Gründe:
I.
Die Klägerin ist geistig und körperlich behindert. Der beklagte Sozialhilfeträger erkannte ihr seit Juli 1990 Pflegegeld nach
§§ 68, 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BSHG zu (monatlich 325 DM, ab 1. Juli 1991 341 DM und ab 28. November 1991 550 DM). Mit Rückwirkung vom 21. April 1991 rechnete
der Beklagte monatlich 400 DM an, die die Klägerin wegen ihrer Schwerpflegebedürftigkeit nach §
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SGB V von ihrer Krankenkasse erhielt, mit Wirkung vom 19. August 1991 kürzte er das Pflegegeld gemäß § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG um 20 v.H., weil die Klägerin seitdem im Rahmen der Eingliederungshilfe in einem Sonderkindergarten teilstationär betreut
wurde.
Die Beteiligten sind uneinig darüber, in welcher Reihenfolge die - inzwischen von der Klägerin in Höhe von 200 DM hingenommene
- Anrechnung der Krankenkassenleistung und die - hinsichtlich des Vomhundertsatzes von der Klägerin nicht angegriffene - 20%ige
Kürzung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG zu erfolgen hat. Der Beklagte meint, die Kürzung sei vor der Anrechnung vorzunehmen; aus dieser Sicht verbleibt von einem
Pflegegeld in Höhe von 550 DM abzüglich eines 20%igen Kürzungsbetrages von (550 x 20: 100 =) 110 DM sowie des anzurechnenden
Teiles der Krankenkassenleistung von 200 DM ein Betrag in Höhe von (550 - 110 - 200 =) 240 DM. Nach Auffassung der Klägerin
hat die Anrechnung vor der Kürzung zu er folgen; nach ihrer Berechnungsweise beläuft sich der nach Anrechnung der Krankenkassenleistung
ergebende Kürzungsbetrag auf ([550 - 200] x 20: 100 =) 70 DM, das verbleibende Pflegegeld also auf 280 DM.
Nachdem die Klägerin u.a. wegen des Kürzungsbetrages erfolglos Widerspruch eingelegt hatte (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai
1992), hat sie vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht obsiegt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten
verpflichtet, ihr für die Zeit vom 19. August 1991 bis zum 12. Mai 1992 Pflegegeld in der Höhe zu gewähren, die sich ergibt,
wenn zunächst die Geldleistung der Krankenkasse in Höhe von 200 DM auf das Pflegegeld angerechnet und erst danach das Pflegegeld
wegen teilstationärer Betreuung gekürzt wird. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet:
Sinn der Kürzung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG sei es, Doppelleistungen der Sozialhilfe zu verhindern. Zu kürzen sei deshalb dasjenige Pflegegeld, welches der Sozialhilfeträger
ohne die Kürzung tatsächlich zu leisten hätte, also derjenige Betrag, der sich nach Anrechnung gleichartiger Leistungen gemäß
§ 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG ergebe.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 69
BSHG.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt ebenfalls das Berufungsurteil.
II.
Die Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hätte der Berufung des Beklagten stattgeben und das Klagebegehren,
soweit es noch Gegenstand des Berufungsverfahrens war, abweisen müssen. Statt dessen hat es den Beklagten verpflichtet, der
Klägerin Pflegegeld nach Maßgabe einer Berechnungsweise zu gewähren, die die nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG (in der hier noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1991 [BGBl I S. 94, 808]) zulässige angemessene
Kürzung, ausgehend von einer Kürzungsquote in Höhe von 20 v.H., n a c h Abzug von gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG auf das Pflegegeld anzurechnenden Leistungen berechnet und damit zu einer (um monatlich 40 DM) höheren Pflegegeldleistung
des Beklagten führt, als sie sich bei einer Berechnung des Kürzungsbetrages v o r Abzug der anzurechnenden Leistungen ergäbe.
Dies verletzt Bundesrecht (vgl. §
137 Abs.
1 Nr.
1
VwGO).
Zu Recht ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, daß bei teilstationärer Unterbringung des Pflegebedürftigen nur
das Pflegegeld nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG gekürzt werden kann, das der Träger der Sozialhilfe ohne die Kürzung zu leisten hätte, hier das Pflegegeld nach Anrechnung
der Krankenkassenleistung. Das ergibt sich zum einen aus dem Begriff und dem Wesen der Kürzung und zum anderen aus dem Sinn
und Zweck des § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG, der Doppelleistungen von Sozialhilfe vermeiden helfen soll. Wird einem Behinderten mit einem entsprechenden Kostenaufwand
einerseits Eingliederungshilfe dadurch zuteil, daß er in einer Einrichtung teilstationär betreut wird, dann soll dieser Umstand
die Kürzung der andererseits wegen desselben Zustandes gewährten Sozialhilfeleistung "Pflegegeld" rechtfertigen können (BVerwGE
88, 86 [87]).G e g e n s t a n d einer Kürzung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG kann demnach nur das ohne die Kürzung zu leistende Pflegegeld sein, also nicht ein Pflegegeld, das wegen der Anrechnung einer
anderen Leistung (hier eines Teils der Krankenkassenleistung; vgl. dazu BVerwGE 92, 220 [224 ff.]) nicht zu leisten ist.
Bundesrecht verletzt jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Kürzungsquote von 20 v.H. dürfe nicht auf den vom Beklagten
gewählten Ausgangsbetrag des vollen, nicht anrechnungsgeminderten Pflegegeldes, sondern nur auf den geringeren Ausgangsbetrag
des bereits anrechnungsgeminderten Pflegegeldes bezogen werden.
Der Umstand, daß G e g e n s t a n d einer Kürzung nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG neben einer Anrechnung nur das von der Anrechnung nicht betroffene Pflegegeld sein kann, steht einer Berechnung zum A u s
m a ß der Kürzung nicht entgegen, die den Kürzungsbetrag durch einen auf das volle, d.h. noch nicht gekürzte und noch nicht
anrechnungsgeminderte Pflegegeld bezogenen Prozentsatz bestimmt. Zwar kann der Kürzungsbetrag nicht das den Gegenstand der
Kürzung bildende Pflegegeld übersteigen, aber er kann prozentual nach einem höheren Pflegegeldbetrag berechnet werden.
Zur Bestimmung der angemessenen Kürzung, also zum A u s - m a ß der Kürzung, ist wiederum vom Sinn der Kürzungsermächtigung
auszugehen. Danach gilt es festzustellen, inwieweit bei dem Zusammentreffen von Eingliederungshilfe für teilstationäre Betreuung
und Hilfe zur Pflege in Form von Pflegegeld "doppelt" geleistet wird. Dabei ist auf die Bedarfslagen der beiden Sozialhilfeleistungen
zurückzugehen, wobei entscheidend ist, daß der Pflegebedürftige im Rahmen der teilstationären Betreuung in einem solchen Umfang
betreut wird, daß in dieser Zeit ein Bedarf an häuslicher Pflege und Pflegegeld nicht besteht. Eine Pflegegeldleistung auch
für diese Zeit wäre eine Doppelleistung. Der Beklagte hat den sich beim Zusammentreffen von Eingliederungshilfe für teilstationäre
Betreuung und ungekürztem Pflegegeld ergebenden Überschneidungsbereich mit 20 v.H. bestimmt. Die Angemessenheit dieser Einschätzung
wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt und bietet auch aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Anhaltspunkte für Beanstandungen.
Da dieser Prozentsatz den Überschneidungsbereich bezeichnet, ist seine Bezugsgröße der Gesamtbedarf an (häuslicher Pflege
und) Pflegegeld (§ 69 Abs. 4 Satz 1 und 2
BSHG), wie er ohne die geleistete Eingliederungshilfe für teilstationäre Betreuung bestünde.
Der Umfang der Bedarfsminderung durch die Eingliederungshilfe für teilstationäre Betreuung und damit der Überschneidungsbereich
mit dem Pflegegeld im Umfang von 20 v. H. des vollen Pflegegeldes nach § 69 Abs. 4 Satz 1 und 2
BSHG ändert sich nicht dadurch, daß zum Pflegegeld noch eine weitere Sozialleistung hinzutritt, die als gleichartige Leistung
wie das Pflegegeld der Sicherstellung der benötigten Pflege dient und deshalb auf das Pflegegeld anzurechnen ist. Denn der
Kürzungsgrund (nach § 69 Abs. 4 Satz 3 BSHG) einerseits und der Anrechnungsgrund (nach § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG) andererseits sind unterschiedliche, voneinander unabhängige Gründe, die jeder für sich eine nach Anlaß und Ausmaß eigenständige
Verringerung des Pflegegeldes rechtfertigen. Die Berechnung des Ausmaßes von Kürzung und Anrechnung ist deshalb nicht von
der Reihenfolge - Kürzung vor Anrechnung oder Anrechnung vor Kürzung - abhängig; vielmehr sind das Ausmaß der Kürzung und
das Ausmaß der Anrechnung je eigenständig, also unabhängig voneinander, zu berechnen. Bei absoluten Größen, wie bei der Anrechnung
von 200 DM Krankenkassenleistungen, ist die Unabhängigkeit des Anrechnungsbetrages von der zusätzlichen Kürzung ohne weiteres
gewahrt. Bei einer relativen Größe, wie hier bei der prozentualen Angabe (20 v.H.) des Kürzungsbetrages, ist die Unabhängigkeit
des Kürzungsbetrages von der zusätzlichen Anrechnung nur gewahrt, wenn die Bezugsgröße für die prozentuale Kürzung nicht durch
die zusätzliche Anrechnung verändert wird.
Der vom Beklagten angesetzte Kürzungsbetrag muß bei der Ermittlung des der Klägerin nach Anrechnung noch zustehenden Pflegegeldes
folglich auch dann in unveränderter Höhe beibehalten werden, wenn zuvor die Krankenkassenleistung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG angerechnet worden ist. Dem entspricht die Berechnungsweise des Beklagten.
Da das Oberverwaltungsgericht die Pflegegeldberechnung des Beklagten nach alledem zu Unrecht beanstandet hat, muß der Revision
mit der Kostenfolge aus §
154 Abs.
1
VwGO stattgegeben werden. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf §
188 Satz 2
VwGO.
Beschluß
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Revisionsverfahren auf
350 DM
(entsprechend einem Differenzbetrag von monatlich 40 DM für die Dauer von acht Monaten und drei Wochen) festgesetzt (vgl.
§ 13 Abs. 2
GKG).