LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016 - 11 R 2289/15
Rechtmäßigkeit der Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen nach dem Ausscheiden aus einer geistlichen Genossenschaft nach
der bis zum 31.12.1991 geltenden Rechtslage
Nach der bis zum 31.12.1991 geltenden Rechtslage war eine geistliche Genossenschaft beim Ausscheiden eines ihrer satzungsmäßigen
Mitglieder aus der Gemeinschaft zur Nachversicherung verpflichtet, wenn die Tätigkeit des Mitglieds in der Glaubensgemeinschaft
nicht der Versicherungspflicht nach § 9 AVG idF des Art 1 § 2 Nr 3 RRG v 16.10.1972 (BGBl I S 1965) unterlegen hatte. Die Verpflichtung zur Nachversicherung hing bei einem Ausscheiden aus der
Gemeinschaft in der Zeit vom 01.01.1973 bis zum 31.12.1991 nicht mehr - wie noch zuvor - von einem fristgebundenen Antrag
ab. Die Erhebung der Einrede der Verjährung des zur Nachversicherung verpflichteten Trägervereins (e. V.) ist nicht in jedem
Fall als rechtsmissbräuchlich zu werten. Maßgebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles.
Normenkette: AVG § 2 ,
AVG § 9 ,
Vorinstanzen: SG Heilbronn 27.01.2015 S 15 R 3254/13
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.01.2015 sowie der Bescheid der Beklagten
vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2013 aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.05.1965 bis 30.09.1979
für die bei der Beklagten versicherte Beigeladene.
Der Kläger ist eine evangelische Freikirche pfingstlicher Prägung. Sein Hauptziel ist nach eigener Angaben die Mitarbeit am
Aufbau der weltweiten Gemeinde Jesu Christi auf Erden. Er ist als eingetragener Verein (eV) mit Sitz in Stuttgart organisiert
(Vereinsregister Stuttgart 1526). Die Verwaltung des Vereins befindet sich in B. Der Verein unterhält mehrere sog Glaubenshäuser,
die ua der Förderung der christlichen Religion dienen, aber auch Erholungsgelegenheit bieten. Mit dem Glaubenshaus verbunden
ist eine Missionsschule, die nach den früheren Satzungen des Vereins (zB Satzung idF vom 03.07.1970) den Orden der geistlichen
Genossenschaft "Spätregen" darstellte. Nach § 2 Abs 3 Nr 2 der Satzung idF vom 28.05.2012 bilden Personen, die ihrer christlichen
Überzeugung und inneren Berufung folgen und in einem Glaubenshaus leben, eine auf Dauer angelegte ordensähnliche Glaubens-
und Lebensgemeinschaft. Die Beigeladene war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des eV.
Die 1950 geborene Beigeladene wurde am 01.05.1965 in das Glaubenshaus "Libanon" in B. aufgenommen und absolvierte dort eine
Ausbildung zur Missionsschwester. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beigeladene erklärt, sie sei anschließend
überwiegend im Haus Libanon tätig gewesen, aber auch mehrfach im Ausland zum Einsatz gekommen (16 Monate in Südafrika, jeweils
mehrere Wochen in Holland und in der Schweiz).
Nach dem Ausscheiden aus der Glaubensgemeinschaft zum 30.09.1979 stellte der Kläger der Beigeladenen am 09.12.1980 eine Bescheinigung
(Bl 129 Verwaltungsakte) und am 27.11.1981 ein Zeugnis (Bl 128 Verwaltungsakte) aus. Darin führt der Kläger aus, dass die
Beigeladene nach ihrer fünfjährigen Ausbildung in der Missionsschule dem Missionswerk des Klägers ihre ganze Zeit und Kraft
freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Die Beigeladene sei nach der Ausbildung als Missionsschwester in
verschiedenen Missionshäusern in Europa und Übersee zum Einsatz gekommen. Im Laufe der Jahre sei die Beigeladene besonders
in der Hauswirtschaft, in der Küchenarbeit und im Schneiderhandwerk als Herrenschneiderin tätig gewesen.
Nach Austritt aus der Glaubensgemeinschaft war die Beigeladene zunächst als Hausfrau und Mutter tätig und arbeitete dann ab
1981 als Pflegehelferin. Auf ihren Rentenantrag vom 07.06.1991 (Angabe ua "vor 1.12.81 nicht vers.pfl. beschäftigt in der
Spätregenmission B. tätig", Bl 1 und 5 Verwaltungsakte) wurde der Beigeladenen von der Beklagten mit Rentenbescheid vom 30.07.1991
eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit beginnend am 01.06.1991 gewährt. Mit weiterem Bescheid vom 02.09.1992 wurde ein
Anspruch der Beigeladenen auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.1992 hinaus auf unbestimmte Dauer anerkannt.
Mit E-Mail vom 26.12.2012 an die Beklagte und Schreiben vom 30.12.2012 an den Kläger bat die Beigeladene für die Zeit ihres
Aufenthalts in den Glaubenshäusern des Klägers vom 01.05.1965 bis 30.09.1979 um Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen.
Der Kläger lehnte diese Bitte mit Schreiben vom 10.01.2013 ab (Bl 170 Verwaltungsakte). Zur Begründung teilte er der Beigeladenen
mit, dass nach intensiver Prüfung festgestellt worden sei, dass es sich bei den ausgeübten Tätigkeiten in den Glaubenshäusern
des Klägers in dem oben genannten Zeitraum nicht um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt habe, weshalb auch
keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden könnten. Eventuelle Ansprüche auf Rentenversicherungsbeiträge seien ohnehin
verjährt.
Mit Schreiben vom 18.01.2013 (Bl 167 Verwaltungsakte) verlangte die Beklagte vom Kläger Nachversicherungsbeiträge wegen unversorgten
Ausscheidens der Beigeladenen.
Mit Bescheid vom 12.03.2013 (Bl 171 Verwaltungsakte) forderte die Beklagte den Kläger auf, Nachversicherungsbeiträge für die
Beigeladene für die Zeit vom 01.05.1965 bis 30.09.1979 gemäß § 233 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI) i.V.m. § 8 Abs 2 SGB VI zu überweisen. Eine etwaige Einrede der Verjährung sei rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam, wenn sie dem Grundsatz von
Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) widerspreche, weil zB der Beitragsschuldner dem Beitragsgläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung
seiner Beitragsforderung abgehalten habe. Der Kläger habe damals, ausgehend von den Unterlagen der Beklagten, den zuständigen
Rentenversicherungsträger nicht über das unversorgte Ausscheiden der Beigeladenen aus der Gemeinschaft bzw aus der Beschäftigung
informiert. Daher könne sich der Kläger nunmehr nicht auf die Einrede der Verjährung berufen.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.03.2013 Widerspruch. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Kläger
habe zu keiner Zeit bestanden. Die Beigeladene sei zwar in eines der Missionshäuser aufgenommen worden und ihr habe die Aufgabe
oblegen, auch den Haushalt der Glaubensgemeinschaft in Ordnung zu halten. Dies sei aber nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses
erfolgt, sondern sei von der Beigeladenen als Bewohnerin eines Missionshauses, ähnlich einer Wohngemeinschaft, übernommen
worden. Ein Entgelt für ihre Tätigkeiten habe die Beigeladene weder erhalten noch erwartet. Versicherungsfreiheit im Sinne
von § 5 Abs 1 Nr 3 SGB VI habe nicht bestanden; ein solcher Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei vom Kläger nie gestellt worden. Das
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg habe erst im Juli 1995 entschieden, dass
den satzungsmäßigen Mitgliedern des Klägers Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit
und im Alter gewährleistet werde. Diese Entscheidung gelte erst mit Wirkung vom 01.01.1992 an und bewirke Versicherungsfreiheit
in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl Bl 177 Verwaltungsakte). Die Beigeladene lebe aber bereits seit 01.10.1979 nicht
mehr in einem der Missionshäuser des Klägers. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Es liege
weder grob fahrlässiges noch vorsätzliches Verhalten vor. Nach ordnungsgemäßer und sorgfältiger Prüfung habe die Auffassung
bestanden, dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Überdies seien die Voraussetzungen für eine
Nachversicherungspflicht nicht erfüllt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 233 Abs 1 SGB VI i.V.m. § 9 Abs 5 AVG seien satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften nach dem Ausscheiden aus ihrer Gemeinschaft für die Zeit ihrer
Mitgliedschaft in der Gemeinschaft, die aus anderen Gründen als wegen einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung der
Versicherungspflicht nicht unterlagen, nachzuversichern. Die satzungsmäßige Mitgliedschaft habe nach dem Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes
(AVG) weder eine Beschäftigung begründet, noch habe Versicherungsfreiheit vorgelegen. Dieser Personenkreis sei nicht versicherungspflichtig
gewesen (§ 2 Abs 1 Nr 7 AVG), sofern wie vorliegend, keine oder nur Barbezüge in geringer Höhe gezahlt worden seien. Nach dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft
seien daher die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten. Da der Kläger den Rentenversicherungsträger seinerzeit
nicht über das unversorgte Ausscheiden der Beigeladenen informiert habe, sei die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich.
Hiergegen hat der Kläger am 17.09.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft. Die von der Beklagten in Bezug genommene Regelung
des § 2 Abs 1 Nr 7 AVG stelle keine sinngemäß den §§ 5 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 230 Abs 1 Nr 1 und Nr 3 oder § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI entsprechende Vorschrift dar. § 2 Abs 1 Nr 7 AVG entspreche vielmehr dem heutigen § 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI, der definiere, welche Personen der Versicherungspflicht unterliegen. Des Weiteren sei es auch nicht so, dass die Beigeladene
1979 versorgungslos ausgeschieden sei. Nach aktueller Satzung des Klägers erhielten auch die ausgeschiedenen Mitglieder im
Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit eine in der Glaubensgemeinschaft des Kläger übliche Versorgung. Dieser Anspruch
stehe auch der Beigeladenen weiter zu, sodass weder ein versorgungsloses Ausscheiden noch ein nachträglicher Wegfall der Versorgung
vorliege. Der Anspruch der Beklagten auf Nachversicherungsbeiträge bestehe auch deshalb nicht, weil das Gesetz solche Beiträge
nur für satzungsmäßige Mitglieder in einer Gemeinschaft vorsehe. Die Beigeladene sei allerdings bei der Klägerin nie "satzungsmäßiges
Mitglied" gewesen. Die Satzung des Klägers bezeichne erstmals in der Fassung vom 28.05.2012 Personen, die ihrer christlichen
Überzeugung und ihrer inneren Berufung folgten und in einer auf Dauer angelegten ordensähnlichen Glaubens- und Lebensgemeinschaft
in einem Glaubenshaus lebten und die ihre zur Verfügung stehenden Kräfte aktiv für die Verwirklichung des Satzungszwecks einsetzten,
ohne eine vollzeitliche eigenwirtschaftlich orientierte Tätigkeit auszuüben, als satzungsmäßige Mitglieder. Die älteren Fassungen
der Satzungen des Klägers (vgl Fassung vom 03.07.1970, Bl 36 SG-Akte) enthielten keinerlei Definition darüber, ob und wann eine Person satzungsmäßiges Mitglied sei. Daher sei die Beigeladene
im Zeitraum vom 01.05.1965 bis zum 30.09.1979 nicht "satzungsmäßiges" Mitglied des Klägers gewesen, sondern vielmehr, ohne
Vereinsmitglied zu sein, ein anerkanntes und geschätztes Mitglied der Glaubensgemeinschaft im weitesten Sinne. Bei den Tätigkeiten,
die die Beigeladene im Rahmen ihres Aufenthalts bei dem Kläger übernommen habe, habe es sich jeweils um freiwillige Aufgaben
gehandelt. Hierfür sei weder ein Entgelt gezahlt worden noch sei ein solches von der Beigeladenen erwartet worden sei. Es
habe sich allenfalls um einen Dienst für die Gemeinschaft gehandelt. Der Anspruch der Beklagten sei auch deshalb nicht durchsetzbar,
weil der Anspruch mittlerweile jedenfalls verjährt sei. Selbst wenn der Kläger wider besseren Wissens vorsätzlich keine Versicherungsbeiträge
abgeführt hätte, wäre ihm dennoch die Einrede der Verjährung nicht nach Treu und Glauben verwehrt. Gleiches würde gelten,
wenn der Kläger die Rentenversicherungsträgerin absichtlich nicht über ein Ausscheiden der Beigeladenen informiert hätte.
Eine andere Auffassung würde die gesetzliche Verjährungsfrist von 30 Jahren des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IV) obsolet machen, wenn bei vorsätzlichem Handeln die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben als rechtsmissbräuchlich
zu bewerten wäre. Sowohl beim Ausscheiden der Beigeladenen 1979 als auch heute habe der Kläger davon ausgehen können, dass
keine versicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen habe und deshalb auch keine Rentenversicherungsbeiträge abzuführen
gewesen seien.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Die Beigeladene
sei 1979 unversorgt aus der Gemeinschaft der Klägerin ausgeschieden. Nach § 233 Abs 1 SGB VI seien Mitglieder von Glaubensgemeinschaften, die bereits vor 1992 Mitglied waren, nachzuversichern, wenn sie aus der Gemeinschaft
ausschieden und mangels Barbezügen in diesem Zeitraum nicht versicherungspflichtig gewesen seien. Unerheblich sei, ob die
Beigeladene nach dem Vorbringen des Klägers kein "satzungsmäßiges" Mitglied bei dem Kläger gewesen sei. Ausreichend sei vorliegend,
dass die betroffene Person in einem gewissen Umfang für die Gemeinschaft tätig gewesen sei. Dies habe der Kläger mit den Bescheinigungen
vom 09.12.1980 sowie mit dem Zeugnis vom 27.11.1981 ausreichend bestätigt.
Mit Beschluss vom 07.04.2014 hat das SG die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat sich dem Vorbringen und dem Antrag der Beklagten vollumfänglich angeschlossen (Bl 59 SG-Akte).
In der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2015 vor dem SG haben der Kläger und die Beigeladene Angaben zum Sachverhalt gemacht, wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift
Bezug genommen (Bl 64 SG-Akte).
Mit Urteil vom 27.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen
Rechten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nachforderung von Versicherungsbeiträgen für die Beigeladene für den Zeitraum
vom 01.05.1965 bis 30.09.1979 seien erfüllt. Es liege zwar Verjährung vor, jedoch sei die Erhebung der Einrede der Verjährung
durch den Kläger rechtsmissbräuchlich und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 29.04.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 29.05.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges
Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe verkannt, dass im vorliegenden Fall die Regelungen der Sozialversicherungspflicht auf die vom Kläger und der Beigeladenen
freiwillig gewählte Lebensform nicht anwendbar seien. Nach unter Beweisstellung ihres Glaubens und ihrer Verbundenheit mit
den Grundsätzen des Klägers habe eine Person ohne weiteren formellen Akt in die Glaubensgemeinschaft und als Glaubenshausbewohner
aufgenommen werden können. Aufzeichnungen über ein Austreten von Personen aus der Glaubensgemeinschaft seien nicht geführt
worden. Das Leben innerhalb der Gemeinschaft sei entgegen der Annahme des SG nicht mit dem Leben in einem Orden bzw dem Ausscheiden einer Ordensschwester vergleichbar. Unzutreffend sei die Auffassung
des SG, es habe eine Beschäftigung vorgelegen, die nach dem damals geltenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei
oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Eine dem heutigen § 5 Abs 1 SGB VI entsprechende Regelung, die Versicherungsfreiheit dann vorsehe, wenn eine entsprechende Altersversorgung gewährt werde, habe
das AVG nicht enthalten und auch nicht vorgesehen. Selbst wenn man zum Ergebnis kommen sollte, die Tätigkeit der Beigeladenen stelle
dem Grunde nach eine sozialversicherungsrelevante Tätigkeit dar, seien dennoch die Voraussetzungen der Nachversicherung nicht
erfüllt. Das SG habe verkannt, dass die Zusage des Klägers gegenüber der Beigeladenen, diese im Alter entsprechend den Regeln der Gemeinschaft
zu versorgen, niemals entfallen sei, sondern durchgängig Bestand gehabt habe und nach wie vor habe. Es habe sich nicht nur
um ein Angebot gegenüber der Beigeladenen gehandelt, wieder in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen zu werden, sondern um
eine konkrete Zusage, sie im Falle der Bedürftigkeit zu versorgen. Damit sei eine lebenslange Versorgung der Beigeladenen
gewährleistet. Im vorliegenden Fall sei die vierjährige Verjährungsfrist einschlägig. Der Kläger habe im Jahr 1979 nicht vorsätzlich
gehandelt. Seinerzeit sei es die ganz herrschende Auffassung gewesen, dass freiwillig erbrachte Leistungen in einer Glaubensgemeinschaft
kein Beschäftigungsverhältnis darstellten und damit weder Versicherungs- noch Nachversicherungstatbestände auslösen könnten.
Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei bei einer nicht vorsätzlich handelnden Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich. Einem
gutgläubigen Arbeitgeber könne nicht das Argument des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Der Kläger hat außerdem einen
Schriftwechsel aus dem Jahr 2010 zwischen dem damaligen Vorstand des Klägers und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg
vorgelegt (Bl 56 ff Senatsakte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.01.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19.08.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide, ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die
beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der
Beklagten vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger
in seinen Rechten. Zu Unrecht macht die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für die Beigeladene für den Zeitraum vom 01.05.1965
bis 30.09.1979 geltend, denn eine Beitragsforderung ist verjährt und die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger
nicht rechtsmissbräuchlich und keine unzulässige Rechtsausübung. Das Urteil des SG war daher aufzuheben.
Die Anfechtungsklage ist zulässig wie auch die sachliche Zuständigkeit der Beklagten zur Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge
gegeben ist. Der Bereich der innerkirchlichen Angelegenheiten der Glaubensgemeinschaft des Klägers wird dadurch nicht tangiert
(vgl BayVGH 04.10.1995, 7 B 94.593 = KirchE 33, 358; Hauck/Noftz/Fichte, SGB VI, § 5 Rn 64; Axer, Staat und Kirche im Sozialversicherungsrecht, Kirchliche Betätigung zwischen Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungsfreiheit,
in Isensee/Rees/Rüfner (Hrsg), Dem Staate, was des Staates - der Kirche, was der Kirche ist, Festschrift für Joseph Listl, 1999, 587 <606>).
Gemäß § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI werden Personen, die vor dem 01.01.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach der jeweils geltenden,
den §§ 5 Abs 1, 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 230 Abs 1 Nr 1 und 3 oder 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit
waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften (vorliegend § 9 Abs 5 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG]) nachversichert,
wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung bzw vorliegend aus der Gemeinschaft ausgeschieden
sind. Nach Satz 2 des § 233 Abs 1 SGB VI gilt dies für Personen, die ihren Anspruch auf Versorgung vor dem 01.01.1992 verloren haben, entsprechend.
§ 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI ist eine Übergangsregelung zu § 8 SGB VI (vgl Senatsurteil vom 05.11.2013, L 11 R 5180/12, [...]). Sie beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts, das die im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens
aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis geltenden Vorschriften maßgeblich dafür sind, ob damit eine Verpflichtung
zur Nachversicherung eingetreten ist (KassKomm/Gürtner, § 233 SGB VI Rn 2 f). Hinsichtlich der Durchführung der Nachversicherung ist das ab 01.01.1992 geltende Recht maßgeblich (Senatsurteil
vom 05.11.2013, L 11 R 5180/12, [...]). Dies betrifft die Berechnung, Zahlung und Tragung der Nachversicherungsbeiträge. Nach § 277 SGB VI richtet sich die Durchführung der Nachversicherung von Personen, die vor dem 01.01.1992 aus einer nachversicherungspflichtigen
Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und bis zum 31.12.1991 nicht nachversichert
worden sind, nach den vom 01.01.1992 an geltenden Vorschriften, soweit nicht nach Vorschriften außerhalb des SGB VI anstelle einer Zahlung von Beiträgen für die Nachversicherung eine Erstattung der Aufwendungen aus der Nachversicherung vorgesehen
ist (Satz 1).
Nach § 9 Abs 5 AVG in der Fassung des Art 1 § 2 Nr 3 des Rentenreformgesetzes vom 16.10.1972, BGBl I S 1965 (AVG aF) sind satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, die
aus ihrer Gemeinschaft ausscheiden für die Zeit ihrer Mitgliedschaft, in der Gemeinschaft, in der sie aus anderen Gründen
als wegen einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung der Versicherungspflicht nicht unterlagen oder nach § 8 Abs 3 AVG befreit waren, nachzuversichern. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit § 2 Abs 1 Nr 7 AVG aF; § 9 Abs 5 AVG aF soll den Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, die während ihrer Mitgliedschaft keinen Versicherungsschutz nach §
2 Abs 1 Nr 7 AVG aF erlangen konnten, nachträglich Schutz im Wege der Nachversicherung schaffen (BSG 15.06.1976, 11 RA 116/75, BSGE 42, 90). Die Nachversicherung der in dieser Vorschrift genannten Person ist nach der vom 01.01.1973 bis zum 31.12.1991 geltenden
und damit hier anwendbaren Fassung nicht mehr - wie noch zuvor - von einem fristgebenden Antrag abhängig (BSG 22.11.1974, 1 RA 31/74, BSGE 38, 221, SozR 2200 § 1232 Nr 1; vgl Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 233 RdNr 50).
Der Kläger ist entweder Träger einer geistlichen Genossenschaft im Sinne des § 9 Abs 5 AVG oder einer ähnlichen Gemeinschaft und die Beigeladene war in der fraglichen Zeit satzungsmäßiges Mitglied dieser Gemeinschaft.
Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Beigeladene auch Mitglied des Trägervereins geworden ist. Entscheidend ist die Mitgliedschaft
in der Genossenschaft bzw Gemeinschaft (vgl BSG 17.12.1996, 12 RK 2/96, BSGE 79, 307). Den vorgelegten Satzungen (und insoweit also satzungsgemäß) sowie dem Vorbringen des Klägers und der Beigeladenen entnimmt
der Senat, dass die Mitgliedschaft in dieser geistlichen Genossenschaft bzw Gemeinschaft mit der Aufnahme in ein Glaubenshaus
beginnt und mit dem Ausscheiden aus dem Glaubenshaus endet. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beigeladene
im Zeitraum vom 01.05.1965 bis 30.09.1979 in Glaubenshäusern des Klägers gelebt und ihre gesamte Arbeitskraft der Gemeinschaft
gewidmet hat. Es hat somit in dieser Zeit eine vollständige Verflechtung zwischen Arbeitsleben und persönlicher Lebensgemeinschaft
bestanden. Dies wird auch vom Kläger nicht bestritten und überdies durch die von ihm ausgestellten Zeugnisse für die Beigeladene
bestätigt.
Am 30.09.1979 ist die Beigeladene aus der Gemeinschaft des Klägers unversorgt ausgeschieden, weshalb eine Nachversicherung
hätte durchgeführt werden müssen. Nach der bis zum 31.12.1991 geltenden Rechtslage hing die Verpflichtung zur Nachversicherung
nicht davon ab, dass die Tätigkeit in der Glaubensgemeinschaft versicherungsfrei war. Nach § 9 Abs 5 AVG in der hier maßgeblichen Fassung war vielmehr entscheidend, dass aus anderen Gründen als wegen einer Schul-, Fachschul- oder
Hochschulausbildung keine Versicherungspflicht bestanden hat. Ein solcher Fall lag hier - jedenfalls für die Zeit, in der
die Beigeladene im Inland tätig war - vor. Die im Inland ausgeübte Tätigkeit der Beigeladenen war nach § 2 Abs 1 Nr 7 AVG deshalb nicht versicherungspflichtig, weil die Beigeladene nur freien Unterhalt, aber kein Barbezüge erhielt. Genau für diesen
Fall war die Nachversicherung vorgesehen. Zwar scheidet eine Nachversicherung für die Zeit, in der die Beigeladene ihre Tätigkeit
im Ausland ausübte, nicht von vornherein aus. Bei Beschäftigungen im Ausland gebietet aber das Antragsprinzip des § 2 Abs 1 Nr 10 AVG aF auch im Falle des § 9 Abs 5 AVG aF die Einschränkung, dass für Beschäftigungszeiten im Ausland die Nachversicherung nur erfolgt, wenn die Gemeinschaft zustimmt
und zur Entrichtung der Beiträge bereit ist (vgl BSG 15.06.1976, 11 RA 116/75, BSGE 42, 90, SozR 2200 § 1232 Nr 6). Ob diese Voraussetzung hier erfüllt ist, erscheint fraglich, wird aber vom Senat offengelassen.
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein unversorgtes Ausscheiden vorliegt, ist allein die tatsächliche Beendigung der nicht
versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Tätigkeit (BSG 22.11.1974, 1 RA 31/74, BSGE 38, 221, SozR 2200 § 1232 Nr 1), mithin vorliegend der Ablauf des 30.09.1979. Ob eine lebenslange Versorgung gewährt wird, beurteilt sich nach dem
Zeitpunkt des Ausscheidens, nicht nach später gemachten (Rückkehr-)Angeboten (Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, § 1232 RVO Erl II 6b, S 8, Stand 2. Aufl, 32. Lfg Juli 1985 mwN). Selbst das Bestehen einer Anwartschaft auf spätere Versorgung hindert
nicht den Eintritt eines Nachversicherungsfalls (BSG 28.02.1967, 4 RJ 153/67, BSGE 26, 136, SozR Nr 11 zu § 1232 RVO; 14.02.1973, 1 RA 121/72, BSGE 35, 183, SozR Nr 10 zu § 1402 RVO). Lebenslange Versorgung meint solche Leistungen, bei denen von vorneherein eine lebenslange Bezugsdauer gewährleistet ist
(Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, § 1229 RVO Erl II 2, S 10a, Stand 2. Aufl, 37. Lfg Januar 1988 mwN). Damit sind weitere Bedingungen, die an das Merkmal des "Ausscheidens"
aus der Gemeinschaft anknüpfen nach dem Gesetzeszweck nicht zulässig. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Beigeladene
nicht versorgungslos ausgeschieden sei, weil das Angebot, in die Gemeinschaft zurückzukehren und weiterhin (auch im Alter)
dort zu leben, versorgt und betreut zu werden, weiterhin bestehe, reicht dies nach dem Vorstehenden nicht aus, um im vorliegenden
Fall ein versorgungsloses Ausscheiden verneinen zu können. Denn das Gesetz sieht solch ein "Rückkehrangebot" als nicht ausreichend
an. Unter Rückgriff auf § 9 Abs 1 AVG scheidet eine Nachversicherung nur dann aus, wenn entweder eine lebenslange Versorgung, eine an deren Stelle gezahlte Abfindung
oder eine Hinterbliebenenversorgung gewährleistet wird (vgl. Koch/Hartmann/v. Altroch/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Band VI, 3. Auflage, V 122/20). Die Beigeladene hat von dem Kläger zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der Gemeinschaft weder eine Abfindung noch eine
Hinterbliebenenversorgung erhalten. Auch eine für den Fall der Rückkehr in die Gemeinschaft angebotene lebenslange Versorgung
genügt nicht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Es kann also nicht zur Voraussetzung gemacht werden, dass die Beigeladene das "Ausscheiden" rückgängig
macht und nach über 35 Jahren nach ihrem Ausscheiden wieder in die Gemeinschaft zurückkehrt, um Versorgung zu erhalten.
Der Nachversicherungsfall ist am 01.10.1978 eingetreten, da ein Aufschubgrund nicht vorlag. Bei einem Ausscheiden aus der
versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem 01.01.1992 bleiben nach § 233 Abs 1 SGB VI die Aufschubgründe des seinerzeitigen Rechts (§ 125 AVG) maßgebend (Senatsurteil vom 05.11.2013, L 11 R5180/12 mwN). Ein Tatbestand des § 125 AVG liegt nicht vor (vgl Lebenslauf der Beigeladenen Bl 5 Verwaltungsakte). Eine Aufschubbescheinigung wurde gleichfalls nicht
erteilt.
Die Nachversicherungsbeiträge sind verjährt. Dies gilt unabhängig davon, ob eine vierjährige- oder eine 30-jährige Verjährungsfrist
gilt (vgl § 25 SGB SGB IV). Da die Nachversicherungsbeiträge bereits am 01.10.1979 fällig wurden, war jedenfalls auch die 30-jährige Verjährungsfrist
abgelaufen, als die Beklagte mit Schreiben vom 30.12.2012 den Kläger zur Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge aufforderte.
Der Kläger ist hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Erhebung der Einrede der
Verjährung durch den Kläger ist nach der Rechtsauffassung des Senats nicht rechtsmissbräuchlich und stellt keine unzulässige
Rechtsausübung dar. Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz
von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist. Regelmäßige
Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung ist, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft,
die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm in Folge eines
solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind (eingehend hierzu und zum Folgenden BSG 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, BSGE 111, 107, SozR 4-2600 § 233 Nr 2 mwN). Grundsätzlich hat allein der Nachversicherungsschuldner es in der Hand, ob der Nachversicherungsgläubiger
überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen
der Nachversicherung, den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit oder der Befreiung von der Versicherungspflicht begründen
die Pflicht des Nachversicherungsschuldners, Nachversicherungsbeiträge rechtzeitig und zügig zu zahlen. Einer aktiven Pflichtverletzung
des Schuldners der Nachversicherungsbeiträge bedarf es nicht (BSG 27.06.2012, B 5 R 88/11 R, BSGE 111, 107, SozR 4-2600 § 233 Nr 2). Auch der Nachversicherungsschuldner, dessen pflichtwidriges Unterlassen den Rentenversicherungsträger
von der Geltendmachung seines Beitragsanspruchs abgehalten hat, handelt grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich dennoch
auf Verjährung beruft (BSG 27.06.2012, B 5 R 88/11 R aaO).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Beigeladene hat die Beklagte bereits mit Rentenantragstellung am 07.06.1991 darüber informiert, dass sie vor dem 01.12.1981
nicht versicherungspflichtig beschäftigt in der Spätregenmission B. tätig gewesen ist. Damit wurde der Beklagten der Sachverhalt,
aus dem sich eine Pflicht zur Nachversicherung ergibt, mitgeteilt. Es hätte außerdem nahe gelegen, den Versicherungsverlauf
der bei Rentenantragstellung erst 40jährigen Beigeladenen auch auf Zeiten vor deren 31. Lebensjahr zu prüfen. Es muss ferner
davon ausgegangen werden, dass der Beklagten die Rechtslage und die Rechtsprechung des BSG zur Nachversicherung von im In- und Ausland tätigen Missionaren bekannt war. Das BSG stellt in seiner Entscheidung vom 27.06.2012 maßgeblich darauf ab, dass allein das objektiv pflichtwidrige Unterlassen des
Arbeitgebers (hier: Kläger) als Beitragsschuldner ursächlich dafür ist, dass der Gläubiger (hier: Beklagte) keine Kenntnis
von seinem Anspruch erlangt hat. Anders als das SG ist der Senat, der sich der Rechtsprechung des BSG anschließt, im hier zu entscheidenden Fall der Auffassung, dass nicht das Verhalten (Unterlassen) des Klägers allein ursächlich
dafür war, dass eine Nachversicherung unterblieb. Da die Beklagte es im Jahr 1991 unterlassen hat, auf den ihr im Rahmen des
Rentenverfahrens mitgeteilten Sachverhalt tätig zu werden, kann sie jetzt dem Kläger nicht entgegenhalten, bei Kenntnis des
Sachverhalts hätte sie rechtzeitig tätig werden können und der Kläger allein habe die Verjährung der Beitragsnachforderung
herbeigeführt. In dem vom BSG im Jahr 2012 entschiedenen Fall wurde der Rentenversicherungsträger tätig, nachdem er im Rahmen eines vom Versicherten eingeleiteten
Kontenklärungsverfahren auf die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Nachversicherung aufmerksam geworden. Überdies stand für
alle Beteiligten unstreitig fest, dass und für welchen Zeitraum eine Nachversicherung durchzuführen gewesen wäre. So eindeutig
war die Rechtslage (zumindest in Bezug auf den Auslandsaufenthalt der Beigeladenen) im vorliegenden Fall nicht. Da die Verjährung
dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs dient, greift der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur
gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durch (BSG 27.06.2012, aaO). Einen solchen groben Verstoß vermag der Senat hier nicht zu erkennen.
Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe von 5.000 € beruht auf § 197a Abs 1 SGG i.V.m. § 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert
von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG).
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