Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente sowie der Erstattung der Überzahlung; Anrechnung
von Einkommen; Ausübung von Ermessen; Abgrenzung der Anwendungsfälle von § 45 und § 48 SGB X
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende teilweise Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente sowie die Erstattung der
entsprechenden Überzahlung streitig.
Die am 1953 geborene Klägerin, f. Staatsangehörige, ist die Witwe des 1952 geborenen und am 19.10.1992 verstorbenen F. P.
(im Folgenden: Versicherter), mit dem sie am 05.08.1978 die Ehe schloss und mit dem sie die beiden im März 1981 bzw. Mai 1985
geborenen Kinder hatte. Erwerbstätig war die Klägerin damals zuletzt im April 1987 gewesen (vgl. Bl. 82 Rs. VA).
Am 27.10.1992 beantragte die damals in F. wohnhafte Klägerin durch einen Bevollmächtigten die Gewährung von Witwenrente bei
der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte). In der vom Bevollmächtigten ebenfalls unterschriebenen
Anlage zum Rentenantrag verneinte sie wahrheitsgemäß den Bezug von (u.a.) Arbeitsentgelt und sie verpflichtete sich, die Beklagte
unverzüglich zu benachrichtigen, wenn (u.a.) Arbeitsentgelt gezahlt werde (Bl. 9 Rs VA). Zum 01.01.1993 nahm die Klägerin
in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf, mit der sie anfänglich ein jährliches Entgelt in Höhe von 44.144,00
DM erzielte, das sich in den nachfolgenden Jahren meist erhöhte (vgl. Bl. 82 Rs. VA). Über die Aufnahme dieser Beschäftigung
und das gezahlte Entgelt informierte sie die Beklagte nicht.
Mit Bescheid vom 21.06.1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente ab 19.10.1992 mit einem monatlichen Zahlbetrag
ab 01.08.1993 in Höhe von brutto 1.382,34 DM (Zahlbetrag 1.289,73 DM); für die Zeit vom 19.10.1992 bis 31.07.1993 betrug die
Nachzahlung 14.575,35 DM. Auf den Seiten 3 und 4 des Bescheides ist unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" ausgeführt,
"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung,
uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit,
vergleichbares Einkommen, oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mit zuteilen". Nach einer Darstellung der als Erwerbsersatzeinkommen
anzusehenden Leistungen und gleichermaßen mitzuteilenden Leistungen bzw. Umständen ist weiter ausgeführt "Die Meldung von
Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung
oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung". Weiter ist ausgeführt, dass der Bescheid
- auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufgehoben werde und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückgefordert würden, soweit
bestehende Mitteilungspflichten nicht erfüllt würden. Allerdings las die Klägerin den Bescheid und die entsprechenden Hinweise
nicht (eigene Angaben der Klägerin Bl. 113 VA: wegen ihrer psychischen Verfassung).
Im Rahmen einer erstmaligen Prüfung von Einkommen durch die Beklagte und der dabei erfolgten Anforderung von Daten betreffend
das bei der Beklagten geführte Versicherungskonto der Klägerin gelangte die Kontoübersicht vom 01.08.2008 zur Akte des Versicherten,
aus der sich die Ausübung der Beschäftigung seit 01.01.1993 ergab. Mit Anhörungsschreiben vom 06.08.2008 teilte die Beklagte
der Klägerin mit, dass der Witwenrentenanspruch kraft Gesetzes zu kürzen sei, da sie ab 01.01.1993 anrechenbares Einkommen
erziele. Sie beabsichtige daher, den Bescheid vom 21.06.1993 mit Wirkung ab 01.01.1993 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurückzunehmen, die richtig berechnete Rente ab 01.10.2008 in Höhe von 153,44 € laufend zu zahlen und die Überzahlung für
die Zeit vom 01.01.1993 bis 30.09.2008 in Höhe von 58.852,71 € gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Hierauf ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten u.a. mitteilen, dass sie in Deutschland berufstätig
und demzufolge sozialversicherungspflichtig gewesen sei, weshalb der Beklagten ihre beitragspflichtigen Einkünfte bekannt
gewesen seien. Sie sei deshalb davon ausgegangen, dass der Sachverhalt hinreichend bekannt sei und es einer Mitteilung nicht
bedurft habe. Angesichts dessen treffe sie weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit. Nach dem Tod ihres Ehemannes habe sie
zusätzlich zu der damit einhergehenden emotionalen Belastung ihre damals 8 und 11 Jahre alten Kinder versorgen und allein
für das Familieneinkommen sorgen müssen. Vor diesem Hintergrund habe ihre alleinige Aufmerksamkeit ihren Kindern und der Arbeit
gegolten, um ihre Situation bewältigen zu können, zumindest nicht bürokratischen Dingen. Eine etwaige Rückforderung würde
im Übrigen zu einer unbilligen Härte führen, da ihre Einkünfte gebunden seien; finanzielle Spielräume für eine Rückzahlung
seien nicht vorhanden.
Mit Bescheid vom 23.03.2009 führte die Beklagte sodann aus, die bisherige große Witwenrente werde "ab 01.01.1993 neu berechnet"
und für die Zeit ab 01.04.2009 laufend monatlich 153,28 € gezahlt (Bruttobetrag der Rente nach Einkommensanrechnung 170,59,
in der Folgezeit geändert, s. Bescheid vom 30.07.2009, Bl. 203a ff. VA). Für die Zeit vom 01.01.1993 bis 31.03.2009 ergebe
sich eine Überzahlung von 62.383,95 €. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Aus der Berechnung (Anlage 1 und 8 zum Bescheid),
auf die Bezug genommen wird, ergibt sich, dass Einkommen erst für die Zeit ab 01.07.1994 angerechnet wurde. In der Anlage
10 des Bescheides führte die Beklagte aus, der Rentenbescheid vom 21.06.1993 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung
ab 01.01.1993 nach § 45 SGB X zurückgenommen; die entstandene Überzahlung, die in Anlage 1 dargestellt sei (Anrechnung von Erwerbseinkommen ab 01.07.1994),
sei gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Die Rücknahme des Rentenbescheides sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil
sich die Klägerin auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides nicht berufen könne (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und die Fristen des § 45 Abs. 3 bzw. Abs. 4 SGB X nicht abgelaufen seien. Auch die vorzunehmende Ermessensausübung führe zu keinem anderen Ergebnis. Die im Rahmen der Anhörung
aufgeführten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung und bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden, sie seien jedoch
nicht dazu geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sie sich
nicht berufen, weil sie ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, die ausdrücklich im Bescheid vom 21.06.1993 auf Seite 3 aufgeführt
sei, nicht nachgekommen sei. Außerdem habe sie im Antrag auf Witwenrente vom "27.10.1972" (korrigiert mit Bescheid vom 23.06.2009
in "27.10.1992") erklärt, kein Einkommen zu erzielen, was den eigenen Angaben im Rahmen der Anhörung widerspreche. Da die
Witwenrente aus dem Konto des verstorbenen Ehemanns gezahlt werde, bestehe keine automatische Verbindung zu dem Versicherungskonto
der Klägerin, so dass sie nicht davon ausgehen könne, dass die Beklagte sowieso über ihr Einkommen informiert werde. Auch
im Wege des Ermessens werde die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt erachtet, da die Klägerin über ihre Pflichten vollständig
informiert worden und diesen nicht nachgekommen sei. Auf Grund der im Rentenantrag gemachten Angaben habe die Beklagte davon
ausgehen müssen, dass kein Einkommen erzielt werde. Da die Beklagte am 01.08.2008 Kenntnis von den Tatsachen erhalten habe,
die die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertige und innerhalb eines
Jahres seit Kenntnis die Entscheidung über die Bescheidrücknahme treffe, sei die Rücknahme nach § 45 SGB X zulässig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, auch in Bezug auf die Berechnungen des Anrechnungsbetrages und der Erstattungsforderung
wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Im Rahmen ihres auf die Aufhebung für die Vergangenheit und die Erstattungsforderung beschränkten Widerspruchs gegen den Bescheid
vom 23.03.2009 machte die Klägerin geltend, der Bescheid vom 21.06.1993 sei bei seinem Erlass nicht rechtswidrig gewesen,
da sich das Einkommen auf die Rente erst für die Zeit ab 01.07.1994 ausgewirkt habe. Bei Erlass des Rentenbescheids habe sie
unstreitig kein anrechenbares Einkomme erzielt, so dass der Rentenbescheid bei seinem Erlass nicht rechtswidrig gewesen sei.
Ungeachtet dessen, komme eine Rücknahme für die Vergangenheit jedoch auch deshalb nicht in Betracht, weil sie auf den Bestand
des Rentenbescheids vom 21.06.1993 vertraut habe und auch darauf habe vertrauen dürfen. Sämtliche Bezüge seien in Beschäftigungsverhältnissen
in Deutschland erzielt worden, weshalb die Deutsche Rentenversicherung hiervon Kenntnis gehabt habe. Zumindest hätte eine
Verbindung zu ihrem Versicherungskonto jederzeit hergestellt werden können. Schließlich sei sie auch nicht bösgläubig gewesen.
Der Hinweis auf die Mitteilungspflichten Seite 4 des Rentenbescheides besage im Übrigen, dass auf Grund der abhängigen Beschäftigung
in Deutschland eine Mitteilungspflicht überhaupt nicht bestanden habe. Hiernach erübrige sich die Meldung bei Einkommen aus
einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung.
Mit Bescheid vom 30.12.2009 (vgl. Bl. 229 VA) "deutete" die Beklagte den Bescheid vom 23.03.2009 "dahingehend um", dass die
Rücknahme des Rentenbescheids vom 21.06.1993 nach § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X erfolge. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 21.06.1993 sei kein Einkommen anzurechnen gewesen. Es liege somit eine Rechtswidrigkeit
nach § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 23.03.2009, 23.06.2009
und 30.12.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, durch den Hinzutritt des Erwerbseinkommens zu der Rente wegen Todes
sei eine Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 48 SGB X eingetreten. Ein Anwendungsfall des § 45 SGB X liege nicht vor, da der Bescheid vom 21.06.1993 zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtswidrig gewesen sei. Zwar habe die
Klägerin ab 01.01.1993 Einkommen erzielt, jedoch sei dies nach Maßgabe der §§ 18a und 18b des
Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB IV) in der damaligen Fassung (a.F.) erst ab 01.07.1994 anzurechnen gewesen. Da der Bescheid vom 21.06.1993 zum Zeitpunkt seines
Erlasses daher nicht rechtswidrig gewesen sei, liege kein Anwendungsfall des § 45 SGB X vor, weshalb sich der Bescheid vom 23.03.2009 als fehlerhaft erwiesen habe. Allerdings sei durch den Hinzutritt des Erwerbseinkommens
zu der Rente wegen Todes eine Änderung in den Verhältnisses im Sinne des § 48 SGB X eingetreten. Da die Klägerin ihre Mitteilungspflicht, auf die sie bei Erteilung des Bescheids vom 21.06.1993 ausdrücklich
hingewiesen worden sei, nicht nachgekommen sei und daher ungeachtet ihrer damaligen psychischen Verfassung grobe Fahrlässigkeit
vorliege, seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X erfüllt. Zudem seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 SGB X erfüllt und die Bescheidrücknahme könne ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. ab 01.07.1994 erfolgen.
Am 27.07.2011 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben.
Nachdem die Beklagte einen zunächst abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich (Halbierung der Erstattungsforderung) entsprechend
dem eingeräumten Widerrufsrecht widerrufen hatte, hat das SG mit Urteil vom 12.07.2013 die Bescheide vom 23.03.2009, 23.06.2009 und 30.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27.06.2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte damit die Witwenrentenbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufhob
und die Klägerin zur Erstattung von 62.383,95 € verpflichtete. Zur Begründung hat das SG unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 4047/12 (in [...]) ausgeführt, Rechtsgrundlage für die streitige rückwirkende teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung sei § 45 SGB X, da nach den insoweit maßgeblichen objektiven Verhältnissen der Bescheid vom 21.06.1993 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig
gewesen sei. Denn in Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen über die Anrechnung eigener Einkünfte hätte die Beklagte in
Kenntnis der seitens der Klägerin zum 01.01.1993 aufgenommenen Beschäftigung und der hieraus erzielten Einkünfte am 21.06.1993
jedenfalls keinen Witwenrentenbescheid mit Dauerwirkung (mehr) erlassen dürfen, durch welchen auch nach Ablauf des seinerzeit
nach §
314 Abs.
3 SGB VI a.F. anrechnungsfreien sog. "Sterbejahres" und der Regelungen des
SGB IV auch noch über den 01.07.1994 hinaus ein vorbehaltloser Rentenzahlungsanspruch begründet worden sei. Da die Beklagte mit
dem Rentenbescheid vom 21.06.1993 eine Regelung auch für die laufende Witwenrente für die Zeit nach dem 30.06.1994 getroffen
habe, sei der Bescheids bereits im Zeitpunkt seines Erlasses und damit von Anfang an im Sinne des § 45 SGB X rechtswidrig gewesen. Demgegenüber sei nach Erlass des Bescheids vom 21.06.1993 weder in tatsächlicher noch in rechtlicher
Hinsicht eine wesentliche Änderung eingetreten, da die Klägerin hiernach - wie bereits seit 01.01.1993 - weiterhin ihrer Beschäftigung
nachgegangen sei und hieraus Einkünfte erzielt habe und die Anrechnung dieser Einkünfte auf ihre Witwenrente auch noch über
den 01.07.1994 hinaus nach denselben gesetzlichen Regelungen erfolgt sei, wie sie bereits zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung
gegolten hätten. Dass bei unveränderter Sach- und Rechtslage die Rentenminderung wegen der damaligen Anrechnungsvorschriften
erst zum 01.07.1994 eintrat, sei somit keine Änderung i.S. des § 48 SGB X. Da bei der Anwendung des § 45 SGB X von der Beklagten Ermessen auszuüben sei, die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Umdeutungsbescheid vom 30.12.2009 unter
Austausch der Rechtsgrundlage den Bescheid vom 23.03.2009 ersetzt habe und ausgehend von der Regelung des § 48 SGB X Ermessen nicht mehr geprüft habe, habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung Ermessen nicht ausgeübt. Eine Ermessensreduzierung
auf Null scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin sich wiederholt darauf berufen habe, dass nach den im Bescheid enthaltenen
Hinweisen Einkünfte aus einer im Inland ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht gemeldet werden müssten,
worauf die Beklagte auch im Ausgangsbescheid in keiner Weise eingegangen sei und deshalb jedenfalls zu erwägen gewesen wäre,
ob - vorausgesetzt die tatbestandlichen Voraussetzungen der rückwirkenden Aufhebung der Witwenrentenbewilligung wären erfüllt
- der Rückforderungsbetrag nicht auf Grund einer Mitverursachung der Überzahlung zu reduzieren wäre, zumal die Klägerin bei
Antragstellung keine falschen Angaben gemacht habe, da sie zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch kein Einkommen erzielt habe.
Wenn auch die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen, so sei gleichwohl zu berücksichtigen,
dass der Hinweis im Rentenbescheid, wonach sich die Meldung von Veränderungen bei einem Einkommen aus einer in der Bundesrepublik
Deutschland ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erübrige, nicht unmissverständlich gewesen
sei und ihre Schlussfolgerung, die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in der Bundesrepublik
Deutschland nicht mitteilen zu müssen, gerade vor dem Hintergrund, dass die Klägerin f. Staatsangehörige sei und zum damaligen
Zeitpunkt in F. gewohnt habe und die in Rede stehende Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt habe, durchaus
nachvollziehbar sei.
Am 01.08.2013 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und an ihrer Auffassung
festgehalten, dass ein Anwendungsfall des § 48 SGB X, nicht jedoch des § 45 SGB X vorliege. So habe sie zum einen keine Kenntnis von der ab 01.01.1993 ausgeübten Beschäftigung gehabt und zum anderen habe
sich die Einkommensanrechnung unstreitig erst ab 01.07.1994 und damit nach Erlass bzw. des Zugangs des Bescheids vom 21.06.1993
ausgewirkt. Im Sinne ihrer Rechtsauffassung hätten auch das LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 09.01.2004 (L 13 RJ 115/01) und das LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 07.03.2008 (L 2 R 281/07) in vergleichbaren Fällen entschieden. Die vom SG insoweit herangezogene Entscheidung des Hessischen LSG vom 27.01.2012 (L 5 R 395/10) sei demgegenüber nicht nachvollziehbar, zumal es die Antwort auf die Frage schuldig bleibe, wie ein solcher Bescheid konkret
aussehen solle. Die Möglichkeit den Rentenbescheid unter Vorbehalt (kein anrechnungsrelevantes Einkommen zum 01.07.1994) oder
befristet bis 30.06.1994 zu erlassen, widerspreche der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das den Erlass eines Rentenbewilligungsbescheides unter dem pauschalen Vorbehalt der Erzielung von Einkommen für unzulässig
erachte (Urteil vom 09.10.2012, B 5 R 8/12 R). Sie hat im Übrigen dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X vorlägen und ein atypischer Fall zu verneinen sei. Auch die von ihr gewählte Formulierung in der Belehrung des Bescheids
vom 21.06.1993 sei eindeutig und für einen Laien zu verstehen. Hiervon sei auch das LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom
23.09.2009 (L 31 R 1886/08), den sie in Kopie vorgelegt hat, ausgegangen. Schließlich seien ungeachtet dessen gleichwohl aber auch die Rücknahmevoraussetzungen
des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X erfüllt, wobei - entgegen der Ansicht des SG - eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt sei es ausgeschlossen, dass Umstände
vorliegen, die eine anderweitige, die Klägerin ganz oder teilweise begünstigende, Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen.
Dies ergebe sich aus dem schädlichen Verhalten der Klägerin, der Dauer des schädlichen Verhaltens und der Höhe des der Versichertengemeinschaft
zugefügten Schadens, wobei die Beklagte keinerlei Mitverschulden am Entstehen der Überzahlung treffe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.07.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§
143,
144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die als einheitliche Entscheidung über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente ab 01.07.1994 nach § 48 SGB X zu wertenden Bescheide der Beklagten vom 23.03.2009, 23.06.2009 und 30.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
27.06.2011 zu Recht im angefochtenen Umfang (s. die bereits im Widerspruch erfolgte Beschränkung auf die Vergangenheit) und
damit insoweit aufgehoben, als die Beklagte damit die Witwenrentenbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit im Zeitraum
ab 01.01.1993 vom 01.07.1994 bis 31.03.2009 neu berechnete und eine Überzahlung in Höhe von 62.383,95 € ermittelte, zu deren
Erstattung die Klägerin verpflichtet sei. Denn die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin
in ihren Rechten.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die Anrechnung des von der Klägerin seit 01.01.1993 bezogenen Einkommens beim Zusammentreffen
mit Witwenrente (§
97 und §
314 Abs.
3 a.F.
SGB VI i.V.m. §
18b SGB IV a.F.) im Einzelnen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass das von der Klägerin erzielte Einkommen (jedenfalls) ab 01.07.1994
teilweise anzurechnen war. Gleichermaßen zutreffend hat es die für eine rückwirkende Teilaufhebung des Bescheids vom 21.06.1993,
mit dem die Beklagte der Klägerin große Witwenrente ab 19.10.1992 bewilligte, heranzuziehende Rechtsgrundlage des § 45 SGB X dargelegt und ausgehend davon, dass eine Abgrenzung zu der Regelung des § 48 SGB X nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Bescheides zu erfolgen hat, zutreffend ausgeführt,
dass der Bescheid vom 21.06.1993 zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und nicht erst nachfolgend auf Grund einer
Änderung in den Verhältnisses rechtswidrig wurde, weil nach Erlass dieses Bescheides weder eine Änderung in den tatsächlichen
noch in den rechtlichen Verhältnissen eintrat. Ihre Erwerbstätigkeit hatte die Klägerin zuvor schon am 01.01.1993 aufgenommen
und die gesetzlichen Regelungen, nach denen nach Ablauf des sog. Sterbejahres ab 01.07.1994 eine Einkommensanrechnung zu erfolgen
hatte, erfuhr bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Änderung. In Kenntnis der von der Klägerin zum 01.01.1993 aufgenommenen Beschäftigung
und der erzielten Einkünfte hätte die Beklagte im Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 21.06.1993 keinen Witwenrentenbescheid
(mehr) mit Dauerwirkung erlassen dürfen und vorbehaltlos Rentenzahlungsansprüche für die Klägerin über den 30.06.1994 hinaus
begründen dürfen, weshalb sich der Rentenbescheid vom 21.06.1993 als von Anfang an rechtswidrig erweist. Der Senat schließt
sich den entsprechenden Ausführungen des SG, die mit der vom SG zitierten Rechtsprechung des Senats und des BSG übereinstimmt (vgl. das Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 4047/12 m.w.N., in [...]) in vollem Umfang an und sieht insoweit gemäß §
153 Abs.
2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung zurück.
Der Senat hat in seiner vom SG zitierten und zu Grunde gelegten Entscheidung vom 13.12.2012, a.a.O., bereits ausgeführt, dass der Anwendungsbereich der
§§ 45 und 48 SGB X sich danach unterscheidet, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl. § 39 SGB X) rechtswidrig war - dann § 45 SGB X - oder erst danach - dann § 48 SGB X - rechtswidrig wurde. Die beiden Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnisses im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes,
der aufgehoben werden soll, ab. Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage
vollständig abzuklären (BSG, Urteil vom 21.06.2011, B 4 AS 22/10 R in [...]; BSG, Urteil vom 28.06.1999, 4 RA 57/89 in SozR 3-1300 § 32 Nr. 2: sog. Verbot vorzeitigen Verfahrensabschlusses). Gerade die Anerkennung eines Rentenanspruchs bezweckt, eine geschützte,
unmittelbar, d.h. ohne weitere Sachaufklärung einklagbare Rechtsposition festzustellen, auf deren Bestand der Rentner vertrauen
und deswegen sich auf Dauer in seiner Lebensführung einrichten darf (BSG, Urteil vom 28.06.1990, 4 RA 57/89 a.a.O.). Entsprechend sind im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits (objektiv) feststehende, die Höhe des Anspruchs
betreffende Umstände, auch wenn sie in der Zukunft liegen, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 02.06.2004, B 7 AL 58/03 R in SozR 4-4100 § 115 Nr. 1; zur Abgrenzung bei unklarer Sachlage in der Zukunft vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1998, B 7 AL 2/98 R in SozR 3-4100 § 242 v Nr. 1; bei aufeinander aufbauenden Bescheiden und zeitlich rückwirkender Aufhebung s. BSG, Urteil vom 29.05.2008, B 11a/7a AL 74/06 R in SozR 4-1300 § 45 Nr.7: einheitlich § 45 SGB X).
Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren im Hinblick auf die vorzunehmende Abgrenzung von § 45 SGB X einerseits und § 48 SGB X andererseits geltend macht, zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 21.06.1993 keine Kenntnis von der zum 01.01.1993
aufgenommenen Beschäftigung der Klägerin gehabt zu haben, ist dies für die vorzunehmende Abgrenzung irrelevant. Denn abzustellen
ist insoweit - wovon die Beklagte im Rahmen ihrer Ausführungen im Übrigen auch selbst ausgeht - allein auf die objektiven
Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bzw. dessen Zugang (s. das Urteil des Senats vom 13.12.2012, a.a.O.). Zu
diesem Zeitpunkt übte die Klägerin jedoch tatsächlich bereits seit 01.01.1993 eine auf Dauer angelegte Beschäftigung mit den
dargestellten Einkünften aus, so dass dem Witwenrentenbezug nach den objektiven Verhältnissen seither Einkommen gegenüber
stand, das jedenfalls ab 01.07.1994 für eine Anrechnung in Betracht kam.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit dieser Sichtweise sei hier unterstellt, dass die Stelle der Beklagten, die den Bescheid von
1993 erließ, Kenntnis von der Aufnahme der Tätigkeit Anfang 1993 und damit der Erzielung von Arbeitsentgelt gehabt hätte.
Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass in diesem Fall und bei Beachtung der Rechtslage der Klägerin die Witwenrente in
voller Höhe nur bis 30.06.1994 zuerkannt worden wäre. Die (berechtigten) Interessen beider Beteiligten hätten der Feststellung
eines ungekürzten Zahlungsanspruches über den 30.06.1994 hinaus klar entgegen gestanden. Die Beklagte hätte der Klägerin sicher
nicht sehenden Auges unter Inkaufnahme eines immer bestehenden "Rückabwicklungsrisikos" für die Zeit ab 01.07.1994 eine Rechtsposition
(voller Zahlungsanspruch) eingeräumt, die ihr, der Klägerin, nach dem Sachstand im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht zustand.
Die Klägerin wiederum hätte ein berechtigtes Interesse daran gehabt, Kenntnis von der ab 01.07.1994 erforderlich werdenden
Einkommensanrechnung zu erlangen, um sich hierauf in ihrer Lebensführung einrichten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1990, 4 RA 57/89 a.a.O.), zumal nachfolgend eine gestufte, zunehmend höhere Anrechnung zu erfolgen hatte (vgl. die Ausführungen im angefochtenen
Urteil und die Anlage 8 zum Bescheid vom 23.03.2009). Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - eine Kenntnis der Verwaltung
von den Einkünften nicht unterstellt werden kann. Denn für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der §§ 45 und 48 SGB X sind - wie dargelegt - allein die objektiven Umstände maßgebend.
Aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des BSG vom 08.12.2005 (B 13 RJ 38/04 R) ergibt sich im Hinblick auf die geltend gemachte Anwendbarkeit des § 48 SGB X nichts anderes. Denn der jenem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt, bei dem es um die Frage ging, inwieweit sich bei
einem Bestandsrentner mit Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine zum 01.01.1992 eingetretene
Rechtsänderung bezüglich der Anrechnung auswirkt, ist mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens nicht vergleichbar.
Denn vorliegend ist eine Rechtsänderung nach dem Zeitpunkt der Rentenbewilligung - wie bereits ausgeführt - gerade nicht eingetreten.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf das angeführte Urteil des BSG vom 02.02.2012 (B 8 SO 5/10 R). Auch jener Sachverhalt ist davon geprägt, dass nach Erlass eines Dauerverwaltungsakts (Leistungen
bei stationärer Pflege nach Pflegestufe I) eine Änderung eintrat (Beantragung und Bewilligung der höheren Pflegestufe II),
die für den Fortbestand dieses Bescheides von Bedeutung war. Diese, sich nachfolgend auf die Höhe der Leistung auswirkende
Änderung (Bewilligung einer höhere Pflegstufe) hätte bei der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung - anders als dies im
vorliegenden Verfahren der Fall ist - gerade keine Berücksichtigung finden können, da sie zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids
schon mangels Antragstellung nicht erkennbar war. Demgegenüber war vorliegend angesichts der Aufnahme einer Beschäftigung
durch die Klägerin zum 01.01.1993 nach den objektiven Verhältnissen zum Zeitpunkt der Bewilligung der Witwenrente bereits
ersichtlich, dass der Bewilligungsbescheid ohne Einkommensanrechnung über den 30.06.1994 keinen Bestand haben würde, da das
Einkommen der Klägerin nach diesem Zeitpunkt den Zahlungsanspruch mindern wird.
Soweit die Beklagte sich in ihrer Rechtsauffassung durch die Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 09.01.2004
(L 13 RJ 115/01) und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 07.03.2008 (L 2 R 281/07) zu mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sachverhalten bestätigt sieht, folgt der Senat der Rechtsauffassung dieser
Gerichte nicht. In beiden Fällen war - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - bei gleichgebliebener Sach- und Rechtslage
auf Grund der einschlägigen Anrechnungsvorschriften erst nach einer zeitlichen Karenz die Anrechnung vorzunehmen. Diese, von
vornherein, also im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides bereits bestehende Situation wird - weil sich die Anrechnungsregelungen
erst später auswirken - von diesen Gerichten als wesentliche Änderung angesehen. Indessen trifft dies nicht zu. Maßgebend
ist allein, ob sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlagen, ändern
(vgl. den entsprechenden Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und nicht, ob bei unveränderter Sach- oder Rechtslage erst ab einem späteren Zeitpunkt Änderungen in der Berechnung vorzunehmen
sind.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das auch vom SG herangezogene Urteil des Hessischen LSG vom 27.01.2012 (L 5 R 395/10) geltend macht, es sei nicht nachvollziehbar, wie ein entsprechender Rentenbewilligungsbescheid - wie er auch nach Auffassung
des SG erforderlich wäre - konkret aussehen solle, übersieht die Beklagte ihre Handlungsmöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf
Befristungen (§ 32 SGB X) und auf sog. einstweilige Verwaltungsakte (vgl. §
42 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -
SGB I -:Vorschuss, §
43 SGB I: vorläufige Leistungen und die einschlägige Rechtsprechung hierzu, u.a. BSG, Urteil vom 28.06.1990, 4 RA 57/89, a.a.O.: u.a. Vorwegzahlung, falls die Voraussetzungen eines Vorschusses nicht vorliegen). Gerade im letztgenannten Urteil,
auf das auch das SG in seinem Urteil verwiesen hat, hat das BSG die Handlungsmöglichkeiten des Rentenversicherungsträgers unter dem Gesichtspunkt des Verbotes vorzeitigen Verfahrensabschlusses
dargelegt. Auch wenn die Voraussetzungen für eine vorläufige Leistungsbewilligung nach §
43 SGB I in Fällen der vorliegenden Art nicht erfüllt sind und im
SGB VI keine weitergehende Rechtsgrundlage vorhanden ist (vgl. dagegen z.B. im Recht der Arbeitsförderung § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch und zu deren Bedeutung bei der Anrechnung von Einkommen BSG, Urteil vom 02.06.2004, B 7 AL 58/03 R, a.a.O.) kann die Beklagte dem Umstand, dass vor einer endgültigen Leistungsbewilligung die Frage der Einkommensanrechnung
zu klären ist, ggf. mit befristeten Bewilligungen bzw. mit der Gewährung von Vorschüssen Rechnung tragen. Zu beachten ist
in diesem Zusammenhang auch, dass im Falle regelmäßigen gleichbleibenden Einkommens (im Gegensatz zu monatlich wechselnden
Einkünften) durchaus im Voraus für einen längeren Zeitraum eine Bewilligung ausgesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.2004, B 7 AL 58/03 R, a.a.O.). Bei der Bewilligung einer auf Dauer angelegten Leistung, wie hier der Witwenrente, steht zum Zeitpunkt der Entscheidung
nie sicher fest, dass der Anspruch überhaupt oder in der Form fortbesteht, in der er sich zum Zeitpunkt der Bewilligung ergibt.
Gleichwohl wäre es unzulässig, noch nicht endgültig zu entscheiden, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung keine konkreten Anhaltspunkte
für eine mögliche Änderung vorliegen (BSG, a.a.O.).
Dem entsprechend wäre im vorliegenden Fall - da bis zum 30.06.1994 Einkommen nicht anzurechnen war - zunächst eine zeitlich
bis zum 30.06.1994 begrenzte Leistungsbewilligung in Betracht gekommen, verbunden mit dem Hinweis, für die Zeit ab 01.07.1994
erst nach erneuter und zeitnaher Prüfung der Einkommensverhältnisse im ersten Quartal 1994 zu entscheiden. Im Falle des Eintritts
von Verzögerungen bei der Sachaufklärung und Entscheidung hätte die Beklagte ggf. für den Zeitraum ab 01.07.1994 Vorschüsse
gewähren können, bis Klarheit über die Anrechnung des Einkommens hergestellt gewesen wäre. Im Falle gleichbleibender monatlicher
Einkünfte hätte die Beklagte dann die entsprechende Anrechnung durchführen und den Zahlungsanspruch entsprechend für die Zeit
ab 01.07.1994 endgültig festsetzen können. Änderungen der Einkommensverhältnisse nach dieser Festsetzung wären dann nach §
48 SGB X zu beurteilen gewesen (BSG, a.a.O.).
Anderes lässt sich insbesondere nicht dem von der Beklagten insoweit herangezogenen Urteil des BSG vom 09.10.2012 (B 5 R 8/12 R) entnehmen. Denn mit den beschriebenen Möglichkeiten wäre gerade kein "pauschaler Vorbehalt der Erzielung von Einkommen"
verbunden, den das BSG für unzulässig erachtet, wenn dieser lediglich dazu dienen soll, einen für möglich erachteten anfänglichen Fehler nachträglich
zu korrigieren. Vielmehr weist das BSG auch in diesem Urteil ausdrücklich auf den auch vom Senat hervorgehobenen Grundsatz hin, dass endgültige Verwaltungsakte
erst nach abschließender Klärung der Sach- und Rechtslage ergehen dürfen. Der Senat sieht sich und die dargelegte bisherige
Rechtsprechung des BSG durch dieses Urteil bestätigt.
Nach alledem ist Rechtsgrundlage für die streitige rückwirkende teilweise Aufhebung der Witwenrentenbewilligung § 45 SGB X, nicht aber § 48 SGB X.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wiederum zutreffend die einzelnen Fallgestaltungen,
die nach § 45 SGB X eine Rücknahmen für die Vergangenheit ermöglichen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass eine Rücknahme nach § 45 SGB X - auch für die Vergangenheit - die Ausübung von Ermessen erfordert und dass die Beklagte ein solches Ermessen nach der erfolgten
"Umdeutung" nicht ausübte. Die Beklagte sieht dies ebenso, so dass der Senat gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf diese Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug nimmt.
Die Beklagte wendet in diesem Zusammenhang (fehlendes Ermessen) allein ein, sie habe kein Ermessen ausüben müssen, weil eine
Ermessensreduzierung auf Null eingetreten sei. Dies trifft indessen nicht zu.
Die Ermessensreduzierung auf Null stellt einen seltenen Ausnahmefall dar (BSG, Urteil 11.04.2002, B 3 P 8/01 R m.w.N., in [...], auch zum Nachfolgenden). Sie setzt voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist,
dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige - den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende - Entscheidungsfindung
rechtsfehlerfrei zuließen. Dies ist in aller Regel nicht der Fall. Selbst das Vorliegen von "Bösgläubigkeit" des Leistungsempfängers
rechtfertigt - sofern nicht die Qualität betrügerischen Handelns erreicht wird - im Sozialversicherungsrecht nicht die Annahme
einer Ermessensreduzierung auf Null (s. z.B. BSG, Urteil vom 09.09.1998, B 13 RJ 41/97 R, [...]; zu den Fällen einer angenommenen Ermessensreduzierung s. Steinwedel in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 45
Rdnr. 60 f.).
Im vorliegenden Fall fällt der Klägerin - allenfalls - grobe Fahrlässigkeit zur Last. Von einer vorsätzlichen Verletzung der
Mitteilungspflichten bzw. einer positiven Kenntnis vom (teilweisen) Wegfall des Leistungsanspruche geht auch die Beklagte
nicht aus und auch der Senat sieht hierfür keinerlei Hinweise. Damit liegt der vom Gesetzgeber geregelte "Normalfall" einer
Rücknahme bei fehlendem Vertrauensschutz vor, bei dem nach dieser Rechtslage grundsätzlich Ermessen auszuüben ist und mit
den Fallgestaltungen, in denen das BSG ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null (s. Steinwedel, a.a.O., Rdnr. 60 m.w.N.) angenommen hat, ist der vorliegende
Sachverhalt nicht vergleichbar.
Die Auffassung der Beklagten, wonach keine Umstände ersichtlich seien, die eine andere, die Klägerin zumindest teilweise begünstigende
Entscheidung rechtsfehlerfrei zuließen, trifft nicht zu. Die Beklagte setzt sich insoweit bereits zu ihrem eigenen Verhalten
in Widerspruch. Denn im Bescheid vom 23.03.2009 übte die Beklagte tatsächlich Ermessen aus, sie ging also ursprünglich gerade
nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Dabei setzte sich die Beklagte gerade mit den von der Klägerin vorgebrachten
Einwänden - u.a. sei der Beklagten wegen des bei ihr geführten Versichertenkontos der Klägerin und der Entrichtung von Pflichtbeiträgen
die Beschäftigung bekannt gewesen - auseinander. Schon dies - das im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigende
Vorbringen der Klägerin - steht der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null entgegen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beklagte der damals, im Zeitpunkt des Erlasses der Rentenbewilligung, 39-jährigen
Klägerin, die zwei acht- und zwölfjährige Kinder erzog, dauerhaft Witwenrente bewilligte, ohne in den folgenden 15 Jahren
auch nur einmal eine Einkommensüberprüfung durchzuführen. Dabei war nach allgemeiner Lebenserfahrung jedenfalls nicht auszuschließen,
dass mit zunehmendem Alter der Kinder die Klägerin eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Dass der Beklagten eine solche Prüfung
mit Aufdeckung der Überzahlung ohne weiteres möglich gewesen wäre, zeigt die tatsächlich nach mehr als 15 Jahren durchgeführte
und zum vorliegenden Verfahren führende Prüfung der Einkommensverhältnisse von Amts wegen (s. Bl. 80 ff. VA). Soweit die Beklagte
darauf hinweist, sie sei zu einem Datenabgleich nicht verpflichtet, mag dies zutreffen. Dass sie aber hierzu nicht befugt
sei, behauptet auch die Beklagte nicht, im Gegenteil, sie nahm eine entsprechende Befugnis für sich in Anspruch. Im Übrigen
hätte auch eine Nachfrage bei der Klägerin nahegelegen. Immerhin gelangten bis ins Jahr 2003 Erklärungen der Klägerin u.a.
über eine nicht erfolgte Wiederheirat auf dem von der Beklagten vorgegebenen Formblatt zur Akte des Versicherten. Insoweit
trug auch Verhalten der Beklagten - nicht i.S. vorwerfbaren Fehlverhaltens, sondern i.S. einer teilweisen Mitverursachung
durch eine unterlassene Prüfung von Amts wegen - zum Ausmaß des "Schadens" bei. Nicht maßgebend ist, ob die Beklagte diesen
Aspekt im Rahmen einer Ermessensentscheidung zugunsten der Klägerin berücksichtigen müsste, ausschlaggebend ist allein, dass
die Beklagte diesen Aspekt - neben weiteren - zugunsten der Klägerin berücksichtigen könnte. Schon dies schließt es aus, jede
andere Entscheidung als eine volle Aufhebung und Rückforderung für rechtswidrig zu erachten.
Auch rechtfertigten die von der Beklagten in der Berufung angeführten Umstände diesen Schluss nicht. Soweit die Beklagte auf
eine gröbliche Pflichtverletzung der Klägerin abstellt, wird damit nach der gesetzlichen Regelung eine Rücknahme erst ermöglicht
(fehlender Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X) und zugleich die Ausübung von Ermessen gefordert. Damit kann dieser Aspekt - wie oben bereits dargestellt - nicht zugleich
eine Ermessensreduzierung auf Null rechtfertigen. Soweit die Beklagte eine lange Dauer des schädlichen Verhaltens behauptet,
trifft dies schon nicht zu. Selbst nach der Argumentation der Beklagten liegt das Fehlverhalten der Klägerin in der Nichtbeachtung
von Hinweisen im Antrag bzw. im Rentenbescheid und damit in einem zweimaligen Fehlverhalten. Dass sich dies über einen langen
Zeitraum auswirkte und eine erhebliche Überzahlung zur Folge hatte, ändert hieran nichts. Entgegen der Auffassung der Beklagten
ist aus der Tatsache, dass in den Jahren 2004 bzw. 2007 Änderungen des Beitragssatzes zur Krankenversicherung berücksichtigt
wurden, kein weiteres Fehlverhalten abzuleiten. Denn es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Klägerin Anlass gehabt
haben soll, wegen einer Beitragsänderung mit Erlass entsprechender Beitragsbescheide (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.1989, 12 RK 66/87 in SozR 2200 § 393 Nr. 3) die Hinweise im Rentenbescheid zur Einkommensanrechnung zu lesen. Damit erreicht das von der Beklagten angenommene
Fehlverhalten der Klägerin auch nicht annähernd die Qualität, die vom BSG für eine Ermessensreduzierung auf Null bejaht wird, nämlich betrügerisches Verhalten (s. BSG, Urteil vom 11.04.2002, a.a.O.). Aus welchen Gründen die Höhe der Überzahlung und die Ungewissheit, ob die Erstattungsforderung
realisiert werden kann, zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen soll, erschließt sich nicht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte im Rahmen der Ermessensentscheidung auch Umstände des der
Klägerin vorwerfbaren Fehlverhaltens zu deren Gunsten hätte berücksichtigen können.
Erster Anknüpfungspunkt einer Prüfung fehlenden Vertrauensschutzes als einer der Voraussetzungen für eine Rücknahme (vgl.
§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, vorliegend i.V.m. den Fristenregelungen des § 45 Abs. 3 Satz 3 und 4, Abs. 4 Satz 1 SGB X) ist insoweit - hierauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen - die erfolgte Antragstellung. Damals, im Oktober 1992, beauftragte
die Klägerin einen Bevollmächtigten mit der Antragstellung, der auch die Anlage zu den Einkommensverhältnissen ausfüllte und
unterschrieb, mithin auch die Verpflichtung zur Mitteilung im Falle der Zahlung von Arbeitsentgelt (Bl. 8 f. VA). Zwar war
die Verneinung des Bezugs von Arbeitsentgelt damals - im Oktober 1992 - wahrheitsgemäß, jedoch ist anerkannt, dass die Nichtmitteilung
von derartigen Umständen, wenn nach Antragstellung, aber vor Erlass der Leistungsbewilligung Änderungen eintreten, der unrichtigen
oder unvollständigen Angabe gleichzusetzen ist, insoweit also ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorliegt (BSG, Urteil vom 01.06.2006, B 7a AL 76/05 R in SozR 4-4300 § 122 Nr. 4). Die Mitteilungspflichten als solches ergaben sich aus
§
60 Abs.
1 Nr.
2 SGB I und die für die Bejahung grober Fahrlässigkeit unerlässliche Kenntnis von der Mitteilungspflicht ergibt sich daraus, dass
der Klägerin die Kenntnis ihres Bevollmächtigten und ggf. dessen Verschulden zugerechnet wird (Anwendung der aus §
166 Abs.
1 und §
278 des
Bürgerlichen Gesetzbuches folgenden allgemeinen Rechtsgedanken im Sozialrecht, vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1968, 9 RV 418/65 in SozR Nr. 24 zu § 47 VerwVG; Urteil vom 18.08.2005, B 7a AL 4/05 R in SozR 4-1500 § 95 Nr. 1). Im Ergebnis wird somit fehlender
Vertrauensschutz (grobfahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten) mit einer Zurechnung des Verhaltens Dritter begründet.
Dies ist dann aber nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 04.02.1988, 11 RAr 26/87 in SozR 1300 § 45 Nr. 34; Beschluss vom 10.08.1993, 9 BV 4/93 in SozR 3-1300 § 45 Nr. 18; Urteil vom 25.01.1994, 4 RA 16/92 in SozR 3-1300 § 50 Nr. 16; zur Wechselwirkung des Maßstabes für grobe Fahrlässigkeit und allgemeiner Annahme einer Ermessensreduzierung
auf Null BSG, Urteil vom 24.01.1995, 8 RKn 11/93 in SozR 3-1300 § 50 Nr. 17), wobei im vorliegenden Fall durchaus und zusätzlich die damalige Ausnahmesituation der Klägerin (Verlust des Ehemannes
und zwei minderjährige Kinder) zu ihren Gunsten hätte berücksichtigt werden können.
Dieser Aspekt - Berücksichtigung der Zurechnung des Verhaltens Dritter - ist auch nicht deshalb obsolet, weil ein fehlender
Vertrauensschutz zusätzlich durch die von der Beklagten in den Vordergrund gerückte Nichtbeachtung der Hinweise im Rentenbescheid
vom 21.06.1993 zu bejahen wäre. Denn diese Hinweise begründen aus Sicht des Senats gerade nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit,
weder in Bezug auf die Verletzung von Mitteilungspflichten noch in Bezug auf die von der Beklagten auf dieser Grundlage behauptete
grob fahrlässige Unkenntnis vom (teilweisen) Wegfall des Zahlungsanspruches (§ 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB X).
Zwar wurde die Klägerin mit dem Bescheid vom 21.06.1993 darüber unterrichtet, dass Erwerbseinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe
haben kann und sie verpflichtet ist, der Beklagten das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen unverzüglich
mitzuteilen. Auch ist diese Belehrung für sich betrachtet klar und unmissverständlich formuliert. Da die Klägerin nach ihren
eigenen Angaben den Bescheid und damit die darin enthaltenen Hinweise nicht las, würde schon dies allein den Vorwurf grober
Fahrlässigkeit begründen, weil sie die Obliegenheit traf, den Inhalt des Bescheides zur Kenntnis zu nehmen (BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/00 R in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Dass ihre psychische Verfassung eine Lektüre nicht zuließ, ist nicht zu erkennen. Immerhin hatte
sie zu Anfang 1993 eine versichungspflichtige Tätigkeit aufgenommen. Die Klägerin wäre so zu behandeln, als hätte sie diese
Hinweise im Rentenbescheid zur Kenntnis genommen. Allerdings hat die Beklagte die Klägerin, was auch das Hessische LSG insoweit
für maßgeblich erachtet hat, zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass sich die Meldung von Veränderungen bei Einkommen einer
in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erübrigt, was die zuvor erteilte
Belehrung über die generelle Mitteilungspflicht im Hinblick auf Erwerbseinkommen nicht unerheblich einschränkt. Wenn sich
auch diese Einschränkung nur auf die Veränderung des Einkommens einer schon ausgeübten rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung
oder Tätigkeit bezieht, so erschließt sich nicht ohne weiteres und keinesfalls augenscheinlich für einen unvoreingenommen
Leser, dass hier sehr feinsinnig - so zutreffend das Hessische LSG - zwischen Hinzutreten und Veränderung von Erwerbseinkommen
unterschieden wird. Zu Recht hat das Hessische LSG in diesem Zusammenhang auch auf den allgemeinen Sprachgebrauch hingewiesen,
nach dem das Hinzutreten von Erwerbseinkommen als die stärkste Form der Veränderung angesehen werden dürfte, weshalb es durchaus
nahe liegt, den einschränkenden Hinweis in Bezug auf eine Veränderung von Erwerbseinkommen auch auf das Hinzutreten zu beziehen.
Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der die Mitteilungspflicht einschränkende Hinweis bezüglich Veränderungen
von Einkommen einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit sich erst
auf Seite 4 des Bescheides nach zwei Absätzen weiterer Informationen findet, und damit nicht in unmittelbarem sachlichen und
örtlichen Zusammenhang mit der zunächst erfolgten allgemeinen Belehrung eher noch im mittleren Bereich auf Seite 3 des Bescheides.
Vor dem Hintergrund all dessen erscheint es durchaus gerechtfertigt, zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass auch die Aufnahme
einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nicht mitzuteilen sei. Der Klägerin kann daher
auf der Grundlage dieser Hinweise nicht entgegengehalten werden, sie habe grob fahrlässig die Aufnahme ihrer Tätigkeit verschwiegen.
Dabei berücksichtigt der Senat insbesondere auch, dass die Klägerin seinerzeit in ihrem Heimatland F. wohnhaft war und ihre
Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausübte, weshalb der missverständliche Hinweis auch als individueller Hinweis
gerade für die im Ausland lebende Klägerin betrachtet werden kann, der sie noch in ihrer Ansicht bestärkte, die Beklagte sei
durch die von ihr auf Grund ihrer im Inland gezahlten Rentenversicherungsbeiträge ohnehin über ihr Erwerbseinkommen informiert.
Der Senat folgt daher nicht der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 23.09.2009 (L 31 R 1886/08), auf die sich die Beklagte zuletzt berufen hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich mit diesen Hinweisen eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vom (teilweisen)
Wegfall des Leistungsanspruches von vornherein nicht begründen. Selbst wenn die Klägerin bei Lektüre der Hinweise eine mögliche
Relevanz von Arbeitsentgelt hätte erkennen können (entsprechend dem Wortlaut "... haben kann"), war es auf Grund der Hinweise
nicht möglich zu erkennen, dass es tatsächlich zu einer Anrechnung von Einkommen kommen würde, der Anspruch also teilweise
entfällt. Denn der Bezug von Arbeitsentgelt war erst ab einer bestimmten Höhe leistungsschädlich und die Einkommensgrenzen
wurden nicht mitgeteilt. Das grob fahrlässige Nichterkennen einer möglichen Relevanz von Umständen ist aber nicht gleichzusetzen
mit dem grobfahrlässigen Nichterkennen einer tatsächlichen Auswirkung von Umständen auf den Leistungsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.