Gründe:
I. Der Kläger begehrt für die Monate Mai bis Juli 1986 insgesamt 228 DM als zusätzliche Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt,
um das Umgangsrecht mit seinen beiden damals 11 und 13 Jahre alten Kindern aus geschiedener Ehe wahrnehmen zu können. Die
Kinder lebten zu jener Zeit bei ihrer wiederverheirateten, allein personensorgeberechtigten Mutter in T. und wurden wie diese
vom jetzigen Ehemann der Mutter unterhalten. Der Kläger erhielt regelmäßig, wenn auch bisweilen in ungleichen Abständen, durchschnittlich
an zwei Wochenenden im Monat Besuch von seinen Kindern. Sie übernachteten bei ihm und wurden von ihm verpflegt. Er verbrachte
auch die Freizeit mit ihnen.
Mit Schreiben vom 21. Mai 1986 beantragte der Kläger, ihm für die Ausübung des Umgangsrechts mit seinen Kindern einen Zuschlag
zum Regelsatz in Höhe von 20 % zu bewilligen. Der Antrag blieb auch im Widerspruchsverfahren erfolglos.
Der daraufhin erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der
Beklagten dem Kläger lediglich 114 DM als einmalige Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für einen Wochenendbesuch im
Monat zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers, mit der dieser sein Begehren auf Bewilligung
der vom Oberverwaltungsgericht zuerkannten Beträge für einen weiteren Wochenendbesuch pro Monat weiterverfolgte, hatte keinen
Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 92, 97) hat die Zurückweisung der Revision im wesentlichen damit begründet, daß sich in der familiengerichtlichen Praxis zu § 1634 Abs. 2
BGB der monatlich einmalige Wochenendbesuch eines Kindes beim Umgangsberechtigten als die im Regelfall den Zweck des Umgangsrechts
wahrende Regelung herausgebildet habe und die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt
keinen Anspruch darauf gäben, die Eltern-Kind-Beziehung über das zu ihrer Erhaltung Notwendige hinaus mit öffentlichen Mitteln
zu entwickeln und zu pflegen. Die Eltern seien zwar nicht gehindert, besonders großzügige, tendenziell der gemeinsamen elterlichen
Sorge angenäherte Umgangsregelungen zu vereinbaren; sie könnten aber nicht verlangen, daß eine so weitgehende Grundrechtsentfaltung
aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Ob unter besonderen Umständen zwei Wochenendbesuche im Monat sich als das zur Zweck-
und Bestandssicherung des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils Erforderliche erweisen könnten, bedürfe im
vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn das Berufungsgericht habe nach Maßgabe des §
137 Abs.
2
VwGO bindend festgestellt, daß derartige Umstände weder vorgetragen noch sonst ersichtlich seien.
Auf Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 25. Oktober 1994 - 1 BvR 1197/93 - (FamRZ 1995, 86 = NJW 1995, 1342) das Revisionsurteil aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen: Die verfassungsrechtliche
Bedeutung des Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG sei verkannt, wenn hinsichtlich des Umfangs der Sozialhilfeleistungen zur Ermöglichung des Umgangsrechts durch den nichtsorgeberechtigten
Elternteil auf die familiengerichtliche Rechtsprechung zu der konfliktregelnden Norm des § 1634 Abs. 2 Satz 1
BGB Bezug genommen und hieraus ein "Regelfall" auch für die Fälle einer zwischen den Elternteilen vereinbarten Umgangsregelung
abgeleitet werde. Damit werde übersehen, daß auch § 1634 Abs. 2 Satz 1
BGB unter dem verfassungsrechtlichen Gebot, dem Elternrecht beider Elternteile Rechnung zu tragen, eine individuelle Umgangsregelung
verlange, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles dem Wohl des Kindes entspreche. Für die sozialhilferechtliche
Würdigung des erforderlichen Umgangs eines Elternteils mit seinem Kind könnten keine anderen Maßstäbe gelten. Auch hier verlange
Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG, daß von vornherein alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände in Betracht gezogen würden, um das erforderliche
Maß des Umgangs festzustellen. Damit dies nachgeholt werden könne, sei die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Dessen Beurteilung müsse überlassen bleiben, ob die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ausreichten, um die geforderte
einzelfallbezogene Würdigung selbst vorzunehmen, oder ob eine Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz notwendig sei.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hält eine Zurückverweisung an das
Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung der die Besonderheiten des zu entscheidenen Falles prägenden Umstände für erforderlich.
Auch dem Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht erscheint es fraglich, ob dem Berufungsurteil insoweit ausreichende
Erkenntnisse entnommen werden können.
II. Der Kläger hat seine Revision beschränkt auf die Frage, ob er für den streitgegenständlichen Zeitraum von Mai bis Juli
1986 - ausgehend von der Berechnung des Berufungsgerichts - die Übernahme der Kosten für einen weiteren monatlichen Wochenendbesuch
seiner von ihm getrennt lebenden Kinder als zusätzliche Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen kann. Die so
verstandene Revision des Klägers ist begründet. Die das Berufungsurteil tragenden rechtlichen Erwägungen sind mit Bundesrecht
nicht vereinbar (§
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO). Die auf der Grundlage der im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts dargestellten rechtlichen Beurteilungskriterien zu
treffende abschließende Entscheidung erfordert noch tatsächliche Feststellungen, die zu treffen dem Revisionsgericht verwehrt
ist (§
137 Abs.
2
VwGO), so daß die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß (§
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2
VwGO).
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die dem Kläger entstehenden Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts
mit seinen Kindern von der Beklagten dem Grunde nach als Hilfe zum Lebensunterhalt zu übernehmen sind. Wird eine Ehe geschieden
und nur einem Elternteil die Personensorge übertragen, so bedeutet dies, daß nur dieser Elternteil die notwendigen Entscheidungen
über die Pflege und Erziehung des Kindes zu treffen hat und die entsprechenden Elternfunktionen in einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft
mit dem Kind tatsächlich wahrnimmt. Der Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, behält jedoch nach § 1634 Abs. 1 Satz 1
BGB die Befugnis zum persönlichen Umgang mit dem Kinde. Dieses Umgangsrecht ermöglicht dem nicht sorgeberechtigten Elternteil,
sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache
fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen
sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 51, 219 [222] sowie Urteil vom 23. Mai 1984 - IV b ZR 9/83 - [NJW 1984, 1951/1952]; BVerfGE 31, 194 [206] und Beschluß vom 10. August 1989 - 2 BvR 67/85 - [NVwZ 1990, 455 f.]). Das Umgangsrecht wurzelt ebenso wie das Sorgerecht des anderen Elternteils im natürlichen Elternrecht
(vgl. Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG) und der damit verbundenen Elternverantwortung, die auch auf seiten des nicht sorgeberechtigten Elternteils grundsätzlich
fortbesteht (vgl. BVerfGE 64, 180 [188]).
Zu Recht hat das Berufungsgericht aus alldem den Schluß gezogen, daß die Ausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten
Elternteil ein persönliches Grundbedürfnis seines täglichen Lebens darstellt und hieraus entstehende Kosten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG als Teil des notwendigen Lebensunterhalts dem Grunde nach sozialhilferechtlich anerkennungsfähiger Bedarf sind (ebenso OVG
Münster, Urteil vom 16. März 1990 - OVG 24 A 2758/86 - [NJW 1991, 190 f. = FamRZ 1991, 244 f.]; aus verfassungsrechtlicher Sicht zustimmend BVerfG, Beschluß vom 25. Oktober 1994 [aaO. S. 87 bzw. S. 1343]).
Der Senat teilt auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ausübung des Umgangsrechts falle wegen des höchstpersönlichen
Charakters dieser Befugnis und wegen der engen persönlich-familiären Bindungen zwischen Eltern und Kind nicht in den Bereich
der "Beziehungen zur Umwelt" (so aber wohl Mergler/Zink, BSHG, Rn. 34 a zu § 12), deren Aufnahme und Pflege § 12 Abs. 1 Satz 2 BSHG zwar "auch" zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens zählt, aber wegen des prinzipiell offenen und mit sachgerechten
Maßstäben kaum begrenzbaren Kreises der sozialen "Umwelt" unter den ausdrücklichen Vorbehalt des Vertretbaren und damit Finanzierbaren
stellt (vgl. hierzu BVerwGE 72, 113 [115]).
Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, daß die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit getrenntlebenden
Kindern, obwohl zur Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens gehörend, nicht durch die laufenden Leistungen
zum Lebensunterhalt nach Regelsätzen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG in Verbindung mit § 1
Regelsatzverordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Mai 1971 [BGBl I S. 451]) abgedeckt sind. Denn durch Regelsatzleistungen ist nur
der Regelbedarf aus den in § 1 Abs. 1
Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen abzudecken. Das ist aber nur der ohne die Besonderheit des Einzelfalles bei vielen Hilfeempfängern
gleichermaßen bestehende, nicht nur einmalige Bedarf (vgl. BVerwGE 87, 212 [216]). Daran fehlt es bei dem aus der Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Bedarf; denn dieser Bedarf besteht nicht bei
vielen Hilfeempfängern aus der Regelsatzgruppe der Haushaltsvorstände bzw. Alleinstehenden (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Regelsatzverordnung) gleichermaßen, sondern nur bei nicht sorgeberechtigten, von ihren Kindern getrennt lebenden Elternteilen. Er stellt deshalb
- je nach Lage des Einzelfalles - einen einmaligen oder besonderen Bedarf dar, für den einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1
BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Betracht kommen. Daß Elternbesuche bei getrenntlebenden Kindern als Besonderheit des Einzelfalles nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG eine von den Regelsätzen abweichende Bemessung laufender Leistungen rechtfertigen können, hat der Senat bereits in seinem
Urteil vom 5. November 1992 (BVerwGE 91, 156 [158]) angemerkt.
Bundesrecht, nämlich Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG, verletzt jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts eines geschiedenen Elternteils
mit seinen getrenntlebenden Kindern könnten im Regelfall nur in dem Umfang sozialhilferechtlich anerkannt werden, in dem in
Anknüpfung an die familiengerichtliche Rechtsprechung zu § 1634 Abs. 2 Satz 1
BGB dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bei fehlender Einigung mit dem personensorgeberechtigten ein Umgangsrecht zuzubilligen
sei. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 25. Oktober 1994, mit dem es das die Rechtsauffassung des
Berufungsgerichts bestätigende Senatsurteil aufgehoben hat, eingehend dargelegt; hierauf kann verwiesen werden. Statt der
verkürzenden Sicht eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist danach eine individualisierende Betrachtung, die alle das Eltern-Kind-Verhältnis
bestimmenden Umstände würdigt, verfassungsrechtlich geboten. Es sind also alle Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen,
wie etwa Alter, Entwicklung und Zahl der Kinder, Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten' Einstellung des anderen
Elternteils zum Umgangsrecht, insonderheit Vorliegen und Inhalt einverständlicher Regelungen, Entfernung der jeweiligen Wohnorte
beider Elternteile und Art der Verkehrsverbindungen. Das hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig,
nicht getan und demgemäß auch keine tatsächlichen Feststellungen in diesem umfassenden Sinne getroffen. Es wird dies im fortzusetzenden
Berufungsverfahren nachzuholen haben.