Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 16.10.2015 anstelle
des zuerkannten GdB von 30. Ein während des erstinstanzlichen Verfahrens abgegebenes Vergleichsangebot des Beklagten, den
GdB ab 6.7.2017 mit 40 zu bewerten, hat der Kläger abgelehnt. Anschließend hat das SG den GdB mit 40 für die Zeit vor dem 6.7.2017 und mit 50 ab diesem Zeitpunkt festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen
(Urteil vom 13.9.2018). Das LSG hat mit Urteil vom 18.7.2019 auf die Berufung des Beklagten die Klage umfassend abgewiesen, weil unter Berücksichtigung
der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB auf der Grundlage der aktenkundigen medizinischen Befunde der behandelnden Ärzte
und Kliniken sowie nach den vorliegenden Gutachten im Falle des Klägers der Gesamt-GdB keinesfalls mehr als 30 ab 16.10.2015
betrage. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung zulässigerweise die Entscheidung des SG im gesamten Umfang seiner Verurteilung zur Überprüfung gestellt und die umfassende Abweisung der Klage verfolgt. Zwar habe
dieser bei der schriftlichen Berufungseinlegung zunächst lediglich beantragt, das Urteil des SG abzuändern, soweit er verurteilt worden sei, beim Kläger ab dem 6.7.2017 einen höheren GdB als 40 festzustellen und die Klage
auch insoweit abzuweisen. Der Beklagte habe seine Berufung jedoch während des zweitinstanzlichen Verfahrens erweitern dürfen.
Selbst wenn es sich um eine echte Änderung nach §
99 Abs
1 SGG gehandelt haben sollte, so sei diese zulässig, da sich der durch einen vertretungsbefugten Sozialverband vertretene Kläger
in der mündlichen Verhandlung rügelos auf den erweiterten Antrag des Beklagten eingelassen habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und rügt das Vorliegen von Verfahrensmängeln. Der Beklagte habe sein Rechtsmittel beschränkt, sodass die vom LSG
angenommene Berufungserweiterung rechtsfehlerhaft gewesen sei. Zudem habe sich das LSG eigene medizinische Fachkompetenz angeeignet
und damit den Untersuchungsgrundsatz verletzt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 28.10.2019 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen,
weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem
die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Soweit die Beschwerde rügt, das LSG habe den Untersuchungsgrundsatz nach §
103 SGG verletzt, weil es sich insbesondere bzgl des Funktionssystems "Gehirn und Psyche" über sämtliche an dem Verfahren beteiligten
Einschätzungen der Ärzte hinwegsetze und sich eine medizinische Fachkompetenz anmaße, die nur einem ausgebildetem Arzt zugesprochen
werden könne, hat sie keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Ein Verfahrensmangel kann nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Einen solchen konkreten, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnet die Beschwerde jedoch nicht. Ein solcher
ergibt sich auch nicht aus dem angefochtenen Urteil. Die tatsächlich gegen die Beweiswürdigung des LSG gerichtete, also auf
eine Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG gestützte Rüge, kann nach der ausdrücklichen Regelung des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG zufolge nicht zur Revisionszulassung führen. Deshalb ist es für die Frage der Zulassung zur Revision unerheblich, dass der
Kläger mit der Auswertung und Würdigung der vorliegenden Arzt- und KIinikberichte durch das LSG bei der Bildung des Gesamt-GdB
nicht einverstanden ist (vgl Senatsbeschluss vom 16.11.2018 - B 9 V 26/18 B - juris RdNr 10). Der Kläger berücksichtigt insoweit insbesondere nicht, dass die Bemessung des GdB nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe ist (vgl Senatsbeschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - juris RdNr 5 mwN). Auch sofern die Beschwerde die "Einschätzung" der ärztlichen Bewertungen durch das LSG rügt, wendet sie sich ausschließlich
gegen dessen Beweiswürdigung und legt keine eigenständige medizinische Beurteilung des LSG dar, die eine Anmaßung medizinischer
Fachkompetenz enthalten könnte.
b) Mit der weiteren Rüge, das LSG habe unzulässig eine "Berufungserweiterung" angenommen, weil der Beklagte das Rechtsmittel
insoweit beschränkt habe, "als er zur Feststellung eines über 40 liegenden Gesamt-GdB verurteilt worden ist" und "insoweit
auch ein Verzicht" vorliege, bezeichnet die Beschwerde ebenfalls keinen Verfahrensmangel.
Mit seinen Ausführungen rügt der Kläger sinngemäß, dass das LSG teilweise unzutreffend durch Sach- statt durch Prozessurteil
entschieden habe, weil der Beklagte in Bezug auf den vom SG zugesprochenen GdB von 40 auf seine Berufung bei deren Einlegung verzichtet habe, das erstinstanzliche Urteil insoweit rechtskräftig
geworden sei und die tatsächlich getroffene Sachentscheidung des LSG sich damit über den Einwand der Rechtskraft hinweggesetzt
haben könnte (vgl zum Verfahrensmangel bei Entscheidung durch Sach- statt Prozessurteil zB Senatsbeschluss vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B - SozR 4-1500 §
144 Nr 7 RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160 RdNr 19 jeweils mwN). Hierzu hätte sich der Kläger dann aber zunächst mit der Frage auseinandersetzen müssen, unter welchen Voraussetzungen ein
beschränkter Rechtsmittelantrag einen Verzicht auf die Anfechtung des Urteils im Übrigen bedeuten kann und in welchem Umfang
Rechtskraft eintritt.
Nach §
202 Satz 1
SGG iVm §
705 Satz 2
ZPO wird der Eintritt der Rechtskraft durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt. Diese Hemmungswirkung erfasst grundsätzlich
das gesamte Urteil und nicht lediglich den Teil, der in der Rechtsmittelschrift oder in der Begründungsschrift als angefochten
bezeichnet ist, weil bei einem statthaften Rechtsmittel eine Erweiterung der Rechtsmittelanträge bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung zulässig ist, soweit nicht hinsichtlich des nicht mehr im Streit stehenden Teils ein eindeutiger Rechtsmittelverzicht
erklärt wird (vgl BSG Beschluss vom 11.10.1991 - 7 RAr 24/89 - SozR 3-1750 § 706 Nr 1 S 5 mwN; BGH Urteil vom 12.11.1997 - XII ZR 39/97 - juris RdNr 14; BGH Urteil vom 6.10.1987 - VI ZR 155/86 - juris RdNr 5). Ein Rechtsmittelverzicht muss dabei unmissverständlich den Willen zum Ausdruck bringen, dass sich ein Beteiligter mit der
Entscheidung zufrieden gibt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, vor §
143 RdNr 11 mwN). Die Stellung beschränkter Rechtsmittelanträge enthält für sich allein im Zweifel keinen Verzicht auf die Anfechtung des
Urteils im Übrigen oder auf eine künftige Erweiterung des Rechtsmittelantrags (vgl BGH Urteil vom 12.11.1997 - XII ZR 39/97 - juris RdNr 14). Denn erst mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht steht auch für die Berufung fest, wie weit
die Entscheidung der Vorinstanz angefochten wird. Bis dahin hat der Rechtsmittelantrag nur vorläufigen Charakter und kann
im Rahmen der Begründung noch erweitert werden (vgl BGH Urteil vom 6.10.1987 - VI ZR 155/86 - juris RdNr 5 mwN). Darlegungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.