Gründe:
I
Im Streit sind (noch) Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.1.2003 bis 31.12.2004 nach dem Grundsicherungsgesetz
(GSiG) sowie für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.1.2006 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die 1969 geborene Klägerin ist schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Bei ihr sind die Nachteilsausgleiche
"G", "H" und "RF" festgestellt worden. Sie lebt bei ihren Eltern in deren Eigenheim, ohne dass ein (Unter-)Mietverhältnis
begründet oder eine finanzielle Belastung der Klägerin an den Gesamtkosten der Unterkunft vereinbart worden wäre; vertragliche
Verpflichtungen gegenüber Gemeinde, Energieversorger oder Versicherung im Zusammenhang mit Nebenkosten und Heizung sind von
der Klägerin ebenfalls nicht aufzubringen. Ab 1.1.2003 bezog sie Leistungen nach dem GSiG und ab dem 1.1.2005 nach § 41 ff SGB XII (Bescheid vom 17.4.2003, 15.9.2005, zwei Bescheide vom 16.9.2005, Bescheide vom 21.9.2005 und 2.12.2005; Widerspruchsbescheid
vom 9.3.2006 unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter). Die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung lehnte
der Beklagte dabei mit der Begründung ab, die Klägerin habe insoweit keine Aufwendungen.
Die Klage, mit der die Klägerin unter anderem Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend gemacht hat, hat das Sozialgericht
(SG) Stade abgewiesen, weil die Klägerin keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe (Urteil vom 5.1.2007). Das Landessozialgericht
(LSG) Niedersachsen-Bremen hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten verurteilt, "der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar
2003 bis zum 31. Januar 2006 höhere Grundsicherungsleistungen für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, und zwar
unter Berücksichtigung von einem Drittel der für das Haus L. anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" (Urteil
vom 27.8.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass die Aufwendungen für die Unterkunft einer
hilfebedürftigen Person, die mit nicht hilfebedürftigen, mit ihr verwandten oder verschwägerten Personen in Haushaltsgemeinschaft
lebten, in einem Teil der angemessenen Aufwendungen bestünden, die für die Wohnung der Haushaltsgemeinschaft zu entrichten
seien. Die Unterkunftskosten seien dabei nach Kopfzahlen - hier drei - aufzuteilen. Dies gelte auch dann, wenn tatsächliche
Aufwendungen im Sinne der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen nicht bestünden.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 3 Abs 1 Nr 2 GSiG sowie des § 42 Satz 1 Nr 2 SGB XII. Übernahmefähig seien danach nur tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die der Klägerin nicht entstanden
seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, soweit Kosten für Unterkunft und Heizung in der Zeit vom 1.1.2003 bis zum 31.1.2006 betroffen sind.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das LSG hat zu Unrecht den Beklagten zur Zahlung anteiliger Aufwendungen für Unterkunft und Heizung verurteilt. Die
Klägerin hat in dem streitigen Zeitraum von Januar 2003 bis Januar 2006 keinen Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung,
der von dem Beklagten zu decken war.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 15.9.2005, 16.9.2005 (zwei Bescheide) sowie die Änderungsbescheide vom 21.9.2005
und 2.12.2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.3.2006. Der ursprüngliche Bescheid vom 17.4.2003, mit dem Leistungen
der Grundsicherung nach dem GSiG ab 1.1.2003 bewilligt wurden, ist - soweit es den streitbefangenen Zeitraum betrifft - durch die genannten Bescheide, die
Gegenstand des Vorverfahrens nach §
86 SGG geworden sind, ersetzt worden. Gegenstand des Verfahrens ist, was vom LSG übersehen wurde, insoweit auch der Bescheid vom
2.12.2005, mit dem der Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 15.9.2005 idF des Änderungsbescheids vom 21.9.2005 die Leistungen
für den Monat Januar 2006 auf 28,26 Euro festgesetzt hat.
Der Senat hat hinsichtlich der angegriffenen Bescheide nur über die Kosten von Unterkunft und Heizung zu entscheiden, nachdem
die Klägerin den ursprünglichen Klagegegenstand, höhere Leistungen nach dem GSiG bzw SGB XII, durch ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
zulässigerweise (BSGE 103, 181 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 42 Nr 2; zum Recht des SGB II: BSGE 97, 217 ff RdNr 18 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSGE 104, 41 ff RdNr 13 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 10) beschränkt hat. Bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare
selbstständige Ansprüche (BSGE 97, 217 ff RdNr 18 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R- RdNr 10). Dabei spielt es keine Rolle, dass eine ausdrückliche Ablehnung von Kosten für Unterkunft und Heizung in den
angegriffenen Bescheiden im Sinne einer Verfügung fehlt, weil eine solche Ablehnung stillschweigend in den Bewilligungsbescheiden
enthalten ist, sich hiergegen der Widerspruch richtete und in dem Widerspruchsbescheid vom 9.3.2006 ausdrücklich eine (den
Widerspruch zurückweisende) Entscheidung über Kosten für Unterkunft und Heizung getroffen wurde.
Mangels in Niedersachsen angeordneten Behördenprinzips (vgl §
70 Nr 3
SGG) richtet sich die Klage zu Recht gegen den Rechtsträger, hier den Landkreis Cuxhaven als sachlich (§ 1 des Niedersächsischen
Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung [Nds AG-GSiG]
vom 20.11.2002 - GVBl 728 iVm § 4 Abs 1 und 3 GSiG; ab 1.1.2005 §§ 3 Abs 2, 97 SGB XII iVm dem Niedersächsischen Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs vom 16.12.2004 - GVBl 644)
und örtlich (§ 4 Abs 1 GSiG; ab 1.1.2005 § 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII) zuständigen Träger der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem GSiG bzw nach dem SGB XII.
Hieran ändert auch nichts, dass die Samtgemeinde Beverstedt die ursprüngliche Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung getroffen hat; dies beruhte auf § 3 Nds AG-GSiG iVm § 4 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (vom 20.3.1997 - GVBl 85), wonach die Landkreise
zur Durchführung der ihnen als Grundsicherungsträger obliegenden Aufgaben unter anderem Samtgemeinden heranziehen können.
Hiervon hatte der Landkreis Cuxhaven in der Satzung über der Heranziehung der Gemeinden und Samtgemeinden des Landkreises
Cuxhaven sowie der Stadt Langen zur Durchführung von Aufgaben nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung vom 18.12.2002 (Amtsblatt Landkreis Cuxhaven Nr 1 vom 2.1.2003) zunächst Gebrauch gemacht.
Dabei kann dahinstehen, ob die Entscheidung der Samtgemeinde eigenverantwortlich in eigenem Namen oder in einem bloßen Auftragsverhältnis
zum Landkreis erging; denn die Satzung vom 18.12.2002 trat nach § 7 Abs 2 Nr 2 der Satzung über die Heranziehung der Gemeinden
und Samtgemeinden des Landkreises Cuxhaven sowie der Stadt Langen zur Durchführung von Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch - Sozialhilfe - vom 8.12.2004 (Amtsblatt Landkreis Cuxhaven Nr 48 vom 30.12.2004) am 1.1.2005 außer Kraft. Zwar
sah die (neue) Satzung vom 8.12.2004 für Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII die Heranziehung der Samtgemeinde Beverstedt ab
1.1.2005 vor (§ 1 der Satzung). Die mit der Satzung übertragenen Aufgaben wurden aber nach § 7 Abs 1 dieser Satzung ab dem
1.1.2006 wieder vom Landkreis Cuxhaven wahrgenommen.
Wird ein Gesetz mit verwaltungsverfahrensrechtlichem Inhalt während des gerichtlichen Verfahrens geändert, so richtet sich
der zeitliche Anwendungsbereich des Gesetzes nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts, sofern nicht
ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes festzustellen ist (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17). Danach
sind Änderungen des Verfahrensrechts - soweit nichts anderes vorgeschrieben - bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten.
Deshalb ist das ab 1.1.2006 geltende Recht anzuwenden.
Ob die - vom LSG bejahten - Voraussetzungen für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem GSiG bzw nach dem SGB XII für den streitigen Zeitraum gegeben sind, kann hier dahingestellt bleiben, weil ein Anspruch auf Leistungen
für Unterkunft und Heizung - auf den die Klage beschränkt wurde - unabhängig vom Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen
schon mangels Bedarf ausscheidet. Nach § 3 Abs 1 Nr 2 GSiG umfasst die bedarfsorientierte Grundsicherung die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Eine
entsprechende Regelung für die Zeit ab 1.1.2005 sieht § 42 Nr 2 SGB XII vor. Danach umfassen die Leistungen der Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29
SGB XII. Nach § 29 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht.
Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin jedoch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Insoweit kommt nach
dem Wortlaut der genannten Bestimmungen nur die Berücksichtigung tatsächlich anfallender Kosten als die Hilfebedürftigkeit
begründender Bedarf in Betracht (BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 14), wenn - wie hier - eine hilfebedürftige Person mit nichthilfebedürftigen
verwandten oder verschwägerten Personen in Haushaltsgemeinschaft lebt. Die vom LSG herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG), die eine Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen vorsah, trifft nicht den vorliegenden
Sachverhalt. Dort hatte - anders als vorliegend - die Hilfebedürftige über ihren Kopfteil hinausgehende Kosten für Unterkunft
und Heizung (BVerwGE 79, 17, 21 f). Die Kopfteilmethode kann deshalb insbesondere zur Vermeidung eines Missbrauchs ihre Rechtfertigung erhalten, wenn
überhaupt Kosten der Unterkunft anfallen, insbesondere wenn auch die übrigen Mitglieder des Haushalts hilfebedürftig sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.