Anspruch auf Sozialhilfe
Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen
Unzulässigkeit der Feststellungsklage auf ein zukünftiges Rechtsverhältnis und bei strittigem Unterhaltsanspruch des Leistungsempfängers
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein zu unterstellender Unterhaltsanspruch ihrer Mutter infolge des Vorliegens
einer unbilligen Härte nicht als Ausgleich für an ihre Mutter erbrachte Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf den Beklagten übergegangen ist.
Der Beklagte erbringt der 1948 geborenen Mutter der Klägerin (im Folgenden: M.) seit dem 22.07.2013 Leistungen nach dem Sechsten
Kapitel des SGB XII. Dabei übernimmt der Beklagte als Maßnahme der Eingliederungshilfe die Kosten für eine ambulante psychiatrische Betreuung
der M., weil die Kosten nicht durch das Einkommen bzw. Vermögen der M. gedeckt sind. Dies teilte er der Klägerin mit Schreiben
vom 29.08.2013 mit. Zugleich erbat er Auskünfte über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, um einen etwaigen
Übergang von Unterhaltsansprüchen der M. gegenüber der Klägerin auf ihn prüfen zu können.
Nach wiederholtem Schriftwechsel wies der Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 16.07.2014 darauf hin,
dass er die Auskünfte allein auf der Grundlage zivilrechtlicher Vorschriften einfordere. Sollten die Auskünfte nicht bis spätestens
31.07.2014 erteilt werden, würde er ohne weitere Ankündigung Auskunftsklage (Stufenantrag) gegen die Klägerin beim zuständigen
Amtsgericht in C-Stadt (im Folgenden: AG) erheben.
Daraufhin hat die Klägerin am 07.08.2014 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und beantragt festzustellen, dass der angebliche Unterhaltsanspruch der M. wegen Vorliegens einer unbilligen Härte
gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII nicht auf den Beklagten übergegangen sei und sie ihm auch nicht zur Auskunft verpflichtet sei.
Am 14.08.2014 hat der Beklagte seinerseits gegen die Klägerin Stufenklage zum AG erhoben (Az. / ). Er macht in erster Stufe
verschiedene Auskunftsansprüche gegenüber der Klägerin hinsichtlich ihres Einkommens und Vermögens sowie ihrer persönlichen
Verhältnisse und in zweiter Stufe einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Klägerin geltend. Mit Teilbeschluss vom 10.02.2015
hat das AG dem Antrag des Beklagten stattgegeben und die Klägerin zur Auskunftserteilung verpflichtet. Die dagegen zum Oberlandesgericht
C-Stadt (OLG) erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss vom 17.09.2015 als unzulässig verworfen. Hiergegen hat die Klägerin
Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Nach richterlichem Hinweis vom 20.08.2014 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.09.2014 ihre Klage auf die Feststellung,
dass der angebliche Unterhaltsanspruch der M. wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII nicht übergegangen ist, beschränkt. Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2015 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.01.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der insofern zu unterstellende
Unterhaltsanspruch der Mutter der Klägerin, Frau M. K., wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte gemäß § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII nicht auf den Bezirk Oberfranken übergegangen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Beklagten, der Akten () des
AG sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig.
1. Für die vorliegende Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung des SG zwar der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet; dies ergibt sich unmittelbar aus § 94 Abs. 5 S. 3 SGB XII, wonach über die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 4 des § 94 SGB XII und damit auch über das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S.d. § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII im Zivilrechtsweg zu entscheiden ist; die Klage wäre somit an das AG zu verweisen gewesen. Allerdings ist es dem LSG als
Berufungsgericht gemäß §
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) untersagt zu prüfen, ob für den streitgegenständlichen Klageanspruch der beschrittene Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig
ist. Denn das SG hat die Feststellungsklage zwar als unzulässig abgewiesen, allerdings nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit (s. dazu
BSG, Beschluss v. 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B). Vielmehr hat das SG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten ausdrücklich als eröffnet angesehen. Dass sich das SG dabei zu Unrecht auf das Urteil des LSG vom 28.01.2014 - L 8 SO 21/12 berufen hat - in dem Verfahren war ein Auskunftsanspruch
nach § 117 SGB XII streitgegenständlich, nicht aber die Frage, ob ein Sozialhilfeträger infolge gesetzlichen Übergangs Inhaber einer zivilrechtlichen
Unterhaltsforderung ist -, steht der Anwendung des §
17a Abs.
5 GVG nicht entgegen.
2. Die vor dem SG erhobene Feststellungsklage ist jedoch aus anderen Gründen unzulässig.
Eine Unzulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage liegt schon deshalb vor, weil der Klageantrag auf die Feststellung eines
künftigen Rechtsverhältnisses gerichtet ist (siehe dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
55 Rn. 8b). Denn die Klägerin bestreitet gerade, dass ihr gegenüber ein Unterhaltsanspruch der M. besteht und macht insbesondere
- gerade auch im Verfahren vor dem AG - geltend, dass eine etwaige Unterhaltsverpflichtung nach §
1611 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) weggefallen ist. Das Bestreiten eines Unterhaltsanspruchs der M. wird auch in der Formulierung des Klageantrags deutlich,
wenn die Klägerin von einem "insofern zu unterstellenden Unterhaltsanspruch der Mutter" spricht. Auch liegen die maßgeblichen
tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für die Prüfung eines auf den Beklagten übergegangen Unterhaltsanspruchs nicht vor
(siehe dazu Keller a.a.O.). Da die Klägerin bislang keine Auskünfte über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse
erteilt hat, war dem Beklagten eine Prüfung ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht möglich. Deshalb
konnte der Beklagte im Verfahren vor dem AG einen möglichen monatlichen Unterhaltsanspruch gegenüber der Klägerin bislang
auch noch nicht beziffern. Auch dem Senat wäre deshalb eine Prüfung, inwieweit ein Unterhaltsanspruch der M. besteht und -
weitergehend - inwieweit dieser bestehende Unterhaltsanspruch nicht übergegangen ist, weil ein solcher Übergang eine unbillige
Härte für die Klägerin bedeuten würde, gar nicht möglich.
Die vorliegende Klage ist somit letztlich abstrakt darauf gerichtet, für den Fall, dass ein bezifferbarer Unterhaltsanspruch
der M. gegenüber der Klägerin bestehen und die Unterhaltsverpflichtung der Klägerin auch nicht nach den Vorschriften des
BGB oder anderen gesetzlichen Vorschriften beschränkt oder ganz weggefallen sein sollte, festzustellen, dass der Übergang dieses
Anspruches eine unbillige Härte i.S.d. § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII darstellen würde. Ein solches Klagebegehren ist aber unzulässig.
Im Übrigen ergibt sich aber auch aus der gesetzlichen Regelung des § 94 Abs. 3 SGB XII, dass eine Feststellungsklage wie die vorliegende jedenfalls dann unzulässig ist, wenn das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs
des Leistungsempfängers - hier: der M. - dem Grunde oder der Höhe nach (noch) strittig ist. Denn nach dem Gesetzeswortlaut
gehen Ansprüche nach § 94 Abs. 1 u. 2 SGB XII nicht über, soweit der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde. Erst wenn ein bezifferbarer Unterhaltsanspruch
des Leistungsempfängers gegenüber dem Unterhaltspflichtigen festgestellt ist, ist somit beurteilbar, ob und inwieweit dieser
gegebenenfalls übergeht oder nicht übergeht. Denn soweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht, kann er auch nicht auf den
Träger der Sozialhilfe übergehen (BGH, Urteil vom 23.06.2010 - XII ZR 170/08; BGH, Urteil v. 21.04.2004 - XII ZR 251/01). Dabei können Umstände, die bereits nach bürgerlichem Recht ganz oder teilweise der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs
entgegenstehen, im Rahmen der Prüfung einer unbilligen Härte nach § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII keine erneute Berücksichtigung finden (vgl. BGH a.a.O.). Auch dies steht einer abstrakten gerichtlichen Vorprüfung des Vorliegens
einer unbilligen Härte i.S.d. § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII im Wege einer Feststellungsklage entgegen bzw. macht diese unmöglich.
Im Übrigen ist die vorliegende Feststellungsklage auch subsidiär gegenüber der vom Beklagten gegen die Klägerin beim AG erhobenen
Stufenklage, mit dem dieser - in zweiter Stufe - einen von M. auf ihn übergegangen Unterhaltsanspruch gegenüber der Klägerin
geltend macht.
Durch die Subsidiarität der Feststellungsklage sollen unnötige Feststellungsklagen verhindert werden, wenn für die Rechtsverfolgung
bzw. -verteidigung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen (vgl. VG Köln, Urteil vom 30.04.2015
- 6 K 2805/13). Die Subsidiarität dient der Vermeidung überflüssiger Klagen, weil die Feststellungsklage nicht vollstreckbar ist und andere
Klagearten daher bei typisierender Betrachtungsweise einen effektiveren Rechtsschutz bieten (so u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 32/13 R).
Die Klägerin ist daher darauf zu verweisen, ihre Einwendungen gegen das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs des Beklagten auch
im Hinblick auf das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S.d. § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII im Rahmen der anhängigen Klage vor dem AG geltend zu machen und darzulegen (vgl. dazu auch OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss
vom 10.07.2012 - 3 WF 153/12 (VKH), 3 WF 153/12). Denn das Vorliegen einer solchen unbilligen Härte ist im zivilgerichtlichen Verfahren zu prüfen, wobei die Anwendung dieses
unbestimmten Rechtsbegriffs der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. u.a. BGH a.a.O.; Münder in LPK-SGB XII, 10. Aufl., § 94 Rn. 89).
Nach alledem hat das SG die Klage - wenn auch nur im Ergebnis - zu Recht abgewiesen. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27.01.2015 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a
SGG, 154 Abs. 1
VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht gegeben.