Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
Betriebsprüfung
Verwertung der Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung
Bedingt vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen iHv insgesamt 28.489,26
EUR für den Zeitraum 01.02. bis 31.05.2012 aufgrund einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin ist eine mit schriftlichem Gesellschaftsvertrag vom 16.12.2011 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
mit dem Unternehmensgegenstand Ausführung von Generalunternehmung, Wohnungsbau, Gewerbebau, Planung, Sanierung, kleinere Abbrucharbeiten,
Rückbau, Einbau von genormten Baufertigteilen, Bodenlegen und weitere Gewerke der Baunebengewerbe. Gesellschafter sind die
1993 geborene Bäckereifachverkäuferin Fi. I. mit einer Beteiligung von 95% und der 1956 geborene Architekt T. F. mit einer
Beteiligung von 5%. Zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung der Gesellschaft war nach § 5 des Gesellschaftsvertrags Frau
I. allein berechtigt und verpflichtet; auch außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen bedurften nicht der Zustimmung anderer
Gesellschafter. Die handwerklich-technische Leitung oblag Herrn F., in kaufmännischer Beziehung oblag die Leitung auch Frau
I. (§ 7 Gesellschaftsvertrag). Sitz der Klägerin ist die Wohnanschrift der Familie von Fi. I. Ihr Vater, der 1967 geborene
Tu. I. war für die Klägerin als Arbeitnehmer tätig. Tatsächlich führte er zusammen mit Herrn F. die GbR und war auch für die
Einstellung von Arbeitnehmern sowie die Beauftragung von Subunternehmern zuständig. Tu. I. wurde mit Urteil des Amtsgerichts
Freiburg vom 13.09.2012 (32 Cs 410 Js 28984/11) wegen Insolvenzverschleppung und Untreue zum Nachteil der I. Bau GmbH zu einer Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen zu je
15 EUR verurteilt. T. F. meldete bei der Stadt Freiburg den Austritt aus der GbR zum 14.09.2013 mit Abmeldung des Gewerbes
am 06.10.2014.
Die Klägerin schloss mit der B. (G.) GbR L. einen "Werkvertrag" über Stahlverlegungsarbeiten, Grabarbeiten, Ausschalungsarbeiten,
Maurerhelferarbeiten auf dem Bauvorhaben E.str. in F. mit Beginn der Arbeiten zum 13.02.2012. Die B. G. GbR mit Sitz in L.
war mit schriftlichem Vertrag vom 08.02.2012 mit Geschäftsbeginn 10.02.2012 gegründet worden. Als Gesellschafter waren die
rumänischen Staatsangehörigen C. G. (Beigeladener zu 2) mit Beteiligung von 40% und die Brüder A. und D.-\202C. Le. (Beigeladene
zu 3) und 4) sowie deren Schwager S. T. (Beigeladener zu 1) mit einer Beteiligung von je 20% aufgeführt. Zur Führung der Geschäfte
und zur Vertretung war der Beigeladene zu 2) allein berechtigt und verpflichtet, auch außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen
bedurften nicht der Zustimmung anderer Gesellschafter. An dem Ergebnis der Gesellschaft waren die Beigeladenen zu 1) bis 4)
nach § 9 des Gesellschaftsvertrags zu je 25% beteiligt. Mit handschriftlicher Ergänzung vom 10.04.2012 traten die Beigeladenen
zu 5) und 6) der Gesellschaft bei. Die Gewerbeanmeldungen der Beigeladenen zu 1) bis 4) für die GbR erfolgten bereits am 07.02.2012
in L. Als Betriebsstätte wurde die Anschrift K.str. in L. angegeben. Dabei handelte es sich um eine von dem Beigeladenen zu
2) mit Mietvertrag vom 06.02.2012 angemietete 4-Zimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 89 qm. In dieser Wohnung wohnten die
Beigeladenen zu 1) bis 4); auch die Beigeladenen zu 5) und 6) meldeten dort zum 07.04.2012 ihren Wohnsitz. Vom Finanzamt L.
wurde die steuerliche Erfassung der B. G. GbR geprüft, eine Steuernummer wurde indes nicht vergeben, da die Unternehmereigenschaft
nach § 2 Umsatzsteuergesetz verneint wurde.
Nach einer Baustellenprüfung in der E.str. in F. am 07.03.2012, bei der die Beigeladenen zu 1) bis 4) angetroffen worden waren,
veranlasste der zuständige Außenprüfer der BG Bau eine Information des Hauptzollamtes Lörrach. Dieses führte eine Überprüfung
nach §§ 2 ff Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) durch und wandte sich mit Schreiben vom 04.06.2012 an die Beklagte wegen Beurteilung der Selbstständigkeit der B. G. GbR
bzw deren Mitglieder zu der Klägerin als Auftraggeber. Gegen Fi. I., T. F. und Tu. I. wurden Ermittlungsverfahren wegen des
Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eingeleitet. Am 18.02.2013 wurden die Räume in der R.str.
in F. durchsucht. Im Laufe dieser Maßnahme teilte Tu. I. gegenüber den Beamten mit, dass seine Tochter nichts mit der Unternehmensführung
zu tun gehabt habe. Er habe sie als formelle Gesellschafterin vorgeschoben, weil er aufgrund einer Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung
keinen Betrieb auf sich habe anmelden können. Die Ermittlungsverfahren gegen Fi. I. und T. F. wurden am 30.04.2014 nach §
170 Abs
2 Strafprozessordnung (
StPO) eingestellt. Gegen Tu. I. erging unter dem 08.05.2014 ein Strafbefehl wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt
in acht Fällen; verhängt wurde eine Gesamtgeldstrafe iHv 180 Tagessätzen zu 10 EUR. Auf seinen Einspruch wurde das Verfahren
mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 13.05.2015 (35 Cs 411 Js 500/13) gegen Zahlung einer Geldauflage von 3.000 EUR vorläufig eingestellt nach §
153 Abs
2 StPO und mit Beschluss vom 19.02.2016 endgültig eingestellt.
Mit Schreiben vom 02.04.2015 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
iHv 28.489,26 EUR inklusive 6.031 EUR Säumniszuschläge an. Nachfolgend erließ die Beklagte den Nachforderungsbescheid vom
12.05.2015. Dabei legte sie die von der Klägerin nach den bei der Durchsuchung beschlagnahmten Buchhaltungsunterlagen an die
B. G. GbR gezahlten Beträge zugrunde und teilte diese gleichmäßig auf die Beigeladenen zu 1) bis 6) auf, soweit diese im fraglichen
Zeitraum tätig waren (Beigeladener zu 1) - 01.02. bis 31.05.2012; Beigeladener zu 2) - 01.02. bis 30.04.2012; Beigeladene
zu 3) und 4) \226 01.02. bis 31.03.2012; Beigeladene zu 5) und 6) \226 01.04. bis 31.05.2012). Die Auswertung der Ermittlungsergebnisse
des Hauptzollamts Lörrach habe ergeben, dass die Verantwortlichen der Klägerin mehrere rumänische Staatsbürger unter der Firma
B. G. GbR hätten eintragen lassen, um den Anschein einer selbstständigen Unternehmertätigkeit derselben zu erwirken. Die namentlich
bekannten Arbeitnehmer seien abhängig und weisungsgebunden beschäftigt gewesen. Vorliegend verfüge die (B. G.) GbR weder über
Büro- noch Lagerräume. Die rumänischen Gesellschafter seien in Deutschland in keiner Weise unternehmerisch tätig, sie verfügten
über keine bis lediglich rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache. Material und Fahrzeuge sowie Arbeitskleidung seien
durch die Klägerin gestellt worden. Ferner seien die Auftragnehmer in den Arbeitsablauf auf den Baustellen der Klägerin eingegliedert
gewesen. Die Gründung der GbR erscheine vor diesem Hintergrund rechtsmissbräuchlich, da sie einzig dem Zweck diene, die Sozialversicherungspflicht
einzelner Gesellschafter und das Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisverfahren zu umgehen. Letztlich stellten die Gesellschafter
lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen erfolge nach §
14 Abs
2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) eine Nettolohnhochrechnung. Bedingter Vorsatz liege hier vor. Säumniszuschläge seien zu erheben. Bei illegaler Beschäftigung
sei der Beitragsschuldner hinsichtlich der Kenntnis der Beitragsschuld mindestens grob fahrlässig.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass es sich um keine bei ihr abhängig beschäftigten Arbeitnehmer handele.
Das Strafverfahren gegen Tu. I. sei gegen Geldauflage eingestellt worden, da nicht habe festgestellt werden können, ob die
rumänischen Arbeitskräfte abhängig beschäftigt gewesen seien und diese auch zur Gerichtsverhandlung nicht erschienen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016, abgeschickt 09.02.2016, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch bei strafrechtlichen
Verfahrenseinstellungen könnten die Beitragsansprüche geltend gemacht werden. Verfügten Firmen nicht über die betrieblichen
und personellen Voraussetzungen, um einen Werkvertrag eigenständig ausführen zu können, handele es sich nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts um nicht werkvertragsfähige Firmen (sog Scheinfirmen oder Servicefirmen). Der angefochtene Bescheid
sei nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die am 10.03.2016 von der Klägerin, vertreten durch Tu. I., zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Anwaltlich vertreten lässt die Klägerin vortragen, T. F. sei zum 14.09.2013 aus der GbR ausgetreten, diese
sei aufgelöst. Es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin mehrere rumänische Arbeitnehmer unter der Firma B. G. habe eintragen
lassen; Herr G. habe die Firma selbst gegründet und eingetragen. Die Gesellschafter hätten die Arbeiten für die Firma B. G.
erbracht, nicht für die Klägerin; wenn, seien sie deren Arbeitnehmer. Das Strafverfahren sei nicht nur wegen des fehlenden
subjektiven Tatbestands eingestellt worden, sondern auch weil die Beweislage für die Rechtmäßigkeit der Beitragsansprüche
zweifelhaft gewesen sei, da die rumänischen Zeugen nicht hätten gehört werden können. Die Firma B. G. GbR habe über die betrieblichen
und personellen Voraussetzungen verfügt zur Ausführung von Werkverträgen. Sie habe eigenes Werkzeug, eigene Autos, eigene
Unterkünfte gehabt und selbst Werbung gemacht.
Am 30.03.2016 hat die Klägerin beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, der mit Beschluss vom 22.04.2016 (S 4 R 1414/16 ER) abgelehnt worden ist.
Das SG hat die Strafakten beigezogen und sodann mit Gerichtsbescheid vom 30.12.2016 unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids
die Klage abgewiesen. Ergänzend hat das SG ausgeführt, die Beigeladenen zu 1) bis 6) hätten lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt und seien in den Betrieb
der Klägerin und deren Arbeitsabläufe eingegliedert gewesen. Sie hätten lediglich Hilfstätigkeiten bzw Handlangertätigkeiten
ausgeführt, die Facharbeiten seien durch Beschäftigte der Klägerin ausgeführt worden. Gegen die Richtigkeit der Entscheidung
spreche nicht, dass T. F. inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Fi. und Tu. I. seien als Gesellschafter verblieben.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Gesellschaft in das Stadium der Abwicklung getreten sei; vielmehr vertrete die Klägerin
weiterhin ihre wirtschaftlichen Interessen, wie durch die vor dem SG geführten Verfahren, in denen Tu. I. als Vertreter der Klägerin auftrete, deutlich werde.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 09.01.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.02.2017 eingelegte Berufung
der Klägerin. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30.12.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf den Inhalt ihrer Bescheide sowie ihr Vorbringen in erster Instanz. Soweit wiederholt darauf hingewiesen
werden, dass der Gesellschafter T. F. ausgeschieden und die Gesellschaft aufgelöst sei, werde nicht berücksichtigt, dass nach
der Begründung des Gerichtsbescheids Fi. und Tu. I. Gesellschafter geblieben seien. Auf die Einstellung des Strafverfahrens
gegen Tu. I. könne sich die Klägerin nicht berufen, denn eine Einstellung nach §
153a StPO setze einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung voraus. Dem Beschuldigten
könne nicht die Erfüllung einer Auflage zugemutet werden, wenn die grundsätzliche Frage der Strafbarkeit nicht geklärt sei.
Wenn die Klägerin argumentiere, dass die Beigeladenen zu 1) bis 6) allenfalls bei der Firma G. GbR abhängig beschäftigt seien,
sei dies in sich widersprüchlich. Seien die Beigeladenen zu 1) bis 6) abhängig beschäftigt, könnten sie nicht zugleich Gesellschafter
sein, damit gebe es keine GbR. Der Beigeladene zu 3) habe in seiner Vernehmung vor dem Hauptzollamt am 13.11.2013 im Übrigen
ausgesagt, dass alles an Material und Werkzeug von der Klägerin gestellt worden sei. Zum Vorhandensein eines Fahrzeugs habe
der Beigeladene zu 1) bei der Befragung am 21.05.2012 ausgesagt, dass der Beigeladene zu 2) ein Fahrzeug der Klägerin organisiert
habe. Das Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs sei aber ohnehin nicht kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit, dies
gelte erst recht für eine Unterkunft.
Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Freiburg (35 Cs 411 Js 500/13) und die Akten des Hauptzollamts Lörrach Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)), statthaft (§§
143,
144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 05.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend für die Beschäftigung
der Beigeladenen zu 1) bis 6) durch die Klägerin im Zeitraum zwischen 01.02. und 31.05.2012 Sozialversicherungsbeiträge und
Säumniszuschläge iHv insgesamt 28.489,26 EUR nachgefordert.
Zunächst steht der Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage nicht entgegen, dass diese von der klägerischen GbR, vertreten
durch Tu. I., erhoben worden ist. Die Klägerin kann als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eigene Rechten und Pflichten begründen
und ist im Sozialgerichtsprozess beteiligtenfähig (st Rspr, BSG 29.11.2016, B 3 KS 2/15 R, SozR 4-5425 § 24 Nr 19 mwN). Nach dem Gesellschaftsvertrag waren allein Fi. I. und T. F. Gesellschafter. Dass Fi. I. hier lediglich als "Strohfrau"
eingeschaltet worden war und hinter der klägerischen Firma letztlich Tu. I. stand, der auch alle wesentlichen Entscheidungen
in Bezug auf die Einschaltung von Subunternehmern oder Arbeitnehmern traf, spielt insoweit keine Rolle. Insbesondere gibt
es keine Anhaltspunkte, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin nur ein Scheingeschäft (§
117 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) war. Ein Vertrag ist als sogenanntes Scheingeschäft gem §
117 Abs
1 BGB nichtig, wenn eine Willenserklärung einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Ein
Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Anschein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts
hervorrufen, die mit diesem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen dagegen nicht eintreten lassen wollen. Maßgeblich ist also der
übereinstimmende Parteiwille. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob die Parteien die zivilrechtliche Wirksamkeit
des Geschäfts ernstlich wollen oder nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob die Parteien zur Erreichung des mit dem Rechtsgeschäft
erstrebten Erfolgs ein Scheingeschäft für genügend oder ein zivilrechtlich wirksames, ernst gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig
erachtet haben. Es spricht viel gegen ein Scheingeschäft, wenn der von den Parteien erstrebte Erfolg objektiv die zivilrechtliche
Gültigkeit des Geschäfts voraussetzt (vgl Illmer, in: jurisPK-
BGB, Stand 19.05.2017, §
117 Rn 4 mwN). Wird beim Vertragsschluss eine Person als Vertragspartner vorgeschoben (sog Strohmann bzw Strohfrau), so sind
die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts in der Regel nicht erfüllt. Denn die erklärte Rechtsfolge ist von den Beteiligten
normalerweise ernsthaft gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger
Weise erreicht würde (BGH 04.04.2007, III ZR 197/06 mwN). So liegt der Fall auch hier. Tu. I. selbst konnte wegen Unzuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinn den Baubetrieb
als Gesellschafter nicht führen, er bekam nach eigenen Angaben auch keine Bankkredite mehr. Die wirksame Gründung einer GbR
durch seine Tochter mit dem Architekten F. war daher von den Beteiligten ausdrücklich gewollt.
Die Klägerin besteht auch nach der Kündigung von Herrn F. im September 2013 fort. Da nach dem wirksamen Gesellschaftsvertrag
nur zwei Gesellschafter vorhanden waren, endet die GbR mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters, hier durch Kündigung (§§
723,
726 BGB). Die Folgen der Auflösung der GbR richten sich nach §§
730 ff
BGB; abweichende Regelungen sind im Gesellschaftsvertrag nicht getroffen. Gemäß §
730 Abs
2 Satz 1
BGB gilt die Gesellschaft bis zum Abschluss der Liquidation als fortbestehend. Entgegen dem Wortlaut der Norm handelt es sich
nicht lediglich um eine Fiktion (Henssler/Strohn/Kilian, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., §
730 BGB Rn 6; Soergel/Hadding/Kießling,
BGB, 13. Aufl., §
730 Rn 1). Vielmehr bewahrt die Gesellschaft ihre Identität in personen- und vermögensrechtlicher Hinsicht. Auch ihre Rechtsfähigkeit
als Außengesellschaft besteht unverändert fort (MüKoBGB-Schäfer, 7. Aufl., § 730 Rn 24). Lediglich der Gesellschaftszweck
verändert sich, da er nunmehr auf Auseinandersetzung gerichtet ist BGH 08.03.1966, V ZR 32/64, WM 1966, 639, 640). Im Verhältnis zu Dritten treten deshalb, abgesehen von den Auswirkungen auf Geschäftsführung und Vertretung, keine
Änderungen durch die Auflösung ein (vgl MüKoBGB-Schäfer, aaO, § 730 Rn 24; Soergel/Hadding/Kießling, aaO, § 730 Rn 18). Die
GbR ist daher auch im Falle ihrer Auflösung so lange als parteifähig anzusehen, wie Rechte gegen sie geltend gemacht werden
und sie noch nicht vollständig liquidiert ist (BGH 19.11.2015, V ZB 201/14, WM 2016, 86; BGH 20.01.2017, XII ZR 83/11, juris). Vorliegend macht die Beklagte noch Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge geltend; eine vollständige Liquidation
ist von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
Schließlich kann die Klägerin auch wirksam durch Tu. I. vertreten werden. Es bestehen entgegen der Auffassung des SG allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Gesellschafter der Klägerin (geworden) ist, dies macht er auch selbst
nicht geltend. In der Abwicklungsgesellschaft sind nach §
730 Abs
2 Satz 2
BGB alle Gesellschafter gemeinschaftlich zur Geschäftsführung berechtigt. Dies gilt auch, wenn (wie hier) für die werbende Gesellschaft
Einzelgeschäftsführungsbefugnis vereinbart war (Staudinger-Habermeier,
BGB § 730 Rn 12). Durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss kann jedoch auch entsprechend § 146 Abs 2 Satz 2 Handelsgesetzbuch ein Dritter als Liquidator eingesetzt werden, der Grundsatz der Selbstorganschaft gilt während der Auseinandersetzung nicht
mehr (OLG Köln 29.05.1995, 19 U 83/94, NJW-RR 1996, 27; Bundesfinanzhof 24.03.2011, IV B 115/09, juris). Nach den gesamten Umständen des Falles ist der Senat davon überzeugt, dass Tu. I. im Interesse seiner Tochter und
von T. F. die Abwicklung der Klägerin betreibt und als Liquidator auch vertretungsbefugt ist. Eine andere Auslegung ließe
sich mit den Interessen der Beteiligten nicht in Einklang bringen, denn dann wäre die Folge, dass die Klage als unzulässig
angesehen werden müsste und der angefochtene Bescheid bestandskräftig wäre. Bei Vermögenslosigkeit der Klägerin könnten die
Einzugsstellen dann Haftungsbescheide gegen die Gesellschafter erlassen, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung der Forderung
dem Grunde nach noch erfolgen würde.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p
SGB IV. Nach § 28p Abs 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen
erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der
Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im
Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten
§
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß §
28h Abs
2 Satz 1 Halbsatz 1
SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.
Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger
davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen.
Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht
und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung
gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht
vom Statusfeststellungsverfahren nach §
7a Abs
1 Satz 1
SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§
28g Satz 1 und
2,
28e Abs
1 Satz 1
SGB IV).
Die Beklagte hat den Beitragsbescheid zutreffend an die Klägerin als GbR gerichtet, und nicht an die einzelnen Gesellschafter
(vgl LSG Nordrhein-Westfalen 25.01.2012, L 8 R 67/09, juris). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist anerkannt, dass die GbR (und nicht ihre Gesellschafter)
Arbeitgeber der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ist (BAG 30.10.2008, 8 AZR 397/07, NZA 2009, 485). Auch in der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass die nach außen im Rechtsverkehr handelnde GbR Trägerin von Rechten und Pflichten, Adressatin von Bescheiden
sein kann und prozessfähig ist (BSG 29.01.2009, B 3 P 8/07 R, SozR 4-3300 § 89 Nr 1).
Der angefochtene Bescheid ist auch ansonsten formell rechtmäßig, denn die Beklagte hat die Klägerin vor Erlass ordnungsgemäß
angehört (§ 24 SGB X).
Der Rentenversicherungsträger kann sich im Rahmen der Prüfung beim Arbeitgeber nach § 28p
SGB IV allein auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsergebnisse der
Zollverwaltung stützen. Das Unterlassen einer eigenen Betriebsprüfung beim Arbeitgeber führt nicht zur Rechtswidrigkeit des
Bescheides (LSG Baden-Württemberg 29.06.2017, L 10 R 592/17, DStR 2017, 2444; Sächsisches LSG 22.04.2016, L 1 KR 228/11).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V, §
20 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB XI, §
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI, §
25 Abs
1 SGB III), es sei denn Versicherungspflicht scheidet aufgrund gesetzlicher Regelungen aus. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer
abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11 AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit
und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den
genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung;
vgl zum Ganzen etwa BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).
Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des
rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten,
so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag
geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte
Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BSG seit mindestens 2008, vgl auch hierzu BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat davon überzeugt, dass die Firma B. G. GbR nur zum Schein gegründet
worden ist und die Beigeladenen zu 1) bis 6) tatsächlich als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt waren. Dies entspricht
auch der Beurteilung der Finanzverwaltung, die von Scheinselbstständigkeit statt umsatzsteuerrechtlicher Unternehmereigenschaft
der Firma ausging. Die Beigeladenen zu 1) bis 6) haben für die Klägerin im streitigen Zeitraum Bauhelfertätigkeiten auf der
Baustelle E.str. 12 in Freiburg ausgeführt. Die Beigeladenen zu 1) bis 6) verfügten nicht über die erforderliche Arbeitsgenehmigung-EU
nach §
284 SGB III (idF vom 20.12.2011, BGBl I 2854), die für rumänische Staatsangehörige aufgrund der erst ab 01.01.2014 geltenden vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit
im streitigen Zeitraum noch erforderlich war. Um das Erfordernis der Arbeitsgenehmigungen zu umgehen und die Arbeitnehmertätigkeit
zu verschleiern, hat die Klägerin selbst den Rechtsschein einer als Subunternehmerin zu beauftragenden GbR veranlasst. Tu.
I. hatte Kontakt zu dem Beigeladenen zu 2), der als Einziger der rumänischen Bauarbeiter deutsch sprach und der die übrigen
Beigeladenen zu 1), 3) bis 6) angeworben hat. Tu. I. selbst hat den Gesellschaftsvertrag der B. G. GbR als Entwurf dem Beigeladenen
zu 2) gegeben. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Freiburg am 13.05.2015 hat er dazu ausgesagt: "Den Entwurf vom
Gesellschaftsvertrag habe ich ihm (G.) mitgegeben und ihm gesagt so sieht ein allgemeiner Gesellschaftsvertrag aus. Ich habe
ihm gesagt du gründest eine Firma, dann brauchst du einen Gesellschaftsvertrag." Auch die Wohnung in L., die der Beigeladene
zu 2) angemietet hatte, hat Tu. I. organisiert. Auffällig ist insoweit auch der zeitliche Ablauf. Die Gewerbeanmeldung der
Beigeladenen zu 1) bis 4) als GbR erfolgte bereits am 07.02.2012, während der Gesellschaftsvertrag erst mit dem 08.02.2012
unterschrieben wurde. Während dem Beigeladenen zu 1) bewusst war, dass er als Selbstständiger tätig werden sollte ("Wir haben
deshalb eine GbR gegründet, weil wir nur als Hilfsarbeiter für die Firma To. Bau tätig werden."- so in der Vernehmung mit
Dolmetscher am 21.05.2012, Blatt 89 Bd 1 der Strafakten), war dem Beigeladenen zu 3) überhaupt nicht klar, dass er eine Gesellschaft
gegründet hatte. So hat er in seiner Vernehmung am 13.11.2013 ausgeführt, er habe nicht gewusst, dass er Firmeninhaber gewesen
sei. Er sei zusammen mit G., seinem Schwager S., seinem Bruder und "dem I." von To.-Bau GbR ins Rathaus in L. gegangen, dort
hätten sie ihre "Arbeitsgenehmigung" erhalten. Er habe gedacht, das Papier, das sie im Rathaus erhalten hätten, sei eine Arbeitsgenehmigung
(Blatt 417 Bd 1 der Strafakten). Eine im Rahmen der Durchsuchung sichergestellte E-Mail des Beigeladenen zu 2) an Tu. I. bestätigt,
dass tatsächlich die Beigeladenen zu 1) bis 6) nicht als GbR als Subunternehmer auftraten. Dort wird ausgeführt (Blatt 101
Beweismittel Hauptakte): " Ich habe einige Fragen und sie sind: über Unterkunft, Transport zwischen Unterkunft und Arbeit
und Privatleben über mein Gehalt, weil ich in dieser Gruppe werden als: Zimmermann, Maurer, Kranführer und Vorarbeiter." Zudem
wurden bei der Klägerin mehrere Blätter mit Blankounterschriften zum einen des Beigeladenen zu 2) sowie der Beigeladenen zu
1) bis 4) gemeinsam jeweils handschriftlich mit vollen Namen in Druckbuchstaben sowie Unterschriften gefunden. Nach den Angaben
des Tu. I. bei seiner Vernehmung durch das Hauptzollamt am 09.10.2013 seien diese bei den von der B. G. vorgelegten Unterlagen
wie Gewerbeanmeldung, Mietvertrag etc dabei gewesen, er habe sie einfach abgeheftet. Die Klägerin hat den Beigeladenen zu
1) bis 6) für die Fahrten zur Baustelle zudem kostenfrei einen Golf (F ) zur Verfügung gestellt. Zudem wurde der Beigeladene
zu 2) im Rahmen der Verkehrsüberwachung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung am 28.02.2012 als Fahrer des auf Tu. I. zugelassenen
Kfz (Kia Kombi) mit dem Kennzeichen F festgestellt, welches ihm ebenfalls von diesem zeitweise überlassen worden war. Die
gesamten Umstände lassen zuverlässig den Schluss zu, dass die Klägerin selbst das Geschäftsmodell der aus rumänischen Bauarbeitern
bestehenden GbR veranlasst hat, um an billige Arbeitskräfte zu kommen. Gab es die Firma B. G. GbR gar nicht, konnte die Klägerin
mit ihr auch keinen Werkvertrag schließen.
Aber auch die Beigeladenen zu 1) bis 6) als Einzelpersonen waren auf der Baustelle E.str. in F. nicht als selbstständige Unternehmer
tätig, sondern sie waren eingegliedert in die betrieblichen Abläufe, die maßgebend von Tu. I. als Mitarbeiter der Klägerin
vorgegeben waren. Die Beigeladenen zu 1) bis 6) sowie auch Tu. I. selbst haben stets geltend gemacht, dass diese lediglich
Hilfsarbeiten ausgeführt hätten, insbesondere Grabarbeiten, Tragen von Material etc. Dabei wurden die Anweisungen von Tu.
I. gegeben, wie die Beigeladenen zu 1), 5) und 6) bei ihrer Vernehmung am 21.05.2012 ausgesagt haben. Tu. I. hat nach seinen
eigenen Angaben in der Hauptverhandlung beim Amtsgericht Freiburg am 13.05.2015 auf der Baustelle mitgearbeitet. Zwar hat
er zunächst behauptet, es habe keine Anweisungen gegeben, dann jedoch zugestanden, dass Koordination auf der Baustelle immer
wichtig sei. Es habe sich um ein Hanggrundstück gehandelt, bei dem man sich sozusagen auf den Füßen stehe. Wörtlich ist protokolliert
(Blatt 799 Bd 2 der Strafakten): "Es ist doch klar, dass ich sage, mach die Schalung woanders hin, damit wir dort arbeiten
können. Die Baustelle ist ein kleiner Raum. Es ist klar, dass ich Anweisung geben muss." Dabei hat er Anweisungen zumeist
über den Beigeladenen zu 2) gegeben, da dieser als Einziger deutsch sprach. Wenn dieser nicht dort gewesen sei, habe er auch
direkt mit den rumänischen Bauarbeitern gesprochen ("Sie konnten schon Deutsch, Baustellendeutsch, man versteht sich dann.").
Die untergeordneten Hilfstätigkeiten der Beigeladenen zu 1) bis 6) konnten nach alledem gar nicht anders als eingefügt in
die von der Klägerin vorgegebene betriebliche Ordnung auf der Baustelle erbracht werden. Der Senat hat keinen Zweifel daran,
dass die Beigeladenen zu 1) bis 6) einem Weisungsrecht der Klägerin bezüglich Ort, Zeit sowie der Art und Weise der auszuführenden
Bauhilfsarbeiten unterlagen.
Es gibt auch ansonsten keinerlei Anhaltspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 6) sprechen.
Material und erforderliches Werkzeug wurde von der Klägerin gestellt, die Beigeladenen zu 1) bis 6) verfügten allenfalls über
Kleinwerkzeug, wie dies in der Baubranche nicht unüblich ist. Ein relevantes unternehmerisches Risiko lag jedoch nicht vor.
Für die von der Klägerin behauptete Eigenwerbung der B. G. und deren unternehmerisches Auftreten am Markt gibt es überhaupt
keine Anhaltspunkte. Für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 6) für die Klägerin gibt es ansonsten keine weiteren schriftlichen
Unterlagen. Stundenaufschriebe erfolgten nicht, die in bar gezahlten Löhne wurden nicht quittiert.
Die Gewerbeanmeldungen der Beigeladenen können nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass sie selbstständig
tätig gewesen sind, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet
nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus,
begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter
Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn bei Seiten eine selbstständige freie
Mitarbeit wollten.
In der Gesamtschau überwiegen daher angesichts der deutlichen Eingliederung in den Betriebsablauf der Klägerin die Gesichtspunkte,
die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Der Wertung als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse steht
nicht entgegen, dass die Beigeladenen zu 1) bis 6) als rumänische Staatsangehörige nach §
284 Abs
1 Satz 1
SGB III zum damaligen Zeitpunkt eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben durften. Die Missachtung
des sich aus §
284 SGB III ergebenden Beschäftigungsverbots stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§
404 Abs
2 Nr
4 SGB III), führt aber nicht dazu, dass die ohne Genehmigung ausgeübte Beschäftigung als strafrechtlich verbotene Tätigkeit betrachtet
werden muss. Vielmehr wird im Rahmen einer grundsätzlich erlaubten Tätigkeit (zB als Bauarbeiter) gegen ein Verbot (Beschäftigungsverbot
nach §
284 Abs
1 SGB III) verstoßen (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 1862/12 mwN). Wird - wie hier \226 eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht, schuldet der Arbeitgeber auch die Vergütung mit der
Folge, dass auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgelegen hat.
Die Zuordnung der Entgelte zu den Beigeladenen zu 1) bis 6) und die Beitragsberechnung ist nicht zu beanstanden. Aufzeichnungen
über die Anwesenheit der einzelnen Bauarbeiter und die geleisteten Arbeitsstunden wurden nach übereinstimmenden Angaben nicht
geführt. Da die Klägerin ausgehend von abhängigen Beschäftigungen damit objektiv ihre Aufzeichnungspflicht bzgl der tatsächlich
geleisteten Stunden und der Aufteilung des Entgelts auf die jeweiligen Beigeladenen zu 1) bis 6) verletzt hat und keine diesbezüglichen
Aufzeichnungen vorlegen kann, durfte die Beklagte die Entgelte personenbezogen schätzen (§
28f Abs
2 SGB IV). Dass sie hierzu die nach den Buchhaltungsunterlagen der Klägerin an die B. G. GbR gezahlten Gesamtbeträge gleichmäßig auf
die jeweils tätigen Gesellschafter umgelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine abweichende
Zuordnung sind nicht ersichtlich. Es gibt auch keine Grundlage, lediglich die an die Beigeladenen zu 1) bis 6) tatsächlich
ausgezahlten Beträge der Verbeitragung zugrunde zu legen. In § 9 Nr 4 des Gesellschaftsvertrags der B. G. GbR war eine monatliche
Entnahme von 1.000 EUR durch jeden Gesellschafter unter Anrechnung auf den Gewinnanteil geregelt. Dies dürfte auch ungefähr
den Erwartungen entsprechen, welche die Beigeladenen zu 1) bis 6) aufgrund der insoweit allein mündlich getroffenen Abreden
zu ihrem Lohn hatten. So haben die Beigeladenen zu 1), 5) und 6) in ihrer Vernehmung am 21.05.2012 ausgesagt, ihnen sei gesagt
worden, sie würden 800 \226 1.000 EUR im Monat (nach Abzug der Wohnkosten) erhalten. Auch der Beigeladene zu 3) hat in seiner
Vernehmung am 13.11.2013 ausgesagt, ihm und seinem Bruder seien monatlich 700 \226 800 EUR bar gezahlt worden. Bei den Auszahlungsbeträgen
waren allerdings bereits jeweils Abzüge für die Wohnungsmiete vorgenommen worden, so dass die Beklagte zutreffend die von
der Klägerin nach den Buchhaltungsunterlagen gezahlten Beträge insgesamt zugrunde gelegt hat, nicht die an die Beigeladenen
zu 1) bis 6) letztlich bar unter Verrechnung der geforderten Unterkunftskosten ausgezahlten Beträge.
Ausgehend von den vorliegenden Zahlungen (Nettobeträge) hat die Beklagte zu Recht die Beiträge auf Grundlage des §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV berechnet. Nach dieser Vorschrift, die im Zuge der Bekämpfung illegaler Schattenwirtschaft ("Schwarzarbeit") eingeführt worden
ist (vgl BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 13 Rn 17), gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge
zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Demnach gelten als Arbeitsentgelt zunächst die
Einnahmen des Beschäftigten. Hinzugerechnet werden auf den Nettobetrag entfallende Lohn- und Kirchensteuer sowie Sozialversicherungsbeitragsanteile
des Arbeitnehmers (vgl Seewald, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
SGB IV, §
14 Rn 134). Der Senat ist davon überzeugt, dass vorliegend neben der objektiven Verletzung zentraler arbeitgeberbezogener Pflichten
bei der Klägerin auch diesbezüglich mindestens bedingter Vorsatz vorgelegen hat (vgl zu dieser Voraussetzung BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, BSGE 109, 254, SozR 4-2400 § 14 Nr 13 Rn 28).
Zunächst ist Voraussetzung das Vorliegen einer sog illegalen Beschäftigung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt
hierzu in objektiver Hinsicht, dass der Arbeitgeber die Betroffenen zu Unrecht als selbständig behandelt und insgesamt weder
Steuern noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung abgeführt hat. Dies ist - wie oben ausgeführt - vorliegend
der Fall gewesen.
In subjektiver Hinsicht ist darüber hinaus zumindest bedingter Vorsatz bezogen auf die Vorenthaltung der Beiträge und Steuern
zu fordern (BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, BSGE 109, 254, SozR 4-2400 § 14 Nr 13). Bedingt vorsätzlich handelt, wer seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung
der Beiträge billigend in Kauf genommen hat (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 16.09.2013, L 8 R 361/13 B ER mwN). Auch diese Voraussetzung ist zur Überzeugung des Senats erfüllt. Soweit Tu. I. wiederholt ausgeführt hat, er sei
angesichts der Gewerbeanmeldungen davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei und habe die Zusammenarbeit sofort beendet,
nachdem die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts nicht habe vorgelegt werden können, widerspricht dies seiner aktiven
Rolle bei der Gewinnung der eingesetzten rumänischen Arbeitskräfte. Sowohl die Gründung der B. G. GbR, als auch die Versorgung
der rumänischen Arbeitskräfte mit Wohnraum, die Überlassung eines Kfz und die gesamte Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen
den Beigeladenen zu 1) bis 6) und zwischen diesen und der Klägerin geht auf seine Initiative zurück. Schließlich spricht auch
die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn nach §
153a StPO gegen eine Geldauflage von 3.000 EUR, also deutlich höher als die ursprünglich im Strafbefehl verhängten 180 Tagessätze à
10 EUR, für eine durchaus gegebene hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit, worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Abgesehen
davon reicht die Kenntnis aller tatsächlichen Umstände des Sachverhalts für die Begründung von Vorsatz aus, selbst wenn möglicherweise
eine fehlerhafte Subsumtion und damit unzutreffende rechtliche Würdigung durch den Betroffenen erfolgt. Ein etwaiger Irrtum
über die Arbeitgebereigenschaft stellt daher lediglich einen den Vorsatz nicht berührenden Subsumtionsirrtum dar (BGH 07.10.2009,
1 StR 478/09, NStZ 2010, 337). Für den Senat steht daher aufgrund der gesamten Umstände fest, dass die Klägerin, der das vorsätzliche Handeln des Tu.
I. zuzurechnen ist, mit der Möglichkeit der Beitragspflicht zur Sozialversicherung rechnete, jedoch gleichwohl die Beiträge
nicht abführte und diese damit vorsätzlich vorenthielt.
Die von der Beklagten durchgeführte Hochrechnung vom Netto- auf das Bruttoentgelt unter Berücksichtigung der ungünstigen Steuerklasse
VI in Anwendung des
Einkommensteuergesetzes ist rechtmäßig (vgl dazu Schleswig-Holsteinisches LSG 17.09.2015, L 5 KR 146/15 B ER, NZS 2015, 913).
Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Nach §
25 Abs
1 Satz 1
SGB IV verjähren Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die im Jahr 2012 fällig
gewordenen Beiträge wären daher nach der regelmäßigen Verjährungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2016 verjährt, wurden
aber bereits mit Bescheid vom 12.05.2015 nacherhoben. Abgesehen davon gilt bei vorsätzlicher Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen
die 30jährige Verjährung nach §
25 Abs
1 Satz 2
SGB IV (BSG 21.03.2007, B 11 AL15/06 R, SozR 4-2400 § 25 Nr 1).
Auch die Festsetzung der Säumniszuschläge auf Grundlage des §
24 Abs
2 SGB IV ist zutreffend erfolgt und nicht zu beanstanden. Denn die Berechtigung, rückwirkend Säumniszuschläge zu erheben, beruht auf
der vom Gesetzgeber implizit angestellten Vermutung, dass der Beitragsverpflichtete den Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt
seiner konkreten Verpflichtung kennt und deshalb für Rückstände verantwortlich ist, so dass insoweit grundsätzlich kein Vertrauensschutz
in Frage kommt (vgl Seewald, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
SGB IV, §
24 Rn 13). Säumniszuschläge sind nach §
24 Abs
2 SGB IV nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
hatte (vgl Schlegel in Küttner, Personalhandbuch 2011, Stichwort "Säumniszuschlag/Sozialversicherungsrecht" Rn 16). Dies ist
vorliegend gerade nicht der Fall, da die Beiträge vorsätzlich vorenthalten wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG iVm §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
162 Abs
3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden
Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
12. Aufl 2017, § 197a Rn 29 mwN).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach §
197a Abs
1 SGG iVm §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen Nachforderung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG).