Gründe:
I. Der Kläger ist Beamter im Dienste der beklagten Stadt. Im Streit sind Beihilfeansprüche, die der Kläger auf Veranlassung
des beigeladenen überörtlichen Sozialhilfeträgers für die Heimunterbringung zweier behinderter, über 21 Jahre alter Kinder
geltend macht.
Der 1960 geborene Sohn P. des Klägers ist aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung erheblich geistig behindert. Er bedarf
nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamts auf nicht absehbare Zeit der Betreuung in einer beschützenden Einrichtung. Er
lebt seit 1982 in einem Caritas-Behindertenwohnheim.
Die 1963 geborene Tochter M. des Klägers leidet an einer psychischen Erkrankung, die diagnostisch als schwere chronifizierte
Zwangsneurose bzw. als Psychose eingeordnet wurde. Nach einem ärztlichen Bericht der Landesklinik erfordert die psychische
Behinderung, daß die Tochter des Klägers in einem Heim langfristig betreut wird. Von Mai 1986 bis Dezember 1988 war sie in
einem Heim der Diakoniewerke für Sozialpsychiatrie untergebracht.
Der beigeladene Landschaftsverband trägt für beide Kinder die Kosten der Unterbringung und Betreuung im Rahmen der Eingliederungshilfe
für Behinderte. Das zeigte der Beigeladene dem Kläger für den Sohn im Mai 1982 und für die Tochter im Juli 1986 an. Der Beigeladene
leitete 1986 und 1987 gemäß §§ 90, 91
BSHG (a.F.) die den Kindern gegenüber dem Kläger zustehenden Unterhaltsansprüche in Höhe des Beihilfeanspruchs (des Klägers) auf
sich über.
Im Mai 1988 übersandte der Beigeladene dem Kläger eine Kostenaufstellung für die Pflege und Betreuung seiner Kinder für 1987
und bat ihn, hierzu bei der Beklagten Beihilfe zu beantragen. Einen solchen Antrag stellte der Kläger. Die Beklagte lehnte
den Beihilfeantrag ab, da dem Kläger keine Aufwendungen entstanden seien; er könne gemäß § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG (a.F.) nicht in Anspruch genommen werden. Davon abgesehen sei der Sohn nicht krank, sondern lediglich behindert; er werde
nicht gepflegt, sondern nur beaufsichtigt. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück.
Der Klage mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, dem Kläger entsprechend seinem Antrag Beihilfe
für den Zeitraum 1987 zu gewähren,
hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche
Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe die geltend gemachten
Kosten der Heimunterbringung für seine Kinder nicht selbst getragen. Die Kosten der Eingliederungshilfe für beide Kinder bringe
der beigeladene Landschaftsverband als überörtlicher Sozialhilfeträger auf. Beihilfe sei auch nicht deshalb zu gewähren, weil
der Beigeladene den Unterhaltsanspruch der Kinder in Höhe des Beihilfeanspruchs auf sich übergeleitet habe. Auch im Falle
einer Überleitung des Unterhaltsanspruchs entstehe der Beihilfeanspruch nur, wenn der Beamte selbst durch die Überleitung
belastet werde, weil er (und nicht über ihn ausschließlich der Dienstherr) von dem Sozialhilfeträger in Anspruch genommen
werde. Es könne offenbleiben, ob es genüge, daß der Beamte von dem Sozialhilfeträger lediglich in Höhe der erwarteten Beihilfe
in Anspruch genommen werde. Denn im vorliegenden Fall werde der Kläger selbst auch nicht in Höhe der erwarteten Beihilfe in
Anspruch genommen, sondern der Beigeladene wolle über ihn ausschließlich (unter Beschränkung auf die erwartete Beihilfe) an
die Beklagte herantreten. Von dem Kläger verlange der Beigeladene lediglich, daß dieser den übergeleiteten "Beihilfeanspruch"
durch seine Antragstellung realisiere. Der Beigeladene sei gemäß § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG (a.F.) gehindert, den Kläger in Anspruch zu nehmen.
Gegen dieses Urteil haben der Kläger und der Beigeladene die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der
sie die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils erster Instanz erstreben. Sie rügen die Verletzung materiellen
Rechts.
Die Beklagte tritt den Revisionen entgegen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
II. Die Revisionen des Klägers und des Beigeladenen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Die streitigen Beihilfeansprüche des Klägers gegen die beklagte Stadt wegen
der vom beigeladenen überörtlichen Sozialhilfeträger im Wege der Eingliederungshilfe für die behinderten erwachsenen Kinder
des Klägers erbrachten Leistungen sind nicht, wie im angefochtenen Urteil geschehen, mangels eigener Aufwendungen des Klägers
zu verneinen.
Der Kläger ist als Beamter beihilfeberechtigt, seine zwei über 21 Jahre alten behinderten Kinder sind beihilferechtlich zu
berücksichtigen (§§ 1, 2 der aufgrund des § 88 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen ergangenen Verordnung
über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen [Beihilfenverordnung - BVO - i.d.F. vom 27. März 1975, GV.NW S. 332, mit späteren Änderungen]). Im Ergebnis ist auch von Aufwendungen des Klägers auszugehen,
die - im Falle ihrer Beihilfefähigkeit nach Grund und Höhe im einzelnen - als Grundlage der Beihilfegewährung in Betracht
kommen.
Die Beihilfegewährung setzt allerdings grundsätzlich voraus, daß dem Beihilfeberechtigten bzw. seinem berücksichtigungsfähigen
Angehörigen tatsächliche, den Beihilfeberechtigten belastende Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen
(§ 3
BVO) entstanden sind. Es ist Sache des Beihilfeberechtigten, einen Teil dieser Aufwendungen aus den mit der laufenden Besoldung
oder Versorgung zur Verfügung gestellten Mitteln durch zumutbare Eigenvorsorge, regelmäßig durch eine angemessene Versicherung,
abzudecken; den verbleibenden Teil deckt der Dienstherr - der sich nicht an den laufenden Versicherungsbeiträgen zu beteiligen
hat - durch Beihilfegewährung zu den konkret entstehenden Aufwendungen (vgl. BVerwGE 57, 336 [338]; 77, 345 [347 f.]; 89, 207 [208 f.], jeweils m.w.N.).
Dieser Grundsatz ist indessen auch dann gewahrt, wenn der Sozialhilfeträger die Kosten trägt. Denn nach dem in § 2 Abs. 2
BSHG bundesgesetzlich verankerten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe hat deren Träger seine Leistungen nur vorschüssig
erbracht, so daß die Aufwendungen rechtlich dem Beihilfeberechtigten erwachsen sind. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht
ausgesprochen, daß in Fällen, in denen der Sozialhilfeträger gemäß § 90
BSHG unmittelbar den Beihilfeanspruch auf sich hat überleiten können und übergeleitet hat, der Dienstherr auch noch nach der Überleitung
durch Gewährung der Beihilfe die ihm gegenüber dem Beamten oder Versorgungsempfänger obliegende Fürsorgepflicht erfüllt (vgl.
Urteile vom 22. Oktober 1976 - BVerwG 6 C 55.72 - [Buchholz 238.91 Nr. 14 BhV Nr. 4 = ZBR 1977, 186] und vom 27. Mai 1982 - BVerwG 2 C 50.81 - [Buchholz 238.911 Nr. 15 BhV Nr. 3 = ZBR 1983, 106]). In zahlreichen weiteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht
solcherart übergeleitete, aber dadurch in ihrem Inhalt nicht veränderte Beihilfeansprüche jeweils im einzelnen geprüft, ohne
eigene Aufwendungen des Beihilfeberechtigten zu vermissen (vgl. z.B. BVerwGE 64, 333 m.w.N.). Unschädlich ist insoweit auch, daß der Sozialhilfeträger dem Berechtigten oder seinem zu berücksichtigenden Familienangehörigen
die medizinische Leistung als solche gewährt hat. Stellt er die entstandenen Kosten ganz oder teilweise in Rechnung, so ist
die Rechtslage in Höhe der geltend gemachten Aufwendungen nicht anders zu beurteilen, als hätte der Beamte die Rechnung von
dem die medizinische Leistung Erbringenden unmittelbar erhalten.
Für den vorliegenden Fall gilt im Ergebnis nichts anderes. Die hier einschlägige Regelung des § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG in der bis zum 26. Juni 1993 geltenden Fassung - BSHG a.F. - (BGBl 1987 I S. 401) für die Überleitung von Unterhaltsansprüchen modifiziert zwar den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 2
BSHG. Nach dieser Regelung in der noch anzuwendenden Fassung soll der Träger der Sozialhilfe von der Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger
Eltern absehen, soweit einem Behinderten - wie hier - nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte
oder Hilfe zur Pflege gewährt wird. Nach der Rechtsprechung des für Sozialhilfe zuständigen 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts
bedeutet das "Soll" ein "Muß", wenn keine Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen. Ein Abweichen von
der Soll-Vorschrift kommt in Fällen in Betracht, in denen die Nicht-Inanspruchnahme der unterhaltspflichtigen Eltern unangemessen
und mit dem Anliegen des Sozialhilferechts unvereinbar wäre (vgl. hierzu BVerwGE 56, 220; 92, 330 [333 f.]). Das ist nicht nur bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen der Fall. Der
Schutzgedanke der Vorschrift, zu verhindern, daß die durch die Tatsache der Behinderung ohnehin schwer getroffenen Eltern
auch noch wirtschaftlich in besonders herausgehobener Weise belastet werden, verliert auch sein Gewicht, soweit die Eltern
Ansprüche auf Leistungen des Dienstherrn haben, die dem gleichen Zweck wie die Heil- oder Pflegekosten im Rahmen der Eingliederungshilfe
dienen und die den Beamten tatsächlich im Ergebnis nicht finanziell belasten (vgl. auch § 77
BSHG). Das "Soll" in § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG a.F. schließt deshalb die Überleitung des Unterhaltsanspruchs in Höhe der beihilfefähigen Aufwendungen und seine Geltendmachung
in Höhe der zu gewährenden Beihilfe nicht aus. Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 2
BSHG ist wie in den anderen Fallgestaltungen in vollem Umfang wiederhergestellt.
In grundsätzlich gleichem Sinne haben der erkennende Senat in dem vom Berufungsgericht angeführten Urteil vom 25. Juni 1992
- BVerwG 2 C 12.90 - (nicht veröffentlicht) sowie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 15. Juli 1993 - 6 AZR 685/92 - (NVwZ 1994, 1247) in ähnlichen Fällen beihilfefähige Aufwendungen des Beihilfeberechtigten bejaht. Soweit das Bundessozialgericht der Entlastung
der Familie durch § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG a.F. auch eine Wirkung zugunsten der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung zuerkannt hat (Urteil
vom 21. Juni 1978 - 3 RK 97/76 - [SozR 5435 Allg. Nr. 1]), bedarf diese Auffassung hier keiner näheren Erörterung, weil sie jedenfalls auf das Verhältnis
zum beihilfepflichtigen Dienstherrn rechtlich nicht übertragbar ist.
Die hier vertretene Lösung entspricht der rechtsähnlichen gesetzlichen Regelung der erweiterten Hilfe gemäß § 43 Abs. 2
BSHG für noch nicht 21jährige Behinderte, für die den in § 28
BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ist. Insoweit bestimmt §
43 Abs. 3
BSHG ausdrücklich, daß die Verpflichtung anderer als der nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen, nach sonstigen Vorschriften
Leistungen für denselben Zweck zu gewähren, durch § 43 Abs. 2
BSHG nicht berührt wird. Dazu können auch Beihilfeansprüche gehören (vgl. hierzu Beschluß vom 25. April 1989 - BVerwG 2 B 111.88 -).
Soweit die beklagte Stadt auf die in Fällen wie dem vorliegenden besonders ins Gewicht fallende Belastung kleiner und mittlerer
kommunaler Dienstherren hingewiesen hat, die zudem bereits im Umlagewege an der Aufbringung der Mittel des überörtlichen Sozialhilfeträgers
beteiligt seien, vermag dem der Senat nach der geltenden Rechtslage nicht zu entsprechen.
Die Beihilfeansprüche werden weder dem Grunde noch der Höhe nach dadurch berührt, daß der beigeladene Sozialhilfeträger gemäß
§ 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG a.F. den Kläger nicht auf den vollen Umfang der entstandenen Aufwendungen, sondern nur beschränkt auf die zu gewährende Beihilfe
in Anspruch nehmen konnte und in Anspruch genommen hat. Vielmehr ist im Hinblick auf den dargestellten gesetzlichen Nachrang
der Sozialhilfe auch insoweit das Erfordernis einer Belastung des Beihilfeberechtigten als erfüllt anzusehen. In diesem Sinne
ist das Bundesverwaltungsgericht in allen Fällen übergeleiteter Beihilfeansprüche ohne weiteres vorgegangen. Für die hier
zu behandelnde Fallgestaltung gilt nichts anderes. Soweit aus dem angeführten Urteil des Senats vom 25. Juni 1992 - BVerwG
2 C 12.90 - andere Schlüsse gezogen werden könnten, hält der Senat daran nicht fest.
Inwieweit es sich bei den somit zugrunde zu legenden Aufwendungen nach Grund und Höhe um beihilfefähige Heil- oder ggf. Pflegekosten
bzw. um nicht beihilfefähige Aufwendungen zur beruflichen und sozialen Rehabilitation handelt, ist dem festgestellten Sachverhalt
nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - hierzu keine eigenen Feststellungen
getroffen. Da der Senat die somit noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache unter Aufhebung
des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2
VwGO). Dabei wird dieses auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen (§
162 Abs.
3
VwGO) zu entscheiden haben.