Parallelentscheidung zu BSG B 8 SO 33/20 BH v. 30.03.2021
Gründe
I
Im Streit ist ein Zuschuss zur Beschaffung von Winterbekleidung.
Der Kläger lebt seit Januar 2016 in einer Notunterkunft im Stadtgebiet der Beklagten. Bei einer Zwangsräumung aus der vorherigen
Unterkunft ist seine persönliche Habe verloren gegangen. Er bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung
(DRV) Rheinland und erhält von der Beklagten seit März 2016 laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
(Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SG XII). Einen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für Winterbekleidung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27.11.2017; Widerspruchsbescheid der Städteregion Aachen vom 16.1.2018). Zuvor waren bereits ähnliche Anträge für Sommer- und Winterbekleidung abgelehnt worden. In den deshalb vor dem Landessozialgericht
(LSG) Nordrhein-Westfalen geführten Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens und der Sozialhilfeträger
am Ort der früheren Wohnung einen Vergleich, in dessen Ergebnis an den Kläger ein Zuschuss für die Erstausstattung von Sommer-
und Winterbekleidung in Höhe von 350 Euro gezahlt wurde (Vergleich vom 5.3.2018). Die vorliegende Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Aachen vom 26.4.2018; Urteil des LSG vom 29.6.2020). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 31 Abs 1 Nr 2 SGB XII scheide aus, weil der Kläger nicht behaupte, es habe nach der Zwangsräumung ein weiteres Ereignis zum Verlust seiner Bekleidung
geführt, sondern geltend mache, mit dem vergleichsweise gezahlten Betrag könne er seinen Bedarf nicht decken. Den Umständen,
die zum Abschluss des Vergleichs geführt hätten, lasse sich aber entnehmen, dass eine endgültige und umfassende Einigung über
den Anspruch auf Erstausstattung im Anschluss an die Zwangsräumung erfolgt sei. Dies stehe einem Anspruch auf einen höheren
Betrag entgegen. Einen Anspruch auf die Gewährung eines ergänzenden Darlehens wegen eines unabweisbaren Bedarfs für Kleidung
(§ 37 Abs 1 SGB XII) mache der Kläger ausdrücklich nicht geltend.
Der Kläger beantragt beim Bundessozialgericht (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Die Frage der Reichweite eines Vergleichs wirft keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Ob mit dem Vergleich eine
endgültige Regelung wegen der Erstausstattung für Bekleidung nach deren Verlust zu Beginn des Jahres 2016 geregelt worden
ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Übrigen liegt wegen der Frage, wann ein Anspruch auf Erstausstattung besteht, gefestigte
Rechtsprechung des BSG zu der für erwerbsfähige Leistungsberechtigte geltenden Parallelvorschrift (§ 24 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <SGB II>) vor (vgl zum Begriff der Erstausstattung nur BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 8; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - juris RdNr 16; zur Bemessung der Höhe des Anspruchs BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12 RdNr 26 ff). Es ist nicht erkennbar, dass sich im Anwendungsbereich des SGB XII abweichende Fragen stellen könnten (vgl bereits BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 13/18 R - SozR 4-3500 § 31 Nr 1 RdNr
12). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nach dem Vorstehenden ebenso wenig.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend machen könnte. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG in der Besetzung mit der vom Kläger zu Beginn
der mündlichen Verhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richterin das gestellte Ablehnungsgesuch zurückgewiesen
und sodann in der Sache verhandelt und entschieden hat. Diese Vorgehensweise war zulässig; denn das vom Kläger angebrachte
Gesuch, mit dem er sich auf die Behauptung der Voreingenommenheit der Richterin wegen einer Parteizugehörigkeit beschränkt
hat, war rechtsmissbräuchlich. Es handelte sich um eine pauschale Ablehnung der Richterin auf Grundlage von Behauptungen ohne
jeden sachlichen Kern. Damit konnte in der Besetzung mit der abgelehnten Richterin entschieden werden (vgl BVerfGE 131, 239, 252 f; BVerfGK 5, 269, 280 f).
Mit der Ablehnung der PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).