Sozialhilferecht: Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen beider Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie entgegen §
67 Abs.
1 VwGO nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule eingelegt worden ist.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung des von den Klägern benannten Rechtsanwalts für das Verfahren
der Nichtzulassungsbeschwerde ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet (§
166 VwGO in Verbindung mit den §§
114,
121 Abs.
1 ZPO). Die Revision kann nur zugelassen werden, wenn einer der in §
132 Abs.
2 VwGO abschließend aufgeführten Gründe vorliegt. Der Senat läßt offen, ob, soweit das Berufungsgericht die Berufungen der Kläger
als unzulässig verworfen hat, ein solcher Grund in Betracht kommt. Denn jedenfalls ist hinsichtlich der Annahme der Unbegründetheit
sämtlicher Berufungen durch die Vorinstanz ein Zulassungsgrund im Verständnis des §
132 Abs.
2 VwGO weder dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO. Daß § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG, auch in Verbindung mit § 122 BSHG, entgegen der Annahme der Kläger nicht gegen Art.
3 und Art.
6 GG verstößt, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn der beschließende Senat hat bereits entschieden, daß es
nicht dem Gebot des Ehe- und Familienschutzes und in Verbindung damit auch nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz widerspricht,
wenn der Staat dort, wo er lediglich fördert und hilft, die üblicherweise vorauszusetzende Lebens- und Interessengemeinschaft
der Ehegatten und der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern in der Weise berücksichtigt, daß er das Ausmaß einer finanziellen
Zuwendung ihrer besonderen wirtschaftlichen Situation und der dadurch geminderten Förderungswürdigkeit anpaßt (BVerwGE 23,
149 >152, 154 f.< mit Hinweisen auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Auch soweit § 122 Satz 1 BSHG den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG erweitert, ist der Senat in seiner Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit (vgl. Urteil vom 17. Mai 1995 - BVerwG 5 C 16.93 - >zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt<) von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung ausgegangen. In
seinem Urteil vom 20. Januar 1977 (BVerwGE 52, 11 >13 f.<) hat er § 122 Satz 1 BSHG unter dem von der Beschwerde angesprochenen Aspekt der Nichteinbeziehung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften in den
Regelungsbereich dieser Vorschrift als mit Art.
3 Abs.
1 GG vereinbar angesehen, weil es sich bei § 122 Satz 1 BSHG um eine typisierende Regelung handele und "eheähnliche Gemeinschaften in weit stärkerem Maße eine typische Erscheinung des
sozialen Lebens sind". Das entspricht der Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 17. November 1992
zu der vergleichbaren (vgl. BVerfGE 87, 234 >240, 252<) Bestimmung des § 137 Abs. 2 a AFG (s. BVerfGE 87, 234 >267<).
Daß die Regelung in § 122 Satz 1 BSHG auch insoweit, als sie die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft hinsichtlich der Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG den in dieser Vorschrift genannten Ehegatten gleichstellt, nicht mit Art.
3 Abs.
1 GG kollidiert, ergibt sich aus den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner vorbezeichneten Entscheidung (BVerfGE
87, 234 >264 f.<). Wie im Fall des § 137 Abs. 2 a AFG liegt nach der neuesten Rechtsprechung des beschließenden Senats auch im Sinne des § 122 Satz 1 BSHG eine eheähnliche Gemeinschaft nur vor, wenn sie als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer
Frau über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich - im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
- durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (Urteil vom 17. Mai
1995 >a.a.O.<). Inwieweit § 122 Satz 1 BSHG mit diesem Inhalt gegen Art.
6 Abs.
1 GG verstoßen könnte, ist nicht ersichtlich und wird auch von den Klägern in der Beschwerde nicht ausgeführt.
Die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kommt schließlich auch nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen
des Berufungsgerichts dazu in Betracht, daß die Kläger und der frühere Ehemann der Klägerin zu 1 über nicht offenbarte Einkommensquellen
verfügt hätten und dieser außerdem Vermögen in Gestalt eines nicht dem Schonvermögen zuzurechnenden Hausgrundstücks bzw. eines
verwertbaren Anspruchs auf den zu erwartenden Versteigerungserlös besessen habe und nach der Zwangsversteigerung den Erlös
für den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft hätte einsetzen müssen. Denn diese Ausführungen dienten der Vorinstanz im
Anschluß an die Darlegungen zu den Einkünften des von der Klägerin zu 1 geschiedenen Ehemanns, die dieser aus Leistungen der
Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitslosenhilfe bezog, und zu den Einkünften aus Kindergeld und Kindergeldzuschlag als weitere
Begründung (Berufungsurteil S. 41: "darüber hinausgehend"; S. 42: "auch deswegen") dafür, daß die Kläger im streitgegenständlichen
Zeitraum nicht im Sinne des § 11 Abs. 1 BSHG sozialhilfebedürftig gewesen sind. Das Berufungsurteil ist danach insoweit mehrfach begründet. In einem solchen Fall kann
die Revision nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede
der Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. Beschluß vom 20. August 1993 - BVerwG 9 B 512.93 - >Buchholz 310 §
132 VwGO Nr. 320 S. 51<). Daran fehlt es hier deshalb, weil in bezug auf Grund und Höhe der Leistungen, die der frühere Ehemann der
Klägerin zu 1 von der Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitslosenhilfe erhalten hat, wie hinsichtlich des Bezugs von Kindergeld
und Kindergeldzuschlag Zulassungsgründe im Sinne des §
132 Abs.
2 VwGO weder von den Klägern geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind und deshalb davon ausgegangen werden muß, daß bereits diese
Leistungen ausreichten, den vom Berufungsgericht für die Kläger, den früheren Ehemann der Klägerin zu 1 und ihren Sohn P.
einzelfallbezogen zugrunde gelegten Bedarf zu decken. Auf die Erwägungen der Vorinstanz zu nicht offenbarten Einkommensquellen
und zum Vermögen könnte es deshalb in einem Revisionsverfahren nicht ankommen.
Das Berufungsurteil weicht auch nicht im Sinne von §
132 Abs.
2 Nr.
2 VwGO von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Daß die Vorinstanz den Begriff der
eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 122 Satz 1 BSHG in Anlehnung an das schon erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 ausgelegt hat (s. Berufungsurteil
S. 27 f., 36 f.) und damit von der früheren Rechtsprechung des beschließenden Senats zu dieser Vorschrift (vgl. dazu die Nachweise
in dem bereits angeführten Senatsurteil vom 17. Mai 1995 >Urteilsabdruck S. 6 f.<) abgewichen ist, rechtfertigt eine Zulassung
der Revision nicht, weil der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhält (s. Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1990 -
BVerwG 5 ER 625.90 - >Buchholz 310 §
132 VwGO Nr. 294< mit weiteren Nachweisen). Denn im Urteil vom 17. Mai 1995 hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff
der eheähnlichen Gemeinschaft aufgegeben und sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen.
Mit dem danach maßgeblichen Begriffsverständnis stimmt das hier angegriffene Urteil aber überein.
Auch im übrigen ist eine Abweichung des vorinstanzlichen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Daß, wie die Kläger zu Recht hervorheben, jeder einzelne Hilfebedürftige einen eigenständigen Anspruch auf Sozialhilfe hat
(z.B. BVerwGE 55, 148 >150< mit weiteren Nachweisen), bedeutet nicht, daß bei der Prüfung, ob im Einzelfall ein derartiger Anspruch begründet ist,
nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 122 BSHG, einsatzpflichtiges Einkommen und/oder Vermögen nicht zu berücksichtigen ist (s. BVerwGE 55, 148 >150<). Das Berufungsgericht ist deshalb, indem es im Fall der Kläger die vorangeführte Regelung angewendet hat, nicht etwa
von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Eigenständigkeit und Individualität sozialhilferechtlicher Leistungsansprüche
abgewichen.
Das Berufungsurteil leidet schließlich nicht an einem Verfahrensmangel im Sinne des §
132 Abs.
2 Nr.
3 VwGO. Dies gilt auch für die Annahme der Vorinstanz, die Klägerin zu 1 und ihr früherer Ehegatte hätten nach ihrer Scheidung in
eheähnlicher Gemeinschaft und gemeinsam in Haushaltsgemeinschaft mit ihren Kindern, also auch mit den Klägern zu 2 und 3,
gelebt.
Dafür, daß den Klägern, wie diese meinen, rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei, ist nichts ersichtlich. Eine Verletzung
der richterlichen "Frage- und Erörterungspflicht" nach §
104 VwGO, wie sie die Kläger ausdrücklich ansprechen, scheitert schon daran, daß diese ausweislich der Sitzungsniederschrift zur mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erschienen waren. Soweit die Kläger im Zusammenhang mit ihrer Gehörsrüge weiterhin
geltend machen, eine von den Richtern des Oberverwaltungsgerichts "am 30.11.1990 vorgeschlagene" Augenscheinseinnahme zu den
Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen der Kläger und des ehemaligen Ehemannes der Klägerin zu 1 sei nicht vorgenommen worden,
übersehen sie, daß es sich dabei um einen Vorgang handelt, der sich gegebenenfalls vor Erhebung der vorliegenden Klagen (in
der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis zum 24. Februar 1992) ereignet haben muß. Folgerungen auf das prozessuale Verhalten des Berufungsgerichts
im anhängigen Rechtsstreit können deshalb daraus nicht gezogen werden. Im übrigen ist nach den Feststellungen im Berufungsurteil
(auf S. 28) davon auszugehen, daß eine Klärung der Wohnverhältnisse der Kläger (auch) durch Durchführung einer Ortsbesichtigung
von der Klägerin zu 1 und ihrem früheren Ehemann verhindert worden ist.
Nicht erkennbar ist weiter, daß das Berufungsgericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§
86 Abs.
1 VwGO) verletzt haben könnte. Soweit die Kläger unter diesem Aspekt rügen, daß "an Eides Statt abgegebene schriftliche Erklärungen
des Herrn K. (geladen als Zeuge) unberücksichtigt geblieben" seien, wird ihr Vorbringen durch den Akteninhalt nicht bestätigt:
Danach ist vom früheren Ehemann der Klägerin zu 1 im vorliegenden Berufungsverfahren weder eine eidesstattliche Erklärung
abgegeben noch ist dieser als Zeuge geladen worden. Das Berufungsgericht hat vielmehr von einer Vernehmung als Zeuge abgesehen,
weil die Kläger insoweit lediglich ein Beweisangebot unterbreitet, indessen weder in der mündlichen Verhandlung noch schriftsätzlich
einen auf entscheidungserhebliche Tatsachen gerichteten substantiierten Beweisantrag gestellt hätten. Dies trifft ausweislich
der Gerichtsakten zu und ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit die Kläger außerdem beanstanden, im Verfahren sei auch der "Zeuge Ko. ungehört geblieben", ist von ihnen in der mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht ein Beweisantrag ebenfalls nicht gestellt worden. Allein aufgrund der wenig konkreten
Erklärung des Herrn Ko., die die Kläger der Vorinstanz mit Schriftssatz vom 17. Februar 1993 übersandt hatten, brauchte sich
dem Berufungsgericht die Notwendigkeit, Herrn Ko. zur weiteren Aufklärung der Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse der Kläger
als Zeugen zu vernehmen, nicht aufzudrängen.
Inwieweit schließlich eine nach §
65 Abs.
2 VwGO notwendige Beiladung unterblieben sein soll, läßt sich dem Vorbringen der Kläger nicht entnehmen; diese geben nicht an, wen
das Berufungsgericht nach ihrer Ansicht als notwendig Beizuladenden nicht beigeladen hat. Auch sonst ist insoweit für einen
Verfahrensverstoß der Vorinstanz nichts ersichtlich.