Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige
PKH-Verfahren
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Schuldhafte Säumnis
Zurechnung von Verschulden
1. Beantragt ein Betroffener zunächst nur die Gewährung von PKH für die beabsichtigte Durchführung eines Beschwerdeverfahrens
sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts, kann er die Entscheidung des Gerichts über die Bewilligung von PKH abwarten.
2. Ihm ist dann gemäß §
67 Abs
2 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einlegung der Beschwerde und deren Begründung zu gewähren, sobald eine formgerechte
Beschwerdeeinlegung innerhalb eines Monats nach der Entscheidung über den PKH-Antrag und die Beschwerdebegründung fristgerecht
durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten erfolgt.
3. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde und ihrer Begründung beginnt dabei mit der Zustellung des PKH-Beschlusses an den
Betroffenen selbst.
4. Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt,
die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und ihm nach
den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist.
5. Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten nach §
73 Abs
6 Satz 7
SGG iVm §
85 Abs
2 Zivilprozessordnung wie eigenes Verschulden zuzurechnen.
Gründe:
I
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige. Der Senat hat der Klägerin zur Durchführung des Verfahrens der
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23.8.2016 Prozesskostenhilfe
(PKH) bewilligt und Rechtsanwalt L. beigeordnet (Beschluss vom 16.12.2016). Dieser Beschluss ist der Tochter der Klägerin
als ihrer Generalbevollmächtigten, die für die Klägerin auch die Bewilligung von PKH zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens
beantragt hatte, am 5.1.2017 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden; dem beigeordneten Bevollmächtigten der Klägerin
wurde eine Abschrift ausweislich des von ihm unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 18.1.2017 zugestellt.
Am 13.2.2017 hat der Bevollmächtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil eingelegt. Mit
Schreiben vom 17.2.2017, eingegangen am 20.2.2017, hat er weiter ausgeführt, er bitte um Wiedereinsetzung in die versäumte
Frist zur Einlegung der Beschwerde. Er sei davon ausgegangen, die Frist beginne mit der Zustellung der PKH-bewilligenden Entscheidung
an ihn zu laufen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der Monatsfrist, die am Montag, 6.2.2017
endete, erhoben worden und damit verfristet.
Nach §
160a Abs
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Beantragt ein Betroffener zunächst nur die Gewährung von
PKH für die beabsichtigte Durchführung eines Beschwerdeverfahrens sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts, kann er die Entscheidung
des Gerichts über die Bewilligung von PKH abwarten. Ihm ist dann gemäß §
67 Abs
2 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einlegung der Beschwerde und deren Begründung zu gewähren, sobald eine formgerechte
Beschwerdeeinlegung innerhalb eines Monats nach der Entscheidung über den PKH-Antrag und die Beschwerdebegründung fristgerecht
durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten erfolgt (vgl zum Ganzen zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 8 und 11 mit umfangreichen Nachweisen, §
73a RdNr 5d; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, § 67 RdNr 47 mwN; BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 5 S 12). Die Frist zur Einlegung der Beschwerde und ihrer Begründung beginnt dabei, wie in dem an den Prozessbevollmächtigten
der Klägerin übersandten Hinweisschreiben des Senatsvorsitzenden ausdrücklich ausgeführt ist, mit der Zustellung des PKH-Beschlusses
an den Betroffenen selbst, hier also mit dem 5.1.2017, nicht mit der Zustellung an den Prozessbevollmächtigten, so dass die
am 13.2.2017 eingelegte Beschwerde verspätet erhoben ist.
Der Klägerin ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§
67 SGG) wegen Versäumung der nachzuholenden Rechtshandlung sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat die Frist nicht schuldlos versäumt.
Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die
für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und ihm nach den
gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl: BSGE 1, 227, 232; BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten
nach §
73 Abs
6 Satz 7
SGG iVm §
85 Abs
2 Zivilprozessordnung wie eigenes Verschulden zuzurechnen (vgl: BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 19 S 50 mwN; SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60 mwN).
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags lediglich vorgetragen, er sei davon ausgegangen,
die Frist zur Einlegung der Revision beginne mit der Zustellung der die PKH bewilligenden Entscheidung an ihn zu laufen. Diese
Ausführungen belegen lediglich einen Rechtsirrtum des Prozessbevollmächtigten, den dieser allerdings zu vertreten hat. Der
Bevollmächtigte ist mit einem Schreiben des Senatsvorsitzenden, das der ihm zugestellten Abschrift des Beschlusses beigefügt
war, darauf hingewiesen worden, dass es für den Lauf der Frist auf die Zustellung des Beschlusses an die Vertreterin der Klägerin
ankommt. Abgesehen davon zählt es zu den Kernaufgaben eines Rechtsanwalts, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit
eines Rechtsmittels in eigener Verantwortung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils
gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl nur: BGH, Beschluss vom 10.5.2016 - VIII ZR 19/16; Beschluss vom 22.7.2015 - XII ZB 583/14; Beschluss vom 5.6.2013 - XII ZB 47/10; Beschluss vom 17.3.2004 - IV ZB 41/03).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.