Streitgegenstand im sozialgerichtlichen Verfahren bei einer Klage gegen die nicht zutreffende Umsetzung eines gerichtlichen
Vergleichs
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit einem als "Klage" überschriebenen Schreiben mehr als zwei Jahre nach Abschluss eines Vergleichs in
einem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg eine abschließende Entscheidung.
Die 1961 geborene Klägerin stellte am 24.11.2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Umschulung bzw Ausbildung in den Berufszweig
klinische Hypnose. Nachdem dieser Antrag von der Beklagten mit Bescheid vom 08.12.2008 und Widerspruchsbescheid vom 26.11.2009
abgelehnt worden war, erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (S 23 R 8283/09), welches die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.11.2011 abwies. In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren vor dem
Senat (L 11 R 5484/11) schlossen die Klägerin und die Beklagte im Erörterungstermin am 28.08.2012 folgenden Vergleich:
1. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Justizangestellte in der Registratur
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann.
2. Die Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu gewähren.
3. Die Klägerin verpflichtet sich, an Beratungsgesprächen mit der Beklagten teilzunehmen.
4. Die Klägerin nimmt die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 11.11.2011 zurück.
5. Außergerichtliche Kosten werden keine erstattet.
Der Vergleich wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28.08.2012 (Bl 55/56 der LSG-Akte L 11 R 5484/11) vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt. In Umsetzung dieses Vergleichs bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid
vom 19.09.2012 (Bl 605 der Verwaltungsakte der Beklagten) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Mit einem
ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 21.07.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre bisherigen
Förderungen aufgrund fehlender Vermittlung in ein leidensgerechtes Arbeitsverhältnis über den Integrationsfachdienst B. nicht
den gewünschten Eingliederungserfolg gebracht habe, da das beschriebene Praktikum nicht zustande gekommen sei. Die Gründe
hierfür seien nicht bekannt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass durch weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die
Chance zur Integration wesentlich erhöht werden könnte. Aus diesem Grund schließe die Beklagte den Vorgang ab. Rechtsbehelfe
gegen diese Entscheidung wurden (zunächst) nicht eingelegt.
Mit einem am 29.12.2015 beim LSG eingegangenen Schreiben hat die Klägerin ausgeführt, "nach dem Erörterungstermin am 28.08.2012
in 7. S., H.. 5, erhebe ich Klage und beantrage, <dass> das Landessozialgericht nach entsprechender Überprüfung mir abschließend
Recht ausspricht." Sie habe am 28.08.2012 mit der Beklagten einen Vergleich abgeschlossen. Zwischenzeitlich seien 2 Jahre
verstrichen. Obwohl sie mehrere Briefe geschrieben und um Unterstützung gebeten habe, da sie auf einen Arbeitsplatz angewiesen
sei, sei ihr Unterstützung verweigert worden. Mit der Beauftragung des Integrationsfachdienstes habe sie 6 Monate nach einem
Arbeitsplatz gesucht. Die Integrationsfachfrau habe ihr nur eine Stelle angeboten und sie selbst habe etwa 10 Stellen gefunden.
Davon habe sie nur 2 Vorstellungsgespräche gehabt. Eine Firma habe sie einstellen wollen. Sie hätte einen Monat ein Praktikum
machen sollen. Sie habe die Beklagte um eine Übernahme der Fahrkosten gebeten, aber keine Antwort erhalten. Deshalb habe sie
von der Firma eine Absage bekommen. Sie hoffe, dass ihr Recht zugesprochen werde und die Beklagte alle Unkosten erstatten
müsse.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.04.2016 hat die Klägerin erklärt, sie lege gegen den Bescheid der Beklagten
vom 21.07.2015 Widerspruch ein.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren L 11 R 5484/11 fortzuführen, ihr abschließend Recht auszusprechen und die Beklagte zu verurteilen, sie in ihrer Selbständigkeit zu unterstützen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach diversen Reha-Gesprächen und verschiedenen Angeboten sei es nicht gelungen, mit der Klägerin eine geeignete Strategie
für eine Eingliederung zu erarbeiten. Der Vorgang sei daher mit Bescheid vom 21.07.2015 abgeschlossen worden.
Der Senat hat mit Beschluss vom 08.02.2016 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die Vorakte
L 11 R 5484/11 sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist erledigt.
Die Klägerin macht mit ihrem Antrag - dass das Landessozialgericht nach entsprechender Überprüfung ihr abschließend Recht
ausspricht - der Sache nach geltend, dass der Rechtsstreit nicht beendet worden ist und dementsprechend fortzusetzen sei.
Dadurch lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen und vom Gericht bereits als abgeschlossen betrachteten Verfahrens rückwirkend
wieder auf (BSG 28.11.2002, B 7 AL 26/02 R, [...]). Kommt das Gericht bei einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu dem Ergebnis, dass das Verfahren tatsächlich
nicht beendet wurde, so setzt es das Verfahren fort und entscheidet in der Sache selbst. Einer förmlichen Entscheidung über
die Fortsetzung des Verfahrens bedarf es dann nicht. Ist das Gericht hingegen der Meinung, dass sich der Prozess wirksam erledigt
hat, so muss es darüber ausdrücklich entscheiden und die Verfahrensbeendigung in seiner Entscheidung feststellen. Die Entscheidung
ergeht im Urteilsverfahren durch Urteil oder urteilsersetzenden Beschluss und im sonstigen Verfahren durch Beschluss. Bei
der Entscheidung über die Wirksamkeit der Verfahrensbeendigung ist eine gleiche Besetzung des Gerichts nicht erforderlich.
Diese Grundsätze gelten auch im Rechtsmittelverfahren.
Der Senat ist der Auffassung, dass das Berufungsverfahren L 11 R 5484/11 durch gerichtlichen Vergleich wirksam beendet wurde. Im Erörterungstermin am 28.08.2012 schlossen die Klägerin und die Beklagte
folgenden Vergleich:
1. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Justizangestellte in der Registratur
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann.
2. Die Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu gewähren.
3. Die Klägerin verpflichtet sich, an Beratungsgesprächen mit der Beklagten teilzunehmen.
4. Die Klägerin nimmt die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 11.11.2011 zurück.
5. Außergerichtliche Kosten werden keine erstattet.
Der Vergleich wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28.08.2012 (Bl 55/56 der LSG-Akte L 11 R 5484/11) vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt.
Die Klägerin macht keine Gründe geltend, aus denen sich eine Unwirksamkeit des Vergleichs ergeben könnte, solche Gründe sind
auch nicht ersichtlich. Der Vergleichstext wurde ordnungsgemäß protokolliert, vorgelesen und von der Klägerin und dem Bevollmächtigten
der Beklagten genehmigt; dies wurde so auch in der Sitzungsniederschrift festgehalten (§
162 Abs
1 Satz 1 i.V.m. §
160 Abs
3 Nr
1 ZPO, §
122 SGG). Der Vergleich wird von der Klägerin nicht angefochten, er ist weder sittenwidrig noch verstößt er gegen ein Gesetz (§
134 BGB). Damit steht fest, dass der Rechtsstreit beendet ist. Der Umstand, dass die Klägerin mit der Umsetzung des Vergleichs durch
die Beklagte nicht zufrieden ist, ist kein Grund, der eine Fortsetzung des wirksam beendeten Rechtsstreits rechtfertigt oder
erlaubt.
Die im Übrigen erhobene Klage ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
Aus den übrigen Ausführungen der Klägerin geht hervor, dass sie mit der Umsetzung des Vergleichs durch die Beklagte nicht
einverstanden ist. Dabei handelt es sich um einen Streit aus dem Vergleich, der grundsätzlich in einem neuen Verfahren zu
behandeln wäre (vgl BGH 21.11.2013, VII ZR 48/122, NJW 2014, 394). Wird allerdings - wie hier - sowohl Nichtigkeit als auch (hilfsweise) eine unzutreffende Erfüllung der sich aus dem Vergleich
ergebenden Verpflichtung geltend gemacht, ist beides im bisherigen Verfahren zu prüfen (Hauck in Hennig
SGG, §
101 Rn 36, Stand der Einzellieferung Dezember 2008).
Eine Klage, die eine unzureichende Umsetzung des Vergleichs vom 28.08.2012 zum Gegenstand hat, ist nicht (mehr) zulässig.
Richtige Klageart wäre insoweit eine Anfechtungsklage gegen den in Ausführung des Vergleichs ergangenen Bescheid der Beklagten
vom 19.09.2012. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte in Umsetzung des Vergleichs der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
dem Grunde nach bewilligt. Dieser Bescheid ist längst bestandkräftig geworden und kann nicht mehr fristgerecht mit einer Anfechtungsklage
angefochten werden. Im Übrigen wurde mit diesem Bescheid nach Auffassung des Senats der Vergleich auch korrekt umgesetzt;
eine noch zulässige Anfechtungsklage wäre deshalb auf jeden Fall unbegründet. Die Beklagte hatte sich in dem Vergleich bereit
erklärt, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu gewähren, sie hatte sich nicht dazu verpflichtet,
bestimmte Einzelmaßnahmen durchzuführen.
Soweit die Klägerin zusätzlich von der Beklagten verlangt, dass diese ihr die anlässlich ihrer Bemühungen um einen Arbeitsplatz
entstandenen Kosten erstattet, kann die Klägerin dieses Begehren nur in Form einer mit einer Anfechtungsklage verbundenen
Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG) gerichtlich geltend machen. Die Erhebung einer isolierten Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG), ist nicht zulässig, da über Anträge auf Erstattung von Kosten iR im Rahmen der Gewährung von Teilhabeleistungen zunächst
durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist (vgl §
16 SGB VI i.V.m. §
33 SGB IX). Gleiches gilt für den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag, die Beklagte zu verurteilen,
die Klägerin in ihrer Selbständigkeit zu unterstützen. Da die Klägerin keine konkreten Bescheide der Beklagten angreift, ist
diese Klage unzulässig. Unabhängig davon wäre die Klage auch deshalb unzulässig, weil hierüber das LSG nicht erstinstanzlich
entscheiden kann. Insoweit handelt es sich nicht um einen Streit aus dem Vergleich, sondern um einen eigenständigen Anspruch,
der zunächst in einem gesonderten Verwaltungsverfahren geltend zu machen ist. Über den in der mündlichen Verhandlung erhobenen
Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.07.2015 hat zunächst die Beklagte zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.