden sind. Damit ist bereits keine
die Analogie verbietende Regelung beabsichtigt. Ohnedies verbleibt es bis zum möglichen Inkrafttreten bei der Gesetzeslücke,
die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist.
Schließlich besteht im öffentlichen Recht auch kein allgemeines Analogieverbot zum Nachteil von Bürgern, also der analogen
Anwendung einer "belastenden" Norm (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2; BSG SozR 3-4100 § 59e Nr 1 S 6; SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 23). Aus der Bindung an "Gesetz und Recht" (Art
20 Abs
3 Grundgesetz [GG]) ergibt sich, dass Exekutive und Judikative bei der Normanwendung - von speziellen verfassungsrechtlichen Analogieverboten
wie Art
103 Abs
2 GG abgesehen - nicht auf den ausdrücklich bestimmten Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen beschränkt sind, sondern
das Recht insgesamt anwenden müssen (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2). Infolgedessen sind auch belastende Normen des öffentlichen Rechts analog anzuwenden, sofern
sich die Übertragung auf einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fall - wie hier - wegen der Gleichartigkeit der Sachverhalte
gebietet und die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sicherstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.