Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Freistellung von der Verpflichtung zur Rückzahlung ihres Ausbildungsförderungsdarlehens gemäß § 18
a Abs. 1 BAFöG und einen Teilerlaß wegen Kindesbetreuung nach § 18 b Abs. 5 BAFöG. Sie war in den Jahren 1988 bis 1990 verpflichtet,
ihre Darlehensschuld gemäß § 18 Abs. 3 BAFöG in Vierteljahresraten von je 360 DM zu tilgen. Sie ist alleinerziehende Mutter
eines im Jahre 1987 geborenen nichtehelichen Kindes, für das sie in dem genannten Zeitraum vom Kindesvater Unterhalt in Höhe
von 271 DM monatlich erhielt. Sie selbst war in diesem Zeitraum arbeitslos und bezog zunächst Arbeitslosengeld und dann Arbeitslosenhilfe.
Die Klägerin stellte verschiedene Freistellungs- und Teilerlaßanträge, die von der Beklagten teilweise abgelehnt wurden, weil
unter Anrechnung der Unterhaltsleistungen des Kindesvaters die Schonbeträge des § 18 a Abs. 1 BAFöG überschritten würden.
Mit ihrer nach insoweit erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten
begehrt, sie für die Jahre 1988 bis 1990 von der Verpflichtung zur Rückzahlung freizustellen und ihr für diesen Zeitraum einen
Teilerlaß wegen Kindesbetreuung zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte
verpflichtet, die Klägerin für die Zeit von Januar bis März 1988 und von Oktober 1988 bis September 1990 ganz und für die
Zeit von April bis September 1988 teilweise, nämlich in Höhe von 80 DM monatlich, von der Verpflichtung zur Rückzahlung ihres
Darlehens freizustellen sowie ihr für die Zeit von Oktober 1988 bis September 1990 einen Teilerlaß wegen Kinderbetreuung zu
gewähren; im übrigen - also wegen des Freistellungs- und Teilerlaßbegehrens für Oktober bis Dezember 1990, wegen der restlichen
Freistellung in Höhe von 40 DM monatlich für April bis September 1988 und wegen des Teilerlasses für die Zeit von Januar bis
September 1988 - hat es die Berufung zurückgewiesen. Soweit es der Berufung stattgegeben hat, hat es zur Begründung im wesentlichen
folgendes ausgeführt:
Aus Sinn und Zweck des § 18 BAFöG ergebe sich, daß die Unterhaltsleistungen für das Kind der Klägerin kein Einkommen im Sinne
des § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAFöG darstellten. § 18 a Abs. 1 BAFöG gehe davon aus, daß dem Darlehensnehmer ein bestimmter Betrag
zur Verfügung stehen und er erst oberhalb dieses Betrages rückzahlungspflichtig sein solle. Dieser Betrag sei um die Freibeträge
nach § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAFöG erhöht, um den Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an Ehegatten und Kinder Rechnung zu tragen.
Solche Unterhaltsleistungen seien dann aber auch nicht als gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAFöG die Freibeträge des § 18 a Abs.
1 Satz 2 BAFöG minderndes Einkommen der Ehegatten und Kinder anzusehen; andernfalls würden diese Freibeträge praktisch leerlaufen.
Dies gelte sowohl für Barunterhalt als auch für Naturalunterhalt.
Der Einkommensbegriff in § 18 a und § 21 Abs. 3 Satz 1 BAFöG erfasse zwar außer Geld- auch Sachleistungen; denn "tatsächliche
Leistung von Beträgen" im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 BAFöG enthalte keine Beschränkung auf Geldleistungen. Die Ermittlung
der Höhe des von jedem Ehegatten in einer intakten Ehe erbrachten Kindesunterhalts begegne aber im Hinblick auf die hälftige
Unterhaltsverpflichtung beider Elternteile erheblichen praktischen Schwierigkeiten und sei im Rahmen einer Massenverwaltung
wie der Darlehensrückzahlung durch das Bundesverwaltungsamt überhaupt nicht möglich. Deshalb gehe der gesetzgeberische Wille
dahin, Unterhaltsleistungen des Ehegatten des Darlehensnehmers für das Kind generell nicht als Einkommen im Sinne des § 18
a Abs. 1 Satz 3 BAFöG anzusehen. Dann gebiete es aber das Gleichbehandlungsgebot des Art.
3
GG, entsprechend zu verfahren, wenn Unterhaltsleistungen als monatliche Geldrente vom getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten
oder vom Vater eines nichtehelichen Kindes erbracht würden. Die Schwierigkeiten im praktischen Verwaltungsvollzug rechtfertigten
eine unterschiedliche Behandlung von Bar- und Naturalunterhalt bei ihrer Anrechnung als Einkommen nicht.
Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision mit dem Antrag eingelegt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, soweit die Beklagte verpflichtet wird, die Klägerin von der Rückzahlungsverpflichtung
freizustellen, und die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die vom Berufungsgericht für rechtens gehaltene Nichtanrechnung von Unterhaltsleistungen als Einkommen
der Kinder in Fällen der vorliegenden Art sei mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes unvereinbar, führe zu ungerechten
Ergebnissen und ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Regelung. Die Ungleichbehandlung von Natural- und Geldunterhalt
im Rahmen des § 18 a BAFöG sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt; denn die Ermittlung des tatsächlichen
Werts des Naturalunterhalts wäre äußerst aufwendig und müßte bei allen Darlehensnehmern mit Kindern durchgeführt werden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, soweit die Beklagte verpflichtet wird, die Klägerin von der Rückzahlungsverpflichtung
freizustellen und ihr einen Teilerlaß wegen Kinderbetreuung zu gewähren, sowie die Berufung insoweit zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision bezüglich des ursprünglich gestellten Revisionsantrags zurückzuweisen und bezüglich des weitergehenden Revisionsantrags
zu verwerfen.
Sie meint, der Wortlaut des Gesetzes stehe der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung nicht entgegen. Bei teleologischer
Auslegung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundsätze könne vielmehr nur diese Auslegung als rechtens angesehen
werden.
II.
1. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verpflichtung der Beklagten wendet, der Klägerin einen Teilerlaß
wegen Kinderbetreuung zu gewähren. Denn insoweit hat die Beklagte die Revision nicht innerhalb der Frist des §
139 Abs.
1 Satz 1
VwGO eingelegt. Mit der Revisionsschrift hat sie das Berufungsurteil nur insoweit angefochten, als sie darin verpflichtet wird,
die Klägerin von der Rückzahlungsverpflichtung freizustellen. Auch die Revisionsbegründung befaßt sich allein mit dem Freistellungsbegehren.
Damit hat die Beklagte den Streitgegenstand des Revisionsverfahrens auf den Freistellungsanspruch für die Monate von Januar
1988 bis September 1990, davon für die Monate April bis September 1988 in Höhe von 80 DM monatlich, ansonsten in voller Höhe,
beschränkt. Im übrigen, insbesondere also auch hin sichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Teilerlaß ihres Darlehens, ist
das Berufungsurteil spätestens mit Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung, innerhalb deren ein bestimmter Antrag zu stellen
ist (§
139 Abs.
3 Satz 4
VwGO), rechtskräftig geworden. Die erst danach durch den Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht vorgenommene
Erweiterung der Revision auf einen weiteren Teil des Berufungsurteils ist verspätet.
2. Soweit sich die Revision auf die Freistellung der Klägerin von der Rückzahlungsverpflichtung bezieht, ist sie zwar zulässig,
aber unbegründet. Denn soweit das Berufungsurteil die Beklagte verpflichtet hat, die Klägerin von ihrer Rückzahlungsverpflichtung
freizustellen, steht es mit dem Bundesrecht in Einklang.
Gegen die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des damit geltend gemachten Freistellungsanspruchs bestehen keine durchgreifenden
Bedenken. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der von ihr begehrten Verpflichtung zur Freistellung von der Rückzahlung
des Darlehens für den genannten Zeitraum ist insbesondere nicht dadurch entfallen, daß die Verpflichtung der Beklagten zum
Teilerlaß des Darlehens in Höhe der für die Monate Oktober 1988 bis September 1990 festgesetzten Rückzahlungsraten rechtskräftig
feststeht. Denn ohne die Freistellung wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, jedenfalls den nach dem Teilerlaß noch verbleibenden
Darlehensbetrag von insgesamt 2220 DM während des streitigen Zeitraums mit den festgesetzten Raten zu tilgen. Von der Freistellung
hängt also weiterhin ab, ob und wann der Rückzahlungsanspruch der Beklagten fällig geworden ist, was gemäß § 18 Abs. 2 Satz
1 BAFöG auch Folgen für die Pflicht zur Verzinsung des Darlehens hat.
Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung in dem von ihm bejahten Umfang aus § 18 a BAFöG
hergeleitet. Nach seinen Feststellungen lag das Einkommen der Klägerin im fraglichen Zeitraum oberhalb des Schonbetrages nach
§ 18 a Abs. 1 Satz 1 BAFöG, aber teilweise innerhalb, teilweise nur um etwa 40 DM oberhalb des durch den Schonbetrag für ihr
Kind gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 2 BAFöG erhöhten Betrages. Allerdings würde sich der Schonbetrag für das Kind bei Anrechnung
der Unterhaltsleistungen seines Vaters als Einkommen des Kindes gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAFöG so weit verringern, daß die
Klägerin nicht - auch nicht teilweise - von der Rückzahlungspflicht freigestellt werden könnte. Insoweit kommt es also darauf
an, ob die in Form einer Geldrente von monatlich 271 DM erbrachten Unterhaltsleistungen des Vaters des nichtehelichen Kindes
der Klägerin "Einkommen" des Kindes im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 3 BAFöG waren.
Der Begriff des Einkommens im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist in § 21 BAFöG geregelt. Gemäß Abs. 1 Satz
1 dieser Vorschrift gilt als Einkommen - vorbehaltlich unter anderem der Absätze 3 und 4 - die Summe der positiven Einkünfte
im Sinne des §
2 Abs.
1 und
2
EStG. Vorrangig ist insoweit also §
21 Abs.
3 und
4 BAFöG. Gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAFöG gelten als Einkommen in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge sonstige Einnahmen,
die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, mit Ausnahme der Unterhaltsleistungen der Eltern des Auszubildenden und seines
Ehegatten, soweit sie der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in einer Rechtsverordnung bezeichnet hat. Somit sind
Unterhaltsleistungen von Eltern und Ehegatten des Auszubildenden anrechnungsfrei und richtet sich die Anrechnung sonstiger
Unterhaltsleistungen nach der Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden sonstigen Einnahmen nach §
21 Abs.
3 Nr.
4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (
BAföG-EinkommensV) in den hier anzuwendenden Fassungen des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
vom 13. Juli 1981 (BGBl I S. 625) bzw. der Verordnung vom 5. April 1988 (BGBl I S. 505). §
1 Abs.
4
BAföG-EinkommensV F. 1981 und §
2 Nr.
4
BAföG-EinkommensV F. 1988 bezeichnen als Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, auch Leistungen, die in Erfüllung
einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht werden, mit Ausnahme der Leistungen der Eltern des Auszubildenden und seines
Ehegatten. Danach wären auch die Unterhaltsleistungen, die der Vater eines nichtehelichen Kindes einer Darlehensnehmerin in
Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für dieses Kind erbringt, als anrechenbares Einkommen des Kindes anzusehen.
Das Berufungsgericht hat jedoch aus Sinn und Zweck des § 18 a BAFöG in Verbindung mit dem aus Art.
3 Abs.
1
GG folgenden Gleichbehandlungsgebot zu Recht hergeleitet, daß insoweit eine gegenüber dem Wortlaut einschränkende Auslegung
des Einkommensbegriffs im
Bundesausbildungsförderungsgesetz geboten ist. Dies ergibt sich aus der Wechselbeziehung, in der §
21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 mit Abs. 4 Nr. 4 BAFöG steht, wonach solche Einnahmen, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den
Bedarf entgegensteht, nicht als Einkommen gelten, auch wenn sie an sich unter das Einkommen im Sinne der Absätze 1 bis 3 fallen
(vgl. Humborg, in: Rothe/Blanke BAFöG, 5. Aufl. [Stand Oktober 1994], § 21 Rn. 25.1). Bei beiden Vorschriften hatte der Gesetzgeber,
wie ihr Wortlaut erkennen läßt, nur Einnahmen vor Augen, die zur Deckung des Bedarfs des Auszubildenden im Sinne des § 11
BAFöG bestimmt sind. § 18 a BAFöG dient jedoch nicht der Sicherstellung dieses Bedarfs, sondern dem gesetzgeberischen Ziel,
den Darlehensnehmer nach seiner Ausbildung nur in zumutbarem Maß entsprechend seinen finanziellen Möglichkeiten mit der Rückzahlung
zu belasten (vgl. Sandvoß, in: Rothe/Blanke, a.a.O., § 18 a Rn. 1.1). Diese unterschiedliche Zielsetzung rechtfertigt es,
die Regelung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 4 BAFöG im Rahmen des § 18 a BAFöG nur modifiziert anzuwenden. Danach
können Einnahmen des Darlehensnehmers, seines Ehegatten oder seines Kindes, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung auf die
Schonbeträge des § 18 a Abs. 1 BAFöG entgegensteht, im Rahmen des § 18 a BAFöG nicht als Einkommen gelten. Dazu gehören, wie
das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, insbesondere Einnahmen des Ehegatten oder des Kindes aus Unterhaltsleistungen
des Darlehensnehmers selbst, da diese Leistungen dem Darlehensnehmer durch die Schonbeträge gerade (weiterhin) ermöglicht
werden sollen. Im Hinblick auf die vom Oberverwaltungsgericht ebenso zutreffend hervorgehobenen praktischen Schwierigkeiten,
im Rahmen einer Massenverwaltung, wie sie die Abwicklung der Darlehensrückzahlung durch das Bundesverwaltungsamt darstellt,
die Höhe des Wertes der Unterhaltsleistungen in einer intakten Ehe und Familie getrennt für jeden Ehegatten zu ermitteln,
erscheint es gleichermaßen ausgeschlossen, innerhalb einer intakten Ehe und Familie erbrachte Unterhaltsleistungen des Ehegatten
für den Darlehensnehmer oder dessen Kind auf die Schonbeträge des § 18 a Abs. 1 BAFöG anzurechnen. Dann aber verbietet es das aus Art.
3 Abs.
1
GG folgende und für nichteheliche Kinder durch Art.
6 Abs.
5
GG verstärkte Gleichbehandlungsgebot, Unterhaltsleistungen des nichtehelichen Vaters für ein Kind der Darlehensnehmerin anders
zu behandeln und nichteheliche Familienbeziehungen dadurch zu benachteiligen.
Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß die Klägerin, weil sie nicht berücksichtigungsfähige Unterhaltsleistungen
von dritter Seite erhält, damit bessersteht als ein Darlehensnehmer, der sein Kind allein aus eigenen Mitteln unterhält. Die
darin liegende Ungleichheit hat ihren sachlichen Grund im Bestehen und in der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs, der
aus den oben dargelegten Erwägungen nicht auf den Schonbetrag des § 18 a Abs. 1 Satz 2 BAFöG angerechnet werden kann.
3. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen gemäß §
154 Abs.
2
VwGO der Beklagten zur Last. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus §
188 Satz 2
VwGO.
Beschluß
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Revisionsverfahren auf 3300 DM festgesetzt (§ 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1
BRAGO i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14
GKG).