Gründe:
I. Um an der fünftägigen Fahrt ihrer Schulklasse ins Schullandheim gegen Ende der 6. Klasse teilnehmen zu können, beantragte
die Klägerin beim Beklagten für die auf sie entfallenden Kosten dieser Fahrt eine einmalige Sozialhilfeleistung in Höhe von
130 DM. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab.
Auf die von der Klägerin nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den ablehnenden Bescheid des
Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufgehoben und den Beklagten - unter Abweisung der Klage im übrigen -
verpflichtet, über die Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, wonach
die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Beihilfe habe, deren Maß im Ermessen des Beklagten stehe, neu zu entscheiden.
Die zugelassene Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof mit im wesentlichen folgender Begründung
zurückgewiesen: Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt der Klägerin gehörten zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne
von § 12 Abs. 1
BSHG. Jedenfalls für einen der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Schüler gehöre "zum Führen eines menschenwürdigen Daseins"
auch, "an üblichen und angemessenen Bildungsveranstaltungen der Schule", wozu auch Klassenfahrten zählten, teilnehmen zu können.
Aus sozialhilferechtlicher Sicht könne einem Schüler nicht zugemutet werden, von der Teilnahme an einer Klassenfahrt Abstand
zu nehmen, wenn sie von den anderen Schülern der Klasse angenommen werde. Der aus Anlaß einer Klassenfahrt entstehende finanzielle
Bedarf sei auch nicht durch die Regelsätze abgedeckt, insbesondere sei er nicht der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse
des täglichen Lebens (§ 1
Regelsatzverordnung) zuzuordnen. Da die Klägerin unstreitig von dritter Seite keine Unterstützung erhalten habe, stehe ihr dem Grunde nach ein
Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Klassenfahrt zu.
Mit seiner Revision gegen das Berufungsurteil begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Seine
Verpflichtung, die Kosten des Schullandheimaufenthalts der Klägerin zu übernehmen, verstoße gegen §§ 11, 12
BSHG. Die Kosten für die Teilnahme an einer Klassenfahrt gehörten generell nicht zum notwendigen Lebensunterhalt, weil ein Schüler,
der nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen könne, nicht unter das Existenzminimum absinke. Auch wäre die Klägerin im Fall
der Nichtteilnahme nicht nachhaltig beeinträchtigt worden, weil ihre Klasse nach der 6. Klasse, der letzten Klasse der Förderstufe,
neu zusammengestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Beide vorinstanzlichen Urteile seien überzeugend begründet.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht ist der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts beigetreten.
II. Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
daß der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf eine einmalige Leistung für die Teilnahme an der fünftägigen Klassenfahrt
zustehe, zu Recht bestätigt.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Kosten für eine Klassenfahrt nach § 12
BSHG zum notwendigen Lebensunterhalt gehören können. Das setzt nicht voraus, daß derartige Kosten einer der in § 12 Abs. 1
BSHG genannten Bedarfsgruppen zugeordnet werden können; denn die Bedarfsaufzählung in § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist nicht abschließend (BVerwGE 92, 6 [8]). Bei Kindern und Jugendlichen umfaßt der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, vor allem den durch das Wachstum
bedingten Bedarf (§ 12 Abs. 2
BSHG). Soweit der Beklagte dagegen anführt, daß der durch eine Klassenfahrt entstehende Bedarf nicht durch das Wachstum bedingt
sei, läßt er außer Betracht, daß der wachstumsbedingte Bedarf in § 12 Abs. 2
BSHG nicht den einzig möglichen besonderen Bedarf bei Kindern und Jugendlichen, sondern (nur) ein mit den Worten "vor allem" herausgestelltes
Beispiel für einen solchen besonderen Bedarf bezeichnet (s. BVerwGE 92, 6 [8]). Soweit der Beklagte unter Hinweis darauf, daß an weiterführenden Schulen und in den Berufsschulen an Klassenfahrten
zum großen Teil volljährige Schüler teilnähmen, einen besonderen jugendspezifischen Bedarf bestreitet, verkennt er, daß der
vorliegende Rechtsstreit die Kosten der Klassenfahrt in einer Klassenstufe betrifft, in der alle Schüler noch minderjährig
und schulpflichtig sind, und das Berufungsgericht für seine Entscheidung, daß die Möglichkeit der Teilnahme an der Klassenfahrt
zum notwendigen Lebensunterhalt gehört, ausdrücklich auf Klassenfahrten von der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Schülern
abgestellt hat.
Zu Recht rechnen beide Vorinstanzen auch die Kosten der Klägerin für die Teilnahme an der Klassenfahrt zu ihrem notwendigen
Lebensunterhalt und begründen das zutreffend damit, daß es der Klägerin nicht habe zugemutet werden können, anders als ihre
Klassenkameraden an der Klassenfahrt nicht teilzunehmen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist es Aufgabe der Sozialhilfe, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen
entspricht. Damit wird aber der notwendige Lebensunterhalt nach §§ 11, 12
BSHG entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf das Unentbehrliche begrenzt (s. auch BVerwGE 69, 146 [154]). Eine Einschränkung der Hilfe auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche sieht das Bundessozialhilfegesetz nur unter bestimmten - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen vor (vgl. z.B. § 25 Abs. 2
BSHG). Soweit der Beklagte den notwendigen Lebensunterhalt mit den Begriffen "Grundbedürfnisse des menschlichen Lebens" und "Existenzminimum"
beschreibt, ist zu beachten, daß der zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche Bedarf nicht auf das physiologisch Notwendige
beschränkt ist (BVerwGE 35, 178 [180]; 92, 6 [7]). Sollen dem Hilfeempfänger die Führung eines menschenwürdigen Lebens (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG) und die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (§
9
SGB I) ermöglicht werden, ist es Aufgabe der Sozialhilfe, der sozialen Ausgrenzung des Hilfebedürftigen zu begegnen, die dann besteht,
wenn es ihm nicht möglich ist, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern (zum Lohnabstandsgebot s. § 22 Abs. 3
BSHG) ähnlich wie diese zu leben. Dabei sind die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen zu berücksichtigen (BVerwGE 69,
146 [154]; 92, 6 [7]). Dazu kann auch die Teilnahme an schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Schullandheimaufenthalten gehören, auf
die nach dem Vorspruch des hier einschlägigen Erlasses des Hessischen Kultusministers vom 26. März 1980 - IV A 4 - 508 - 945
- (ABl. S. 260) zur Erfüllung der Bildungsaufgaben der Schule nicht verzichtet werden kann. Derartige Veranstaltungen, die
nach den Erläuterungen in dem Erlaß die Schularbeit in besonderer Form fortführen, im Hinblick auf das tägliche Zusammenleben
besondere Gelegenheit zur Übung im Lösen von Konfliktsituationen bieten und den Ablauf von Sozialisationsprozessen fördern
(Abschnitt A Nr. 2), setzen, wenn sie diese Ziele erreichen sollen, die Teilnahme möglichst aller Schüler an der Klassenfahrt
voraus. Könnte ein schulpflichtiges hilfebedürftiges Kind aus finanziellen Gründen an der Klassenfahrt nicht teilnehmen, obwohl
diese den üblichen und angemessenen Rahmen nicht überschreitet, würde es im Verhältnis zu seinen nicht hilfebedürftigen, an
der Klassenfahrt teilnehmenden Mitschülern in einer Weise ausgegrenzt, die sich mit der Aufgabe der Sozialhilfe nicht mehr
vereinbaren ließe.
Während Bedenken gegen Dauer und Kostenhöhe der Klassenfahrt im vorliegenden Fall nicht bestehen, wendet der Beklagte ein,
die Klassenfahrt hätte bei nicht ausreichender Finanzierung durch Schule und Eltern nicht stattfinden dürfen und sei auch
in der 6. Klasse, der letzten Klasse der Förderstufe, kurz vor der Auflösung des Klassenverbandes nicht sinnvoll gewesen.
Die Antwort auf die Frage nach der richtigen Zeit für eine Klassenfahrt bemißt sich insbesondere nach pädagogischen Gesichtspunkten;
deren Beurteilung obliegt primär der Schule. Sozialhilferechtlich ist nicht die Frage relevant, ob und wann eine Klassenfahrt
sinnvoll ist, sondern allein die Frage der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers für den Fall seiner Nichtteilnahme
an einer durchgeführten Klassenfahrt. Deshalb ist es für den Sozialhilfeanspruch der Klägerin auch nicht von Bedeutung, daß
nach dem oben schon angeführten Erlaß des Hessischen Kultusministers Art und Umfang von Klassenfahrten ihre Grenze unter anderem
in dem den Erziehungsberechtigten finanziell Zumutbaren und den im Rahmen der Haushaltsmittel zur Verfügung stehenden Mitteln
finden und kein Schüler aus wirtschaftlichen Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen sein darf (Vorspruch und Abschnitt C
Nr. 5). Wird dies dahin verstanden, daß Klassenfahrten generell nur in finanziell vertretbarem Rahmen durchzuführen sind und
staatliche Fördermittel, die nach dem genannten Erlaß bedürftigen Schülern gewährt werden können (Abschnitt C Nr. 5), vorrangig
für die Schüler eingesetzt werden, die sonst an der Klassenfahrt nicht teilnehmen könnten, sollten Fälle, in denen für eine
Klassenfahrt Sozialhilfe beansprucht werden muß, allerdings die Ausnahme sein. Führt eine Schule aber ungeachtet dessen eine
für sich gesehen angemessene Klassenfahrt durch, obwohl deren Finanzierung nicht für jeden (schulpflichtigen) Schüler gesichert
ist, besteht für den hilfebedürftigen Schüler in bezug auf seinen Kostenanteil ein Bedarf zum notwendigen Lebensunterhalt.
Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht entschieden, daß der aus Anlaß einer mehrtägigen Klassenfahrt entstehende Bedarf
kein Regelbedarf ist und deshalb nicht durch die Regelsatzleistungen abgegolten ist. Regelbedarf ist der ohne Besonderheiten
des Einzelfalles (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG) bei vielen Hilfeempfängern (zu deren Gruppeneinteilung vgl. § 2
Regelsatzverordnung) gleichermaßen bestehende, nicht nur einmalige Bedarf aus den in § 1 Abs. 1
Regelsatzverordnung genannten Bedarfsgruppen (BVerwGE 87, 212 [216]). Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob der Bedarf aus Anlaß einer mehrtägigen Klassenfahrt einer dieser
Bedarfsgruppen zugeordnet werden kann. Denn der Bedarf aus Anlaß einer solchen Klassenfahrt ist jedenfalls kein "bei vielen
Hilfeempfängern ... gleichermaßen bestehender" Bedarf; er besteht nicht bei vielen jeweils zu einer Regelsatzgruppe gehörenden
Kindern bzw. Jugendlichen gleichermaßen, sondern nur bei denen, in deren Klasse eine mehrtägige Klassenfahrt durchgeführt
wird. Deshalb ist die einzelne Klassenfahrt ein jeweils einmaliger Bedarf (BVerwGE 91, 156 [157]).
Nach den vom Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin für ihre Klassenfahrt keine Unterstützung
von dritter Seite (Schulverwaltung, Regierungspräsident) erhalten und auch nicht erhalten können, weil die dafür vorgesehenen
Mittel erschöpft waren. Ihrem Anspruch auf Sozialhilfe für ihre Klassenfahrt steht deshalb auch § 2 Abs. 1
BSHG nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2
VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf §
188 Satz 2
VwGO.