SGB-II-Leistungen
Übernahme von Bestattungskosten
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Darlegung einer Breitenwirkung
Gründe:
I
Im Streit ist die Verpflichtung des Beklagten, die Bestattungskosten für die im Juni 2012 verstorbene Mutter der Klägerin
zu zahlen (1242,36 Euro).
Die 1992 geborene Klägerin ist eines von fünf Kindern ihrer 2012 verstorbenen Mutter. Bis auf den 1990 geborenen Bruder der
Klägerin, der damals allein von der Unterstützung der Mutter seines Kindes lebte, schlugen alle Kinder und Verwandten der
Verstorbenen die Erbschaft aus. Die Klägerin, die 2012 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) erhielt, sorgte für die Bestattung ihrer Mutter und beantragte Anfang Juli 2012 beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten.
Dieser lehnte den Antrag unter Verweis auf die vorrangige Kostentragungspflicht des Bruders der Klägerin ab (Bescheid vom
23.8.2012; Widerspruchsbescheid vom 13.11.2012). Auf dessen Antrag versagte der Beklagte die Übernahme von Bestattungskosten,
weil die angeforderten Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht eingereicht worden seien (Bescheid
vom 15.8.2012). Die Klage der Klägerin auf Zahlung von 1242,36 Euro ist in beiden Instanzen erfolgreich gewesen (Urteil des
Sozialgerichts [SG] Hildesheim vom 21.2.2014; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen-Bremen vom 28.9.2017).
Mit seiner Beschwerde macht der Beklagte Verfahrensfehler sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er
rügt, dass das LSG über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.9.2017 zu verlegen, nicht vor Beginn der
Sitzung entschieden habe. Damit sei sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden.
Zudem sei grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage (Frage 1), ob sich eine Verpflichtung nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.12.2011 (IV ZR 132/11) weiterhin auch aus landesrechtlichen Bestattungsvorschriften ergebe. Der BGH habe dargelegt, dass sich aus den landesrechtlichen
Bestattungspflichten keine Kostentragungspflicht ergebe, die dann zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen führen könne. Insoweit
sei fraglich, ob an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch festgehalten werden könne, wonach sich eine Kostentragungsverpflichtung aus § 74 SGB XII auch aus landesrechtlichen Bestattungsgesetzen ergeben könne. Grundsätzlich bedeutsam sei darüber hinaus die Frage (Frage
2), ob der Anspruch nach § 74 SGB XII auf den Anteil des Antragstellers im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung beschränkt sei. Denn es sei zu berücksichtigen,
dass die Klägerin nach dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz gemeinsam mit ihren Geschwistern bestattungspflichtig und kostentragungspflichtig sei. Hieraus ergäben sich bundesgesetzlich
vorgesehene Ausgleichsansprüche der gesamtschuldnerischen Haftung. Darüber hinaus sei grundsätzlich bedeutsam (Frage 3), ob
ein Anspruch eines nachrangig Verpflichteten dem Grunde nach ausgeschlossen sei, wenn ebenfalls ein Anspruch des endgültig
Kostentragungspflichtigen vorliege.
II
Die Beschwerde ist unbegründet. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Der Beklagte behauptet zwar, über seinen Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, habe das LSG nicht
vor dem Termin entschieden und damit seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG; Art
103 Grundgesetz [GG]) verletzt. Allerdings liegt dieser Verfahrensmangel tatsächlich nicht vor; in seiner Beschwerdebegründung hat der Beklagte
den Sachverhalt insoweit unzutreffend dargestellt. Denn tatsächlich hatte das LSG auf den ersten Verlegungsantrag des Beklagten
vom 19.9.2017 mitgeteilt (Schreiben vom 21.9.2017), dass es diesem nicht stattgeben werde und dem Beklagten aufgegeben, sich
durch einen anderen Mitarbeiter oder eine entsprechend unterrichtete Person der Stadt H im Termin vertreten zu lassen. Daraufhin
hatte der Beklagte mitgeteilt (Schreiben vom 27.9.2017), dass auch die Mitarbeiter der Stadt H gehindert seien, den Termin
wahrzunehmen. Es werde um Verständnis gebeten, dass eine Teilnahme am Termin nicht in Aussicht gestellt werden könne. Anders
als vom Beklagten in seiner Beschwerdebegründung dargestellt, hat er mit diesem Schreiben also gerade nicht zum Ausdruck gebracht,
am Verlegungsantrag festhalten zu wollen, sondern - im Gegenteil - mitgeteilt, dass der Termin ohne einen Vertreter des Beklagten
stattfinden müsse. Eine weitere Reaktion des LSG musste daraufhin nicht erfolgen; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des
Beklagten liegt deshalb nicht vor. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin trotz der Anordnung ihres persönlichen
Erscheinens nicht zum Termin erschienen sei und das LSG (dennoch) mündlich verhandelt habe, ist schon nicht erkennbar, wie
dadurch ein eigenes Recht des Beklagten verletzt sein soll.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Beklagte nicht ordnungsgemäß dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat
eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht
zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog
Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Im Hinblick auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage 1 zur Bedeutung der "Entscheidung" des BGH vom 14.12.2011 für einen Anspruch
nach § 74 SGB XII fehlt es bereits an einer konkreten Rechtsfrage, die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Beantwortung der allgemein
gehaltenen Frage nach einer Verpflichtung aus landesrechtlichen Vorschriften würde vielmehr eine kommentar- oder lehrbuchartige
Aufbereitung durch den Senat verlangen, was gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann. Im Übrigen fehlt
es an Darlegungen dazu, an welcher Stelle seiner "Entscheidung" der BGH die vom Beklagten behauptete Aussage überhaupt getroffen
haben soll. Die einzige Auseinandersetzung des BGH mit landesrechtlichen Bestattungspflichten erfolgt in RdNr 12 seines Hinweisbeschlusses;
eine Aussage dergestalt, wie sie vom Beklagten in der Frage 1 formuliert worden ist, hat der BGH an dieser Stelle nicht getroffen.
Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, den Beschluss des BGH auf - weitere - vermeintliche Übereinstimmungen mit der vom Beklagten
formulierten Frage zu durchforsten. Im Übrigen hat das LSG den Beschluss des BGH in seiner Entscheidung in Bezug genommen,
ohne dass sich der Beklagte in seiner Beschwerdebegründung mit den entsprechenden Ausführungen des LSG auseinander gesetzt
hätte.
Soweit der Beklagte weiter ausführt, grundsätzlich bedeutsam sei auch die Frage (Frage 2), ob der Anspruch nach § 74 SGB XII auf einen gesamtschuldnerischen Anteil begrenzt sei, fehlt es nicht nur an Darlegungen zum niedersächsischen Landesrecht,
die der Beklagte zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Klägerin mit ihrem Bruder heranzieht, und der Frage
der Revisibilität dieses Landesrechts, sondern auch an einer Auseinandersetzung mit der zu dieser Frage bereits ergangenen
Rechtsprechung des BGH im Übrigen (vgl nur BGH vom 11.6.1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457 ff; BGH vom 8.3.1990 - III ZR 81/88 - BGHZ 110, 313, 318). Es fehlen auch Ausführungen dazu, warum der Klägerin die Kostentragung nach § 74 SGB XII zumutbar ist, sie also tatsächlich einen Anspruch gegen ihren Bruder hätte realisieren können und müssen. Zur zuletzt formulierten
Rechtsfrage (Frage 3) behauptet der Beklagte lediglich, dass der Bruder der Klägerin endgültig kostentragungspflichtig sei
(vgl insoweit BSGE 104, 219 RdNr 20), erläutert dies aber nicht ansatzweise. Zudem fehlt es an der hinreichenden Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit
der Rechtsfrage, weil das BSG nach eigenem Vortrag des Beklagten bereits entschieden habe, dass im Falle zweifelhafter Ausgleichsansprüche eine Einschränkung
des § 74 SGB XII nicht in Betracht komme. Der Vortrag im Übrigen ist nur auf die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Entscheidung
des LSG gerichtet, die aber nicht genügen kann, um die Zulassung der Revision zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.