Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte diejenigen Aufwendungen aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen hat, die
sie als Ordnungsbehörde zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit der sozialhilfebedürftigen Kläger getätigt hat.
Am 5. Juli 1989 wurde das Einfamilienhaus der Kläger zu 1 und 2 zwangsversteigert. Da sie bis zum Ende der Räumungsfrist (4.
September 1989) keine andere Wohnung gefunden hatten, wies das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten sie und ihre beiden
Kinder - die Kläger zu 3 und 4 - wieder in das zwangsversteigerte Haus ein. Am 2. Oktober 1989 wurden die Kläger in ein Hotel
eingewiesen. Dort wohnten sie bis zum 4. Februar 1990. Das Sozialamt der Beklagten hatte jeweils im voraus Kenntnis von diesen
Vorgängen.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. März 1990 machte das Ordnungsamt der Beklagten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 19
648, 80 DM geltend (650 DM "Miete" für die Nutzung des zwangsversteigerten Einfamilienhauses; 584, 25 DM Ausfallentschädigung;
12 600 DM Kosten der Hotelunterbringung; 4 080, 61 DM Kosten des Umzugs zum Möbellager; 1 733, 94 DM Möbellagerungskosten).
Die Kläger beantragten bei der Beklagten die Übernahme dieses Betrages im Rahmen der Sozialhilfe. Durch Bescheid vom 7. Mai
1990 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Schulden zu tilgen.
Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage der Kläger zu 1 und 2 stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht
hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten, nachdem auch die Kläger zu 3 und 4 in den Rechtsstreit eingetreten waren,
zurückgewiesen und dies im wesentlichen folgendermaßen begründet:
Die mit Bescheid vom 8. März 1990 in Höhe von 13 834, 25 DM festgesetzten Kosten gehörten zu den Kosten der Unterkunft gemäß
§ 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG und § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO, weil sie an die Deckung des Unterkunftsbedarfs unmittelbar anknüpften. Davon seien auch Zahlungspflichten
umfaßt, die dem Hilfesuchenden durch einseitige Regelung für die Nutzung auferlegt würden; die Möbeltransport- und -lagerkosten
in Höhe von 4 080, 61 DM und 1 733, 94 DM seien durch eine im Sinne des § 12 Abs. 1
BSHG notwendige Auslagerung der Möbel entstanden. Weder der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1
BSHG noch § 5
BSHG stünden dem Anspruch der Kläger entgegen. Unerheblich sei auch, ob der Bescheid vom 8. März 1990 mit Aussicht auf Erfolg
hätte angefochten werden können. Denn die Beklagte handele treuwidrig, wenn sie aus der Nichteinlegung von Rechtsmitteln gegen
ihren eigenen Bescheid, den sie mit Anspruch auf Rechtmäßigkeit erlassen habe, sozialhilferechtliche Vorteile herleiten wolle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie rügt
Verletzung von §§ 5, 11, 12, 72
BSHG und § 3 Abs. 1 RegelsatzVO.
Die Kläger verteidigen die vorinstanzlichen Urteile.
Auch der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt das Berufungsurteil. Er weist u. a. darauf hin, daß eine
Bedarfsdeckung hier erst dann tatsächlich eintrete, wenn auch die finanzielle Seite der Unterbringung geregelt sei. Eine Kostenbelastung
des Sozialhilfeempfängers dürfe nicht von dem Zufall abhängen, ob der Sozialhilfeträger den Bedarf selbst in Form der Sachleistung
decken könne, die - ihm gegenüber nur subsidiär zuständige - Polizeibehörde eine Obdachlosenunterkunft bereitstellen könne
oder der Obdachlose von ihr in seine gekündigte Wohnung eingewiesen werde.
II.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht im Einklang. Insbesondere
ist es mit Bundesrecht vereinbar, daß das Oberverwaltungsgericht die Beklagte für verpflichtet hält, die Aufwendungen, die
ihr als Ordnungsbehörde zur Abwendung der den Klägern drohenden Obdachlosigkeit entstanden sind, im Rahmen der Sozialhilfe
zu übernehmen.
Diese Aufwendungen sind Kosten der "Unterkunft" im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 3 Abs. 1 RegelsatzVO. Sie bestehen in der von der Ordnungsbehörde an den Erwerber des als Unterkunft für die Kläger in Anspruch genommenen
Wohnhauses geleisteten Entschädigung, in den Kosten für die anschließende Beschaffung einer Hotelunterkunft sowie in finanziellen
Aufwendungen auf die damit verbundenen Umzugs- und Möbellagerkosten. Diese Aufwendungen haben dazu gedient, die Kläger mit
Unterkunft zu versorgen und ihnen ihre für die Ausstattung einer späteren, selbstbeschafften Unterkunft erforderlichen Möbel
zu erhalten. Die Aufwendungen waren daher unmittelbar mit der Deckung des Unterkunftsbedarfs der Kläger verbunden. Sie waren
- insbesondere auch, soweit es um die Unterbringung in einem Hotel ging - auf eine Unterkunft im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 3 Abs. 1 RegelsatzVO bezogen und gingen als solche unstreitig nicht über das Maß des Notwendigen hinaus.
Der infolge dieser Aufwendungen aufgetretene finanzielle Bedarf ist seiner Art nach sozialhilferechtlich anzuerkennen.
Dies wird von der Revision zu Unrecht im Hinblick auf den Grundsatz in Frage gestellt, daß Schuldentilgung nicht Aufgabe der
Sozialhilfe ist. In der Rechtsprechung des Senats ist nämlich ein finanzieller Bedarf, der durch die Beschaffung oder Nutzung
einer Unterkunft begründet oder zu deren Erhaltung notwendig ist, ungeachtet dessen, daß er auf die Erfüllung von Verbindlichkeiten
(Schuldentilgung) gerichtet ist, stets als sozialhilferechtlich an sich anzuerkennender Bedarf angesehen worden (vgl. insbesondere
BVerwGE 41, 22 - laufende Lasten für ein Eigenheim mit Ausnahme der Tilgungslasten -; BVerwGE 79, 46 - Nachzahlung von Heizungskosten -; BVerwGE 90, 160 - Kosten der Auszugsrenovierung -). Demnach können grundsätzlich auch für die Beschaffung, Nutzung oder Erhaltung der Unterkunft
eingegangene Verbindlichkeiten "Aufwendungen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO sein (vgl. z.B. BVerwGE 41, 22 [26]). Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, daß es sich bei Verbindlichkeiten, die zur Beschaffung, zur Nutzung oder
zur Erhaltung der Unterkunft eingegangen werden müssen, um mit dem sächlichen Unterkunftsbedarf notwendig verbundene wirtschaftliche
Belastungen handelt. Ein solcher Zusammenhang besteht auch bei der Beschaffung einer Unterkunft im Wege ordnungsbehördlicher
Einweisung bezüglich der Aufwendungen, die der Ordnungsbehörde selbst durch die Unterkunftsbeschaffung entstanden sind und
für die sie von dem zur Vermeidung oder Behebung seiner Obdachlosigkeit in die Unterkunft Eingewiesenen Erstattung verlangt.
Es handelt sich bei diesen Kosten, die von der Ordnungsbehörde an den Untergebrachten weitergegeben werden, auch um "notwendige"
Kosten der Unterkunft, also Kosten, die zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG gehören und, soweit es dabei um einen laufenden, d.h. regelmäßig auftretenden Bedarf geht, nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Satz
1 RegelsatzVO aus Mitteln der Sozialhilfe sicherzustellen sind. Unerheblich ist insoweit, daß der tatsächliche Unterkunftsbedarf
der Kläger bereits mit der ordnungsbehördlichen Beschlagnahme und Einweisung gedeckt worden ist. Denn dieser Unterkunftsbeschaffungsvorgang
war ebensowenig kostenlos wie die Anmietung einer entsprechenden Unterkunft am Wohnungsmarkt, sondern führte wie diese zu
laufenden "Aufwendungen" für die Unterkunft, die zu übernehmen der Sozialhilfeträger nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO verpflichtet ist. Demgemäß scheitert das Klagebegehren auch nicht daran, daß Sozialhilfe grundsätzlich
nicht für die Vergangenheit beansprucht werden kann. Der hier in Rede stehende Unterkunftsbedarf der Kläger gehört nicht der
Vergangenheit an, sondern besteht in Gestalt des Bedarfs zur Finanzierung der Unterkunft fort.
Einem Anspruch der Kläger auf Übernahme dieser Kosten steht - anders als die Revision meint - ebensowenig § 5
BSHG entgegen. Nach dieser Vorschrift setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten
Stellen bekannt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Dies war infolge des der Beklagten bekannten Unvermögens
der Kläger, nach der Zwangsversteigerung und Zwangsräumung ihres bisherigen Eigenheims aus eigenen Kräften eine anderweitige
Unterkunft zu finden und für deren Kosten aufzukommen, der Fall.
Soweit die Beklagte sich gegen die Höhe der Klageforderung unter Berufung darauf gewandt hat, daß gegen ihren Kostenbescheid
vom 8. März 1990 Rechtsmittel hätten eingelegt werden können, von denen aber kein Gebrauch gemacht worden sei, ist schon nicht
ersichtlich, inwieweit der Gebrauch eines Rechtsmittels hier dazu hätte führen können, daß den Klägern die Kosten ihrer Unterbringung
letztlich erspart geblieben wären. Nur unter dieser Voraussetzung hätte hier aber die Einlegung eines Rechtsmittels als "bereites
Mittel" der Selbsthilfe (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993 - BVerwG 5 C 38.92 - [Buchholz 436.0 § 2
BSHG Nr. 16, S. 15 f.]) in Betracht gezogen werden müssen.
Aufgrund dessen ist die Revision nach §
144 Abs.
2
VwGO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2
VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf §
188 Satz 2
VwGO.