Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 9. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen das bezeichnete Urteil Prozesskostenhilfe zu gewähren
und Rechtsanwalt B., S., beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung
eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1.6.2014 bis 31.5.2015.
Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert und bezieht seit Juni 2011 von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Ihr Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 27.3.2015; Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Konstanz vom 20.12.2017;
Urteil des Landesozialgerichts Baden-Württemberg <LSG> vom 9.7.2020). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ein Anspruch auf eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 30 Abs 5 SGB XII bestehe nur bei einer aus medizinischen Gründen erforderlichen besonderen von der Vollkost, die als vom Regelsatz gedeckt
angesehen werde, abweichenden Ernährungsform. Die bei der Klägerin bestehende Fruktoseintoleranz bedinge keine solche abweichende
Ernährung. Der Senat sei nicht gehalten gewesen, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, wie es die Klägerin
mit "Schriftsatz vom 13.4.2019 beantragt und in der mündlichen Verhandlung nochmals angeregt" habe, da die durch das SG durchgeführte Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür ergebe, dass neben der Fruktoseintoleranz weitere Unverträglichkeiten
bei der Klägerin vorlägen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. beantragt. Sie rügt einen Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), weil das LSG seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt und damit den Untersuchungsgrundsatz (§
103 SGG) verletzt habe. Mit Schriftsatz vom 13.4.2019 habe sie die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt.
Diesen Beweisantrag habe sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9.7.2020 ausdrücklich aufrechterhalten.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§
109 SGG und
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB Bundessozialgericht <BSG> SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung
des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden
Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar bezeichnet die Klägerin den mit Schriftsatz vom 13.4.2019
gestellten Beweisantrag; dies allein genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Bezeichnungspflicht des Verfahrensmangels.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2 iVm §
103 SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (BSG Beschluss vom 1.9.2011 - B 8 SO 26/11 B - juris RdNr 7; BSG, Beschluss vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67 RdNr 4; vgl. BSG vom 9.5.2006 - B 9a SB 74/05 B; BSG vom 23.12.2002 - B 9 V 31/02 B; BSG vom 21.4.2004 - B 9 VG 22/03 B; BSG vom 11.9.2001 - B 9 SB 24/01 B; BSG vom 8.5.2001 - B 3 P 4/01 B - juris; BSG vom 8.3.2001 - B 9 SB 63/00 B mwN; BSG vom 3.3.1997 - 2 BU 19/97; BSG vom 23.9.1997 - 2 BU 31/97; SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 3, 5; § 160 Nr 9; 29, 31; SozR 1500 § 160 Nr 64). Der Sinn dieser Anforderungen ist es, dass - ohne gesonderte Ermittlungen - auch für das Rechtsmittelgericht klar ist, welche
Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstandes und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen Verhandlung
vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind. Mit diesen Anträgen muss sich das Urteil befassen, wenn es ihnen nicht folgt
(vgl BSG vom 25.1.2006 - B 10 LW 5/05 B - juris). Die Warnfunktion des Beweisantrags entfällt jedoch, wenn Beweisantritte lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen
Schriftsätzen enthalten sind (BSG vom 27.6.2003 - B 7 AL 2/03 B - juris RdNr 10; BSG SozR 1500 § 160 Nr 67).
Zwar behauptet die Klägerin, im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG diesen Beweisantrag ausdrücklich aufrechterhalten
zu haben, dass dies durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll bestätigt wird oder das Gericht den Beweisantrag in seinem
Urteil wiedergibt, zeigt sie aber nicht auf. Sie setzt sich auch nicht mit der diesbezüglichen Begründung im LSG-Urteil auseinander,
dass die Klägerin die Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung lediglich "angeregt" habe. Dies wäre für eine ordnungsgemäße
Bezeichnung des Verfahrensmangels aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil die bloße Anregung zu allein durch gesetzliche
Tatbestandsmerkmale bestimmten Fragen eine Beweisaufnahme durchzuführen, kein Beweisantrag iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, sondern bloß ein Beweisermittlungsantrag ist, der nicht die Warnfunktion erfüllt, die das LSG zur Prüfung der Entscheidungsreife
anhalten soll (BSG vom 19.12.2001 - B 11 AL 215/01 B - juris RdNr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 mit Hinweis auf BGHZ 66, 62, 68; vgl auch BSG vom 20.2.2001 - B 13 RJ 131/00 B).
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung ist abzulehnen; denn gemäß §
73a Abs
1 SGG iVm §
114 Zivilprozessordung (
ZPO) kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier - wie dargelegt - nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.