Erteilung einer Zusicherung
Notwendige Beiladung
Beiladung eines Leistungserbringers
1. Nach §
75 Abs.
2 1. Alt.
SGG sind Dritte dann beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch
ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung).
2. Danach ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer i.S. des § 75 SGB XII bei einem beantragten Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung notwendig beizuladen; dies gilt auch im Verhältnis
zu ambulanten Diensten.
3. Die Entscheidung kann ihm gegenüber nur einheitlich ergehen; denn der Leistungsempfänger begehrt mit der "Übernahme" von
Pflegekosten neben der Zahlung an den Leistungserbringer einen Schuldbeitritt zu einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem
Leistungserbringer.
4. Eine Beiladung des Leistungserbringers ist dagegen nicht notwendig i.S. des §
75 Abs.
2 1. Alt.
SGG, wenn der Kläger mit seiner Klage (auf Erteilung einer Zusicherung) nicht schon den Beitritt zu einer im Einzelnen hinreichend
bestimmbaren künftigen Schuld verlangt, sondern gerade im Streit steht, ob mit den im Kostenvoranschlag des Pflegedienstes
aufgeführten Verrichtungen der bestehende Pflegebedarf gedeckt werden kann.
Gründe:
I
Im Streit ist die Erteilung einer Zusicherung durch den Beklagten.
Der 1961 geborene, schwer behinderte Kläger (Grad der Behinderung von 90; Merkzeichen "B", "G" und "aG") lebt seit März 2008
in einer stationären Pflegeeinrichtung. Er bezieht neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung Leistungen der sozialen
Pflegeversicherung (bis zum 31.12.2016 nach der Pflegestufe 3) und Leistungen zur stationären Dauerpflege vom Beklagten. Im
Juni 2009 beantragte er Hilfe zur Pflege in Form ambulanter Leistungen, weil er zum 1.7.2009 das Pflegeheim verlassen und
(wieder) in einer eigenen Wohnung von dem ihm bereits bekannten ambulanten Pflegedienst P betreut werden wolle. Dazu legte
er einen Kostenvoranschlag des Pflegedienstes vor. Antrag, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 25.6.2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009; Urteil des Sozialgerichts [SG] Stade vom 26.4.2012; Urteil des Landessozialgerichts
[LSG] Niedersachsen-Bremen vom 26.5.2016). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klage sei - entgegen
der Auffassung des SG - nicht auf Kostenübernahme gerichtet, weil dem Kläger Kosten für ambulante Leistungen bislang nicht entstanden seien. Sie
sei dahin auszulegen, dass er eine Zusicherung des Beklagten begehre, im Falle eines künftigen Wechsels aus der stationären
Einrichtung in eine eigene Wohnung ambulante Leistungen der Hilfe zur Pflege in erforderlichem Umfang zu erhalten. Vor diesem
Hintergrund sei eine Beiladung des Pflegedienstes nicht erforderlich gewesen; denn mit der Entscheidung werde nicht unmittelbar
in Rechtsbeziehungen in einem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis eingegriffen; er, der Kläger, sei noch keiner Zahlungsverpflichtung
hinsichtlich ambulanter Leistungen ausgesetzt. Ein Anspruch auf Zusicherung bestehe in der Sache nicht, weil sich nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme die begehrte ambulante Pflege gegenüber der stationären Pflege in der Einrichtung im Hinblick
auf die beim Kläger bestehenden umfassenden Pflegebelange, die den im Kostenvoranschlag beschriebenen Umfang bei weitem überstiegen,
als nicht geeignet erweise.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht einen
Verfahrensmangel geltend. Er rügt die Verletzung von §
75 Abs
2 1. Alt
Sozialgerichtsgesetz (
SGG); das LSG habe zu Unrecht von einer notwendigen Beiladung des zur ambulanten Versorgung von Pflegebedürftigen zugelassenen
Pflegedienstes abgesehen. Er strebe die Beauftragung dieses Dienstes an, woraus sich ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis
ergebe. Unabhängig davon, ob der Klageantrag als Antrag auf Beitritt zu einer Schuld oder als Zusicherung hierauf zu verstehen
sei, könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur durch eine notwendige Beiladung des Leistungserbringers den Interessen aller am Dreiecksverhältnis Beteiligten entsprochen
werden.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel der fehlenden notwendigen
Beiladung zwar den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG entsprechend bezeichnet; der Verfahrensfehler liegt aber nicht vor.
Nach §
75 Abs
2 1. Alt
SGG sind Dritte dann beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch
ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Danach ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer
iS des § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bei einem beantragten Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung notwendig beizuladen (vgl nur BSGE 102, 1 ff RdNr 13 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9); dies gilt auch im Verhältnis zu ambulanten Diensten (vgl zuletzt BSG SozR 4-3500 § 65 Nr 5 RdNr 10). Die Entscheidung kann ihm gegenüber nur einheitlich ergehen; denn der Leistungsempfänger begehrt mit der "Übernahme"
von Pflegekosten neben der Zahlung an den Leistungserbringer einen Schuldbeitritt zu einer Zahlungsverpflichtung gegenüber
dem Leistungserbringer.
Eine Beiladung des Leistungserbringers ist dagegen nicht notwendig iS des §
75 Abs
2 1. Alt
SGG, wenn der Kläger mit seiner Klage (auf Erteilung einer Zusicherung) nicht schon den Beitritt zu einer im Einzelnen hinreichend
bestimmbaren künftigen Schuld verlangt (zu den Voraussetzungen an die Wirksamkeit eines solchen Schuldbeitritts vgl BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 6 RdNr 16 mwN), sondern - wie hier - gerade im Streit steht, ob mit den im Kostenvoranschlag des Pflegedienstes aufgeführten
Verrichtungen der bestehende Pflegebedarf gedeckt werden kann. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zuletzt
ausdrücklich beantragte Verurteilung des Beklagten zur Erteilung einer Zusicherung nach § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) soll ihm insoweit lediglich vor Vertragsabschluss die Gewissheit geben, ob und in welchem Umfang er seine Aufwendungen nicht
allein wird tragen müssen (dazu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 34 RdNr 6 mwN). Die Erteilung der Zusicherung mag insoweit aus den vom Kläger dargelegten Gründen die wirtschaftlichen Interessen
auch des Leistungserbringers berühren; denn sie verschaffte auch dem Leistungserbringer die Sicherheit, dass ungedeckte Kosten
ggf von einem weiteren Schuldner im Wege eines Schuldbeitritts übernommen würden. Eine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung
ihm gegenüber hätte sie aber nicht; ob in der Folge tatsächlich ein Vertrag zwischen dem Kläger und dem Pflegedienst zustande
kommt, aus dem allein der Pflegedienst Rechte ableiten könnte und der erst Voraussetzung für einen Schuldbeitritt des Beklagten
wäre, wird durch die Zusicherung gerade nicht geregelt.
Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe die ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten zum Schuldbeitritt gerichtete
Klage unzutreffend als Klage auf Zusicherung ausgelegt, genügt dieser Vortrag den Erfordernissen an die Bezeichnung eines
Verfahrensmangels nicht. Er hat insoweit schon nicht dargestellt, weshalb trotz der Änderung des Klageantrags in der mündlichen
Verhandlung, in der er anwaltlich vertreten war, das LSG verfahrensfehlerhaft von seinem Vorbringen abgewichen sein sollte.
Im Übrigen fehlt auch jede Darstellung, weshalb der ursprünglich vor dem SG gestellte Klageantrag hätte Erfolg haben können und allein der von dem Pflegedienst eingeholte Kostenvoranschlag eine hinreichend
bestimmbare Schuld begründet haben sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.